Ich möchte gerne mitteilen, in welcher Situation ich mich und meine Kolleginnen und Kollegen in Niedersachsen befinden.
Unser Jahrgang hat das Referendariat offiziell am 26. Februar 2023 beendet. Wir haben aber spätestens im Januar unser zweites Staatsexamen abgelegt und durften deshalb ab dem 1. Februar mit voller Stundenzahl als Lehrkräfte arbeiten, nur bürokratisch waren wir noch Referendare. Wegen dieser komplizierten bürokratischen Situation haben einige von uns im Februar noch kein Gehalt bekommen. Seit dem 27. Februar sind wir offiziell Lehrkräfte des Landes Niedersachsen und theoretisch hätten wir, wie alle anderen Beamten auch, schon das Geld für März bekommen müssen, da immer am Ende des Vormonats gezahlt wird. Aber die meisten von uns haben für März noch keinen Cent gesehen. Wenn man beim RLSB anruft, heißt es, wir seien erst „ein paar Tage“ im Dienst und man brauche Zeit, um die ganzen Unterlagen zu bearbeiten. Dabei weiß das RLSB schon seit Dezember, an welchen Schulen wir arbeiten werden und an welchem Tag wir offiziell anfangen. Unter uns sind junge Leute, Alleinerziehende oder Menschen in Schwierigkeiten, die keine Rücklagen haben und wirklich Probleme haben, die Miete zu bezahlen und das Essen zu kaufen. So viel zur sicheren Bezahlung, die eine Verbeamtung eigentlich garantieren sollte. Das spricht sich natürlich unter den Studierenden herum und macht den Job unattraktiv.
Ein weiterer Punkt, den ich gerne schildern möchte, ist das kranke System des Referendariats für das Lehramt in Deutschland. In Deutschland studiert man 5 Jahre, um in ein Referendariat zu kommen, in dem man völlig von nur 3 Personen abhängig ist. Diese 3 Personen sind die beiden Fachleiter/innen deiner Fächer und dein/e Pädagoge/in. Sie kommen einzeln oder alle zusammen, um sich deinen Unterricht anzuschauen und danach gibt es ein Gespräch über Verbesserungsmöglichkeiten. Manche machen ihre Arbeit sehr korrekt. Aber andere nutzen die Gelegenheit, um Macht auszuüben. Man wird nach jedem Unterrichtsbesuch total niedergemacht. Wenn die Klasse gut mitgemacht hat, dann ist die Klasse leistungsstark und es liegt nicht an dir, dass sie so gut ist. Wenn die Klasse nicht so gut mitgemacht hat, ist es deine Schuld. Es wird oft Kritik geübt, die gar nicht stattgefunden hat. Bei meinem Staatsexamen wurde ich zum Beispiel kritisiert, weil eine (EINE!) Schülerin die Aufgabe nicht geschafft hat. Die Schülerin war leider schüchtern und wollte der Prüferin ihr Blatt nicht zeigen. Ich hatte aber gesehen, dass sie die Aufgabe richtig gelöst hatte, konnte aber nichts sagen und nichts beweisen, da die Schülerin das Arbeitsblatt mitgenommen hatte, wie alle anderen Schülerinnen und Schüler (SuS) auch. Das Staatsexamen macht 50% der Gesamtnote aus und ist „magischerweise“ immer genau gleich (inkl. Kommastellen) wie die Ausbildungsnote (die anderen 50%).
Die Kritik wird sehr abstrakt formuliert und oft ohne mögliche Alternativen, so dass man nicht weiß, was man tun kann, um besser zu werden. Eine typische Formulierung ist: Es haben sich nur die leistungsstärkeren SuS gemeldet. Und man kann nicht sagen, dass das nicht stimmt. Ich habe einmal versucht, dagegen zu argumentieren und wurde mit zusätzlichen Aufgaben bestraft. Als Lehrkräfte werden wir immer aufgefordert, in den Korrekturen etwas Positives zu finden und nicht nur die Fehler zu markieren. Aber mit uns wird ganz anders umgegangen. Wir müssen immer transparent sein und die Noten der SuS einige Wochen oder Monate vor den Zeugniskonferenzen bekannt geben. In meinem Seminar erfahren wir die Noten aber erst kurz vor dem Staatsexamen. Man weiß lange nicht, ob man besteht oder nicht, ob man eine 1 oder eine 3 hat. Wenn du fragst, bekommst du keine Antwort. Wenn du die Note erfährst, kannst du nichts mehr machen, weil das Referendariat schon zu Ende geht. Man lässt die Referendare in Angst schwimmen.
In meinem Jahrgang haben von 38 Leuten nur 29 das Referendariat abgeschlossen. Keiner ist durch das Staatsexamen gefallen, sondern diese Leute haben von sich aus das Referendariat abgebrochen. Wenn man im Internet sucht, findet man keine Statistik über das Referendariat. Es gab auch Selbstmordfälle und Leute, die wirklich psychische Schäden davongetragen haben. Es kann doch nicht sein, dass deine ganze Karriere von 3 Leuten abhängt. Dieses System ist krank. Es ist klar, dass der Staat sich schützen muss und bevor man jemanden verbeamtet, muss man testen, ob diese Leute stabil genug für den Job sind. Sonst gibt es sofort nach der Verbeamtung Krankmeldungen und Born-outs ohne Ende. Das heißt aber nicht, dass man so viel Macht in wenige Hände legen sollte.