Nein, setzt es nicht. Die Optionen A bis C sind quasi eine Skala von 0% bis 100% der Erreichung der Kriegsziele, wobei die Richtung C unser Ideal wäre, die Richtung A das Ideal Russlands. Desto stärker wir unterstützen, desto stärker geht die Skala Richtung Option C, desto weniger wir unterstützen, desto stärker geht es in Richtung Option A.
Eine Maximal-mögliche Unterstützung würde übrigens in jedem Fall zum Szenario C führen, aber diese Unterstützung würde erfordern, dass der Westen auf Kriegswirtschaft umstellt, daher sein Industriepotential nutzt, um maximale Mangen von Waffen und Munition herzustellen, worunter die Wirtschaft und der Lebensstandard unserer Bevölkerung massiv leiden würde (weil wir dann z.B. keine Autos mehr für den Export herstellen…). Dieser Grad der Unterstützung ist aber wohl nicht abzusehen.
Ob ein milderer Grad an Unterstützung, daher: Alle NATO-Armeen schicken alles, was sie irgendwie entbehren können, an die Ukraine, ausreichen würde, um Szenario C zu erreichen, ist umstritten, aber das ist nebensächlich, da es in jedem Fall von Szenario A wegführt und zumindest Szenario B erreicht wird. Und auch im Szenario B („Pattsituation“, „Abnutzungskrieg“) gibt es noch viele Schattierungen, welche Seite sich stärker abnutzt - auch hier hilft jedes Extra an Munition und Waffen.
In diesem Sinne ist es egal, ob Option C realistisch erreichbar ist, da jeder Schritt auf dem Weg zu Option C ein Schritt in die richtige Richtung ist.
Absolut, da bin ich ganz bei dir. Natürlich ist es wichtig, die Motivation des Gegners zu kennen („Know your enemy“) und das hat auch nichts damit zu tun, Partei für diesen Gegner einzunehmen.
Problem ist nur, dass die Motivationslage Russlands mit dem internationalen Recht und der europäischen Friedensordnung nicht vereinbar ist. Denn die Begründung für den Angriffskrieg ist letztlich das Imperiale Denken Russlands, also der Anspruch Russlands, die Ukraine sei im Prinzip Russlands Einflussgebiet und müsse sich eigentlich dem russischen Imperium unterordnen, aus verqueren historischen Gründen. Natürlich führt Russland den Krieg nicht, weil es „böse“ ist, sondern weil es knallharte geopolitische Interessen verfolgt, die aus unserer Sicht natürlich „böse“ sind, da diese mit unlauteren Mitteln (=Angriffskrieg) verfolgt werden.
Ich sehe allerdings beim besten Willen nicht, wie uns das Verstehen der russischen Motive näher zu einem Frieden bringt, wenn diese Motive schlicht aus unserer Sicht inakzeptabel sind. Wir können Russland hier nicht entgegen kommen - allenfalls können wir Russland so weit entgegen kommen, zu sagen, dass die Krim, die zu Sowjet-Zeiten der Ukraine geschenkt wurde, wieder an Russland fällt, also Russland dieses „Geschenk“ zurücknimmt, wenn eine international überwachte Volksabstimmung auf der Krim zu diesem Ergebnis führt. Aber durch den russischen Angriffskrieg ist selbst das deutlich schwerer geworden - vor dem Angriffskrieg wäre ich definitiv dafür gewesen, die Bevölkerung der Krim abstimmen zu lassen (die Wahl wäre vermutlich tatsächlich zu Gunsten Russlands ausgegangen), aber mit dem Angriffskrieg würde das eine Belohnung für den Aggressor bedeuten, und das ist fatal.
Und was Sanktionen betrifft gehen uns mittlerweile die Optionen aus. Es gibt aktuell schon wieder ähnlich viele Sanktionen, wie zu Zeiten des Kalten Krieges, wenn nicht sogar mehr. Die UN als Vermittler ist handlungsunfähig wegen des russischen Veto-Rechts im Sicherheitsrat. Die einzige Möglichkeit außerhalb von Kriegsmaßnahmen wäre es in der Tat, Indien und China zu überzeugen, stärkere Sanktionen gegen Russland zu fahren - aber da sehe ich wenige Möglichkeiten. Indien und China profitieren viel zu sehr davon, dass die Handelsbeziehungen zwischen Russland und dem Westen weitestgehend stillgelegt sind - und diesen beiden wirtschaftlich sehr wichtigen Staaten selbst mit Sanktionen zu drohen, wenn sie Russland nicht sanktionieren, könnte im schlimmsten Fall zum Gegenteil führen - also dazu, dass diese sich noch stärker pro-russisch positionieren.
Diplomatisch scheint in der aktuellen Situation einfach wenig Spielraum für sinnvolle Lösungen zu bestehen. Es bleibt nur die Frage, wie stark man die Ukraine militärisch unterstützen will.