LdN295 Prozesswärmegas durch Strom und Wasserstoff ersetzen

Hallo Philip und Ulf,
In der aktuellen Lage habt ihr darüber gesprochen, Prozesswärme anstatt mit Gas mit Strom zu produzieren um Gas ein zu sparen. Die Idee hat leider einige Haken. Wir ersetzen gerade Gas durch Kohlekraftwerke um Gas aus der Stromproduktion zu ersetzen und würden dann den Stromverbrauch erhöhen indem wir Strom für die Wärmeerzeugung im großindustriellen Maßstab einsetzen. Das ganze macht kurzfristig (bis wir den später erwähnten EEG Stromüberschuss haben) also nur Sinn, wenn man das Transportproblem von Atlantik LNG Gas durch Pipelines nach Deutschland auf die Stromtrassen verlegen will. Dann würden wir weniger Gas verbrauchen und dafür andere europäische Staaten mehr Strom produzieren. Aus welchen Kraftwerken der dann kommen soll, weiß aber auch niemand.

Für Wasserstoff gilt leider das gleiche. Wie ihr im Rahmen der E-Fuels richtig erwähnt, ist der Wirkungsgrad bei der Produktion und der Rückwandlung gering. Um Gas für die Prozesswärme zu ersetzen müssten wir also wieder erst eine Überproduktion beim Strom erreichen. Wasserstoff wird also immer dann zum Einsatz kommen, wenn er neben der Wärme z.B. auch als Reduktionsmittel bei der Stahlproduktion gebraucht wird oder in spziellen Fällen im Verkehrswesen in denen die direkte Benutzung von Strom nicht möglich ist.

Das aktuelle Gasnetz und auch die Verbrennungsanlagen sind in der Lage einen gewissen Wasserstoffanteil im Erdgas zu verwenden. Wollte man aber komplett auf Wasserstoff oder Strom zur Wärmeerzeugung umstellen, müssten ganze Industrieprozesse und Anlagen komplett anders gestaltet werden. Also kurzfristig für die nächsten 3-5 Jahre sehe ich da wenig Chancen.

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Hierzu wollte ich mich auch melden. Ich war etwas überrascht, dass Ulf und Philipp Erdgas in der Produktionswärme ersetzen wollte durch Wasserstoff.
Nun ist ja auch Wasserstoff nicht in ausreichender Menge in grüner Form vorhanden. Sprich er wird erzeugt durch andere Methoden die entweder Erdgas oder zusätzlich Strom verbrauchen. Daher ist aus meiner Sicht dieser vorgeschlagene Weg falsch dargestellt.

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Kurzfristig ist das Gasproblem anscheinend gar nicht zu lösen. Da hilft auch keine Kohle oder Atomkraft, denn man hat jahrzehntelang auf Gas insbesondere bei Heizungen von Mehrfamilienhäusern gesetzt. Insbesondere bei Bestandsbauten wurde seit den 70ern umgerüstet auf Gas (und weg von Kohle). Und auch heute noch werden insbesondere Mehrfamilienhäuser in Städten damit gebaut, weil es relativ simple Technik erfordert, deswegen in der Anschaffung kostengünstig ist.

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Für Wärmeprozesse in der Metallindustrie ist das fast immer machbar und auch wenig komplex. Mir fällt auch kein Prozess ein, den man umgestalten müsste. Vielleicht irgendwelche exotischen. Bei welchen siehst du Schwierigkeiten?

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Ich denke für einige werden die Investitionen zu hoch sein um alles, was bisher mit Gas ging zu ersetzen, ich sage, ein massiver Zubau bei den EE (Wind/PV/Speicher/Power2X) um damit die grünen Gase zu erzeugen, H2 und CH4, reicht vollkommen, dann kann einiges der vorhandenen Infra (eine Umrüstung kostet Geld und erzeugt erstmal wieder Klimanachteile) weitergenutzt werden und ergänzt um Sektorkopplung wird ein Schuh daraus.

Hallo @Leoworm, ich bin studierter Verfahrenstechniker, also genau einer der Ingenieure, die sich mit solchen Themen beschäftigen.
Daher war ich erschüttert was in der Lage behauptet wurde.

Ich habe mich in den letzten Wochen mit vielen früheren Kommilitonen unterhalten. In allen Betrieben laufen etliche Initiativen um Gas zumindestens teilweise gegen Strom oder H2 zu ersetzen. Nur fehlt aktuell noch die Ressource Wasserstoff auf dem Markt und für die Umrüstung auf Strom fehlt uns die Zeit. Die Planungen benötigen hierfür etwa 1 Jahr und bis zur Umrüstung sprechen wir je nach Branche von 1-3 Jahren.

Kurzfristig kann die Industrie nicht nicht großflächig elektrifiziert werden. Und die Bundesregierung hat hier auch Verantwortung zu übernehmen, denn sie hat bis vor kurzem noch sogar noch Unternehmen aufgefordert aus Co2 compliance Gründen auf Erdgas umzustellen.

Ich finde so ehrlich sollten Ulf und Philip schon sein.

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Chemie, Glas, Lebensmittel, Baustoffe …

Was ich meinte, war aber auch weniger die Komplexität und die Machbarkeit und eher der Aufwand. Das Schmelzen der Metalle ist das erste an das man bei der Metallindustrie denkt. Bei Aluminium wird dafür ja auch schon zum Großteil Strom eingesetzt. Aber für die weiteren Prozessschritte ist es schwieriger. Die aus dem Rohmetall gefertigten Bauteile müssen z.B. in der richtigen Geschwindigkeit abkühlen oder vor der weiteren Verarbeitung erneut gleichmäßig erwärmt werden.

Bei der Herstellung von Ziegelsteinen oder Backwaren kommen riesiege Ofenlinien zum Einsatz in denen diverse Temperaturzonenen benötigt werden.

Das heißt für all diese Prozesse müssten neue Anlagen entworfen und in den laufenden Betrieb integriert werden. Dabei müssen die räumlichen Gegebenheiten und auch das Stromnetz beachtet werden. Die Leitungen die aktuell die Betriebe Versorgen würden dann nicht mehr ausreichen.

Mir ist klar, dass das langfristig und bei Neuanlagen geht. Aber so einfach, wie die beiden es dargestellt haben ist es eben nicht.

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Speziell in dieser Folge war es für mich auch wieder auffällig, dass die Argumentation eine, vorsichtig ausgedrückt, leichte Naivität versprühen. So wird festgestellt, Windkraft ist eine wechselhafte Quelle, Gaskraftwerke sollen weniger laufen, Kohle ist schlecht fürs Klima, also brauchen wir einfach soviel unstetige Windkraft, das sie den kompletten Bedarf deckt. Und das brauchen wir nicht 2030 sondern diesen Winter. Das ist doch keine seriöse Einschätzung. Genauso wenig, wie mal eben 50% der Haushalte bis nächsten Winter auf Wärmepumpen umzustellen.

Wenn Gaskraftwerke abgestellt werden, werden auch die Fernwärme-Nutzer das merken. Oder auch die Bahn, die ja zwar mit Strom - der aber lt. Wikipedia erheblich aus Kohle und Gas stammt. Wie wäre es also einfach mit weniger Zugfahren?

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Da stimme ich gerne zu. Bis auf das ausgeschnittene Zitat. Diesen Winter haben sie nicht gesagt.

Mit dieser Argumentation könnte man aber auch locker e-fuels produzieren, wenn man soviel EE baut, dass es immer reicht, dann muss ja an den meisten Tagen im Jahr, das zuviel an Strom irgendwo hin (Speicher brauchen wir nicht in dem großen Umfang, es reicht ja immer:wink:)

tata: E-FUELS, ganz die FDP Linie😂

Wasserstoff wird auch noch die nächsten 10 Jahre fehlen. Man kann fast alles elektrifizieren. Das dauert auch kein Jahr, ma muss halt mal Gas geben. Klar gibt es Unterschiede und manche Prozesse sind schwieriger. Aber bei anderen ist es trivial

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Das geht mit Strom eben viel einfacher. Wir ersetzen gerade im Eisenguss das Glühen durch längeres abkühlen, komplett. Einsparung 10.000 MWh Gas und hunderte Lkw Transporte

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Wasserstoff wird auch erst mal noch länger brauchen. Wenn er aktuell das ist, dann auch erst mal fossil erzeugt und damit so gut wie ausschließlich auf Erdgasbasis. Von daher sollten alle, die technisch dazu in der Lage sind auf Strom-basierte Lösungen setzen. Es ist an dieser Stelle aus meiner Sicht schon fahrlässig als Unternehmen jetzt auf die Karte Wasserstoff zu setzen, wenn ich auch anders kann.

Klar geht das in vielen Fällen nicht von jetzt auf gleich komplett. Aber wenn man wirklich wollen würde und politisch dafür die Rahmenbedingungen setzt, dann wäre unglaublich viel mehr möglich. Zumindest mehr als viele Unternehmen erst mal angeben. Ist auch verständlich, schneller kostet in der Regel mehr Geld. Aber auch hier wird sich denke ich demnächst zeigen, wenn die Gaspreise weiter ansteigen, dass es an der einen oder anderen Stelle doch besser geht.

Klar gibt es solche komplizierteren Fälle. Es gibt aber gerade in der Produktion auch viele Fälle, wo auf dem Werksgelände zentral Wärme bereitgestellt wird. Hier bieten sich wesentlich einfachere Optionen an, um diese Quelle zu ersetzen. Zumal es dann auch oft nicht sehr hohe Temperaturen sind, die notwendig sind, sondern eben platt gesagt keine mehreren Hundert Grad. Damit könnte sich sicherlich ein sicherlich nicht unbeträchtlicher Teil des Gasbedarfs auch vergleichsweise kurzfristig reduzieren lassen.

Es geht ja nicht darum, direkt alles zu machen. Aber es gibt genug Optionen in der Industrie, um auch schon jetzt auf den auch langfristig sinnvollen Einsatz von Strom-basierten Lösungen umzusteigen. Von daher sehe ich es letztlich so wie @LeoWom

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Das ist eine Sichtweise, die viele weitere Rahmenparameter außen vorlässt. Wir haben kein E -Fuel-Netz sondern eines der best ausgebautesten Gasnetze und Stromnetze weltweit.

E Fuels sind ein „Champagner“-Energieträger, den können wir gerne irgendwann einmal nutzen und dann auch verschwenden, aber jetzt geht das nicht.

Außerdem sind E Fuels im Verbrenner dann weder schadstofffrei bei der Verbrennung, noch sind wir dann wieder effizient, weil wir hohe Wirkungsgradverluste. Für ein paar Scheichs mit ihren Luxusverbrenner-Sportwägen wird das keine Rolle spielen, aber die Masse der Menschen wird E Mobilität wählen, weil E Motoren effizienter, wartungsärmer, nichts wird verbrannt, kaum Bremsenabrieb durch Rekuperation, keine Schmierstoffe mehr, die Elektro Motoren sind einfacher zu bauen, einfacher ein und auszubauen.

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Wir müssen ja auch nicht von jetzt auf gleich das gesamte Erdgas loswerden. LNG ist schließlich noch da. Es gibt aber sicherlich sehr große Effizienzpotenziale, Wärmerückgewinnungsmöglichkeiten und so Zeug, was sich bisher einfach nicht rentiert hat. Wasserstoffanlagen jetzt zu bauen macht tatsächlich sehr wenig Sinn, den gibts schließlich noch nicht (außer man baut sich seine eigene Elektrolyse direkt dazu, das löst auch das Transportproblem). Was man aber definitiv jetzt angehen sollte, ist überall da, wo die Erdgasflamme nicht direkt irgendetwas beheizt, sondern nur indirekt über Dampf, alles an Solarthermie (ja das geht auch hierzulande) und evtl Wärmepumpen zB zur Vorwärmung einzusetzen was geht. Das sind viele kleine Projekte, aber es funktioniert vermutlich in vielen Betrieben ohne übergroße Umstellung, oder wie sehen das diejenigen hier mit anscheinend mehr praktischer Erfahrung als ich, @staniol @LeoWom @Alex93 ?

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Welche berufliche oder wissenschaftliche Expertise hättest du als Beleg anzubieten? Großindustrie läuft anders als die heimische Werkhalle. Umbauten müssen lange geplant werden. Dann wäre da noch die Genehmigung der Umbauten durch Behörden, Realisierung , Abnahme Schulung der Mitarbeiter usw…
(…)

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Selbst im Privaten Bereich ist es zur Zeit unmöglich innerhalb eines Jahres auf Strom umzusteigen.
Schau dir doch Mal den Markt für Wärmepumpen und PV Anlagen an. Der ist so gut wie leergeräumt. Da sprechen wir von Erheblichen Wartezeiten für Material und Personal.

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30 Jahre in der Großindustrie als Maschinenbau Ingenieur und die letzten 12 Jahre Energietechnik. Du musst natürlich die Branchen unterscheiden. Wenn du eine Anlage nach 4. BImSchV hast, dann kann das langwieriger werden. Im Maschinenbau hast du das aber praktisch kaum.
Und wieso sollten denn Umbauten lange geplant werden? Richtig und genau müssen die geplant werden aber doch nicht lange. Und wenn die Sifa nicht zur Abnahme kommt, dann muss dem halt in den Hintern getreten werden.
Und nochmal, es gibt bestimmt Prozessanlagen, da mag es kompliziert und aufwändig sein. Andere wie z. B. Lackieranlagen werden seit jeher mal mit Gas oder Strom beheizt.

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Das ist schon richtig, dass es Lieferengpässe gibt, bei vielen Sachen. Das gilt doch aber nicht pauschal. Vor ein paar Minuten hat mir mein Bruder berichtet, dass er gerade ein Angebot für eine WP bekommen hat und die in 4 Monaten geliefert und eingebaut werden kann. Im der Firma bauen wir die Gasversorgung von Härteanlagen um, auch mit 4 Monaten Lieferzeit. Genauso kann es natürlich sein, dass dein Installateur das nächste halbe Jahr ausgelastet ist

Du meinst vermutlich Prozesse bei denen die Temperaturen nicht so hoch sind. Da hast du vollkommen recht. Wobei das im Moment aus meiner Sicht bisher kaum genutzt wird. Solarthermie ist durch den Siegeszug der PV irgendwie verbrannt. Die WP existiert in der Fertigung für Prozesse praktisch noch nicht.

Ja, aber es kommt mehr auf die Art der Heizung an. Wenn der Brenner direkt mit dem Prozess zu tun hat, ist es kompliziert das auszutauschen. Wenn es ein Dampfnetzwerk gibt, das alles beheizt (Prozesse, Gebäude), kann die Wärmequelle (=Dampferzeugung) zumindest teilweise unabhängig vom Prozess umgestellt werden. Und Wasser vorwärmen kann man zB auch mit einer Wärmepumpe, je nachdem auf welchem Temperaturniveau da gearbeitet wird.

Ja schon, aber es wird gefördert, es kann sich lohnen, es ist trotzdem eine etablierte Technik.