LdN295 Prozesswärmegas durch Strom und Wasserstoff ersetzen

Das sehen ich und meine Kollegen tatsächlich genauso. Nur leider ist das eben in der Industrie nicht ganz so schnell möglich wie es nun nötig ist. Das zeigt sich ganz einfach am Beispiel Prozesswärme. Will man Wasser nun plötzlich per Strom auf 60-120°C (je nach Druckstufe für verschiedene Anwendungsbereiche) bringen kann ich nicht einfach den Stecker in die Gastherme stecken, sondern brauche ein komplett neues Heizsystem.

Diese Geräte (zum Beispiel Wärmepumpen) gibt es in ausreichender Größe aber nicht auf Lager sondern werden von wenigen Spezialisten auf Bestellung gefertigt. Die Lieferfristen liegen dann bei Monaten bis zu mehr als einem Jahr und der Aufbau ist nicht weniger aufwendig als der Bau eines Hauses. Danach muss die neue Anlage ins System mit eingebunden werden. Nun kann Strom manchmal ausfallen und je nach Prozess kann der Ausfall der Prozesswärme katastrophale Verluste im Bereich von 6-7stelliger Höhe verursachen.

Daher hat man bisher eine Gasreserve im Tank vorliegen gehabt. Das ginge nun nicht mehr. Stattdessen muss nun also auch ein Generator in ausreichender Größe installiert werden. Oftmals ist dass alte Notstromaggregat nämlich nicht so dimensioniert, dass sie die ganze Prozesswärme bereitstellen könnte, war ja dank Gastank nicht nötig. Auch hier herrschen entsprechende Wartezeiten ab Bestellung und die Aufstellung erfordert die Einhaltung etlicher baulicher Regelungen. Wer schon Mal in einem Chemiewerk war weiß, dass es da oft räumlich schon eng zugeht, also auch dort aufwendig geplant werden muss.

Zuletzt gibt es noch eine weitere Hürde,. Die Dynamik der Heizlösung. Stromheizungen ist etwas träger als Gas. Das führt dazu, dass die Auslegung und Tests wesentlich umfangreicher und komplizierter werden.

Im Endeffekt hast du grundsätzlich Recht, wir müssen elektrifizieren. Aber dieser Prozess ist in der Industrie halt wesentlich komplexer als der Einbau einer Wärmepumpe im Eigenheim. Und daher dauert es dort halt vielfach länger. Die Forderungen und Erwartungen, die hier teilweise Foristen an den Tag legen (nicht du bist gemeint @PhilipG) ist völlig fern ab von der Realität.

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s. dazu auch Quellensammlung @Matder

Das schöne ist, dass man in einer solchen Diskussion auch seinen Horizont erweitern kann. Mir war das bisher neu, was sind das für Prozesse, bei denen die Gasflamme eine Rolle spielt?

Ok, für Chemie und Lebensmittel sind Dampf noch der Standard. In anderen Industrien ist Dampf vor 30 Jahren rausgeflogen, wegen notwendiger Sicherheitstechnik und weil energetisch halt schlecht.

Das tut er möglicherweise wegen den in der Chemie selbst betriebenen Kraftwerken. Ansonsten macht er das vielleicht mal ein paar Millisekunden. Myste kann da sicher genaueres dazu sagen, er ist ja beim Versorger beschäftigt.
Mein Eindruck verstärkt sich, dass die Chemie ein richtiges Problem für die Energiewende wird. Betrieb von Dinosauriertechnik (Dampf), betrieb von unsicheren eigenen Kraftwerken die für Ausfallgefahren sorgen (möglicherweise Kohle) und die sowieso nur existierten um die EEG nicht zahle zu müssen und so weiter.
Ich kenne ein paar Kollegen von Evonik und Covestro. Vor diesen Firmen habe ich Respekt, was deren Konzepte und Vorgehen zum Klimaschutz anbetrifft.
Vielleicht ist den technischen Abteilungen noch nciht angekommen, dass es nicht mehr darum geht zu erklären was alles nicht geht, sondern was geht

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http://www.drying.de/trocknungsverfahren/konvektive-trocknung.html

Du verbrennst das Gas und trocknest mit der Abluft direkt einen Stoff, zB eine Papierbahn.

Danke für den Punkt, da hatte ich gar nicht dran gedacht bisher.

Ja, beziehungsweise, vorher muss alles an Effizienz und Wärme hin- und herschieben ausgeschöpft werden. Je mehr elektrische Energie gebraucht wird, desto dicker muss die Stromanschlussleitung werden, desto teurer wird’s, und desto größer musst du auch dein Notstromaggregat auslegen.

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Ich sage doch gar nicht, dass es nicht geht. Du stellst Dinge hier sehr einseitig und fachfremd dar.

Im übrigen ist Dampf auch keine Dinosauriertechik sondern einfach state of the art. Dampf ist zum Beispiel zwingend überall dort notwendig wo man biologische Kontamination ausschließen mus (Sterilisation) oder zur Verdampfung von Lösungsmitteln bei Produkten, die sonst an heißen Oberflächen thermisch instabil würden (Pharma, Lebensmitteltechnik) oder zu Verkrustungen neigen (Grundchemie und viele Feinchemikalien). Ergo, Dampf braucht man bei sehr, sehr vielen Prozessen.

unangemessene Polemik

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Nur kann Gas demnächst auch mal ausfallen und wenn es blöd läuft, dann ist da auch ein Schaden da. Und klar fällt der Strom mal aus. Aber im Schnitt ist das deutsche Stromnetz super sicher. Gegen 10-15 Minuten Ausfallzeit (auf der Mittelspannungsebene) sollte man sich absichern können und es bekommen ja auch jetzt schon große stromverbrauchenden Unternehmen hin.

Den Eindruck habe ich z.T. auch. Nicht falsch verstehen, mir ist bewusst, dass es im Normallfall alles sehr lange dauert. Nur den haben wir aktuell nicht. Wenn man sieht was bei Corona alles möglich was (Stichword Impfstoffentwicklung bis zur Massenproduktion), dann kann man daraus sicherlich an vielen Stellen auch hier lernen.

Aber das ist doch gerade eines der Beispiele, was im Vergleich zu vielen Dingen in der Industrie noch am einfachsten Anzugehen wäre. Ja ich muss darauf warten, dass die Technik geliefert werden kann. Aber ob mir nun eine Gastherme 120°C warmen Dampf bereitstellt oder eine strombasierte Lösung ist doch für den Dampf egal. Da muss ich am Ende nicht meine Prozesse aufwendig neu gestalten, wie es z.B. bei der Papierherstellung wäre, wenn ich auf eine Trocknung per Induktion gehen würde.

Und ja, das wird nicht mehr bis zum kommenden Winter gehen. Aber wenn die politischen Weichen gestellt werden würden, dann wäre da bis 2023/24 doch einiges rauszuholen.

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Das ist jetzt gerade ein Beispiel für Konvektion bei der es eben egal ist, ob die Wärme aus einer Flamme oder einem Wärmetauscher stammt.
Für Trocknungsprozesse gibt es eine Vielzahl von Alternativen: UV, IR, Entfeuchtend, fallen mir auf die Schnelle ein.

Aber ob mir nun eine Gastherme 120°C warmen Dampf bereitstellt oder eine strombasierte Lösung ist doch für den Dampf egal. Da muss ich am Ende nicht meine Prozesse aufwendig neu gestalten,

Vollkommen richtig.
BTW: es gibt heute schon Hochtemperatur WP. Kann ich aber technisch nix dazu sagen. Aber wichtiger Hinweis: die DLR forscht an WP bis 300 Grad und will sogar bis 600 Grad.

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Ich sage Mal ein eindeutiges jain :wink:

Es ist doch so, dass die Forderung mehrheitlich lautet: Fangt an, sofort!

Und nicht: habt bis zu diesem Winter alles fertig.

Aber laut dem was berichtet wird hapert es doch schon beim Anfangen, weil Teile der Industrie auf andere Teile der Industrie verweisen, die doch der Einfachheit wegen anfangen sollen.

Wenn es 2 Jahre dauert den Prozess in der Chemie umzustellen, dann ist das so, aber wenn man jetzt damit anfängt ist man 2024 fertig und die 2 Jahre werden halt nicht kürzer wenn man mit dem Anfangen noch 1-x Jahre wartet.

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Das stimmt. Aber die Knappheitsdiskussion drehte sich ja zu einem großen Teil um diesen Winter. Insofern ist es schon fair zu fragen: was könnte denn die Industrie tun, um DIESEN WINTER signifikant Gas einzusparen? Und da sind für mich ehrlich gesagt nur plug & play Lösungen realistisch.

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Die von mir bereits vorher genannten Ofenprozesse sind auch so ein Fall. In der Ziegelstein Produktion gibt es Durchlaufofenlinien mit 300+ angeschlossenen Brennern direkt in der Ofenkammer und Temperaturen von 1000+°C. Wie hoch die Temperaturen bei Großbäckerein sind, weiß ih leider nicht. Aber auch da kommen diese Öfen zum Einsatz.

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Schon wieder falsche Fragestellung, die sich für den einzelnen Betrieb mit „nichts“ beantworten lässt.

Richtig wäre: was kann jeder einzelne Betrieb tun um DIESEN Winter Gas einzusparen?

Denn am Ende zählt jeder noch so kleine Beitrag.

Ja es mag zu aufwendig sein große Produktionslinien bis zu diesem Winter umzustellen, aber vielleicht einen Produktionsabschnitt oder auch nur einen Ofen irgendwo?

Jeder Beitrag zählt, sonst würde man sich nicht über das Duschverhalten unterhalten und wieviel Warmwasser man dort sparen könnte.

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Hast du Recht. Insofern fände ich es mal interessant mehr über diese Auktionsmodelle zu hören, mit denen Gas in der Industrie eingespart werden soll. Nach meinem Laienhaften Verständnis wäre sowas hier das passende Instrument.

Was ich bei der Kritik über die Ineffizienz von E-Fuels, Power2Gas und Wasserstoff immer vermisse sind folgende Zusammenhänge:

  • Wasserstoff ist alles andere als leicht handlebar. Dies deshalb, weil es auf Grund winziger Molekühle durch fast alles hindurchdiffundiert. Ein Paradebeispiel für dieses Problem waren die Explosionen in Fukushima. Überall wo es sich sammelt und mit Luft in Berührung kommt entsteht Knallgas. Eine Lagerung in größerem Umfang ist also problematisch.
  • Wie im Podcast schon festgestellt brauchen wir einen enormen Ausbau regenerativ erzeugten Stroms, nicht nur um den Bedarf zu decken, sondern um Schwankungen überregional auszugleichen. Da schon heute im Sommer Windkrafträder und PV abgeschaltet werden, weil mehr Strom erzeugt wird als benötigt, wird sich dieser Effekt mit dem Ausbau noch verstärken.
  • Bevor wir diese Überproduktion wegwerfen, könnten wir aus dem überschüssigen Strom Methan oder E-Fuels erzeugen und sei es noch so ineffizient.
  • Der Vorteil, wir verfügen beim Erdgas (=Methan) über ein enorm ausgebautes Leitungsnetz und Speicher-Kavernen. Auf diese Weise ist Lagerung und Transport über große Strecken von Strom in gewandelter Form kein Problem mehr. Und wir haben die Technik fürs Handling von Methan seit über hundert Jahren ständig verbessert und erweitert. Diese Potentiale wegzuwerfen und zu verhindern, fände ich fatal.
  • CO2, das für die Methanisierung und für die Herstellung der E-Fuels benötigt wird, ist das eigentliche Bottelneck. Bei der Beton- und ich glaube auch Gipsherstellung fällt CO2 massenhaft an (nicht durchs Heizen, sondern durch den chemischen Prozess). Ebenso bei der Biogas-Herstellung. Doch das alles soll nicht reichen, um im nennenswerten Umfang Methangas aus dem Stromüberschuss zu erzeugen.

Aus Effizienzgründen wird sich Prozesswärmeerzeugung und Antriebstechnik hauptsächlich auf die direkte Stromnutzung abstützen. Aber wir sollten wegen der beschriebenen Ineffizienz, nicht die Nutzung von Power to X und E-Fuels verteufeln oder durch Gesetze verbieten. Hier kann sich „der Markt“ wohl am flexibelsten die besten Wege suchen.

Das Problem ist, dass diese Anlagen durchlaufen müssen um effizient und rentabel zu sein. Mab kann die nicht nur 2h laufen lassen wenn gerade Überschuss Strom da ist und dann sofort wieder abschalten wenn der wind mal für 20 Minuten oder 3 Tage nachlässt.

Und wenn mab das machen will, dann denke ich tatsächlich wäre nur PowertoGas sinnvoll. E-Fuels kann man nicht mal eben in das vorhandene Netz einspeisen so wie Methan. Dem Erdgas Netz ist es fast egal wo der Druck rein und wo er raus kommt. Aber wenn ich schon wieder nen Tanklaster brauche um das Zeug weg zu fahren ist es wieder sehr unflexibel.

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So wie ich das sehe sind die technischen Abteilungen nicht das Problem, sondern die Entscheider, die die finanziellen Mittel dafür bereitstellen müssen. Nicht zuletzt da diese vor der Konzernleitung bzw. den Anteilseignern Rechenschaft ablegen müssen. Solche Entscheidungsprozesse dauern in diesen Strukturen manchmal länger als bei Beamten :stuck_out_tongue_winking_eye:.

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Weil ich doch als Aktionär mit ganz vielen Beteiligungen an möglichst hoher Rendite interessiert bin, gleichzeitig aber auch Neogrün bin. D.h. ich möchte Umweltschutz Hand in Hand mit Rendite sehen, beides gleichwertig, bzw. sogar weniger Rendite dafür aber langfristig nachhaltig. In anderen Worten: Kreislaufwirtschaft.

Nicht in jedem Fall ist Elektrifizierung sinnvoll, sondern m.e. grünes GAS (H2 oder CH4) ausschließlich regenerativ erzeugt, bei der Elektrifizierung müssen ja wieder Güter gebaut, transportiert, etc werden. Das alles erzeugt derzeit noch Emissionen weil wir nicht auf 100% EE sind, sprich wir nutzen an vielen Stellen derzeit noch (fossiles Gas/Kohle/ Fossile Treibstoffe und noch minimal Uran).

Die derzeitigen Anlagen nur punktuell umzurüsten auf H2 Betrieb bzw. grünes CH4 ist doch maximal sinnvoller, als alles zu elektrifizieren, wobei wieder endlos Emissionen frei werden, andererseits ist es natürlich interessant Technologien zu verkaufen in die ganze Welt, die bisher mit fossilem Gas betrieben, dann mit regenerativ erzeugtem Strom betrieben werden.

Um das als Gesamtbild einzubringen, Sektorkopplung = sehr gut, aber alles zu elektrifizieren, finde ich sinnlos, sondern es müsste doch eher die vorhandene Infrastrukur möglichst gut genutzt werden - mit 100% das kann grüner Strom oder grünes Gas sein.

Ist mein Gedanken Gang = High Level Design falsch oder erkennst du darin einen Sinn
@LeoWom: Deine Meinung dazu eäre mir wichtig.

DANKE!!

Momentan bläst jeder Deutsche im Schnitt 8000 kg CO2 pro Jahr in die Atmosphäre. Nehmen wir mal an, die Hälfte substituieren wir durch Direktverbrauch von EE-Strom, dann bliebe - wenn der Rest des Energiebedarfs im Wesentlichen durch synthetisches Methan bereitgestellt wird - ein Bedarf von mehreren Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr. Wir bräuchten Anlagen zum Auffangen und Verdichten des CO2, CO2-Netze und Speicher, etc. So ähnlich wie jetzt die Infrastruktur für Erdgas.

Aus der Luft wird man es jedenfalls nicht effizient gewinnen können.