In der Lage live in Dortmund wurde gesagt, dass jede Frau in Deutschland bis zur 12. Woche die Möglichkeit hat, abzutreiben. Das ist leider in der Praxis nicht der Fall. Aufgrund der vielen Jahre mit Paragraph 219a gibt es so wenig Beratungsstellen und so wenig Ärztinnen und Ärzte, die eine Abtreibung vornehmen, dass die Wartelisten so lang sind, dass viele über die 12. Woche hinaus kommen. Ja, es gibt Wartelisten bzgl. Abtreibungen - in den alten Bundesländern länger als in den neuen Bundesländern.
Da Ulf und Philip aber eigentlich lösungsorientiert arbeiten wollen, sollte man sich mal die Gesetze in den Niederlanden anschauen - das wäre eine Alternative zum derzeitigen Paragraph 218. Hier hat man die Möglichkeit, anonym bis zur 22. Schwangerschaftswoche abzutreiben. Für die niederländischen Staatsbürger/innen, die schwanger werden können und abtreiben möchten, gibt es einen Fond. Schwangere Patient/innen aus anderen Ländern müssen für die Kosten selbst aufkommen. Tatsächlich haben die Niederlanden mit die niedrigsten Abtreibungsquoten.
Ich war gestern auch da und fand das Thema sehr lehrreich; eine Frage in diesem Kontext: Was heißt es denn juristisch, wenn eine Warteliste bis über die 12. Woche hinaus geht, alle anderen Prozesse wie Beratungstermine, etc. aber schon erkennbar früher angestoßen worden sind?
Aus der Erfahrung heraus, die eine Bekannte machen musste: Dann wird so verfahren, als ob sie sich vor der 12. Woche noch nicht darum gekümmert hätte. Zumindest wurde so in einem eher katholisch geprägten Bundesland agiert.
Wie aber eigentlich juristisch verfahren wird / werden muss, weiß ich nicht. Da habe ich keine Expertise.
ich sehe das ein wenig kritischer. Klar gibt es diese Fälle, dass Frauen nach einer Beratung auf eine Warteliste kommen und dann die 12 Wochenfrist überschreiten.
Auf der anderen Seite gibt es diese Regel nicht ohne Grund. Ab der 12. SSW kann das Geschlecht (mit Ausnahmen) recht eindeutig bestimmt werden. Vor der 12. Woche ist es dem Arzt auch nicht gestattet, das Geschlecht zu nennen.
Eine Fristverlängerung könnte dazu führen, dass ein Kind mit unerwünschtem Geschlecht abgetrieben wird.
Ich bin mir nicht sicher, ob dies durch die Ärzte klar getrennt werden und Missbrauch verhindert, werden kann.
Da der Artikel 219a nun aber eh Geschichte ist, wird dies wahrscheinlich zu mehr „Entlastung“ dieses Problems führen.
Das ist eine interessante Begründung. Aber ist die auch in der Realität verwurzelt? Ist das denn z.B. in den Niederlanden (siehe oben) in einem signifikanten Ausmaß der Fall, dass Föten (keine Kinder) bestimmten Geschlechts besonders oft abgetrieben werden? Ich weiß, dass es Gegenden auf der Welt gibt, wo das der Fall ist, aber auch in Mittel- bzw. Westeuropa?
Und sollte das bloß im Einzelfall drohen, wäre das dann ein valider Grund auch all die übrigen schwangeren Frauen in ihrer Wahl weiterhin einzuschränken? Ich denke eher nicht. Wenn es irgendwann zu einem deutlichen Geburtenüberhang eines bestimmten Geschlechts käme, könnte das natürlich langfristig zu einem Problem werden. Aber auch dann wäre meiner Meinung nach der geringere Eingriff in die körperliche Autonomie von Frauen, einfach den Zeitpunkt, ab wann Ärzte das Geschlecht offenbaren dürfen, parallel nach hinten zu verlegen.
Ist das nicht eine dieser Regelungen die man nur eingeführt wegen Angst vor irgendwelche Migrationsgruppen? Soweit ich weiß gibt es dieses Problem in geringen umfang in südosteuropa.
Aber dann schiebt man die frist halt noch weiter nach hinten. Oder ne ganz wierde idee man löst soziale (in diesem fall wohl patriachale) Probleme durch entsprechende soziale Maßnahmen anstatt mit der Begründung Frauen zu Schützen die Rechte von Frauen einzuschränken ^^
Ich möchte darauf hinweisen, dass auch diese Medaille zwei Seiten hat und Frauen zur Abtreibung genötigt und auch in diese Richtung hin beraten werden. Und nicht jede Frau kann sich wehren und wenn sie es kann und schafft : was macht das mit ihrer Gesundheit?
Diese Seite hat keine aufgeregte Lobby und wird gefühlt ( oder tatsächlich) nie erwähnt.
Die Folgen davon sind ebenfalls katastrophal.
Als Ärztin möchte ich auch nicht dazu gezwungen werden einen Fötus in der 21.SSW abzutreiben.
Aus der Debatte bin ich schon vor vielen Jahren ausgestiegen, weil sie so hart in ihren Ebenen verläuft.
Es hat viele Seiten und emotional Beteiligte, aber sich in einer typischen politischen Debatte dazu zu Wort zu melden ist hart, viel zu privat wenn persönlich betroffen oder auch unmöglich aus solchen Gründen.
Daher bin ich überzeugt dass die Debatte Schlagseite hat und dass manche Personen den Lebensschützern das Feld überlassen, weil sie sich da nicht selbst reingeben wollen.
Kennt hier irgendjemand in diesem Forum Roses Revolution?
Am25.11. Jeden Jahres legen Frauen rosafarbene Rosen vor Kreißsälen ab in denen sie Gewalt ausgesetzt waren.
Gewalt in diesem Bereich ist so normal, dass jeder jemanden kennt den es betrifft - und darüber schweigt.
So wie auch über Aspekte des Themas Shwangerschaftsabbruch öffentlich geschwiegen wird - während es unter Betroffenen offene Geheimnisse sind.
Ist es wirklich die Möglichkeit, bis zur 12.Woche abzutreiben, wenn es nicht erlaubt ist, sondern nur nicht der Strafverfolgung unterliegt? Wenn es nur erlaubt ist, wenn eine Gefahr für Leib und Seele der Mutter besteht?!
Genau an der Stelle sehe ich einen deutlichen Unterschied! Ein bewusst gewählter Unterschied, der eben weit von Selbstbestimmung über mich und den eigenen Körper entfernt ist.
Denn nur weil ich gerade kein Kind in meinem Leben möchte, ist das vielleicht keine Gefahr für meinen Leib oder meine Seele… deshalb muss ich als Frau im Prinzip eine Straftat begehen, die aber glücklicherweise nicht geahndet wird.
Ist das richtig oder sollte nicht zumindest bis zur 12. Woche auch ohne diese Hintertür eine Abtreibung wirklich erlaubt sein?!
Ich finde, grade der Vergleich mit den USA, der in der LdN gezogen wurde, spricht ja dafür, Abtreibung nicht über das Strafgesetz zu regeln. Die NY Times z.B. hatte darauf hingewiesen, dass Roe v. Wade in der Begründung, dem right to privacy (v.a. der Ärzt*innen), leichter zu kippen war, als es bei einer anderen Begründung, z.B. dem Freiheitsrecht, gewesen wäre. Auch wenn in der Sache kaum vergleichbar: Solange also Rechte nicht auf entsprechende Grundlagen gestellt werden, lassen sie sich auch leichter umstoßen.
Ich denke, Zahlen in Deutschland würden zeigen, dass es hierzulande eher selten eine Frage des Geschlechtes ist. Es gibt andere Gründe, abzutreiben, wie z.B. der finanzielle Status, die psychische Gesundheit der Mutter und/oder der restlichen Familie usw.
Auf jeden Fall sollen sich Ärztinnen und Ärzte frei entscheiden dürfen, ob und bis wann sie Kinder abtreiben oder eben nicht. Ärztinnen und Ärzte in der Ausbildung sollte aber definitiv ermöglicht werden, die Praxis zu lernen, wenn sie später entsprechende Eingriffe vornehmen wollen.
Ja, in der Gesellschaft wird leider viel zu viel darüber geschwiegen, was bei Kinderwunsch / schwanger werden / Kinder kriegen / Kinder abtreiben etc. alles falsch läuft. Erst als ich selbst älter geworden und in meinem Freundeskreis Kinder auf die Welt gekommen sind, habe ich gemerkt, was teilweise lediglich auf einem glücklichen Zufall in unserer Gesellschaft basiert und wie viele eigentlich über physische und psychische Schmerzen in diesem Zusammenhang schweigen.
Ich habe auch in meinem Medizinstudium nur Theoretisches über Abtreibung gelernt - aus meiner Sicht muss das so sein. Die Abtreibung als operativer Eingriff wird im Medizinstudium genauso wenig gelehrt wie Blinddarmentfernung oder Bypassoperation, das gehört in die Facharztausbildung.
Medikamentöse Abtreibung wurde im Pharmakologie-Kurs genauso gelehrt wie andere medikamentöse Behandlungen.
Wenn also engagierte Medizinstudentinnen mit Obst diesen Eingriff üben wollen - meinetwegen. Andere wie ich (Internist) werden als Dermatologinnen, Psychiaterinnen oder Neurochirurginnen damit nie zu tun haben. Zurecht werden diese Eingriffe nur von Gynäkologinnen durchgeführt - die das gelernt haben.
Beim Thema Abtreibung ging es in der Folge darum, dass es, selbst wenn die Regelung der Abtreibung nicht mehr im Strafgesetzbuch steht, einer Fristenregelung bedarf, „da ja keiner wolle, dass Frauen bis kurz vor der Geburt eine Schwangerschaft beenden“.
das wollen schwangere Menschen in der Regel doch selbst nicht. Abgesehen davon, dass eine Schwangerschaft körperlich belastend ist, ist ein Schwangerschaftsabbruch häufig auch psychisch belastend. Daher ist davon auszugehen, dass schwangere Menschen das in keinster weise „ausnutzen“ würden und massenhaft im letzten Trimester abtreiben. Sollte sich ein schwangerer Mensch dennoch so spät für eine Abtreibung entscheiden, hat das wahrscheinlich gute Gründe und diese Entscheidung wird sicher nicht leichtfertig und ohne eigene psychische Belastung von statten gehen.
In Kanada gibt es keine Fristenregelung für Schwangerschaftsabbrüche. Dort sind Abtreibungen seit 1988 zu jeder Zeit und ohne Beratungsauflagen o.ä. erlaubt (und die Kosten werden übernommen). In Kanada wird weder massenhaft abgetrieben (nicht mehr oder weniger als in anderen „westlichen“ Ländern), noch werden Schwangerschaften reihenweise im letzten Trimester beendet. Abtreibungen nach der 16. Schwangerschaftswoche machten dort in den 90ern nur 2% aus und wurden meist wegen einer schweren Schädigung des Fötus gemacht. Aktuellere Zahlen hab ich auf die Schnelle nicht gefunden.
Und noch weitere Gedanken zum Thema Abtreibung:
Die Aussage „vllt. lieber nicht darauf pochen, dass das Abtreibungsgesetz komplett aus dem Strafgesetzbuch gestrichen wird, da man momentan ja zum Glück abtreiben kann und am Ende vllt. sogar mehr eingeschränkt wird“ finde ich schwierig. Dann müssten ja auch andere Diskriminierungen vllt. lieber hingenommen werden, bevor man die Pferde scheu macht und es noch schlimmer wird? Ich kämpfe lieber für meine Freiheit und gegen Diskriminierungen, als ein patriarchales, rassistisches, ableistisches etc. System hinzunehmen, „weil es schlimmer sein könnte“. Schlimmer geht immer, aber besser auch.
Dass sicher geglaubte Rechte wieder aberkannt werden merkt man nicht nur beim Abtreibungsrecht in den USA. Wenn Abtreibungen im Strafgesetzbuch geregelt sind, zeigt dass ja eh schon, wie Abtreibungen rechtlich/politisch eingeordnet werden. Und da könnte man die Regelung dass Abtreibungen vorgenommen werden dürfen, wenn diese „nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden“ auch mal schnell weniger offen auslegen, wie es momentan getan wird. Wer darf entscheiden, was eine „schwerwiegende Beeinträchtigung des seelischen Gesundheitszustandes“ ist?
Solange Menschen mit Gebärmutter weitreichende negative Konsequenzen haben, wenn sie Kinder bekommen (viel mehr unbezahlte Carearbeit, 37% der alleinerziehenden Mütter erhält zu geringen oder keinen Unterhalt vom Vater, drohende Altersarmut, Schwierigkeiten in den Job zurück zu kehren, drastischer Anstieg des Gender Pay Gap bei Frauen ab 30 Jahren - Kind bekommen = weniger verdienen bei gleicher Arbeit, fehlende Kitaplätze) ist meiner Meinung nach keine Moraldebatte im Sinne von „Abtreibung ist Mord“ erlaubt. Nicht nur ein Fötus ist ein (potenziell) schützenswertes Leben (je nachdem wann der Beginn des Lebens definiert wird), eine Schwangere ist es auch! Solange Menschen mit Gebärmutter so viel mehr negative Konsequenzen von ungewollter Schwangerschaft (häufigster Grund: Verhütungsmittel versagt) zu ertragen haben, finde ich es moralisch verwerflich diese dazu zu zwingen ein Fötus auszutragen und entweder ein Kind großziehen zu müssen (mit all seinen negativen Konsequenzen) oder es alternativ zur Adoption freigeben zu müssen (auch mit all seinen negativen Konsequenzen - z.B. gesellschaftliche, psychische).
Ich glaube viele wissen/verstehen nicht, dass das Medizinstudium nur ein Anfang ist, danach die Facharztweiterbildung kommt.
Wenn ich so lese, was Medizinstudenten manchmal so alles können sollen, gruselt es mich doch etwas.
Ich finde es eine interessante Diskussion hier und auch die Berichterstattung von Philip und Ulf klar und gut.
Allerdings störe ich mich sehr an dem Begriff „Lebensschützer * innen“. Meiner Meinung stellt das bereits ein unzulässiges Framing der Diskussion dar. Die ganze Abtreibungsdebatte kreist zum großen Teil um die Frage ab wann eine befruchtete Eizelle / ein Fötus / ein Kind lebt. Die Definition des Lebens ist aus wissenschaftlicher Sicht nicht unumstritten, jedoch ist die Position eine Eizelle direkt nach der Befruchtung als Leben zu definieren, kaum haltbar. Genau das ist aber die Definition, die z.B. manche Kirchen und vermeintliche „Lebensschützer * innen“ anwenden. Mal ganz abgesehen davon, dass das Leben der Mutter selbst manchmal unbeachtet bleibt.
Über die richtige Definition muss unbedingt (wissenschaftlich fundiert) diskutiert werden. Bis dahin würde ich mir wünschen die sog. „Lebenschützer * innen“ als „Abtreibungsgegner * innen“ zu bezeichnen. Letztlich ist damit eine Gruppe gemeint, die Abtreibung vollständig ablehnt und die Bezeichnung deshalb treffender.
Das ist aber etwas komplett anderes. Es ging doch darum, dass @Michael86 meinte, bei einer längeren Fristenregelung würde es zu geschlechtsbezogenen Abtreibungen kommen.
Welches System soll das sein? Das in Russland , in den USA oder in Deutschland?
Dieser Satz wird doch nur von radikalen Abtreibungsgegnern verwendet. Eine Moral-Debatte wird die Diskussion um Abtreibung aber immer sein, da individuelle moralische Wertvorstellungen berührt werden.
Ich finde beispielsweise, dass es klare (straf-)rechtliche Regelungen geben muss, wann eine Abtreibung vorgenommen werden darf und wann nicht. Daher lehne ich auch das kanadische Modell ab.
Ja, es gibt aber den Übergang vom Embryo zum Fötus. Dieser ist in der 10. SSW ± 2 Wochen. Somit kann dies auch gut zur Rechtfertigung ab der 12. Wochen genutzt werden.