LdN325 LehrerInnenmangel: Gründe

Zum Problem des „Anwerbens“ von neuen Lehrkräften: Ich hatte vor ein paar Monaten ein Gespräch mit einem Bundesfreiwilligendienstleistenden (kurz Bufdi), der unbedingt Grundschullehramt studieren wollte. Nun hatte er das Problem, dass keine Uni, die für ihn in Betracht kam (auch aus finanziellen Gründen wollte er in seiner Heimatregion bleiben) , sein Fachabi nur mit einem BFD in einer Grundschule als Zugangsvoraussetzung akzeptiert hätte. Er hatte aber bei sich in der Nähe (hier nochmal: je nachdem, wie eine Familie finanziell aufgestellt ist, sind die Möglichkeiten eines Umzugs und von Mobilität begrenzt) keinen Platz mehr an einer Grundschule bekommen und hat seinen BFD an einem Jugendzentrum gemacht. Das reicht der Uni aber nicht.
Ich hab mit ihm verschiedene Möglichkeiten durchgespielt und sagte ihm dann absurderweise, dass bei dem Lehrkräftemangel zur Zeit ja auch ein Quereinstieg möglich sei. Jetzt studiert er Soziale Arbeit, in der Hoffnung, irgendwann über Umwege an die Grundschule zu kommen.
Wenn ich dann vom Lehrkräftemangel höre, kann ich mir angesichts solcher Geschichten nur ratlos den Kopf kratzen.

Und bezüglich Vollzeitpflicht: meine Frau arbeitet an einer Realschule und hat dort eine 75% Stelle. An ihrem freien Tag fährt sie aber dennoch häufig zur Schule, um bestimmte Aufgaben zu erledigen, die sie sonst nicht schaffen würde.

Grundsätzlich gibt es viele Dinge, die die Arbeit an Schulen unattraktiv macht: starre Lehrpläne, wenig Zeit für die Vorbereitung innovativerwr Lehrformen, mangelhaftes Equipment und auch nicht zu vergessen: ein Referendariat als Zugangsvoraussetzung, bei dem manche Fachlehrkräfte ihre sadistische Seite finden und manche angehende Lehrkräfte an den Rand des Wahnsinns führen. Ich kenne ein paar, die nach dem Referendariat der Schule den Rücken gekehrt haben oder kurz davor waren.

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Im Ergebnis müssen wir festhalten, dass ein reines mehr an Praxis keine Vorteile bringt.

Ganz ehrlich, ich will deine Kompetenz nicht im Ansatz anzweifeln aber ist die Argumentation „mehr Praxis hilft nicht“ genau der Grund, warum die „normale“ Ausbildung (also díe duale Ausbildung Berufschule und Betrieb) und das Studium (nicht das duale Studium) wie eine Schere auseinander geht - was das Fachwissen angeht?

In meiner Branche (IT) gibt es durch Fachkräftemangel kaum noch eine Unterscheidung ausser man treibt es bei gewissen Stellen auf die Spitze. Sind Lehrkräfte nicht in der gleichen Situation?

Meine Frau hat damals das Abi gemacht, normale Ausbildung im Banksektor und im Anschluss ein duales Studium gemacht und war immernoch schneller fertig als manche die auf Lehrarmt studiert haben aus ihrer Abiturzeit. Weiß nicht wie das geht aber man kann doch nicht behaupten (abstrakt gesehen), dass jemand von der Uni das gleiche Fachwissen hat wie jemand mit einem dualen Studium (im Optimalfall mit Ausbildung)

Oder sehe ich das komplett falsch!?

Ich verstehe deinen Ansatz sehr gut, der darauf abzielt die fachwissenschaftliche durch die Praxis/Perspektive der Arbeitswelt zu ergänzen. Sicherlich ein sinnvoller Ansatz, was vielleicht durch Kooperationen mit der Wirtschaft oder einer Stärkung der Praktika möglich wäre. Der Teufel liegt bei diesen Ideen sicherlich im Detail, wie kann man so den curricularen Ansprüchen aller Fächer gerecht werden und wer garantiert eine ausreichend hohe Qualität bei dem Input aus der „Arbeitswelt“ und wie wird hier verhindert, dass Betriebe diesen Einfluss für Werbung nutzen.

Beste Grüße

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Ich erlebe das Thema zurzeit aus mehreren Perspektiven:

  1. In meinem Freundeskreis sind mehrere Lehrer’innen.
  2. Ich habe schulpflichtige Kinder.
  3. Mein Mann ist in der Lehrerbildung tätig.

Lehrer’innen sind oft mit ihren normalen Aufgaben schon überfordert. Da genügt ein Kind, das permanent den Unterricht stört, und schon bricht alles zusammen. Die Klasse kommt im Stoff nicht voran, die Lehrenden sind genervt und schneller erschöpft, die Eltern beschweren sich, die Kinder sind genervt und es kommt zu Mobbing. Kinder werden von anderen Kindern gemobbt, Lehrer’innen werden von Kindern und Eltern gemobbt. Lehrer’innen haben quasi keine Handhabe. Strafen sind nicht erlaubt. Gespräche mit den Eltern führen selten zu positiven Veränderungen. Eher noch drohen die Eltern mit dem Anwalt. Immer weniger Lehrer’innen haben deshalb Lust, eine Klasse als Klassenlehrer’in zu übernehmen oder mit der Klasse zu verreisen.
Aber auch im Studium gibt es Probleme. Die Ausbilder dürfen Studierende nicht schlecht bewerten oder gar durchfallen lassen, sodass teilweise ungeeignete Leute, die ja eigentlich kompetent sein sollten, in den Schulen auf die Kinder losgelassen werden. Dazu kommt noch die teilweise miese Ausstattung an den Unis. Da werden Gebäude nicht saniert, Toiletten sind ständig verstopft, das Wasser ist abgestellt. Das ist alles nicht nur für die Studierenden lästig, sondern vor allem auch für die Ausbildenden, die sich neben ihrem eigentlichen Job z.B. ständig mit der Bauabteilung herumärgern müssen. Neue Gebäude, die teilweise schon seit vielen Jahren geplant sind, werden nicht gebaut, obwohl die alten mehr und mehr wegbröseln. Wenn Aufgaben (Putzarbeiten, Baumaßnahmen,…) erledigt werden, dann immer von Fremdfirmen, die sich nicht an Vorschriften oder Termine halten, die ihren Job schlecht machen und dann noch unfreundlich sind, wenn man sie drauf anspricht. Auch darum müssen sich die Ausbildenden kümmern. Der Krankenstand ist übrigens auch hier seit der Pandemie ein Problem. Und wenn man vorher das Personal schon auf Kante genäht hat, dann klaffen da jetzt Lücken, die die übrigen Leute schließen müssen. Kein Wunder, dass die das nicht lange durchhalten und ihrerseits (chronisch) krank werden.

Ich will aber nicht nur das Schlechte aufzählen, sondern ich habe aber auch ein paar Denkanstöße, was man - auch kurzfristig - tun könnte, um die Probleme zu mildern. Es gibt nämlich viele Leute, die einst Lehrkraft waren, aber entweder berufsunfähig wurden oder rechtzeitig den Beruf gewechselt haben, bevor sie dem Burnout zum Opfer fielen. Natürlich wollen die nicht einfach so zurück in diesen Beruf, wie er zurzeit ist. Aber man könnte zusätzlich zur Präsenzschule ein Angebot erstellen, bei dem Kinder und Lehrkräfte zuhause bleiben können. Es gibt schließlich viele chronisch kranke Kinder (z.B. mit LongCOVID), Kinder mit Behinderungen oder schweren Allergien oder auch Kinder, die einfach besser allein lernen als in der Gruppe. Um diese zuhause zu beschulen brauchen wir Lehrkräfte, die per Internet, Telefon oder bei Bedarf auch mal per Hausbesuch zur Verfügung stehen. Und jetzt kommt der Clou! Nicht jede Lehrkraft muss hier jede Aufgabe machen. Es gibt Lehrkräfte, die gern erklären, aber sich nicht gern Aufgaben ausdenken oder diese korrigieren. Andere denken sich gern Aufgaben aus. So kann jede Lehrkraft das machen, was sie am besten kann und was ihr am meisten Spaß macht. Dann hat diese Lehre auch die beste Qualität! Außerdem können sie sich die Zeit einteilen, wie es am besten in ihr Leben passt. Frühaufsteher machen Sprechstunden per Videochat mit Kindern, die auch gern früh aufstehen. Andere machen die Spät- oder Nachtschicht.
Welche Kinder nun dieses Homeschooling machen dürfen, kann man ja festlegen. Es kann Testphasen geben, in denen man beobachtet, ob diese Kinder ihre Aufgaben regelmäßig machen und wie ihre Prüfungsergebnisse sind. Notfalls entzieht man ihnen die Erlaubnis wieder.
Diese zusätzliche Form der Beschulung würde auch den Straßenverkehr entlasten, weil die teilnehmenden Kinder und Lehrkräfte zuhause bleiben können. So haben alle anderen mehr Platz auf der Straße. Eltern müssen ihre Kinder nicht zur Schule bringen, denn leider ist das Elterntaxi noch immer weit verbreitet. Kinder und Lehrkräfte, die Mobbing erleben mussten, könnten entspannt zuhause arbeiten. Lehrkräfte mit Burnout könnten so einen sanften Wiedereinstieg in den Beruf haben. Ja, das kostet alles Geld und es muss organisiert werden. Aber das gilt für jede Lösung dieses Problems. Ansonsten sehe ich da nur Vorteile.

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Außerdem müssen wir endlich mal dafür sorgen, dass die Qualität der Schulen überall gleich ist. Zum Einen ist es derzeit total ungerecht für die Kinder. Zum Anderen führt die unterschiedliche Qualität der Schulen dazu, dass Kinder teilweise in anderen als ihrem Wohnort/Bezirk zur Schule gehen, teilweise indem die Eltern sie dort hineinklagen. So werden die „schlechten“ Schulen noch „schlechter“, weil andere Eltern dazu nicht die nötigen Informationen, keine Zeit, keine Kraft und auch nicht das Geld haben. Außerdem belastet das den Straßenverkehr, weil viele Schulkinder längere Schulwege haben, als eigentlich nötig wäre. Würde jedes Kind in die nächstgelegene Grund- oder Oberschule gehen, wären die Schulwege minimal, sie hätten mehr Freizeit, es gäbe weniger Unfälle, es gibt weniger Abgase, Feinstaub, CO2-Ausstoß etc. Und auch die Eltern hätten mehr Zeit, würden weniger Benzin verbrauchen etc. Und die Kinder würden in der Schule nur Kinder aus ihrer eigenen Nachbarschaft treffen, mir denen sie nach der Schule zu Fuß nach Hause gehen. Sie könnten sich gegenseitig ohne große Planungen besuchen. Überhaupt ist es ja am gesündesten, wenn sie zu Fuß oder mit dem Rad zur Schule gelangen, weil sie so morgens an der frischen Luft bei Tageslicht Bewegung haben, dann sind sie im Unterricht auch ausgeglichener.

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Ich denke, die Überlastung der Lehrer liegt häufig in der falschen Motivation, den Lehrberuf zu erwählen:

Dazu gibt es valide Studien, beispielsweise eine von den Pädagogikprofessoren Ewald Kiel und Guido Pollak. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass ein Viertel der Studierenden wegen des Beamtenstatus auf Lehramt studieren, ein Viertel wegen Interesses an dem Hauptfach, das sie studieren, also Mathematik oder Sport etc. Ein weiteres Viertel wegen der schönen Ferienzeiten und das letzte Viertel aus Interesse an Pädagogik und Didaktik, also wirklich aus dem Wunsch heraus, zu unterrichten. Das ist erschreckend wenig und ich kann das aus eigener Erfahrung auch bestätigen. In den bereits erwähnten Tandemseminaren fragen wir die Studierenden auch, warum sie eigentlich Lehramt studieren. Eine häufige Antwort lautet „naja, fürs Diplom hat es halt nicht gereicht“ oder „meine Mutter war auch Lehrerin“, also völlig unwesentliche Motive.

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Was mir in eurer Betrachtung noch fehlt ist tatsächlich die massive Ungleichbehandlung von verbeamteten und nicht-verbeamteten Lehrern. Letztgenannte werden im aktuellen Schulbetrieb in fast allen Aspekten systematisch benachteiligt, sei es die Bezahlung, die Rentenansprüche, diese widerliche Praxis der Kündigung während Ferienzeiten, usw.

Wenn man insbesondere Quereinsteiger ansprechen und für diese den Lehrberuf attraktiv machen möchte wäre das Abstellen dieser Diskrimierung eigentlich der allererste Schrittt, der passieren müsste.

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Ich habe einen Master in Angewandter Informatik und habe mich nach 3 Jahren Berufserfahrung als Projektkoordinatorin (ähnlich Scrum-Masterin) für den Lehrerinnenberuf entschieden. Aktuell bin ich als Quereinsteigerin in Hamburg im Referendariat für Mathe und Informatik.

Ich finde es super, dass das Thema Lehrerinnen-Mangel in Deutschland in LdN aufgegriffen wird. Unglaublich, dass die Planung von seiten der Kultusministerien so schief läuft!

Außerdem finde, dass die Beiträge die krasse Realität gut wiedergeben, ich könnte selbst verschiedenste Anekdoten beisteuern.

Nur eine kleine Anmerkung an Philip und Ulf: ein Großteil der Lehrkräfte sind Frauen. Bei diesem Beiträg würde ich mir wünschen, dass nicht-männliche Personen in eurem Podcast mehr zu Wort kommen.

Herzlich! Katrin

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Eine kleine Anmerkung, die nur mit dem Kapitel was zu tun hat: Es fällt der Satz „[…] und es gibt einfach auch viele Fähigkeiten die kann man nur als Kind erlernen, und wenn du 6/7/8/10/12 bist und du hast diese Fähigkeiten nicht erlernt, dann sind die halt perdu, dann kannst du das nicht […]“.

Hier möchte ich noch einmal eine Lanze für das Lebenslange Lernen und die Erwachsenenbildung brechen: Denn das stimmt nach meinem Wissen nicht ganz. In meinem Studium (Bildungs- und Erziehungswissenschaften) hieß es, dass man (rein lernpsychologisch) auch im höheren Alter alles lernen kann. Es gibt in der Entwicklung „sensible Phasen“, in welchen man besonders empfänglich für gewisse Lernprozesse ist. Aber auch wenn es eventuell deutlich schwieriger ist, kann man es zumindest theoretisch immer noch später lernen.

Ändert natürlich nichts an der Problematik des Lehrkräftemangels und der Abhängigkeit vom Elternhaus. Zumal Unterrichtsausfall ja auch Auswirkung auf Schule als Solzialisierungsfeld hat. Wollte nur drauf eingehen, weil es ein weit verbreitetes Missverständnis ist.

Alles in allem ein echt guter und wichtiger Beitrag!

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Kurzer Einwurf auch in den Krippen und Kitas fehlt das Fachpersonal. Also wird auch der verpflichtende Ganztag darunter leiden, dass es kein Personal gibt.
Also schöne Idee, die Schulen mit Sozpäds und Erzieherinnen zu unterstützen aber auch die sind Mangelware!

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Liebes Lage-Team,

vielen lieben Dank für diesen Beitrag. Es ist dermaßen ernüchternd, zu sehen, in welchem Zustand unser Bildungssystem ist. Vor allem, wenn ich daran zurückdenke, dass ich schon in den 90er-Jahren als Schülerin, unter dem Berliner Senator für Bildung Klaus Böger, auf Demonstrationen gegangen bin und eine Veränderung im Schulsystem eingefordert habe. Übrigens, auch sehr frustrierend, weil ich zu der Zeit das erste Mal die Erfahrung gemacht habe, das Gefühl zu haben, als würde sich die Politik für solche Demos und die Interessen der Bürger:innen und vor allem der Schüler:innen ohnehin nicht interessieren, weil offensichtlich danach nichts wirklich Konstruktives passiert ist.

Außerdem hatte ich nach dem Abitur es in Erwägung gezogen, Grundschullehramt zu studieren. Eine enge Freundin von mir, war schon mittendrin und hatte einige Prüfungen in Mathematik hinter sich und bereits da, waren wir gemeinsam schockiert über die inhaltlichen Anforderungen in Mathematik, die sie erbringen musste, die wirklich niemals in der Grundschule Thema sein werden.
Als ich mich dann für Grundschullehramt Musik beworben habe, stachen meine pädagogischen Fähigkeiten immer heraus, aber inhaltlich kam ich noch nicht an die Leistungen heran, die meine Mitbewerber:innen mitbrachten. Ich hatte mich umgehört und die Mehrheit waren Musiker:innen, die sich zum Lehramt alternativ bewarben, falls sie fürs Studium zur Berufsmusikerin oder zum Berufsmusiker nicht angenommen werden. Ich war erschüttert und enttäuscht und habe dem Schulsystem den Rücken gekehrt. Mir war einfach nicht klar, wieso pädagogische Fähigkeiten nicht absolute Priorität haben und alles andere in der Ausbildung noch nachgeholt werden kann. Dafür ist doch schließlich ein Studium/ eine Ausbildung da. Es geht doch hier schließlich um die Arbeit mit Menschen. Wer kennt das nicht, die Lehrkraft, die zwar super im Thema steckt, aber pädagogisch eine absolute Null ist und man deshalb auch nichts gelernt hat.
Mir ist es darüber hinaus bis heute ein Rätsel, warum Lehramt, zumindest Grundschullehramt kein Duales Studium ist. Das habt Ihr dankbarer Weise auch angesprochen!

Zu der Zeit, als die meisten in meinem Umkreis studierten und eben auch Lehramt dabei war, gab es ein immenses Defizit an Ausbildung in der Didaktik, sowie Pädagogik und eben all die Themen, die auch Herr Hornig angesprochen hat, die man benötigt, um solide als Lehrer:in tätig zu sein.

Ich gehöre tatsächlich zu den Menschen, die seit einigen Jahren immer wieder in Anbetracht der Lage darüber nachgedacht hat, doch noch Grundschullehramt zu studieren, allerdings kann ich es mir einfach nicht in dieser Form leisten. Würde die Regierung entscheiden, ab 2024 wird Grundschullehramt als Duales Studium angeboten, wäre ich sofort dabei. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich diesbezüglich nicht die Einzige bin.

Abgesehen davon muss das Bildungssystem an sich schon lange reformiert und die Struktur und Inhalte dem 21. Jahrhundert angepasst werden. Auch das ist ein nicht unwesentlicher Faktor, warum viele den Lehrer:innen Beruf nicht anstreben, weil sie diese veralteten Strukturen einfach nicht unterstützen.

Ich habe über viele Umwege an Oberschulen und Grundschulen (vor allem an sogenannten Brennpunktschulen) in Berlin als Honorarkraft für extern eingekaufte Projekte gearbeitet und bin mit vielen Lehrer:innen und Schüler:innen ins Gespräch gekommen.

Was immer wieder Thema war, zu große Klassen, das Arbeitsklima vergiftende Verhältnis an Schulen von verbeamteten und nicht verbeamteten Lehrer:innen, die den gleichen Aufwand haben, aber unterschiedlich vergütet werden.
Bürokratie nimmt immer mehr zu und ist zum Teil unnötig und den Lehrenden geht wertvolle Zeit verloren, um den Unterricht vorzubereiten. Ihr habt es auch angesprochen, es gibt leider viele Familien, die ihre Kinder pädagogisch nicht unterstützen können, weil sie zum einen selber nicht die Kapazität haben oder/und sie finanziell Nachhilfeunterricht nicht leisten können. Vor 10 Jahren schon eröffnete mir eine Klassenlehrerin an einer Grundschule in Berlin-Reinickendorf, dass sie mit ihren Schüler:innen in der 4. Klasse Tests aus der 2. Klasse machen muss, damit sie diese überhaupt bestehen. Und dass die Mehrheit der Schülerschaft in der 6. Klasse mit einem Bildungsniveau der 4. Klasse an weiterführende Schulen geschickt wird. Grund zu große Klassen, bildungsferne Familien, zu wenig Unterstützung.

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Zusatz zu meinem zu langen Beitrag:

In allen Gesprächen, die ich über dieses Thema geführt habe, kam immer wieder die Frage auf, was machen die Minister:innen des Bildungsministeriums eigentlich da? Schließen sie alle ihr rein intellektuelles Studium in Pädagogik ab und meinen dann konstruktive, realistische Entscheidungen treffen zu können?
Ich würde mich wünschen, dass alle ein Pflichtpraktikum an sämtlichen Schulen machen müssen, um selbst zu erfahren, welche Konsequenzen ihre Entscheidungen an den Schulen haben und was an Schulen wirklich gebraucht wird.

Hoffentlich gibt es bald, wie an vielen anderen neuralgischen Punkten derzeit, ein Licht am Ende des Tunnels.

Ihr hattet es ja auch schon thematisiert, wie Ihr derzeitig überhaupt noch Freude und Optimismus verspüren könnt, in Anbetracht dessen, dass Ihr Euch in so viele gegenwärtig, deprimierende Themen hineindenkt und über diese sprecht. Ihr habt meinen absoluten Respekt. Auch wenn ich jedes Mal mit einer Schwere eine weitere Epsiode LdN derzeitig beende, höre ich Euch sehr gerne zu und mache Werbung in meinem Bekanntenkreis. Eure Arbeit ist sehr wertvoll! Vielen lieben Dank dafür!

Zoey

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Hallo,

ich finde es super, dass das Thema angesprochen wird. Ich bin Junglehrer und zunehmend frustriert. Ich kann die Ministerien verstehen, dass vor allem die Teilzeitbeschäftigten mehr arbeiten sollen. Wäre ich einer davon, dann würde ich sicher darüber nachdenken. Mir fehlt aber ehrlicherweise eine Strategie, wie soll dem entgegengewirkt werden?
Über die Idee zu einem Dualen Studium bin auch ich gestolpert. Gerade für Abiturienten ein guter Anreiz: Man verdient Geld. Ein Anwärtergehalt ist da super investiert. Außerdem stelle ich mir vor, dass die Abbrecherquote deutlich sinkt und damit wäre auch geholfen.
Liebe Lage bitte verfolgt das Thema weiter. Die Gewerkschaften sind schon lange für ein Duales Studium und wenn ihr das ganze jetzt auch medial auf die Agenda bringt, dann kann ich mir durchaus vorstellen, dass sich da etwas bewegt.

Liebe Grüße

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Dein Beitrag ist eine sehr wichtige Ergänzung,
ohne gute Arbeit in den Kitas, welche auch nur mit ausreichend Personal bewerkstelligt werden kann, kommen die Kinder bereits mit großen Defizienten in den Schulen an. Oft ist es so, dass reichere Eltern Ihre Kitas finanziell unterstützen können, wodurch diese sich einen besseren Personalschlüssel leisten können. Durch diesen Effekt wird die soziale Ungleichheit bereits im Kindergarten verstärkt.
Auch hierrüber könnte man sicherlich einen ganzen Beitrag im Podcast unterbringen.

Beste Grüße

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Naja wenn dem so wäre, dann würden die Ministerien doch alles dafür tun, damit die Frauen und Männer (höchstwahrscheinlich eher die Frauen wegen Kindern / Pflege etc.) die Teilzeit stundenmäßig erhöhen oder gar in die Vollzeit gehen. Das Angebot für Pflege / Kita / Ganztagsschulen ist so dermaßen schlecht, dass es überhaupt keine Möglichkeit gibt für viele Teilzeitkräfte überhaupt ansatzweise zu erhöhen.
Ich hatte es weiter oben beschrieben wie es bei meiner Familie ist wg Schule und Kita. Die Kita von Kind2 schafft derzeit keine Betreuung für Teilzeitkräfte mit 20 Stunden auf 4 Tage aufrecht zu erhalten. Wäre ich nicht im HomeOffice und hätte Schicht oder Whatever, würden auch wir das nicht hin bekommen.

Die Ministerien schieben sich den schwarzen Peter von a nach b um über z den Ball zurück zu bekommen.

Ich persönlich denke, die Reform für dieses Land … Öffentlicher Dienst, Schulen, Kitas, Bildung, Pflege … das wäre eine Wiedervereinigung im Quadrat … und es traut sich nur keiner auszusprechen…

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Meine Liebste ist eine engagierte Lehrerin an einer der vielbesprochenen Brennpunktschulen im Ruhrgebiet.
Sie hat ihre Stundenzahl verringert wegen der Pflege ihrer Eltern (jetzt noch ihrer Mutter).
Das würde anders gar nicht funktionieren.

Durch das digitale Lernen hat sich die Verteilung ihrer Arbeit über den Tag sehr verändert, Schüler reichen oft nachmittags und abends ihre Ergebnisse ein und die müssen dann auch noch nachgesehen werden.

Den psychischen Stress möchte ich nicht haben. Ich weiß nicht, wie sich die Bildungsministerien das vorstellen.

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Noch einen Vorteil sehe ich in ergänzendem Homeschooling:
Die Schulgebäude (zumindest in Berlin) platzen jetzt schon aus allen Nähten. Für An- oder Neubauten fehlen Platz und Geld. Die Klassen an unserer Grundschule haben bereits maximale Größe, mehr Kinder passen nicht in die Klassenzimmer. Es werden aber immer mehr neue Kinder angemeldet, sodass mehr Klassen gebildet werden müssen. Deshalb werden Fach- und andere Räume in Klassenzimmer umgewandelt, leider auf Kosten der Unterrichtsqualität in den Fächern, die nun keine Fachräume mehr haben. Aber die Turnhalle ist klein und eigentlich nur für eine Klasse geeignet. Sie ist seit Jahren in jeder Schulstunde doppelt belegt. Mittlerweile hat immer auch eine weitere Klasse auf dem Schulhof Sport, denn einen Sportplatz gibt es nicht. Im Sommer mag das ja nett sein, im Winter oder bei Regen ist das für die Kinder eine Qual und führt zu vermehrten Erkältungskrankheiten.
Man könnte wie in Brasilien ein Schichtsystem einführen, bei dem die eine Hälfte der Kinder und Lehrkräfte von 8 bis 14 Uhr und die andere Hälfte von 15 bis 21 Uhr das Schulgelände benutzen. Dann bräuchte man „nur“ das Geld für zusätzliche Lehrkräfte, die bereit sind, die späte Schicht zu übernehmen.
Oder man erlaubt Kindern, die das wollen und deren Eltern das können, diese Kinder - zumindest teilweise - zuhause zu unterrichten. Für den Sportunterricht könnte man auch Alternativen finden. Kinder, die bereits im Verein Sport treiben, könnten z.B. auf Wunsch vom Schulsport befreit werden. Ich war als Kind im Turnverein und habe dreimal pro Woche trainiert. Auf den Schulsport hätte ich wirklich gern verzichtet. Ich habe dort rein gar nichts gelernt, was ich damals oder später gebraucht hätte.

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Ich war so frei mal „spontan“ runterzuschreiben, was mich aktuell am Schuldienst stört und habe dabei zwischen externen und internen Gründen unterschieden.

Externe Gründe sind für Sie zwar nicht zu ändern, tragen aber dennoch zur allgemeinen Stimmung bei und sollten bei internen Entscheidungen berücksichtigt werden – falls möglich.
Ich beginne daher nur mit einer Auflistung der externen Gründe.

  1. Die Größe unserer Schule und der damit verbundenen geringen Zuweisung an Deputatsstunden. Trotz geringer Deputatsstunden bleibt die Anzahl der Ämter, die durch das Kollegium zu besetzen sind gleich hoch. Oft allerdings nur mit geringem oder gar keinem Ausgleich. Mehrarbeit, die sich weder gewertschätzt noch honoriert anfühlt.

  2. Zuständigkeiten. Ein überdurchschnittlich hoher Teil unserer SuS hat mit verschiedenen Problemen zu kämpfen. Sei es durch psychische Erkrankungen, Migrationsprobleme oder einfach, weil sie nie gelernt haben zu lernen.
    Zur Lösung bräuchte man massive Unterstützung durch Psychologen, Sozialarbeiter, Sozialpädagogen etc. Lehrer selbst sind damit oft überfordert, weil sie für solche Fälle keinerlei Ausbildung genossen haben.

  3. Sich abzeichnender Lehrermangel und die Lösungsdebatte der Politik, die sich um Mehrarbeit dreht statt um Verbesserung der Arbeitsbedinungen.

  4. Viele Handlungen und Konferenzen werden als in dieser Form nicht notwendig empfunden. Warum zB. gibt es Konferenzen zu Themen, wo das Kollegium sowieso nichts zu entscheiden hat? Das ist dann keine Konferenz sondern eine Mitteilung an alle. Eine Mitteilung, die es erfordert, dass alle früher zur Schule kommen, ein Protokoll geschrieben und sonst nur Zeit abgesessen wird. Da tut es doch auch eine Mail mit Infos. Viel Bürokratie wird als Schikane empfunden.

5.Die Bezahlung in Hessen ist verfassungswidrig niedrig und die Maßnahmen der Landesregierung dagegen sind ein Witz. Generell vor dem Hintergrund der diskutierten möglichen Mehrarbeit.

6.Viele sinnvolle, einfach Neuerungen, gerade im digitalen Bereich, werden unter dem Deckmantel des Datenschutzes abgeschmettert. Obwohl viele große international tätige Firmen mit ebenjenen Programmen arbeiten.

7.Das Gefühl, dass der Staat selber keine Ahnung von Digitalisierung hat wird schon alleine durch sog. Fortbildungen in diesem Bereich deutlich. Selten haben diese einen realen Mehrwert und man fragt sich, wie zum Teufel konnte dieser Referent Digitalisierungsbeuaftragter werden wenn selbst die älteren KuK mehr Ahnung von der Materie haben.

  1. Außerunterrichtliche Aufgaben. Aber dazu wurde in der Lage schon viel gesagt.

Interne Gründe:

  1. Kommunikation. Oft besteht das Gefühl, dass Entscheidungen getroffen, aber nicht transparent begründet werden. „Das steht so in der Verordnung.“
    Oft ist so nicht klar, ob die Schulleitung persönlich eigentlich dahintersteht oder es einfach nur durchsetzt. Es stellt sich die Frage, ob die Schulleitung auf Seiten ihrer Lehrer steht oder auf der des Ministeriums.

  2. Umgang mit sich beschwerenden Schülerinnen und Schülern. Oft halten Schüler vorgegebene Wege bei Problemen nicht ein und wenden sich über die Köpfe von Fachlehrern direkt an die Schulleitung, wo sie, so das Gefühl, auch häufig auf offene Ohren stoßen. Richtig wäre es diese SuS zurückzuweisen und an den vorgesehen „Beschwerdeweg“ zu verweisen.

  3. Mehrarbeit durch Vertretungen. Natürlich sieht das Land vor, dass maximal drei Vertretungsstunden pro Monat unbezahlt geleistet werden müssen. Hier herrscht allerdings oft das Gefühl, dass „maximal drei Stunden“ als ein „genau drei Stunden“ gelesen wird.

  4. Wertschätzung durch die Schulleitung. Viele KuK leisten einiges an Arbeit, die über den Unterricht hinausgeht. Dies wird gefühlt von der Schulleitung als selbstverständlich gesehen. Gelegentlich Anerkennung, und sei es nur durch Worte, schadet hier sicher nicht. Das mag an anderen Schulen sicher anders laufen.

Und bevor jetzt jemand kommt und sagt, dass ich mir einen anderen Job suchen soll. Ich bin tatsächlich am überlegen und wiege momentan jeden Tag die Vor- und Nachteile gegeneinander ab. Mal sehen. Der Job hat unbestreitbar auch Vorteile. Gutes Gehalt, Unkündbarkeit und bei einigen wenigen SuS kann man wirklich etwas erreichen, das ist schön.

Aber falls jemand einen Job hat der weniger frustrierend ist, immer her damit :wink:

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Ich beneide dich für deine Entscheidung. In Hinsicht auf all den Stress, den man als Lehrkraft hat, hast du alles richtig gemacht.

Das System ist sowas von krank. Du beschreibst den Druck, dem einen das Referendariat macht, sehr gut. Besonders bescheuert ist, dass man ja nicht lernt, wie man guten Alltagsunterricht macht, sondern Unterricht für Zauberstunden. Nicht selten sucht man sich doch für Unterrichtsbesuche besonders leistungsstarke Klassen aus. Oft begreifen gymnasiale Fachleiter:innen auch andere Schulformen wie Gesamtschulen gar nicht.

Und zum Thema Besoldung: Ich kenne in NRW LehrerInnen, die nach der Elternzeit 2-3 Monate auf ihren Sold warten, weil es das LBV nicht hinkriegt, obwohl man ja jeden Pups fristgerecht kommunizieren muss. Und schon im System angelegt ist.

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