Das dürfte unbestritten sein, ebenso wie i.d.R. Sachbeschädigung, weil zumindest bei den bisherigen Aktionen auch Zäune beschädigt wurden.
Der ist nur gegeben, wenn tatsächlich „Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet“ werden. Deshalb sind die Behörden in Bayern sehr bemüht, hier einen Fall zu kreieren: Ein 80-jähriger Fluggast klagte um 8:30 (bei geplanter Landung um 9:18 Uhr) über Schmerzen in der Brust, der Pilot entschied, planmäßig weiter zu fliegen (weil eine Notlandung nicht schneller geholfen hätte), der Mann kam nach der Landung, die sich wegen der Proteste um 20 Minuten verspätete, da das Flugzeug auf eine andere Landebahn umgeleitet werden musste, in stationäre Behandlung, wurde kurz darauf aber wieder entlassen.
Aus diesem Sachverhalt versucht die Staatsanwaltschaft nun einen gefährlichen Eingriff in den Luftverkehr zu machen. Daher wird nun geprüft, ob die Aktion im konkreten Fall eine Gefährdung für Leib und Leben herbeigeführt hat, daher: Hatten die 20 Minuten Verspätung einen schwerwiegenden Einfluss? Wie das ausgehen wird ist schwer zu sagen, weil vieles auf gutachterliche Beurteilungen ankommen wird. Fest steht wohl: Wäre die Person verstorben und ein Gutachter käme zu dem Ergebnis, dass eine 20 Minuten frühere Landung das Leben eventuell hätte retten können, hätten die Aktivisten richtig große Probleme.
Auch wenn ich glaube, dass der Fall des 80-jährigen mit Brustschmerzen möglicherweise etwas aufgeblasen wird, um die Klimaproteste zu verunglimpfen, muss dennoch klar sein, dass die Konservativen nur darauf warten, dass ein Todesfall eindeutig auf einen Protest zurückzuführen ist. Deshalb halte ich solche Aktionen einfach für extrem kontraproduktiv, denn wenn es dazu kommt (und dass es dazu kommt ist rein statistisch schon nur eine Frage der Zeit) wird das der Klimaschutzbewegung massiv schaden.
Die Frage, inwiefern bei solchen Klebe-Aktionen Nötigung vorliegt, ist wie gesagt hoch umstritten. Man kann über die Verwerflichkeit dagegen argumentieren, aber das Argument ist nicht zwingend („Verwerflichkeit“ ist eben eine moralische Einschätzung). Die Richterin am Amtsgericht hat daher innerhalb ihres richterlichen Entscheidungsspielraumes im Rahmen ihrer richterlichen Unabhängigkeit die Verwerflichkeit bejaht. Das kann man natürlich anders sehen und auch kritisieren, aber das Urteil ist in jedem Fall im Rahmen des juristisch erlaubten.
Ein Präzedenzfall ist das nicht - abgesehen davon, dass das deutsche Recht keine Präzedenzfälle in diesem Sinne kennt. Natürlich können andere Richter an anderen Amtsgerichten (oder sogar höheren Instanzen) das Urteil mitbekommen und sagen: „Jau, das werde ich genau so handhaben“, sie können aber auch sagen: „Also was die Kollegin da geritten hat - bei uns läuft das anders!“. Wir haben halt kein Case Law, daher: Ein Urteil des Amtsgerichts bindet keine anderen Richter, genau so urteilen zu müssen.
Ob Berufung sinnvoll ist, ist die Frage, wie man den Sinn definiert. Die Strafe von 60 Stunden Freizeitarbeit (früher gerne: Sozialstunden) ist natürlich relativ mild und die Kosten eines Berufungsprozesses wären es kaum wert, dagegen bei unsicherer Rechtslage vorzugehen. Ein Anwalt müsste auf dieses Risiko natürlich hinweisen. Aber wenn es um’s Prinzip geht, also wenn das Ziel ist, die Rechtsprechung voranzutreiben und ein höchstrichterliches Urteil in der Frage, ob Klimaklebeaktionen „verwerflich“ sind, anzustreben, kann man diese Prinzipien natürlich nicht mit Geld aufwiegen. Und man kann das Ergebnis auch nicht vorhersehen… wie die Chancen daher stehen ist völlig unklar, hier kann man wirklich den alten Spruch bringen: „Vor Gericht und auf Hohe See ist man in Gottes Hand“, im Sinne von: Niemand weiß, wie das ausgehen wird.