Hallo,
ich will jetzt kein neues Thema aufmachen und schreibe deshalb hier, auch wenn ich mich nicht direkt auf meine Vorredner beziehe sondern auf die Aussagen aus dem Podcast. Vorneweg Danke, dass hier der Kontext zu möglichen Konsequenzen für andere Grundrechte (was ist das eigentlich, wenn nicht ein Recht, das explizit in der Verfassung oder auch den allgemeinen Menschenrechten definiert wurde?) diskutiert wurde. Ferner möchte ich gleich sagen, dass ich die Situation in den USA mit großer Sorge betrachte und natürlich mit viel Sympathie für die Frauen, deren Situation sich in der Folge des Abtreibungsurteils dramatisch verschlechtert. Dennoch:
Mir ist der Ton insgesamt zu aufgeregt und mir fehlt einiges, was im Einspruchpodcast der FAZ herausgearbeitet wurde (Folgen 208 (?) und aktuelle Folge 215).
Punkt eins wäre, dass es meiner Meinung nach auch in Deutschland zu erheblichem Aufschrei kommen würde, wenn jemand die Frist der Abtreibung ohne Einschränkungen bis in die 20. Schwangerschaftswoche oder darüber hinaus verlängern wollte. Das ist quasi ein kompletter Mensch, nur die Lunge funktioniert noch nicht richtig … (ich bin kein Mediziner).
Punkt zwei wäre mein allgemeines Demokratieverständnis. Auch in den USA dürfen sie sich eine Verfassung nach eigenem Ermessen geben, haben dies getan und könnten diese mit entsprechenden Mehrheiten ändern. Selbst ohne die Verfassung zu ändern, könnte man mit einer entsprechenden Mehrheit und mal kurz über Filibuster hinweggegangen Dinge über Bundesgesetze regeln. Diese Freiheit steht den Amerikanern zu, ob uns das gefällt, ob wir es sindflutlich halten oder nicht.
Punkt drei: Ich möchte jetzt auch nicht den ganzen Einspruchpodcast wiedergeben. Letztlich war Roe vs Wade aus europäischer Sicht wohl sehr komisch argumentiert über die Freiheit des Arztes, eine angemessene Behandlung zu wählen. Ebenso ist es zumindest aus deutscher Sicht mit einer ganz modernen Verfassung kaum vorstellbar, wie es ist, mit einem uralten Text und Interpretationen zu leben, die laufend durch Gerichtsurteile geändert werden können. Wenn nun der Supreme Court feststellt, dass irgendeine Entscheidung aus der Vergangenheit (vergessen wir mal kurz, um was es geht) überinterpretiert wurde und es konkret keine entsprechende Aussage in der Verfassung gibt und er die Verantwortung für eine moderne Regelung an den Gesetzgeber delegiert, dann finde ich ein „das gefällt mir vom Ergebnis her nicht“ nicht wirklich ausreichend als Kritik.
Ich fand es schön, dass Ihr, Ulf und Philip, in dieser Folge mal die Lage der FDP dargestellt habt, aus Eurer eigenen herausgetreten seid, die „Gegenseite“ gebeten habt, Euch Feedback und Input zu geben. Vielleicht gelingt Euch das auch bei diesem Thema beim nächsten Mal noch etwas mehr. Wenn ich mich persönlich mal rein mathematisch verorte zwischen „Keine Abtreibung erlaubt, auch nicht in der ersten Woche“ und der bisherigen Regelung in den USA „Alles erlaubt bis über die 20. Woche hinaus“ dann lande ich ziemlich genau in der Mitte und somit bei der deutschen Regelung. Beide Extreme fände ich sehr schwierig.
Im Sinne der Amerikanerinnen in den betroffenen roten Staaten hoffe ich, dass erstens vielleicht doch bald ein Bundesgesetz durchgeht oder zweitens möglichst schnell ein Urteil (Vergewaltigung? Gefahr für das Leben der Mutter? …) vor das höchste amerikanische Gericht kommt, dass dann doch von den Rechten der Frau her kommend Beschränkungen für das Ausmaß der Verbote von Abtreibungen definiert.
Beste Grüße
Hans