LdN322 Geflüchtete / Migranten

Die USA mit uns und Europa zu vergleichen ist das Vergleichen von Äpfel und Birnen.

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Das ist grundsätzlich richtig. Da die beschriebene Reaktion auf den Rassismus-Vorwurf eher eine emotionale als eine rationale ist, findet sie nach meiner Wahrnehmung dennoch fast ausschließlich so statt, wie ich sie beschrieben habe. Ich habe jedenfalls selten erlebt, dass jemand gesagt hat „Stimmt – jetzt wo du’s sagst – das ist ja ein rassistisches Argument.“

Ich weiß nicht, um welche Stereotypen es dir konkret geht. Es gibt jedenfalls sowohl für den vermeintlichen Pull-Effekt als auch für eine potentielle Belastung der Sozialsysteme durch Migranten rassistische sowie nicht rassistische Erklärungsversuche. Ob diese Erklärungsversuche plausibel sind ist dann eine andere Sache. Und ob sich die Thesen empirisch belegen lassen noch eine andere. Aus meiner Sicht sollten wir uns auf das konzentrieren, was hier geschrieben wird und nicht auf etwas, das wir als Motiv dahinter vermuten. Oder anders: es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen „dieses Argument benutzen gerne Rassisten“ oder „dieses Argument ist rassistisch“.

Siehe oben.

Dieser Vorwurf ist für mich nicht nachvollziehbar. Schließlich habe ich hier selbst mit ins Feld gebracht, dass die Pull-Effekt Theorie empirisch nicht belegt ist und dazu sogar Quellen verlinkt.

Wenn es in einer Diskussion wirklich darum geht, das Gegenüber zu überzeugen, dass es mit seinen Ansichten auf dem Holzweg ist, dann bleibe ich dabei, dass man die diskussionsdynamischen Folgen solcher Rassismus-Vorwürfe (ob nun gegen das Argument oder die Person) gegen den diskussionstechnischen Nutzen dieser Vorwürfe abwägen sollte. In diesem Fall scheint mir das nicht gelungen zu sein.

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Zunächst muss ich mich mal bei Dir entschuldigen: Es stimmt natürlich nicht, dass Du generell nicht auf Argumente eingehst. Ich hatte aber ehrlich gesagt auch nicht auf dem Schirm, dass viel von der Kritik am Pullfaktor-Modell gerade von Dir kam. Aber gerade wenn Du an der Diskussion beteilgt warst, wundert mich seine suggestive Äußerung, dass man angeblich nicht darüber diskutieren dürfe, um so mehr.

Meine Bemerkung über gute Diskussionen bezog sich übrigens explizit nicht auf das gegenseitige Überzeugen. Ich finde es schon viel Wert, wenn Menschen sich gegenseitig zuhören und die Argumente ihres Gegenüber ernst nehmen und darüber nachdenken. Ich erwarte aber nicht, dass dabei alle meine Einschätzung und Wahrnehmung übernehmen. Und genau so hast Du ja hier auch argumentiert: Andere haben argumentiert, warum sie bestimmte Positionen für rassistisch halten und Du hast argumentiert, warum Dich das nicht überzeugt. So weit so gut.

Was ich aber nicht verstehe, ist, warum Du angesichts dieser Diskussion wiederholt Rassismus auf einen „Vorwurf“ reduzierst, auf den Menschen quasi nur emotional und mit Abwehr reagieren können. Die Kernfrage scheint mir zu sein, für wie verbreitet man rassistische Denkweisen in einer Gesellschaft hält. Wer denkt, dass Rassismus nur in bestimmten Kreisen vorkommt oder von sich selber denkt, „ich bin ja links/modern/liberal/whatever und kann deshalb kein Rassist sein“ oder „wer das von mir behauptet, will mich nur maximal beleidigen“, wird vermutlich eher so reagieren, wie Du es skizziert hast. Geht man hingegen davon aus, dass rassistische Denkweisen sehr weit verbreitet sind und daher auch Wahrnehmungen und Einstellungen, politische Debatten und Gesetze beeinflussen, sieht es vielleicht ganz anders aus. Und genau in diese Richtung hatte ich zum Beispiel argumentiert. Ich habe konkret beschrieben, wie rassistische Denkweisen die politische Debatte über Themen wie Flucht und Migration prägen. Andere haben sich in diesem Thread schon lange vor mir in ähnlicher Weise geäußert. Und Deine wiederholte Rede vom „Rassismus-Vorwurf“ legte nahe, dass Du all diese Argumente überhaupt nicht zur Kenntnis genommen hast. Zudem machst Du aus meiner Sicht mit dem im Gegenzug erhobenen Vorwurf der „Rassismus-Keule“ genau das, was Du anderen vorwirfst: Du zielst auf ein vermutetes oder unterstelltes persönliches Motiv ab, anstatt auf das Argument (s. o.) einzugehen.

Ich hatte den Eindruck, dass eine Diskussion über dieses Thema nicht weiter gewünscht ist, wenn dem nicht so ist – wunderbar.

Hier ist wichtig, dass ich nicht behauptet habe, dass Menschen nur so reagieren können, sondern dass sie auf Basis meiner persönlichen Erfahrung eben so reagieren.

Hier gehe ich mit – das kommt dem Kern des Problems durchaus sehr nahe. In der Tat wäre es wünschenswert, wenn wir uns ehrlich machen und anerkennen, dass wir alle rassistische Vorurteile haben. Das ist nicht gut, aber es ist so.

Nun ist es aber auch so, dass die weitaus meisten von uns zu der zweiten von dir oben skizzierten Gruppe gehören. Das ist jetzt erstmal eine unbelegte Behauptung von mir, die ich aber durch so viele öffentliche und private Diskussionen bestätigt sehe, dass ich mir zutraue, diese These in den Raum zu stellen. Und selbst wenn ich alle die genannten Zusammenhänge verstehe, ist es mir ggf. trotzdem sehr unangenehm, wenn jemand eine meiner Aussagen öffentlich als rassistisch bezeichnet, weil ich ja weiß, dass für viele andere das Label „Rassistisch“ nicht weit entfernt vom Label „Nazi“ ist.

Jetzt ist die Preisfrage, wie man damit umgeht. Einfach zu sagen, die anderen haben es nicht verstanden, mag formal stimmen, hilft aber für die Diskussion wenig - insbesondere, wenn die andere Gruppe sehr groß ist. Als erstes würde ich vorschlagen, sehr präzise zu formulieren, welche Zusammenhänge ich als rassistisch ansehe. Also z.B. nicht die Pull-Faktor-These an sich sondern bestimmte Motive, die man dahinter vermutet. Wenn man es ablehnt, mit dem Rassismus-Label sparsam umzugehen, wäre es zumindest sinnvoll, deutlich zu machen, dass man nicht zu der Gruppe gehört, die dieses Label als Beleidigung oder Diskussionskiller verwendet. Denn das Ganze wird ja dadurch noch komplizierter, dass sowohl Sender als auch Empfänger Rassismus-Label unterschiedlich verwenden können. Ich gebe aber zu, dass es nicht einfach ist, hier einen pragmatischen Weg zu finden.

In einer Umgebung, in der ich von meinen Mitdiskutanten weiß, wie sie zu solchen Begriffen stehen, kann man sicher deutlich entspannter damit umgehen. In einem öffentlichen Forum, wo Benutzer täglich wechseln und sehr viele mitlesen ist das m.E. ein deutlich sensibleres Thema.

Hier würde ich widersprechen. Ich unterstelle wie oben auch im Allgemeinen nicht, dass jemand die Diskussion gezielt abwürgen will (auch wenn im Einzelfall genau das häufig so passiert) sondern ich beschreibe einfach, was durch diese Äußerungen passiert.

Doch, das habe ich zur Kenntnis genommen, wie du an dem Like siehst. Es gab aber hier ja eine Menge Äußerungen zu dem Thema und

klingt halt schon eher nach „Vorwurf“, auch wenn das offensichtlich viele anders interpretieren als ich, was ich dann jetzt auch so respektiere.

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Ich wollte das nicht so verstanden wissen, dass es um zwei verschiedene Gruppen von Menschen geht - die beiden Sichtweisen schließen sich m. E. auch nicht zwingend gegenseitig aus. Ich wollte damit eher sagen, dass eine Thematisierung und Kritik von rassistischen Denkweisen meist dem einen Verständnis folgt und die Abwehr eines vermeintlich persönlichen Vorwurfs eher auf dem anderen Verständnis basiert. Ich stimme Dir daher vollkommen zu, dass es immer wichtig ist, begründen zu können, warum man bestimmte Denkweisen als rassistisch kritisiert. Aber genau so finde ich auch, dass Menschen, deren Denkweisen kritisiert werden, auch nachfragen und sich reflektieren können anstatt quasi ein Recht aufs Angegriffensein in Anspruch zu nehmen und die Kritik dadurch abzuwehren.
Mit der Kritik an rasssistischen Denkweisen „sparsam“ zu sein, um keine falschen Reaktionen auszulösen, ist aus meiner Sicht der falsche Weg. Verantwortungsvoll, nachvollziehbar und in der Sache begründet (also nicht persönlich werdend) auf jeden Fall - aber sparsam nein. Aus meiner Sicht ist das Problem in dieser Gesellschaft nicht zu viel, sondern zu wenig Auseinandersetzung mit rassistischen Denkweisen.
Begriffe wie „Rassismus-Keule“ oder „Rassismus-Label“ sind im Übrigen nicht, wie Du behauptest, rein beschreibend, sondern enthalten natürlich eine Wertung, und zwar die, dass Rassismus nur als Etikett oder gar (moralisches) Druckmittel benutzt wird, es aber eigentlich gar nicht um Rassismus geht. Und das sind klassische Abwehrmotive. Wie schon gesagt: man kann im Einzelfall gerne darüber streiten, ob bestimmte Denkweisen rassistisch sind oder nicht. Aber die in solchen Begriffen formulierte Unterstellung, die Kritik an rassistischen Denkweisen sei nur ein Vorwand (z. B. um eine Diskussion zu beenden), hat damit nichts zu tun.
Um zum eigentlichen Thema zurückzukommen: Mehrere Leute haben in diesem Thread argumentiert, warum aus ihrer Sicht die Diskussion über das Thema Flucht und Migration in Deutschland von rassistischen Denkweisen geprägt ist. Das bezog sich explizit nicht nur auf bestimmte wissenschaftliche Modelle, sondern auf die wissenschaftliche, politische und gesellschaftliche Debatte. Überzeugende Argumente gegen diese These habe ich in diesem Thread noch nicht gelesen.

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Ich sehe es als einen persönlichen Angriff, da es mit dem Hinweis versehen wurde, mich mit meiner Hypothese nicht mehr an der Diskussion zu beteiligen. Man hätte ja auch fragen können: „Kannst Du das bitte präzesieren? Wenn Du von Wirtschaftsflüchtlingen sprichst könnte das implizieren, dass Du damit alle Flüchtlinge als Wirtschaftsflüchtlinge bezeichnest und das würde einem gängigen rassistischen Narrativ folgen“. Stattdessen wurden mir indirekte Aussagen unterstellt die ich weder gedacht noch gesagt habe (und von denen ich auch klar Abstand nehme, wie in früheren Posts im gleichen Threat auch ersichtlich wird).

Meine ursprüngliche These hatte keinen Bezug auf das Push-Pull Modell, dies wurde mir ebenfalls in den Mund gelegt. Mein Fehler war, dass ich das naiv aufgegriffen habe und somit auf den Holzweg kam. In meiner These habe ich explizit auf die Vernetzung von Flüchtlingen die aus wirtschaftlichen Motiven migrieren Bezug genommen (die Vernetzung ist ein Aspekt der, gemäss Kritikern, im Pull Modell zu kurz kommt und neben der Sprache ein wichtiger Faktor in der Migration darstellt).

Wenn man Rassismus als „white privilege“, „unconscious bias“ etc definiert, dann kann man dies als eine Gegebenheit verstehen, die sich quer durch unsere Gesellschaft zieht und mitgedacht werden muss. Konsequenterweise bedeutet dies aber auch, dass dies für alle die hier Diskutierenden gilt. Insbesondere das in diesem Threat mehrfach generierte und oft aus dem Zusammenhang gerissene Bild des Migranten als Bootsflüchtling ist gut gemeint aber ebenso - im Sinne des „unconscious bias“ - rassistisch, da es die Migranten auf eine entwürdigende Art reduziert.

Ich komme zum Schluss, dass meine Hypothese in der Tat wohl nicht besonders stichfest ist. Ich bedanke mich bei allen die mit einer konstruktiven Diskussion dazu beigetragen haben, dass ich zu neuen Erkenntnissen gekommen bin.

(…)


Nachtrag *(…)
Ich habe gerade gesehen, dass meine abschliessenden Gedanken vom Moderator zensiert wurden. Den genauen Wortlaut kann ich nicht mehr rekonstruieren. Darin ging es mir um eine konstruktive Auseinandersetzung mit dem Punkt, dass diverse Meinungen wichtig für eine Streitkultur sind. Das Editieren von Kommentaren durch den Moderator finde ich nicht hinnehmbar, da es die Aussage des Kommentars verfälscht. Falls es bedenken bzgl der Netiquette gibt, dann bitte mit entsprechender Begründung den Kommentar garnicht erst publizieren. Ich verabschiede mich hiermit von der Lage.

Und dann ein inhaltlicher Nachtrag. Ich bin auf das folgende Projekt einer afrikanischen Regisseurin gestossen, die die Flucht aus afrikanischer Sicht wiedergibt. In diesem Fall von einer Migrantin aus Ghana. Sehr aufschlussreich mit einigen Rückschlüssen auf Fluchtursachen, Motivationen und Erwartungen. Sehenswert und der Diskussion hier dienlich: Migrantin aus Ghana: Sie schaffte es nach Italien – und kehrte kurz darauf wieder zurück nach Afrika - DER SPIEGEL

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„enormer Fachkräftemange auch in Bereichen, für die keine akademische Bildung erforderlich ist. So gibt es reihenweise Beispiele von Menschen in Migrationshintergrund, die als Krankenpfleger arbeiten“
Ich glaube, das spiegelt eine akademische Sicht auf Ausbildungsberufe, die nicht den realen Anforderungen entspricht. Eine Krankenpfegeausbildung ohne zumindestens mäßiges Abitur / sehr guten Realschulabschuss wird nicht erfolgreich sein. Die überwachte Übernahme pflegeentlastender angelernter Hilfstätigkeiten (Essen austeilen, Waschen, Betten. etc.) geht. Allerdings sind die Arbeitsplatzgestaltung und das berufliche Selbstverständnis in Deutschland nicht darauf ausgelegt, dass die examinierte Pflegekraft mehrere angelernte Hilfskräfte anleitet.
Auch die gesetzlichen Personalschlüssel sehen das nur in geringem Umfang vor.

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