LdN325 LehrerInnenmangel: Gründe

Danke für diesen sehr guten Beitrag!
Zu dem durchgehenden Alltag mit 100% Konzentration: Die Lehrer während meiner Schulzeit hatten immer wieder unterrichtsfreie Zeit zum Vorbereiten, Korrigieren und co - gibt es diese nicht mehr?

Ich finde deine Erläuterungen wirklich sehr erleuchtend - insbesondere den großen Stress. Für mich klingt auch durch, dass es eine sehr hohe, belastende Erwartungshaltung an dich als Lehrer gibt (zB dass du den Arbeitsstand im Blick haben musst). Kommt diese Erwartungshaltung von dir selbst; von der Schule; den Eltern oder den Kindern? Was passiert denn, wenn du den Arbeitsstand nicht mehr im Blick hast oder die Stunden nicht zum bisherigen Ausmaß vorbereitest. Hat das außer für die Kinder und deinen Seelenfrieden noch andere Konsequenzen (Arbeitsrechtlich zB).

Die deutlich praxisnahe Ausbildung klingt für mich sehr logisch. Vermutlich nicht nur, was den Unterricht angeht, sondern auch die begleitenden Tätigkeiten mit Eltern, Aufsicht und co.

Ich denke Supervision und co werden sicherlich nicht dauerhaft zur Arbeitszeit gehören und außerhalb des Unterrichtes stattfinden müssen. Das ist aber auch in den meisten anderen Berufen so. Finde gut, dass es das Angebot gibt - sehe das aber auch nicht zwingend im Aufgabgenbereich des Arbeitgebers und fände es sinnvoll, wenn das stärker unter „Persönliche Weiterbildung“ fallen würde. So wie Coaching oder Psychotherapie oft ja auch privat sind, sollte das hier ähnlich gehandelt werden und deutlich mehr privat unternommen werden.

Den letzten Punkt kann ich 100% unterschreiben.

Bei mir war es fast genau so. Ich habe Mathe studiert und mich unter anderem gegen das Lehramt entschieden, weil ich mir nicht sagen lassen wollte, wo ich zu arbeiten habe. In der Wirtschaft kann ich mich frei bewerben. Bei meinen ehemaligen Kommilitonen laufen teilweise schon die 8. Versetzungsanträge.

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Oh ja, da habe ich schon gestaunt als ich bei meinen Kindern gesehen habe, was die so in der Schule machen und dann fast vom Kopfschütteln ein Schleudertrauma bekommen weil bei manchen Fächern einfach das „Aufbauen auf vorhandenem Wissen“ schlicht fehlte. Ein Fakt hier, ein Fakt da, aber keine klare Linie um die Wissenspunkte zu verbinden.

Noch interessante für mich war aber, dass ich 2021 tatsächlich mal die Gelegenheit hatte als Diplom-Informatiker zwischen zwei Jobs in einem Gymnasium die Vertretung für den Informatik-Lehrer in Elternzeit zu machen. 2 x 45 Minuten in der Woche, das wurde vom Staat bezahlt, wobei es mir egal war, denn ich machte das nicht fürs Geld sondern rein aus Interesse. Es war eine sehr interessante Lebenserfahrung:

  • Als Fachmann mit 35 Jahren Berufserfahrung waren die Schüler und Schülerinnen stark daran interessiert zu erfahren, wie es „da draußen im Job so ist“.
  • Der Lehrplan sah für die 9. und 10. Klassen dann eher sehr theoretische Grundlagen über Datenbanken vor, zum Glück konnte ich den ohne Konsequenzen ignorieren und andere Themen behandeln, z.B. Verhalten im Internet (Stichwort: Medienkompetenz) und auch so Dinge wie DSGVO, Phishing etc.
  • Egal was ich aber mit den Schülern behandelte, ich musste die Erfahrung machen, dass 45 Minuten Unterrichtszeit auch bedeuten, dass Du zwischen 90 und 120 Minuten in die Vorbereitung steckst, wenn Du tatsächlich was Sinnvolles machen willst und nicht nur die Schüler „beaufsichtigen“.
  • Bei den Schülern hatte ich es mit der ganzen Bandbreite von „ich bin im Informatik-Kurs weil ich den Naturwissenschaftlichen Zweig gewählt habe, aber ich weiß damit nix anzufangen“ bis „Ich habe schon meine eigene kleine IT-Firma“. Respekt an alle Lehrer, die dieses Spektrum an Interesse täglich bedienen müssen.

Da kann ich nur mit John F. Kennedy antworten:

„Es gibt nur eins was auf Dauer teurer ist als Bildung: keine Bildung.“

Erschreckend an der Thematik finde ich auch, dass zwischen der Schätzung der Bildungsministerium und einer eher realistischen Schätzung, was tatsächlich gebraucht wird, der Faktor 6 liegt. Das ist nicht nur knapp daneben, das ist total vergeigt…

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Ich persönlich würde mal diese Erfahrung wünschen. Ich habe mal nachgeprüft ob ich als Quereinsteiger irgendwie ne Chance hätte aber ohne Studium geht halt echt nix. Das fehlen von pädagogische und didaktischen Fähigkeiten kann ich absolut verstehen, allerdings wäre ein Umdenken in diesem Bereich doch wünschenswert oder wenigstens die Möglichkeit schaffen, eben die fehlende Kenntnisse - wenn auch als Crashkurs - bei zu bringen.

Ich persönlich schaffe auch seit fast 15 Jahren nun in der IT, betreue Azubis und bin bei den IHK Prüfungen als eben Prüfer dabei.
Man kann streiten ob das ausreichend ist eine Klasse zu leiten aber ich denke, dass es viele Fachleute gibt, die sich das Stundenweise Vorstellen könnten.
Gerade der Lehrplan ist ein grober Witz, das habe ich damals schon als altertümlich in meiner Ausbildung empfunden und sehe bei den Prüfungen dort nicht sonderlich viele Punkte die sich geändert hätten. Mal die Programmiersprache aber sonst ist eher Essig.
Der Staat müsste hier deutlich an Dynamik gewinnen um dieses klaffende Loch an fehlendem Personal irgendwie in den Griff zu kriegen.

Mein Sohn an der Grundschule kommt fast wöchentlich mit einem Zettel heim, dass irgendwelche Stunden ausfallen. Eine Lehrkraft ist durch einen Krankheitsfall in der Familie im laufenden Schuljahr gegangen und somit ist das ganze Kartenhaus in sich zusammen gefallen.
Zum Thema Ganztagsbetreuung ein kleines Beispiel: Ich lebe in einem „Dorf“ mit einer Grundschule - pro Jahr zwischen 15 und 30 neue Kinder in der ersten Klasse. Es gibt einen Neubau (Kernzeit, Krippe, Mensa). Die Kernzeit deckt die Zeiten 7 - 2.Schulstunde und Ausfall 5.Schulstunde bis 14 Uhr ab. Keine Hausaufgabenbetreuung. Mensa ist zu - damals als Corona Maßnahme (war seit Bau noch nie in Betrieb) und wird wohl auch nie geöffnet - weil in der Hauptgemeinde eine Ganztagsbetreuung möglich wäre. Sprich, es wird in dem Dorf keine Angeboten da es in der Hauptgemeinde eben eine Klasse gibt - die die Schule aber nicht voll kriegt und … diese wird vom Land bezahlt. Die Ganztagsbetreuung in unserem „Dorf“ (die Ausgelastet wäre mit mind. 15 Schülern) müsste die Gemeinde selber zahlen…

Von der Kita brauch ich nichtmal zu sprechen. Wir haben mind. 1x im Monat Notgruppe. Wenn eine Erzieherin fehlt passt der Schlüssel nicht mehr. Kita ist allerdings Vollbeschäftig … ich schweife ab …

Ich persönlich spiele mit dem Gedanken Richtung Dänemark auszuwandern. Es ist völlig eklatant was in diesem Land alles falsch läuft. Ob es die Digitalisierung ist (Gruß an die Hosts für die MEGA Sonderfolgen) - Umgang mit Jobs aus der kritischen Infrastruktur, Medizinbereich, etc. pp.

Wir haben letzten Sonntags nach der Sendung mit der Maus noch die Spezialsendung über Dänemark gesehen :

Für meine Kinder wäre es deutlich besser dort zu leben. Vllt zu kurz gedacht und dort gibt es andere Probleme aber auf Dauer sehe ich unsere Zukunft nicht mehr in Deutschland.

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Liebes Lageteam,

eure letzte Folge war mal wieder sehr informativ. Dennoch habe ich zum o.g. Thema ein paar Ergänzungen, die mir wichtig erscheinen. Ich liste sie mal chronologisch entlang dem Ausbildungsgang auf:

  1. Ein Studium der MINT Fächer hat „auf Lehramt“ schon deutlich ausgedünnte Fachinhalte. Lehramtsstudierende studieren ja auch mindestens zwei Fächer. Die meisten fachlichen Vorlesungen finden daher für Lehramtsstudierende getrennt vom Fachmaster statt. Entsprechend ist es mit einem Lehramtsstudium nicht ganz so einfach direkt in die Wirtschaft zu gehen, wie von euch dargestellt. Wobei dieser Weg in den letzten Jahren durchaus einfacher geworden ist.

  2. Den Quereinstieg ins Lehramt gibt es in vielen Bundesländern auf drei Wegen, die extrem unterschiedliche Qualität mit sich bringen. Dabei ist die Nomenklatur der drei Wege nicht einheitlich. Ich nutze hier eine für mich schlüssige:

a) Direkteinstieg: Hierbei wird irgendjemand direkt als Lehrkraft eingestellt. Die Eignung wird individuell geprüft, oft nur von der einstellenden Schule.

In wenigen Bundesländern besteht nach einigen Jahren ein Anspruch auf eine Verbeamtung. Meist muss hierfür noch eine Prüfung abgelegt werden.

b) Direkteinstieg mit begleitender Ausbildung: Dieser Weg ist wie oben, allerdings ist das Unterrichtskontingent in den ersten 1,5 bis zwei Jahren um etwa ein Vierteil verringert und die Lehrkraft besucht dafür parallel die Ausbildungssitzungen des örtlichen Studienseminars gemeinsam mit den regulären Referendar*innen. Sie bekommt sogar Unterrichtsbesuche durch die Ausbildenden. Allerdings sind diese ohne Bewertung und es findet keine abschließende Prüfung statt.

Verbeamtung wie oben.

c) Quereinstieg (mit Referendariat): Hierbei werden die Inhalte des Studiums von der Landesschulbehörde geprüft und ein Eignungsgespräch in der Behörde geführt. Anschließend wird der bisherige Studienabschluss offiziell als erstes Staatsexamen anerkannt und die Person beginnt ein ganz reguläres Referendariat. Ab diesem Punkt sind diese Lehrkräfte komplett gleichgestellt mit welchen, die Lehramt studiert haben.

Auf diesem Weg werden häufig Lehrkräfte gefunden, die mindestens in einem ihrer beiden Fächer eine überdurchschnittliche fachliche Qualifikation mitbringen. Außerdem haben sie durch das Ref mindestens 95% der Praxisausbildung einer regulären Lehrkraft erhalten.

Auch das zweite Fach ist meist gut aufgestellt, da die Auswahl der Behörde und das Ref auch hier einen Mindeststandard erfordern und etwa Menschen mit Informatik- oder Physikstudium durchaus umfassende Kenntnisse in Mathematik mitbringen.

Ich könnte mich jetzt noch ewig in Details verlieren… Aber ihr seht auch in diesem kurzen Abriss, dass es durchaus sinnvolle Quereinstiege ins Lehramt gibt. Genauso wie andere, die sich idR als Holzweg entpuppen. Hier lohnt es sich also ins Detail zu gehen. Mal wieder kostet der bessere Weg etwas mehr Geld als der schlechtere…

Ich selbst bin seit sieben Jahren Personalrat an einem großen Gymnasium, bin als solcher natürlich auch regelmäßig an Auswahlgesprächen mit Bewerber*innen beteiligt.

Schönen Gruß

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Ich habe vor nunmehr 10 Jahren nen Master in Mathematik (Nebenfach Physik) gemacht und hatte mich damals dazu entschieden, den Lehramtsmaster für das Lehramt an Gymnasien direkt mit zu machen. Die fachwissenschaftlichen Module konnte ich mir anerkennen lassen, die fachdidaktischen Inhalte waren verhältnismäßig leicht, da man durch das „richtige“ Studium mMn einen deutlich besseren und „vernetzteren“ Blick im Fach hat, was unglaublich dabei hilft auch mal beantworten zu können, warum irgendein Inhalt wichtig ist und gemacht wird. Lediglich bei den Inhalten aus den Bildungswissenschaften habe ich mich etwas schwer getan, da ich nie in den Vorlesungen war und das so mehr oder weniger nebenbei zusammen gepfuscht hab :see_no_evil:

Nach dem Master habe ich dann noch eine fachwissenschaftliche Promotion zum Dr. rer. nat. drangehangen und habe versucht noch Inhalte aus dem Bachelor Informatik zu machen, aber das wurde mir dann zu stressig.

Ich wurde von mehreren Bekannten angesprochen, dass ich doch sofort bei ihnen an der Schule anfangen könnte, da gerade Physik eines der Mangelfächer überhaupt ist. Durch die Inhalte in Informatik (und was, was ich im Studium, Promotion und Post Doc gemacht habe), hätte ich mir auch Informatikunterricht durchaus zugetraut.

Ich habe dann mal mit Menschen der hiesigen Schulbehörde gesprochen, da hat sich mal wieder die maximale Inflexibilität des öffentlichen Dienstes gezeigt. Erst wollte man mir weiß machen, dass ein Seiten- bzw. Quereinstieg für mich ja nicht möglich sei, weil ich einen Master of Education ohne abgeschlossenes Ref habe, ich müsse also zwingend das Ref machen. Nachdem dann irgendwann der Groschen gefallen ist, dass ja auch noch ein anderes Masterzeugnis und eine Promotionsurkunde beilagen, ging es dann auf einmal doch.
Auf meine Nachfrage, dass es ja sicherlich möglich sei mich dem Bedarf gerecht einzugruppieren, so dass ich direkt mit A15 anfange habe ich dann nur ein Kopfschütteln bekommen. Man wollte mich mit E13 abspeisen (und mir dabei nichtmal meine Erfahrungsstufe aus der Uni anerkennen) mit der Möglichkeit, nach 2 Jahren Beamter auf Probe für weitere 3 Jahre in der Stufe A13 zu werden. Hab die Person dann gefragt, ob sie das wirklich ernst mein – was diese bejahte. Das ginge im öffentlichen Dienst nicht anders.

Habe mich für ihre Unterstützung bedankt und arbeite seitdem bei einer großen deutschen PKV in Forschung und Entwicklung, habe einen spannenden Job und verdiene weit mehr, als als Lehrer möglich ist.

Wenn man also Leute trotz Wunsch mehrerer Schulleiter nicht einstellt, weil man eine gewisse Flexibilität nicht an den Tag legen kann, scheint das Problem nicht so wirklich groß zu sein.

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Ich finde leider nicht mehr den Artikel aber zumindest in NRW ist es noch gar nicht so lange her, dass die Daten des Landesamtes für Statistik Basis sind für die Planungen der übrigen Ministerien. Von datengetriebener Verwaltung sind wir (wie im übrigen in vielen Unternehmen) noch sehr weit entfernt.

Ich selbst bin kein Lehrer, aber aber schulpflichtige Kinder und Lehrer im Freundes- und Bekanntenkreis. Nach meiner BEobachtung wird das Bildungssystem noch von Idealisten zusammengehalten die jenseits der Schmerzgrenze sich für Ihre Schüler und Schülerinnen aufopfern. Das Gehalt wird als okay empfunden, weitaus schlimmer sind die Arbeitsbedingungen: zu große Klassen, zu viel Verwaltungsaufwand, zu wenig Unterstützung bei wichtigen Themen wie Schulsozialarbeit, Inklusion, Verwaltung, Digitalisierung, etc.

Eltern beklagen ja schon seit Jahren die Probleme in der Schule und Bildungspolitiker erklären mit Sonntagsreden, was alles besser werden soll. Passieren tut eher wenig. Schlimmer noch, politischer Zynismus schlägt zu. Da in sozialen Brennpunkten häufig die Wahlbeteiligung sehr gering ist, engagiert man sich als Politiker lieber für die Schulen, bei denen der Wähler präsenter ist.

Vielleicht braucht es neue Bündnisse, z.B. bestehend aus Eltern und Arbeitgebern der Politik endlich das Thema Bildung zur Priorität werden zu lassen. Es gilt die Phrase: Unsere Köpfe sind unser wichtigster (und letztlich) einziger Rohstoff. Wir können es uns nicht leisten die Bildung immer mehr herunterkommen zu lassen. Wie das aber gegen ein vergreisende Elektorat durchgesetzt werden soll, lässt mich ratlos zurück…

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Tatsächlich kommt da der meiste Druck durch meine eigene Erwartungshaltung und Idealismus. Klar kann ich das auch alles schleifen lassen und nichts größeres würde passieren.
Allerdings ist gerade bei mir an der Förderschule das Problem, dass soziale Konflikte in aller Regel schnell eskalieren, weil die SuS fehlende Sozialkompetenzen haben und z.B. oft nicht gelernt haben wie man streitet. Im Classroommanagment ist die Regel Prävention>Interaktion und gerade weil die Streits bei meiner Schulform einfach so unglaublich eskalieren, bin ich da noch mehr hinterher dies im Keim zu ersticken. Auch für den eigenen Frieden. Bei der Aufsichtspflicht auf dem Hof könnten mir aber tatsächlich dienstrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen drohen. Die berühmte Doppelbestrafung der Beamten. Bei uns gehts auf dem Hof oft heiß her und körperliche Auseinandersetzungen sind an der Tagesordnung. Da achte ich also nicht nur aus Sorge um die Kinder darauf, dass nichts passiert und bin so präventiv und schlichtend unterwegs wie möglich, sondern auch aus eigenem Interesse (keine Konsequenzen für mich, nach der Pause keine 30 min einen Streit besprechen, entspannte SuS).

Doch gibt es auch. Als Klassenlehrer gibts da eigentlich auch immer was zu tun. Es kommen immer Mails oder Anrufe mit Problemchen oder großen Problemen. Ansonsten versuche ich meine Arbeit so gut es geht komplett in der Schule zu erledigen und plane dann in diesen Stunden den Unterricht, damit ich möglichst wenig zu Hause machen muss (klappt natürlich nie). Aber klar, da habe ich auf jeden Fall Phasen, wo ich nicht 100% fokussiert sein muss.

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Im Studium hatte ein Psychologie Prof auch mal provokant gefordert, dass wir uns alle mal psychologisch durchchecken lassen sollen, warum wir einen Lehrberuf ergreifen möchten und welche Gründe wir dafür haben. Man hört es ja oft, das klassische Helfersyndrom. Ich denke tatsächlich, dass dieses Berufsfeld viele Menschen anzieht, denen es ein starkes Bedürfnis ist anderen zu helfen. Vermutlich öfter als in anderen Branchen ist man dann auch näher und stärker emotional im Schicksal der Kinder involviert. Manche können das besser von sich fernhalten, andere schlechter. Alle eint, dass sie das beste für die Kinder wollen. Manche leiden regelrecht mit den schrecklichen Lebensgeschichten einiger Kinder mit. Dass diese Menschen dann stärker gestresst sind ist klar. Aber als jemand, den sowas vollkommen kalt lässt, würde man in dem Job auch nicht weit kommen und dann nichtmal einen Zugang zu den SuS finden.

Ich denke bei deinem Beispiel mit der Polizei ist dieses Helfersyndrom vielleicht nicht ganz so im Vordergrund, sondern vielleicht eher eine Art Machtbestreben. Der Job zieht vielleicht eher andere Menschen an. Diese Leute würden dann eben nicht so intensiv bei harten Schicksalen mitleiden. Aber das ist jetzt nur Spekulation.

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Klar wäre eine Auswahl der Lehrkräfte an wissenschaftlich fundierten Kriterien wünschenswert. So erfolgt es ja auch z.B. in den nordischen Ländern. Die haben aber auch tatsächlich die Qual der Wahl hinsichtlich Ihrer Bewerber. In Deutschland ist der Bedarf so groß, dass alles genommen wird, was auf dem Markt zur Verfügung steht. In Berlin werden zur Zeit Lücken mit sogenannten PKB Kräften gefüllt. Um so eingestellt zu werden bedarf es eigentlich keiner Qualifikation, das „okay“ des Schulleiters genügt.
Einstellungen von Lehrkräften - Fachinformationen - Berlin.de
Kurz gesagt, deine Forderung nach einer zielgerichteten Auswahl bei den Lehrkräften ist grundsätzlich sicherlich richtig, aber auf Grund des Lehrermangels müssen wir alles nehmen, was nicht bei drei auf den Bäumen ist.

Beste Grüße

Man muss sich halt immer vor Augen halten, dass wir eigentlich Überzeugungstäter als Lehrer wollen und keine „Wirtschaftsflüchtlinge“ die glauben als Lehrer habe man Vormittgas recht und nachmittags frei. Daher finde ich gewisse Hürden zum Zugang in den Lehrerberuf als sehr sinnvoll. Ich Stimme dir darin zu, dass wir aber dringend eine Veränderung der Studiengänge und selbst brauchen, um diese wie in der Sendung auch angedacht Berufsbegleitend zu machen. Auch könnte ein grundsätzlich höherer Praxisanteil bereits im Bachelor angedacht werden.

Beste Grüße

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Ich konnte bei ganz vielen Gründen und Beschreibungen in diesem Thread nur wild mit dem Kopf schütteln. Es läuft so viel schief!

Ich habe selbst Grundschullehramt in Bayern studiert und nach dem Referendariat das Weite gesucht mit dem festen Vorsatz, nie wieder einen Tag in der Schule zu arbeiten. (So ist es auch geblieben.)

Einer der Gründe war das Referendariat selbst. Das ist massiv darauf ausgelegt gewesen, Leute auszusieben, die nicht „belastungsfähig“ genug sind. Das bedeutet, dass man zum Beispiel keinesfalls vor der endgültigen Verbeamtung eine Psychotherapie machen darf, weil man sonst nicht mehr verbeamtet wird. Und es bedeutet, dass wir absichtlich unter massiven Stress und Druck gesetzt wurden, um schon da diejenigen auszusortieren, die womöglich burnout-gefährdet sind. Sehr hilfreich. Nicht.

Der zweite Grund war, dass schon damals, vor 10 Jahren, der Lehrer:innenmangel spürbar war. Ständig haben Leute gefehlt und Vertretungen gab es höchstens auf dem Papier. Die Liste der Vertretungslehrer:innen war gefüllt mit Personen, die gerade frisch aus dem Burnout kamen und durch diese Art des Jobs meist sehr schnell wieder ausfielen. Ich hatte schon als Referendarin (also quasi komplett ohne Berufserfahrung) mehrfach die Situation, zwei Klassen gleichzeitig beaufsichtigen oder mit zum Sport nehmen zu müssen. Eine Situation, die schon versicherungstechnisch überhaupt nicht zulässig ist und außerdem jeden sinnvollen Unterricht unmöglich macht.

Und der dritte große Grund war, dass die Lehrpläne und Vorgaben so eng sind, dass für „Sonderlocken“ kaum Zeit bleibt. Kinder mit zusätzlichen Bedürfnissen (welcher Art auch immer) fallen dabei durchs Netz und sind nur sehr schwer und mit viel zusätzlichem Engagement aufzufangen. Das ist übrigens ein wichtiger Grund für Teilzeitarbeit: Gar nicht wenige Grundschullehrer:innen (weiß nicht, ob das in anderen Schularten auch so ist) reduzieren ihre Unterrichts-Stundenzahl (also die offizielle Arbeitszeit), weil sie die restliche Zeit unbezahlt dafür verwenden, auch den Kindern gerecht zu werden, die sonst keine Chance hätten.

Ich bin unfassbar froh, dass ich damals schon aus diesem System ausgestiegen bin, bevor genau diese Dinge noch schlimmer geworden sind. Der Vorschlag an Lehrer:innen, halt einfach mehr zu arbeiten, ist blanker Hohn.

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Was mir in der Folge ein wenig zu kurz kam, waren die Konsequenzen des Lehrermangels.
Wenn ich heute keinen Dachdecker finde, dann wird mein Dach halt nächstes Jahr gedeckt.
Die fehlende Bildung kann nicht so einfach nachgeholt werden. Und da kommen wir zu einem weiteren Aspekt, der in der Sendung nicht angesprochen wurde. Unser Bildungssystem reproduziert und verstärkt soziale Ungleichheit. Bildungschancen in Berliner Bezirken: Wie soziale Unterschiede die Abiturquote bestimmen (tagesspiegel.de) Den Lehrermangel und die damit verbundene niedrigere Bildungsqualität werden Elternhäuser welche wohlhabender sind, leichter kompensieren als ärmere Familien. Zudem ist der Lehrermangel schon jetzt in den ärmeren Gegenden der Republik stärker ausgeprägt. Durch die Überlagerung dieser Faktoren, werden die Ärmeren zukünftig noch mehr abgehängt, was dem Zusammenhalt in der Gesellschaft sicherlich nicht gut tun wird.
Ich frage mich diesbezüglich wirklich, ob das staatliche Handeln hier gegen den Artikel 3 des GG verstößt:
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Von einer Gleichbehandlung kann man nicht mehr sprechen, wenn soziale Herkunft und Wohnort über den Bildungserfolg entscheiden…

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Das mit den Hürden finde ich auch insofern sinnvoll, dass das Personal eben gut ausgebildet ist und den / meinen Kindern modern und inhaltlich gut vermitteln kann.

In dem Beispiel von mir als IT - ler würde ich mir wünschen, dass auch Leute mit Wissen aus der Wirtschaft - ich will nicht sagen „Aus dem echten Leben“ - den Schülern Wissen vermitteln können. Wirtschaftsflüchtlinge müssen es ja nicht sein. Mein Arbeitgeber würde da sicherlich mit sich reden lassen und Kollegen aus der IT von uns (1000 Mitarbeiter M / W / D) in die Berufsschulen, Gymnasien, Realschulen frei geben - stundenweise. Das muss ja nicht immer was mit Geld zu tun haben. Ich für mich würde es gerne machen, einfach um den Schüler:innen aus diesem banalen Schulstoff raus zu holen.
Ich hoffe es kommt rüber was ich meine. Man kann „der Gesellschaft“ auch was zurück geben ohne eben immer zu schauen „lohnt“ das jetzt wirklich.
Das ist keine Lehrerbashing oder sonst was. Das System Schule (wie auch zig andere Bereiche in Deutschland) sind so dermaßen stehen geblieben und eine wahre (!) Reform ist nicht in Sicht.

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Wie wahr! Ich kenne einen solchen Menschen mit einer tyrannischen Neigung.

Vermutlich ist auf diesem Weg auch eine fundiertere Entscheidung für das Lehramt gereift.

Das Prestige von LehrerInnen ist verbesserungsnötig. Dazu müsste erstens die Bezahlung besser sein, zweitens dürften nicht so viele wirklich untalentierte Personen dorthin kommen. Die entsprechenden Schauergeschichten schaden dem Ansehen sehr. Entweder sind es hauptsächlich unerschrockene, tatsächlich talentierte Personen, oder ratlose, tragischerweise schon von vornherein auf die Ferien und die Pension hoffende Personen, die sich für den Beruf entscheiden. Dem würde ein guter Eignungstest vor dem Studium abhelfen. Der würde eine nicht kleine Menge aussortieren, dafür aber ein gewisses Elite-Prestige schaffen, das eben attraktiv für die wären, die jetzt abwinken.

Und dann diese schrecklichen fachidiotischen Lehrpläne (siehe oben), ganz am Bedarf vorbei, wie du sehr schön beschreibst. Dafür muss man an der Didaktik sparen, was wiederum dem Untalent entgegenkommt.

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Dieses Thema betrifft mich aus professioneller Sicht, denn ich bin als Bildungsforscher auch in der Lehrerinnenausbildung an der Uni Kassel tätig.
Ich teile eure Einschätzungen, was die Ermittlung des Bedarfs, des Monitorings und der Planung der Lehrkräfteausbildung betrifft. Diese doch recht einfache Extrapolation von Geburten zu Schüler
innenzahlen scheint aus unerfindlichen Gründen nicht zu gelingen.
Ich teile eure Einschätzung (und die der O-Töne) was die Ausbildung von Lehrer*innen betrifft nicht. Hier wird doch von vielen Seiten (und auch von euch) die Eierlegendewollmilchsau gefordert: Lehrkräfte, die fachlich top sind, die extrem viel Praxiserfahrung haben, die Einblick in alle relevanten Aufgaben als Lehrkraft haben, die Theorie mit Praxis verknüpfen können, die reflektiert sind, die Unterricht nach verschiedenen Heterogenitätsaspekten adaptieren können, und und und

Zwei Aspekte möchte ich zum Thema Lehrkräftemangel hier vertiefen:
a) Praxis, Praxis, Praxis
Ich habe ein paar Jahre lang die modellhafte Einführung eines Praxissemesters in Hessen evaluiert. Getrieben wurde dieses Projekt von politisch Entscheidenden, die genau eure Argumentation nach mehr schulpraktischer Ausbildung folgen. Im Ergebnis müssen wir festhalten, dass ein reines mehr an Praxis keine Vorteile bringt. Dazu verweise ich auf das erste und dritte Kapitel unseres aktuellen Herausgebendenband (http://www.waxmann.com/buch4578).
Es stellt sich auch theoretisch die Frage, ob das überhaupt wünschenswert ist, denn die Befürchtung, die in der einschlägigen Literatur genannt wird, ist, dass die Studierenden auf Imitationslernen setzen, anstatt auf die Umsetzung eigener didaktischer Konzepte, die sie möglicherweise theoretisch verankern könnten. So manifestieren sich eingeschliffene Arten Unterricht zu denken und durchzuführen und Innovationen (die effektiv fast nur durch die universitäre Ausbildung kommen können) werden ausgebremst.

b) Geld macht das schon
Im vergangenen Semester habe ich in meinem Seminar zur Schulentwicklung mit Lehramtsstudierenden einen Systemvergleich zwischen dem „Bildungswunderland“ Finnland und Deutschland gemacht. Für die Studierenden war es fast schockierend zu erfahren, dass zum einen ihr eigenes zu erwartenden Einkommen deutlich über dem OECD-Schnitt liegt und dass zum anderen das Einkommen im „Bildungsparadies“ Finnland (mit gleichzeitig hoher Anerkennung des Berufs in der Gesellschaft, hoher Schulautonomie und strengen Zugangsbeschränkungen zur Lehramtsausbildung) gerade so im OECD-Durchschnitt liegt. Wie passt das zusammen?
Geld, insbesondere in Form von Lehrkräfteentlohnung, löst das Problem nicht. Aus meiner Sicht sind die Löhne an dieser Stelle schon eher hoch.

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Ich möchte gerne mitteilen, in welcher Situation ich mich und meine Kolleginnen und Kollegen in Niedersachsen befinden.

Unser Jahrgang hat das Referendariat offiziell am 26. Februar 2023 beendet. Wir haben aber spätestens im Januar unser zweites Staatsexamen abgelegt und durften deshalb ab dem 1. Februar mit voller Stundenzahl als Lehrkräfte arbeiten, nur bürokratisch waren wir noch Referendare. Wegen dieser komplizierten bürokratischen Situation haben einige von uns im Februar noch kein Gehalt bekommen. Seit dem 27. Februar sind wir offiziell Lehrkräfte des Landes Niedersachsen und theoretisch hätten wir, wie alle anderen Beamten auch, schon das Geld für März bekommen müssen, da immer am Ende des Vormonats gezahlt wird. Aber die meisten von uns haben für März noch keinen Cent gesehen. Wenn man beim RLSB anruft, heißt es, wir seien erst „ein paar Tage“ im Dienst und man brauche Zeit, um die ganzen Unterlagen zu bearbeiten. Dabei weiß das RLSB schon seit Dezember, an welchen Schulen wir arbeiten werden und an welchem Tag wir offiziell anfangen. Unter uns sind junge Leute, Alleinerziehende oder Menschen in Schwierigkeiten, die keine Rücklagen haben und wirklich Probleme haben, die Miete zu bezahlen und das Essen zu kaufen. So viel zur sicheren Bezahlung, die eine Verbeamtung eigentlich garantieren sollte. Das spricht sich natürlich unter den Studierenden herum und macht den Job unattraktiv.

Ein weiterer Punkt, den ich gerne schildern möchte, ist das kranke System des Referendariats für das Lehramt in Deutschland. In Deutschland studiert man 5 Jahre, um in ein Referendariat zu kommen, in dem man völlig von nur 3 Personen abhängig ist. Diese 3 Personen sind die beiden Fachleiter/innen deiner Fächer und dein/e Pädagoge/in. Sie kommen einzeln oder alle zusammen, um sich deinen Unterricht anzuschauen und danach gibt es ein Gespräch über Verbesserungsmöglichkeiten. Manche machen ihre Arbeit sehr korrekt. Aber andere nutzen die Gelegenheit, um Macht auszuüben. Man wird nach jedem Unterrichtsbesuch total niedergemacht. Wenn die Klasse gut mitgemacht hat, dann ist die Klasse leistungsstark und es liegt nicht an dir, dass sie so gut ist. Wenn die Klasse nicht so gut mitgemacht hat, ist es deine Schuld. Es wird oft Kritik geübt, die gar nicht stattgefunden hat. Bei meinem Staatsexamen wurde ich zum Beispiel kritisiert, weil eine (EINE!) Schülerin die Aufgabe nicht geschafft hat. Die Schülerin war leider schüchtern und wollte der Prüferin ihr Blatt nicht zeigen. Ich hatte aber gesehen, dass sie die Aufgabe richtig gelöst hatte, konnte aber nichts sagen und nichts beweisen, da die Schülerin das Arbeitsblatt mitgenommen hatte, wie alle anderen Schülerinnen und Schüler (SuS) auch. Das Staatsexamen macht 50% der Gesamtnote aus und ist „magischerweise“ immer genau gleich (inkl. Kommastellen) wie die Ausbildungsnote (die anderen 50%).

Die Kritik wird sehr abstrakt formuliert und oft ohne mögliche Alternativen, so dass man nicht weiß, was man tun kann, um besser zu werden. Eine typische Formulierung ist: Es haben sich nur die leistungsstärkeren SuS gemeldet. Und man kann nicht sagen, dass das nicht stimmt. Ich habe einmal versucht, dagegen zu argumentieren und wurde mit zusätzlichen Aufgaben bestraft. Als Lehrkräfte werden wir immer aufgefordert, in den Korrekturen etwas Positives zu finden und nicht nur die Fehler zu markieren. Aber mit uns wird ganz anders umgegangen. Wir müssen immer transparent sein und die Noten der SuS einige Wochen oder Monate vor den Zeugniskonferenzen bekannt geben. In meinem Seminar erfahren wir die Noten aber erst kurz vor dem Staatsexamen. Man weiß lange nicht, ob man besteht oder nicht, ob man eine 1 oder eine 3 hat. Wenn du fragst, bekommst du keine Antwort. Wenn du die Note erfährst, kannst du nichts mehr machen, weil das Referendariat schon zu Ende geht. Man lässt die Referendare in Angst schwimmen.

In meinem Jahrgang haben von 38 Leuten nur 29 das Referendariat abgeschlossen. Keiner ist durch das Staatsexamen gefallen, sondern diese Leute haben von sich aus das Referendariat abgebrochen. Wenn man im Internet sucht, findet man keine Statistik über das Referendariat. Es gab auch Selbstmordfälle und Leute, die wirklich psychische Schäden davongetragen haben. Es kann doch nicht sein, dass deine ganze Karriere von 3 Leuten abhängt. Dieses System ist krank. Es ist klar, dass der Staat sich schützen muss und bevor man jemanden verbeamtet, muss man testen, ob diese Leute stabil genug für den Job sind. Sonst gibt es sofort nach der Verbeamtung Krankmeldungen und Born-outs ohne Ende. Das heißt aber nicht, dass man so viel Macht in wenige Hände legen sollte.

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Vielen Dank, dass ihr euch des Themas annehmt!
MMn eine der nächsten Branchen der Daseinsvorsorge (neben Pflege bspw.), die, wenn es nicht ganz große Reformen geben wird, bis 2035 kollabieren bzw. nur noch einen Bruchteil ihrer dringend benötigten Leistungsfähigkeit wird stellen können.

Ihr Beide habt es schon im Podcast schon gut in Ansätzen aufgenommen, trotzdem ist mir wichtig das Augenmerk darauf zu legen, dass das ganze Thema mMn deutlich heterogener ist, als es in der öffentlichen Debatte oft dargestellt wird. Um die Begrifflichkeit ein wenig zu schärfen würde ich nämlich sagen, dass es „den“ Lehrermangel (ähnlich wie „den“ Fachkräftemangel) in der Pauschalität nicht gibt.
Meine Beobachtungen beim Verfolgen der Debatte in Artikeln und eigene Erfahrungen durch Freund:innen/ Partnerin im Lehrberuf sind vielmehr:

  1. Es gibt einen Lehrermangel in bestimmten Stufen, nämlich hauptsächlich in Primar- und Sekundarstufe I
  2. Es gibt einen Lehrermangel in bestimmten Fächern stärker als in anderen (bspw. MINT, Fächer der Berufsschulen…)
  3. Es gibt ein starkes Stadt- Land- Gefälle, dabei noch stärker in Universitätsstätten mit Lehramtsausbildung
  4. An 3 anknüpfend ein Gefälle von West- und Ostdeutschland
  5. Es herrscht ein größerer Mangel in Brennpunkten als in nicht-Brennpunkt-Schulen (sorry kein Antagonismus eingefallen)
  6. Der Bildungsföderalismus hat auch noch Einfluss auf Verteilung und Bedarfe an Personal

Wie man sieht: ausgenommen weniger Fächer, wo nahezu überall ein Mangel herrschen dürfte, ist die Verteilung deutschlandweit doch sehr heterogen. Deshalb glaube ich auch, dass man mit einer besseren Allokation des Personals (ich finde Anreize immer viel besser als Sanktionen, oder bei Beamten beliebt, Versetzungen), sehr viel gelöst werden könnte. Als Gedankenbeispiel: Vielleicht überlegt sich bspw. ein fertiger Sek II Deutsch-Einsteiger doch bei passenden Anreizen, in eine Grundschule 25 km außerhalb einer Stadt zu gehen, statt die unbefristete 50% Tarifstelle am Gymnasium in der Uni-Stadt anzunehmen.
Zudem verstehe ich einfach nicht, wie von Philip bereits angesprochen, warum Lehrkräfte bei fachfremden Aufgaben nicht mehr entlastet werden? Ich formuliere es als Frage, weil es für mich so ein no-brainer ist. Kommentiert das gerne! Ich verstehe es wirklich nicht! das ist für mich einfach irrational - wieso unterrichten in vielen BL viele Sportlehrkäfte (A13) noch Schwimmen, wenn das auch eine Fachkraft für Bäderbetriebe hervorragend könnte (deutlich weniger Gehalt)? Wieso müssen viele Lehrkräfte 10-20h in der Woche Organisations- und Verwaltungsaufgaben übernehmen (Klassenfahrten, ganze Elternlisten durchtelefonieren, jeden Tag Eltern-Mails schreiben, Materialien organisieren und abholen, IT-einrichten, Bibliothek verwalten…) anstatt durch Berufsausbildung oder Bachelor-Studium-qualifizierte Menschen dafür einzustellen (ca. A6-A8 oder A9-A12)? Wieso beauftragt man nicht Beratungsunternehmen manche Dinge (bspw. IT) zu übernehmen? Ich glaube, dass es unglaublich viel entlasten und unter dem Strich günstiger wäre.

Was auch schon viele hier im Forum angesprochen haben sind die starren Qualifikations- und Einstellungsstrukturen. Ich habe auch absolut den Eindruck, dass „die Not noch nicht so groß sein kann“, wenn Top-Leute vergrämt werden wie hier auch bereits geschildert wurde. Denn auch im ÖD ist alles möglich. Die Frage ist nur ob mans will/ ob der Druck hoch genug ist.
Eine Lösung bei besonders nachgefragten Fächern, die zugegeben in der Wirtschaft mehr verdienen könnten, eine Zulage (oder andere/ weitere Privilegien wie weniger Stunden, besondere Projekte…) gewährt. Die gibt es für Ärzt:innen im ÖD auch, weil ein EG15 nicht eine Fachärztin:innenstelle rankommt. Dann wird EG15 mit Fachärztin:innenzulage gezahlt.
Grundsätzlich halte ich die Besoldung für Lehrkräfte auch für gut. Dabei gehe ich aber von A13 für alle Schulstufen aus, selbstverständlich auch für Primar und Sek I. Das muss in den BL dringend nachgeholt werden, wo es noch nicht passiert ist.

Ja, Ausbildung ist lang (Ref. oft Schmerzensgeld-pflichtig) und Arbeitsbelastung hoch, aber Salär bedeutet trotzdem i.d.R. obere 10% der Einkommen. Bessere Personalallokation, mehr Wertschätzung für den Beruf in der Öffentlichkeit und ein ungefähres Einhalten einer 40h-Woche würde da mMn den Beruf vielfach attraktiver machen und junge Menschen anlocken/ die Menschen im System halten.

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Hab eine Bekannte, die Chemie studiert hat, die meint, dass die Lehramtsstudierenden an den Unis systematisch gemobbt werden in Fächern wie Chemie und Mathematik. Obwohl sie zwei Fächer studieren müssen, haben sie fast so viele Module wie die normalen Studierenden und zusätzlich noch die Pädagogik-Fächer. Ich weiß nicht wie das früher war vor der Bologna-Reform, aber MINT-Fächer geben sich offenbar aktuell nicht viel Mühe angehende Lehrer:innen zu unterstützen.

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Eine Freundin von mir ist gerade Lehrerin geworden und hat erzählt, dass den neuen LehrerInnen jetzt das Sabbatjahr laut Karin Prien erst nach 10 Dienstjahren erlaubt werden soll. Sie versteht, dass man erst einmal arbeiten soll, bevor man solange ausfällt, aber betont ebenfalls, dass der Beruf dadurch nicht attraktiver wird. Und darum muss es ja eigentlich gehen.
Außerdem hat ein Kollege von ihr erzählt, dass Frau Prien seine Schule besucht hat und anfangs gesagt wurde, dass alle Themen offen angesprochen und diskutiert werden dürfen und paar Tage vor dem Besuch dann noch eine Mail kam mit Themen, die nicht angesprochen werden dürfen, um Frau Prien nicht in ein schlechtes Licht zu rücken.
Ich habe oft das Gefühl, dass große Baustellen einfach weil sie unpopulär und politisch wenig gewinnbringend sind, solange umschifft werden, bis jemand anderes dafür verantwortlich ist. Und der oder die nächste fängt dann wieder bei Null an oder verfolgt gänzlich andere Ziele…

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