LdN318 Panzer für die Ukraine

Nein, setzt es nicht. Die Optionen A bis C sind quasi eine Skala von 0% bis 100% der Erreichung der Kriegsziele, wobei die Richtung C unser Ideal wäre, die Richtung A das Ideal Russlands. Desto stärker wir unterstützen, desto stärker geht die Skala Richtung Option C, desto weniger wir unterstützen, desto stärker geht es in Richtung Option A.

Eine Maximal-mögliche Unterstützung würde übrigens in jedem Fall zum Szenario C führen, aber diese Unterstützung würde erfordern, dass der Westen auf Kriegswirtschaft umstellt, daher sein Industriepotential nutzt, um maximale Mangen von Waffen und Munition herzustellen, worunter die Wirtschaft und der Lebensstandard unserer Bevölkerung massiv leiden würde (weil wir dann z.B. keine Autos mehr für den Export herstellen…). Dieser Grad der Unterstützung ist aber wohl nicht abzusehen.

Ob ein milderer Grad an Unterstützung, daher: Alle NATO-Armeen schicken alles, was sie irgendwie entbehren können, an die Ukraine, ausreichen würde, um Szenario C zu erreichen, ist umstritten, aber das ist nebensächlich, da es in jedem Fall von Szenario A wegführt und zumindest Szenario B erreicht wird. Und auch im Szenario B („Pattsituation“, „Abnutzungskrieg“) gibt es noch viele Schattierungen, welche Seite sich stärker abnutzt - auch hier hilft jedes Extra an Munition und Waffen.

In diesem Sinne ist es egal, ob Option C realistisch erreichbar ist, da jeder Schritt auf dem Weg zu Option C ein Schritt in die richtige Richtung ist.

Absolut, da bin ich ganz bei dir. Natürlich ist es wichtig, die Motivation des Gegners zu kennen („Know your enemy“) und das hat auch nichts damit zu tun, Partei für diesen Gegner einzunehmen.

Problem ist nur, dass die Motivationslage Russlands mit dem internationalen Recht und der europäischen Friedensordnung nicht vereinbar ist. Denn die Begründung für den Angriffskrieg ist letztlich das Imperiale Denken Russlands, also der Anspruch Russlands, die Ukraine sei im Prinzip Russlands Einflussgebiet und müsse sich eigentlich dem russischen Imperium unterordnen, aus verqueren historischen Gründen. Natürlich führt Russland den Krieg nicht, weil es „böse“ ist, sondern weil es knallharte geopolitische Interessen verfolgt, die aus unserer Sicht natürlich „böse“ sind, da diese mit unlauteren Mitteln (=Angriffskrieg) verfolgt werden.

Ich sehe allerdings beim besten Willen nicht, wie uns das Verstehen der russischen Motive näher zu einem Frieden bringt, wenn diese Motive schlicht aus unserer Sicht inakzeptabel sind. Wir können Russland hier nicht entgegen kommen - allenfalls können wir Russland so weit entgegen kommen, zu sagen, dass die Krim, die zu Sowjet-Zeiten der Ukraine geschenkt wurde, wieder an Russland fällt, also Russland dieses „Geschenk“ zurücknimmt, wenn eine international überwachte Volksabstimmung auf der Krim zu diesem Ergebnis führt. Aber durch den russischen Angriffskrieg ist selbst das deutlich schwerer geworden - vor dem Angriffskrieg wäre ich definitiv dafür gewesen, die Bevölkerung der Krim abstimmen zu lassen (die Wahl wäre vermutlich tatsächlich zu Gunsten Russlands ausgegangen), aber mit dem Angriffskrieg würde das eine Belohnung für den Aggressor bedeuten, und das ist fatal.

Und was Sanktionen betrifft gehen uns mittlerweile die Optionen aus. Es gibt aktuell schon wieder ähnlich viele Sanktionen, wie zu Zeiten des Kalten Krieges, wenn nicht sogar mehr. Die UN als Vermittler ist handlungsunfähig wegen des russischen Veto-Rechts im Sicherheitsrat. Die einzige Möglichkeit außerhalb von Kriegsmaßnahmen wäre es in der Tat, Indien und China zu überzeugen, stärkere Sanktionen gegen Russland zu fahren - aber da sehe ich wenige Möglichkeiten. Indien und China profitieren viel zu sehr davon, dass die Handelsbeziehungen zwischen Russland und dem Westen weitestgehend stillgelegt sind - und diesen beiden wirtschaftlich sehr wichtigen Staaten selbst mit Sanktionen zu drohen, wenn sie Russland nicht sanktionieren, könnte im schlimmsten Fall zum Gegenteil führen - also dazu, dass diese sich noch stärker pro-russisch positionieren.

Diplomatisch scheint in der aktuellen Situation einfach wenig Spielraum für sinnvolle Lösungen zu bestehen. Es bleibt nur die Frage, wie stark man die Ukraine militärisch unterstützen will.

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Putin hat aus nationalistischer Hybris und um und eine demokratische, prowestliche Ukraine zu verhindern den Krieg begonnen. Und nun? Wie sollen wir daraus einen Vorteil ziehen?

Die Exit Strategie besteht in einem Rückzugs Russlands aus ukrainischem Gebiet. Bis Russland dazu bereit ist, muss die Ukraine in die Lage versetzt werden sich bestmöglich wehren zu können.

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Ich kann den Anti-Erpressungsabsolutismus ja gut verstehen, aber man sollte mit hypothetischen Szenarien immer vorsichtig sein.

Überleg dir mal, jemand drückt dir eine Pistole auf die Brust und will 20€. Würdest du die nicht auch zahlen, wenn die Person am nächsten Tag 50€ am übernächsten 100€ verlangt etc? Natürlich würdest du. Kann ja sein, dass die erpressende Person am vierten Tag vom Blitz erschlagen wird. Wenn du dich am ersten Tag schon weigerst, dich erpressen zu lassen ist die Chance auf ein positives Ende hingegen bei 0%.

Das lässt sich hier übertragen. Für jeden einzelnen russische Schritt ist sauber abzuwägen, welche Reaktion langfristig sinnvoll und angemessen ist.

Eskalationsketten, wie von dir beschriebenen, haben weder Ende und Anfang. In der Konsequenz müsste man dann bei jedem Vergehen eines Schurkenstaats immer sofort einmarschieren, weil „wehret den Anfängen“. Ich sehe ja auch, dass ein Eroberungs/Angriffskrieg eine besondere Situation ist, aber darüber muss man ja nicht jede Ratio verlieren. Bisher hat noch niemand eine Lösung vorgeschlagen, die nicht das Eskalationspotential einfach wegignoriert.

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Danke für die Klärung! Ich sehe das ähnlich, dass wahrscheinlich die Unterstützung sehr hoch bleibt aber nicht „alles“ geschickt wird.

Ich würde mich freuen, wenn Option C dann eintritt, wobei ich auch Angst vor der Reaktion Putins habe, wenn er aus der Ukraine gedrängt wird.

Realistischer halte ich eine Pattsituation, die sehr sehr lange dauern wird und letztlich am Verhandlungstisch gelöst wird, auch mit Gebietsabtritten. Das wäre eine schreienede Ungerechtigkeit, aber die ist glaube ich nicht abzuwenden, jedenfalls nicht mit verhältnismäßigen Mitteln. Natürlich hoffe ich mich hier zu irren.
Vielleicht dauert der Krieg auch solange, dass Russland daran zerbricht. Das scheint mir derzeit die (ich denke kluge) Strategie der Natopartner zu sein.

Falls die Ukraine dieses Szenario in Ordnung findet und gerne viele Jahre Krieg führen mag, ist das ihre Entscheidung und muss auch voll unterstützt werden.
Ich habe aber auch Verständnis für jene, die das oben beschriebene Szenario einer Verhandlungslösung mit Abtritten lieber jetzt schon sähen um weiteres Leid aufzuhalten. Natürlich nur unter der Garantie, dass der Konflikt damit beendet würde. Hier ist sicher problematisch, dass man Russland kaum mehr vertrauen kann, aber es gäbe ja durchaus denkbare Sicherheitsgarantien (Nato-Eintritt der (West)Ukraine o.ä.).

Klar ist, die Ukraine muss entscheiden und aktuell scheint sie mit dem Westen auf eine langwierige Ausblutung Russlands zu setzen, die ohne (atomare) Eskalation zu Ende geht. Hoffen wir, dass dies gelingt.

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Okay…

…was jetzt nicht so sehr wahrscheinlich ist. Die tägliche Wahrscheinlichkeit, an einem Blitzschlag zu sterben, ist kleiner als 1 zu 365 Millionen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass die „Pistole“ von vorneherein Fake war, liegt also deiner Meinung nach bei 0%. Und die Wahrscheinlichkeit, dass der „jemand“ blufft und selbst bei Weigerung nicht abdrücken würde, ist auch deiner Meinung nach 0%. Das sind also vollkommen unmögliche Dinge, kommt nie vor, sowas.

Aber Blitzschläge („göttliche Intervention“) 4 Tage später, die den Erpresser glücklicherweise dahinraffen, darauf kann man hoffen?

Bitte, bitte, bitte übertrage nicht dein wirklich sehr merkwürdiges Wahrscheinlichkeitsmodell auf die Weltpolitik. Das hat nämlich sehr viel mehr mit irrationaler, gefühlsgesteuerter Panikreaktion als mit

zu tun.

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Mein Fazit bislang in diesem sehr kontroversem Thread:

  1. Moralisch sind wir uns bezüglich des Vorgehens Russland durchaus einig. Völkerrechtlich und moralisch ist der Angriffs Russlands klar zu verurteilen.
  2. Unstrittig auch, das die Ukraine unsere Unterstützung benötigt, langfristig (solange der Konflikt halt dauert), auch mit Waffen zur Verteidigung und auch solche mit Angriffspotential.
  3. Etwas uneining sind wir uns offenbar beim genauen Umfang der Waffenlieferung also von „Alles“ bis hin zu „was aktuell nötig ist“.
  4. Beim Umgang mit Russland geht die Bandbreite von „Völliger Niederlage inkl. Zusamnenbruch des politischen Systems in Russland“ bis hin zu einer Verhandlungslösung aufgrund einer Pattsituation. Letzteres moralisch unbefriedigend, politisch aber nicht ausgeschlossen.
  5. Ein direktes Eingreifen der NATO wird hier eher einhellig abgelehnt.

Spiegelt schon die generelle öffentliche Meinung gut wieder.

Eine gewisse Emotionalität aufgrund unseres westlichen Rechtsempfindens spielt schon unterschwellig eine starke Rolle. Auch gut so.
Inwieweit dann politische Lösungen gesellschaftlich mitgetragen werden bleibt abzuwarten.
Die wirkliche Exit-Strategie scheint aber akut nicht absehbar, dazu ist es noch zu dynamisch.

Spannend und inhaltlich sehr bereichernd.

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hey, @ExMod , wäre das nicht ein super Schlussstatement?

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