LdN312 Sind wir ein reiches Land?

In der aktuellen Episode wurde Deutschland als reiches Land bezeichnet. Ich finde das etwas undifferenziert, wenn man versteckte Verbindlichkeiten für Pensionen, alternde Gesellschaft und Klimafolgen mit einrechnet.

Ich schlage vor dies kontrovers mit Dr. Daniel Stelter als Gast zu diskutieren. Das Interview mit Christian Lindner war auch schon für Podcaster, Herrn Lindner selbst und auch die Hörer ein absolutes Highlight.

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Literally die stärkste wirtschaft in der eu und die 4. größte volkswirtschaft der welt.

Inwiefern wäre die relativierung nützlich als perspektive und mit welchen kategorien in vergleich zu andern ländern würde man so eine perspektive rechtfertigen können?

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Verbindlichkeiten gegenüber Pensionen machen Deutschland nicht weniger reich, weil das Geld eben im Land bleibt. Ein reiches Land zeichnet sich eben auch durch den Reichtum der Bürger aus, nicht nur durch die Größe des Staatssäckels.

Wenn du die „alternde Bevölkerung“ als negative Ressource (also eine „junge Bevölkerung“ als Ressource) betrachten willst, musst du auch andere immaterielle Ressourcen berücksichtigen, z.B. die durchschnittliche Bildung, durchschnittliche Gesundheit, Lebenserwartung usw… und das sind alles Punkte die durchaus dafür sprechen, dass Deutschland ein reiches Land ist.

Die Klimafolgen betreffend leidet Deutschland im internationalen Vergleich weniger stark als die meisten anderen Länder - und Reichtum ist immer ein relativer Begriff. Eine negative Einbeziehung der Klimafolgen wäre daher nur sinnvoll, wenn Deutschland in besonderem Maße davon betroffen wäre, das ist aber eben nicht der Fall - es ist ein globales Problem, unter dem der globale Süden deutlich stärker leidet als der Norden.

Die Person Daniel Stelter ist zudem meines Erachtens nicht der richtige Interviewpartner, weil er eine Randpositionen innerhalb der Wirtschaftswissenschaften vertritt (und sich dabei meines Erachtens oft bedenklich nah an den Rand des vertretbaren bewegt). Der Typ ist ein König der Selbstinszenierung, der radikale Außenseiterpositionen vertritt, um damit im Gespräch zu bleiben. Eben ein typischer Unternehmensberater :wink:

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Weil Reichtum mindestens mehrdimensional ist bzw mit dem Einkommen (z.B. gemessen durch BIP) gar nicht so viel zu tun hat.

Ein Wirtschaftssubjekt kann ein hohes Einkommen haben und dennoch wenig Vermögen besitzen oder sogar überschuldet sein.

Also bitte differenzieren mit:

  • Wie geht’s der Bildung?
  • Wie geht’s der Infrastruktur?
  • Was haben wir an versteckten Verbindlichkeiten ggü. der alternden Gesellschaft und der Natur?
  • Wie hoch sind die Privatvermögen im Verhältnis zum BIP? Nehmen wir doch mal andere Länder mit ähnlichem Entwicklungsstand (z.B. in der EU) als Maßstab. Hier eine alte Quelle zur Fragestellung EZB-Studie: Deutsche belegen beim Vermögen den letzten Platz - WELT (EZB-Studie)
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Bezüglich des zweiten Absatzes und der berechtigten Frage, warum das nützlich, wichtig und interessant ist.

Mit dem Reichtum Deutschlands wird vieles gerechtfertigt:

  • gemeinsame Schuldenaufnahme in der EU
  • Vermögensteuern- oder Abgaben zur Finanzierung europäischer Solidarität
  • Ausgleichszahlungen für Klimaschäden (ich bin dafür, finde aber gerade wegen der Wichtigkeit, dass die Begründung solide sein muss; „Deutschland ist reich“ ist da einfach zu flach)
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Das sagt doch nichts. Ein Supermarkt der vor seiner Tür Gutscheine fürs Einkaufen verschenkt, die nur bei ihm ausgegeben werden können, kann dennoch ein vom Konkurs bedrohter Laden sein.
Und genau das ist Deutschland. Es verschenkt Geld via Target2 Forderungen ins Ausland und freut sich dann über so viele Exporte. Das ganze ist keine nachhaltige Strategie und bröckelt zum Glück nun auch.
Viel herzustellen und es gegen Schuldverschreibungen an quasi insolvente Staaten zu verhökern (USA, Italien, Frankreich…) ist kein Weg zum Reichtum, sondern ein Weg zu vielen IoUs dieser Staaten.

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Um ein Gefühl zu bekommen:
Sowohl bei Vermögen als auch beim BIP (jeweils pro Kopf) liegt Deutschland auf Platz 17 (2021) [1], [2] und damit im oberen europäischen Mittelfeld, aber z.B. weit hinter den USA.

[1]

[2]

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Das wiederum ist kein Wunder, weil weder das Pro-Kopf-Vermögen noch das Pro-Kopf-BIP ein geeigneter Messer für das Vorhandensein eines sinnvoll finanzierten Sozialsystems (Gemeinschaftskosten wie Gesundheitsversorgung usw.) sind.

Das BIP steigt durch die Produktion und das Abfeuern von Bomben genau so wie es durch den Betrieb eines Krankenhauses steigt, daher ist die große Kritik am BIP eben, dass es auch Wirtschaftskraft, die sich nicht in gesellschaftlichem Wohlstand niederschlägt, berücksichtigt. Und dass das Pro-Kopf-Vermögen in den USA höher ist als in Deutschland liegt eben auch an der „Privat vor Staat“-Mentalität.

Wenn du diese Zahlen schon präsentierst, sollte auch die Staatsschuldenquote nicht fehlen:

Darin ist Deutschland mit 60% des BIP signifikant vor den USA mit 109% oder Singapur mit 130% (beide beim Vermögen pro Kopf deutlich vor Deutschland).

Die Zusammenhänge sind wie immer komplexer als es einzelne Grafiken darstellen könnten. Wer Deutschland (oder die USA) anhand dieser Statistiken „arm“ rechnen will, kann das natürlich tun, aber mit der Realität hat das nix zu tun.

Ich finde wir sind definitiv ein reiches Land. Man kann das aber immer schwer an den tatsächlichen BIP festmachen, das ist wenig aussagekräftig.

Es gibt von der OECD einen Better Life Index und da gibt es meiner Meinung nach einen guten Überblick:
https://www.oecdbetterlifeindex.org/de/countries/germany-de/

Hohe Verbindlichkeiten kann man doch nur deshalb haben, wenn man viele Sicherheiten, also Aktiva, Vermögen hat.
Banken leihen Dir nur was gegen gute Sicherheiten.

du hast schon recht. trotzdem verschleiert die gängige bezeichnung „reiches land“ dass 40% der bürger von der Hand in den Mund leben (keine Sparguthaben). wir sind ein reiches land mit sehr vielen armen menschen. für mich klingt immer ein bisschen hohn mit, wenn die monstranz „reiches land!!“ hochgehalten wird.

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Verbindlichkeiten für Pensionen stellen genau genommen nur eine Verschiebung von Staat zu Privat dar, korrekt. Aber im Rahmen europäischer Solidarität wird vom „reichen“ Deutschland meist mit Verweis auf den niedrigen Schuldenstand gesprochen.

Würde man auf die Privatvermögen (besonders im Verhältnis zum BIP) schauen, fiele die Fiktion Deutschland sei reich schnell in sich zusammen.

Unsere Reichen sind ungefähr so reich wir Franzosen, Italiener, Griechen. Unsere Bürger und Bürgerinnen mit wenig Vermögen haben meist 0 oder weniger.

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Dr. Stelter ist ein neo liberaler Dogmatiker und crash prophet. Ich habe schon einiges auf Twitter von ihm gelesen (mittlerweile gemuted) und auch in seinen Podcast rein gehört.

Interessante und relevante Öknomen wie M. Fratzscher, A. Truger, I. Weber sind quasi das Gegenteil von dem Herren und würden Teilweise zustimmen, weil es sich um Binsenweisheiten handelt und andererseits wie bei der Schuldenbreme abwinken.

Deutschland ist ein reiches Land.

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Das kann man tun. Und wenn man diese dann pro Kopf herunter rechnet, wird man feststellen, dass diese Schulden eine Größenordnung unter den angegebenen Vermögen liegen.

Ich glaube bevor wir in solche Diskussionen einsteigen, müssten wir erstmal definieren, was wir unter „Reichtum“ verstehen. Heißt es, dass sich ein Staat bestimmte Ausgaben (z.B. Umbau des Energiesystems, Sozialsysteme) rechnerisch leisten kann? Dann geben diese Zahlen aus meiner Sicht eine grobe Orientierung. Oder sprechen wir davon, wie „lebenswert“ es in einer Gesellschaft ist? Das hat mit finanziellem Reichtum nur am Rande was zu tun.

Ah stimmt eigentlich sind luxemburg und schweiz die reichsten länder… oder lass über natürliche ressourcen gehen, dann ist eines der reichsten Länder venezuela…

Ein staat ist kein Laden sondern im fall von deutschland eine stabile politische entität, schulden sind nicht mal privat notwendigerweise ein Problem, fragen ob die wirtschaft in zukunft aufgrund von mangelnder infrastruktur, bevölkerung oä. den bach runter geht widerlegt nicht das ein staat zur Zeit reich ist etc.

Das erklärt aber nicht warum der frame nützlich ist. Reichtum ist keine objektive kategorie sondern abhängig von relation und prämissen und wird meistens als leere Kategorie vor allem normativ genutzt. Klar ist das BIP als referenz eine verallgemeinung oder ne abkürzung für nen komplexeren punkt. Geschenkt.

Eure kategorien sind all over the place. Vergleich mit Privathaushalten, sozialkapital, produktionsmittel, etc. Natürlich kann man sich einzelne Sachen rausgreifen aber, wenn ihr damit versucht das gesamtbild zu relativieren ohne selbst ein gesamtbild zu konstruieren fragt man sich schon zu welchem Zweck. Wenn jemand argumentiert dt ist nen reiches Land ist das nen frame für nen spezifischen zweck. Meist wird der benutzt um für prinzipielle Machtbarkeit von Klimaschutz, sozialmaßnahmen, entwicklungshilfen oder Machtstrukturen zu argumentieren. Das ist eine reaktion auf konservative und rechte narrative dass man sich alles micht leisten kann. Auf was ihr euch bezieht wird meistens unter nem anderen Frame betrachtet, um das gesamtbild nicht zu verdecken. Dass euer angeführter Frame nicht so wirklich hilfreich ist kannste auch daran sehen, dass man den exakt umgedrehten Frame benutzen kann und nichts verliert. Wir sind gerade reich und um diesen Reichtum zu erhalten brauchen müssen wir an infrastruktur, bevölkerung etc. fördern.

Sry aber gerade der Bezug auf die phrase „Deutschland ist ein reiches Land“ ist zu unterkomplex und auf fringe unternehmensberater lässt den thread hier bissle, wie das „actually“ meme erscheinen.
Ja Sachen sind komplex, narrative, frames, kurze argumentationen selten erschöpfend aber das macht nicht jede Position die darauf verweist direkt sinnvoll. Die frage ist wo ist kompelxitätsreduktion sinnvoll, wo nicht und wo manchmal auch einfach egal ^^

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In welchem Zusammenhang wurde das denn in der Lage erwähnt?

Mein Eindruck der Episode mit Lindner war einfach, dass diese besonders spannend war und dem FDP-Politiker einiges entlockt hat. Und wenn es nur ein kleiner Riss bei der Mauer um das Tempolimit war.

Und wenn unsere Podcaster soziale Maßnahmen mit „Deutschland ist reich“ rechtfertigen, kann doch eine weitere interessante Episode entstehen, wenn man hierzu eine Gegenposition hört.

Warum ist diese Gegenposition weniger wertvoll, weil man z.B. Dr. Stelter für „neoliberal“ hält?

Ich merke aber, dass mein Vorschlag auf wenig Gegenliebe stößt. Das verstehe ich zwar auch nach den länglichen Erklärungen nicht ganz, akzeptiere es aber natürlich.

Weil man auch nicht Alex Jones als Gegenposition zu „Die Taliban haben das WTC gesprengt“ einlädt. Oder Atila Hildmann zum Thema „Ist Deutschland ein Staat?“.

Kurzum: Es geht um die Kredibilität eines Akteurs. Daniel Stelter ist weder Wissenschaftler noch Politiker. Ersteres würde ihn als Fachmann relevant machen, letzteres als Entscheidungsträger. Daniel Stelter ist Unternehmensberater, der aus Karrieregründen einen Doktor gemacht hat (aber nie wissenschaftlich tätig war). Er ist ein Influencer (oder auch: Selbstdarsteller) aus dem neoliberal-erzkonservativen Bereich.

Wenn man über das Thema „Ist Deutschland wirklich reich“ ein Interview machen wollte, dann mit einem der Wirtschaftsweisen oder einen anerkannten Professor für VW, der in diesem Bereich (vergleichende VWL) geforscht hat. Aber ganz bestimmt nicht mit einem stark ideologisierten Selbstdarsteller, der davon lebt, mit steilen Thesen Aufmerksamkeit zu erzeugen.

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Dann wären vielleicht Martin Feldstein oder Hans-Werner Sinn bessere Alternativen. Aber jetzt bitte nicht die Torpfosten verschieben und sagen, dass die zu neoliberal oder erzkonservativ seien.

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Ich würde gerne verstehen warum du denkst Sinn wäre irgendwie ein Mehrwert? Er prophezeit seit der Schuldenkrise Anfang der 2010er den großen Crash. Suche gerade ein Video für dich und er ist erstmal Gast bei Tichys Einblick. Diese Mann ist völlig verbrannt.

Würde dir gerne diese zwei Videos empfehlen 1 2

Aber was sind die Gründe für die Empfehlung deinerseits?