LdN294: Soziales Pflichtjahr

Mir fehlte schlicht und einfach die Erwähnung des Freiwilligen Wehrdienstes als Sozialer Dienst der Gesellschaft. Gerade vor dem Hintergrund der derzeitigen Situation und der auch von euch vertretenen düsteren Zukunftsperspektive „russischer Bär verdaut und furz bevor er wieder Hunger hat“ wird es einfach immens wichtig, dass Menschen bereit sind „das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“. Fur die Transparenz, ich war 12 Jahre bei der Bundeswehr.

Ein zweiter Punkt, den ich erwähnen möchte ist meine Sicht aus meiner heutigen Tätigkeit als Berufsberater der Agentur für Arbeit: Ich berate junge Menschen in den Klassen 9/10 und gymnasialen Oberstufen. Ein immer wieder kehrendes Thema ist, wie überbrücke ich ein Jahr-und hier ist natürlich die komplette Bandbreite der freiwilligen Dienste in Deutschland ein Beratungsthema-in den gymnasialen Oberstufen sogar noch deutlich mehr als in den Schulen der Sekundarstufe I. Von daher gibt es die Information bzw. Hinweise zu den freiwilligen Diensten schon jetzt an den Schulen durch uns von der Berufsberatung. Wir führen auch immer wieder z.B. mit lokalen Koordinator*innen Infromationsverantsaltungen an den Schulen dazu durch. Dieses Jahr brauchen oft auch junge Menschen, um sich über ihren weiteren Weg klar zu werden. Gerade wenn jungen Menschen sich fur die Pflege interessieren ist das ein guter Weg jenseits der 2-3 Wochen Schulpraktikum die Situation (Zuständie) in den Pflege zu erleben und seinen Berufswunsch zu verfestigen-oder auch nicht.

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Wie wäre es, wenn es ein freiwilliges soziales Jahr gäbe - sollte dieses im Laufe des Lebens nicht absolviert wird, bekommt der Staat einen Teil des Erbes. So ist das Jahr immer noch freiwillig und sozial.
Vielleicht aber auch einfach eine unsinnige Idee :wink:

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Bei der Diskussion zu dem Thema wird mir etwas zu wenig auf die Chancen die ein solches Jahr auch den jüngeren bieten würde. Nicht nur persönlich, sondern auch der Volkswirtschaft.

Ich habe vor meinem Elektrotechnik Studium erst einen Realschulabschluss gemacht, danach eine Ausbildung mit anschließenden 1,5 Jahren als Geselle und dann ein Fachabitur nachgelegt. In der Ausbildung habe ich viele Dinge gelernt die mir auch in meinem Ingenieursleben jeden Tag helfen. Außerdem wusste ich genau worauf ich mich bei einem Studium einlasse und warum ich nicht zurück in meinen alten Beruf wollte. Viele von meinen Kommilitonen kamen mit 17 oder 18 Jahren direkt aus dem Abi und hatten keine Ahnung vom Leben. Die hatten keine Arbeitskollegen mit Kindern die ganz andere Sorgen hatten als sie in ihrem goldenen Käfig zu Hause. Denen war nicht klar was es heist regelmäßig um 6 Uhr auf der Arbeit zu sein, in einem Team zu arbeiten und wie deren Handeln das Teamergebniss beeinflusst. Viele haben nach 1-3 Semestern abgebrochen. Hier in der Forendiskussion wurde von verlorenen Jahren für die Wirtschaft gesprochen. Diese Studenten standen der Wirtschaft auch nicht zur Verfügung und haben im Gegenteil sogar noch Geld gekostet.

Bezogen auf das Pflichtjahr würde ich das ganze daher eher wie ein bezahltes Praktikum begreifen und da es verpflichtend ist, gilt es persönlich im vergleich zu anderen nicht als verlorenes Jahr und niemand verdient schonmal länger oder kürzer Geld. Wenn es vernünftig bezahlt wird(1000€+ netto), können sich darüber auch Jugendliche aus schlechter ausgestatten Haushalten ein kleines Polster für das Studium erarbeiten. Wer weiter zu Hause wohnt und daher keine zusätzlichen Ausgaben hat kann in dem Jahr 10k-12k Euro an die Seite legen und dabei auch noch etwas darüber lernen, was es heißt mit Geld um zu gehen.

Weiterhin könnte bei einem solchen verpflichtenden Praktikum auch schon etwas darüber gelernt werden, ob man sein Leben in einem bestimmten Beruf verbringen will oder man sich das doch ganz anders vorgestellt hat. Geht man am Ende tatsächlich in den Beruf kann die Zeit teilweise auf die Ausbildung angerechnet werden. Um hier mal ein paar Beispiele zu nennen:

Ziel: Lehrer
Warum sollte ein Abiturient der nach der Abi-Prüfung im Mai bis zum Schuljahresbeginn eine Schulung gemacht hat nicht in der Lage sein Kindern in der 5. bis 10. Klasse bei Aufgaben zu helfen und somit die Lehrkraft der Klasse ergänzen (wichtig nicht ersetzen). 2-3 dieser Aushilfen pro Klasse könnten die Lehrkraft erheblich entlasten. Dabei würden sie etwas über ihren zukünftigen Beruf lernen und würden nicht erst bis ins Referendariat studieren um dann desilusioniert ab zu brechen. Allen wäre geholfen, bessere Studienbedingungen da weniger Leute bis zum Ende durchgeschleppt werden, bessere Lernbedingungen für sie Schüler, weniger Stress für Lehrkräfte.

Ziel: Garten und Landschaftsbau
Einbindung des Pflichtpraktikums in die Grünpflege der Stadt. Dadurch Entlastung der Stadt, der Praktikant lernt einiges und kann sich übeelegen ob eine Ausbildung oder ein Studium in der Richtung was für ihn ist. Die Stadt wird ordentlicher und es können Kosten gespart werden die für Schulen und andere Sozialdienste zur Verfügung stehen.

Ziel: Krankenpflege/Rettungsdienst
Nach 4 Monatiger zentraler Ausbildung kann der Praktikant unter Aufsicht bestimmte Aufgaben abnehmen und so das Stammpersonal entlasten. Außerdem können auch Menschen angesprochen werden, die diesen Bereich vorher gar nicht in Betracht gezogen haben. Diese sehen in dem Praktikum vielleicht, dass es auch noch andere Berufe als die der Eltern gibt und ein Studium nicht immer die logische Folge des Abiturs ist.

Ich denke es gibt noch viel mehr Möglichkeiten die der Gesellschaft aber auch dem/der Jugendlichen zu Gute kommen. Nach so einem Jahr wissen denke ich viel mehr Junge Menschen was sie mit ihrem Leben anfangen wollen und wie die Lebenswirklichkeit anderer Menschdn aussieht als direkt nach der Schule.

Vielleicht kann mam das Thema ja auch mal aus der Perspektive betrachten.

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Als ich heute als aktuelle FÖJlerin die Lage gehört habe, hab ich beschlossen, dass ich auch noch was dazu sagen muss.
Erstmal an vielen Punkten Zustimmung. Auch wir FÖJlerinnen (und soweit ich weiß auch Freiwilligendienst-Übergreifend) finden die Idee des Pflichtjahres überhaupt nicht überzeugend.Dazu später mehr.
Eine kleine Korrektur. Zumindest in FÖJ/FSJ bekommen viele nur 300€ im Monat. Entgegen eurer Aussage gibt es aber bei vielen Einsatzstellen eben nicht Kost und Logis quasi einfach so dazu, sondern auch Miete, Einkäufen, div. Lebenserhaltungskosten müssen theoretisch davon gedeckt werden. Ich mache hier einfach mal kurz eine Rechnung anhand meines Beispiels auf. Von den 300€ sind offiziell 75€ für Unterkunft und 75€ für Verpflegung vorgesehen, der Rest als Taschengeld. Eine gänzlich absurde Rechnung. Wenn man allein von diesem Geld sein FÖJ finanzieren wollen würde, könnte man z.B. nicht in einer anderen Stadt (bzw. generell nicht getrennt von den Eltern) leben. Viele wollen aber in eine andere Stadt oder einfach zuhause mal raus. Und wenn sie zuhause bleiben, aber trotzdem ihre Einsatzstelle woanders haben, dann müssen Mobilitätskosten getragen werden, An vielen Stellen profitieren Freiwillige, aufgrund von Unterrepräsentation, nicht von Rabatten/Ermäßigungen, oder müssen endlose Streits dafür führen. In Thüringen dürfen Freiwillige z.B. das Azubi-Ticket nutzen. Nicht beachtet wird dabei aber, das Auszubildende z.T. deutlich mehr verdienen. Die 60€ im Monat sind für uns rund 20% des Gehalts für teils NOTWENDIGE Mobilität.
In meinem Fall zahle ich 310€ Miete im Monat (für eine sehr beliebte Student
innen-Stadt noch sehr niedrig), hinzu kommen Kosten für Strom, Internet, weitere Nebenkosten (ca. 50€) und Lebensmittel (wer sich weiterhin einigermaßen gesund und ausgewogen ernähren möchte, zahlt auch da nochmal einiges, bei mir schwankt es zwischen 150-200€/Monat). Wie weit ich mit den 300€ Taschengeld im Monat kommen würde, sieht man da schnell. Ohne Kinder- und Wohngeld, wäre das freiwillige Jahr für mich nicht machbar und sofar ein Minusgeschäft. Bei einer vollen 40h Woche + Sprecherinnen-Job.
Ich möchte hier nochmal betonen: Es geht uns nicht primär darum, dass wir persönlich am Ende des Monats mehr (oder überhaupt mal irgendwas) an Geld übrig haben. Die Freiwilligendienste stärken und fördern soziales, politisches und ökologisches Engagement. Qualitäten von denen wir momentan definitv MEHR gebrauchen können. Und umso wichtiger ist es, dass sie tatsächlich ALLEN offenstehen. Menschen, die in ihrer Heimat (Stichwort: kleines Dorf, fünf Einwohner*innen) keine Einsatzstelle haben oder aufgrund familiärer Verhältnisse ausziehen MÜSSEN; Menschen die nicht von ihren Eltern finanziell unterstützt werden können, Menschen die vielleicht nicht die unglauchblich hohe bürokratische Hürde (pers. Erfahrung) eines Wohngeldantrags oder anderer Sozialhilfen bewältigen können. Für solche Menschen ist es unerlässlich, dass sie nicht von 300€ im Monat ihr komplettes Leben finanzieren müssen. Das ist nämlich nicht möglich und führt dann dazu, dass genau diese Menschen nicht in den Freiwilligendiensten auftauchen.
Ich stimme euch vollen Herzens zu, dass eine Vereinheitlichung ein Segen für alle Beteiligten wäre. Warum zum Beispiel unterscheidet sich auch das Taschengeld zwischen den Bundesländern in FSJ/FÖJ derartig (mehrer hundert Euro)? Warum sind die generellen Voraussetzungen so eklatant unterschiedlich? Warum ist der Bundesfreiwilligendienst massiv besser bezahlt als FÖJ/FSJ (über internationale Freiwilligendienste kann ich keine Aussage treffen)?
Es gibt noch einige weitere Punkte, die für mich gegen ein Pflichtjahr sprechen. Einsatzstellen, die mit unmotivierten Leuten geflutet werden, dadurch vlt. sogar selber weniger Lust haben, das Jahr für die dann-nicht-mehr-Freiwilligen schön zu gestalten. Träger, die noch überforderter wären als ohnehin schon, etc., etc.

Es gibt so, so viele Möglichkeiten, die Bedingungen für Freiwillige zu verbessern und die Freiwilligendienste so atraktiever zu gestalten. Warum verschwenden wir schon wieder Energie und Zeit darauf, einen Pflichtdienst zu diskutieren, der niemanden (nagut, kaum jemanden) weiterbringt?

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Hallo zusammen, in der aktuellen Folge LdN wurde von Ulf und Philip davon ausgegangen, dass sich Steinmeier auf Junge Leute bezogen hat und über die Dauer von einem Jahr gesprochen hat. Aber so viel ich recherchieren konnte hat er diese beiden Festlegungen nicht getroffen, oder?

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Ich für meinen Teil finde soziales Engagement sehr wichtig und gehört auf jeden Fall gefördert. Ich gehöre zum ersten Jahrgang, welcher nicht zum Wehrdienst musste und bin auch froh darüber. Nichtsdestotrotz habe ich mehrere Jahre im Katastrophenschutz mitgewirkt.
Um auch die zum Teil leeren Ausbildungsstellen zu besetzen, finde ich es mindestens eine Überlegung wert, ob ein soziales Pflichtjahr nicht gegen das erste Ausbildungsjahr eingetauscht werden könnte. Ich weiß, dass es vielen jungen Menschen genauso geht wie es mir früher gegangen ist, dass diese nicht wissen was sie nach dem Schulabschluss machen sollen. Anstatt sich einzuschreiben könnten so sehr viele die Chance nutzen und sich vielleicht für einen Ausbildungsberuf entscheiden, welcher ohne Pflicht für sie nicht in Frage käme. Ist das erste Jahr geschafft und der Beruf doch interessanter als zunächst gedacht, scheint der Abschluss für viele sicher attraktiver als ein Abbruch.
Ich bin froh, dass ich zunächst eine Ausbildung nach dem Abitur gemacht habe. Und ich bin mir sicher, dass viele Studienabbrecher/innen dies sicher auch wären.

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Ich bin heute froh zu einem Zivildienst gezwungen worden zu sein den ich freiwillig nie gemacht hätte. Für mich selbst, und in diese Richtung haben ja auch die Jungs in der Lage argumentiert, waren das extrem wertvolle Erfahrungen, die ich nicht missen möchte. Was mich damals massiv gestört hat ist das in dem System der Ehrliche der Dumme war (Ausmusterung) und das ganze vollkommen anachronistisch nur für Männer galt. Das war mit nichts zu rechtfertigen, deshalb war eine Reform richtig und wichtig. Die Art der Reform ist in meinen Augen eine verpasste Chance. Man hätte damals direkt ein Pflichtzeit einführen sollen, als es noch als „normal“ empfunden wurde.

Ich finde es allerdings diskussionswürdig ob diese Zeit auf ein Jahr fest geschrieben sein muss. Nur zur Erinnerung, die Zivis waren am Ende auch nur 6 Monate im Einsatz.

Vor allem aber sehe ich kein Argument warum man meint es seie zumutbar junge Menschen unter Mindestlohn zu bezahlen. Das leuchtet mir nicht ein. Wir sagen a) Das was hier an Arbeit geleistet wird ist gesellschaftlich so wichtig, dass wir junge Menschen dazu zwingen wollen und b) dass ein Menschenwürdiges leben unter 12 Euro die Stunde nicht so richtig möglich ist. Deshalb wird ja der Mindestlohn dort festgeschrieben.

Also bitte, dann muss man ihn auch Leuten Zahlen, die man zur Arbeit verpflichtet. Wenn man mal ganz ehrlich ist waren auch Zivildienstleistende am Ende vor allem eins: Billige Arbeitskräfte für Krankenhausbetreiber und andere Trägerschaften, im Zweifelsfalle im Schichtdienst. Das darf hier nicht passieren.

Ich glaube in dem Moment wo man diesen Schritt geht, braucht es kein Pflichtjahr mehr.
400 euro „Taschengeld“ bedeuten am Ende des Tages bei einer normalen 40-Stundenwoche einen Studenlohn von 2,50. Das sollte man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Das sich zu diesen Konditionen noch so viele junge Menschen ein FSJ machen spricht doch Bände darüber wie sehr die kommende Generation soziale Arbeit wertschätzt. Zeigt ihnen die Gleiche Wertschätzung im Gegenzug, und die ganze Debatte verpufft.

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Mir kam da so bei diesem Vorschlag zum sozialen Pflichtjahr auch noch ne Idee:

Ein soziales Jahr vor Eintritt in die Rente.
Ein Jahr für den älteren Teil der Bevölkerung, denn warum eigentlich immer die Jungen?
Wenn Diskussion über Erhöhung des Renteneintrittsalters nicht daran scheitern, dass die Damen und Herren nicht mehr arbeitstauglich sind, scheint es mir zumindest körperlich machbar.

Dazu kann man auch den Zusammenhalt in der Bevölkerung stärken wenn die Alten zu den Jungen kommen, statt immer umgekehrt.
Wenn ich mich so in die Lage eines angehenden Rentners hineinversetze, könnte ich mir auch vorstellen, dass mit dem Austritt aus der Arbeitswelt ein erheblicher Teil des sozialen Umfelds wegbricht. Wer nicht eh schon immer darauf gewartet hat mit dem Wohnmobil um die Welt zu fahren, freut sich sicher auch über etwas Gesellschaft und das gute Gefühl noch gebraucht zu werden. Vereinsamung im Alter scheint ja ohnehin ein Problem zu sein.

Zudem vermute ich, dass den frischen Senioren ein 1-Jähriger Realitätscheck sicher auch nicht schaden könnte. Wieviel gute Sicht auf ein Gesamtbild der Gesellschaft kann denn nach ca 45 Jahren in Erwerbstätigkeit noch übrig sein. Sicher, keiner hat in dieser Zeit nie den Job gewechselt, aber in der Branche werden die meisten doch verblieben sein. Da tut ein Blick über den Tellerrand sicher nochmal gut, bevor man sich genüsslich gelangweilt und mit etwas verstaubten Weltbild zur größten Wählergruppe der Republik dazu gesellt.

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Mhh, also inhaltlich ist das durchaus interessant.

Ein Problem ist natürlich, dass man im „sozialen Pflichtjahr“ auch vor allem körperlich leistungsfähige Menschen braucht, egal ob in der Jugendarbeit, beim Rettungsdienst, in der Arbeit mit Menschen mit Behinderung oder in der (Alten-)Pflege. Den typischen Weißkragen-Arbeiter kann man halt mit 65 nicht mehr in einem Job einsetzen, in dem auch mal schwer gehoben werden muss, das Verletzungsrisiko ist einfach zu groß.

Ein Gerechtigkeitsargument ist hingegen, dass sich die wohlhabenderen Rentner recht einfach entziehen können. Wobei das moralisch-ethische Argument, inwiefern man Menschen zwingen (und bei Verstoß bestrafen) kann und darf, wenn sie einen Pflichtdienst nicht ausfüllen, natürlich auch auf junge Menschen zutrifft.

Zudem wage ich sehr zu bezweifeln, dass du eine Partei finden wirst, die sich traut, eine Belastung für (Vor-)Rentner einzuführen. Da sind wir halt wieder beim Problem der Gerontokratie - die Rentner sind die mächtigste Wählergruppe, keine Partei will die verstimmen, weil das der sicherste Weg ist, die nächsten Wahlen zu verlieren…

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Hallo @ChriMe, dein Vorschlag geht ja sehr in die Richtung von dem was Herr Precht vorschlägt.

Du kannst ja mal versuchen einer Krankenschwester die 50 Jahre lang (wir werden alle bis 70 arbeiten müssen) im Schichtdienst den Rücken rundgemacht hat zu erklären warum sie noch ein soziales Jahr machen muss bevor sie Ihren, dann noch ein Jahr kürzeren, Lebensabend genießen darf. Oder dem Handwerker der seit 50 jahren auf Montage geschuftet hat. Oder, Oder, oder. Wer ein Berufsleben lang Steuern gezahlt hat (selbst wenn das körperlich schonend im Spitzensteuersatz erfolgt) der ist der Gesellschaft wohl kaum noch etwas schuldig. Das Argument „wenn es für den Erhalt der Renten möglich ist länger zu arbeiten muss es auch für XY möglich sein“ finde ich ehrlich gesagt ein bisschen dubios. Wenn wir den Menschen das eine abverlangen damit die Renten sicher sind, dann kann man Ihnen ja auch gleich noch mehr zumuten? Das will mir nicht so recht einleuchten.

Ich finde der Mindestlohn sollte auch für soziale Jahre gelten, die frewilligen sozialen Jahre sollten vom alter entkoppelt werden und fertig. Viele Rentner engagieren sich ohnehin, und Altersarmut sei dank können genug von Ihnen auch eine Nebeneinkuft gebrauchen.

Ich finde es höchstbedenklich wie bereitwillig sich in dieser ganzen Diskussion über die Selbstbestimmung der Menschen hinweg zu setzen und sie für „Taschengeld“ im sozialen Sektor zu verheizen. Der Mindestlohn heißt nicht umsonst so, sondern weil dadrunter in unserer Gesellschaft kein würdiges Leben möglich ist. Auch jemand in einem freiwilligen Jahr muss seine Miete zahlen.

EDIT: Redundanzen zu meinem obrigen Kommentar ergeben sich durch die Verschiebung des Threats. Ich lasse es jetzt so

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Man kann sich von gesellschaftlicher Verantwortung nicht mit Geld freikaufen, das ist ja gerade die Sache um die es geht. Eine Gesellschaft funktioniert nur als emotionales Miteinander, als Gemeinschaftsgefühl, nicht als ökonomische Transaktion. Bei einem sozialen Pflichtjahr geht es darum, gerade etwas persönliches einzubringen (Zeit, Hingabe, Anstrengung, Interesse usw.), tatsächlich selbst etwas beizutragen statt irgendwas abstrakt vom Konto abbuchen zu lassen oder umgekehrt einen finanziellen Profit zu erwarten. Um diese Vernetzung, Einbindung, gegenseitige Zugehörigkeit geht es. Wieviel Steuern du zahlst (zahlen wirst, gezahlt hast) ist dafür sch…egal.

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Mir ist ehrlich nicht ganz klar wofür du hier argumentierst.

Ökonomische Transaktionen sind ein zentrales Element unseres sozialen Gefüges. 54% des Steueraufkommens in Deutschland wird von 10% der Bevölkerung geleistet. Das ist eine wichtige ökonomische Transaktion, die wesentlich zum Funktionieren unserer Gesellschaft beiträgt. Zum Beispiel in dem ca 1/3 des steuerfinanzierten Haushaltes die Renten finanzieren, indem sie die Straßen finanzieren auf denen jemand das Kind zur Kita bringt, und in vielen Fällen auch die (zu niedrigen) Gehälter der Pädagogen dort, sowie die Gehälter der Lehrer die unsere Schüler ausbilden etc… Wer behauptet Steuern wären kein relevanter Beitrag, der kann sich ja mal überlegen wie gut ein Staat funktioniert in dem all das nicht stattfindet, und wie wohl der gesellschaftliche Zusammenhalt in einem solchen Staat wäre. Warnende Beispiele gibt es global genug. Festzulegen ob jemand mehr zum Gemeinwohl beiträgt weil er in der Kita arbeiten geht, oder jemand der die Ressourcen erwirtschaftet die den Betrieb der Kita ermöglichen ist doch vollkommen aberwitzig. Wir brauchen beides, und wir sollten auch beides als wertvollen Beitrag anerkennen.

Und die soll mit einem Pflichtjahr für Menschen erzwungen werden, die bereits 40-50 Jahre gearbeitet haben und jetzt mit 70 endlich in Rente gehen können? Die Menschen die übrigens in Ihrem Leben zu nicht ganz unerheblichen Teilen bereits einen Wehr- oder Zivildienst geleistet haben, von bis zu 18 Monaten Länge? Oder der Krankenschwester die bereits ihr ganzes Leben im Krankenhaus gearbeitet hat?

Ich finde den Vorschlag ein Pflichtjahr bei den jungen Menschen einzuführen unter den derzeitigen Bedingungen mehr als schwierig. Den Vorschlag das gleiche bei Renteneintritt zu machen finde ich vollkommen weltfremd.

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Mir geht es hier darum, dass deine Aussage „wer Steuern gezahlt hat ist der Gesellschaft kaum noch was schuldig“ in meinen Augen grob falsch ist, weil es einen (den?) wesentlichen Teil von Gesellschaft ausblendet, nämlich dass es um menschliches Miteinander geht. Der Sinn bei einem Pflichtdienst ist es gerade, dass du*) persönlich, selber und in physischer Anwesenheit einen direkten Beitrag für konkrete andere Menschen leistest den du auch nicht delegieren oder durch eine Überweisung ersetzen kannst. Du sollst dich einbringen, du sollst andere soziale Realitäten unmittelbar kennenlernen, du sollst das Miteinander selber verbessern. Es macht einen Unterschied, ob du selber auf einem Spielplatz Müll einsammelst oder ob du darauf verweist, dass die Leute die es tun ja von deinen Steuern bezahlt werden. Es macht einen Unterschied, ob du in einer Schule selber Nachhilfe gibst oder ob du einfach bequem nach mehr Lehrkräften rufst weil dafür doch eh genug Geld da sein müsste. Es macht einen Unterschied, ob du selber bei einer Tafel Lebensmittel austeilst oder ob du einfach eine Petition zur Erhöhung von ALG II mitzeichnest (oder gar mehr Eigenleistung von faulen Arbeitslosen forderst?). Und es macht natürlich auch einen Unterschied, ob du selber schießen lernst oder ob du aus der Ferne darauf verweist, dass Berufssoldaten sich ihren Job und dessen Risiken ja schliesslich ausgesucht haben…

Im sozialen Gefüge ist Geld sehr schnell gleichbedeutend mit physischem Abstand. Ein sozialer Pflichtdienst sollte diesem Effekt gerade entgegenwirken.

Wir sind uns aber einig, dass das mit Anfang 20 und nicht mit Anfang 70 passieren sollte. Wer sich mit Anfang 70 einbringen will, soll das aber gerne in ähnlicher Weise tun können, da ließen sich für einen Pflichtdienst geschaffene Strukturen sicher nutzen.

*) generisches Du, nicht du persönlich :wink:

Das kann man zwar erstrebenswert finden, aber da wiegt in meinen Augen in der Güterabwägung (das Wort habe ich als Nichtjurist in der Lage gelernt) dann das Recht auf freie Selbstentfaltung doch schwerer als das Recht des Staates einen nicht wirklich evidenten Effekt in der Gesellschaft durch ein Pflichtjahr erzwingen zu wollen.

Wie ich schon weiter oben geschrieben habe, glaube ich, dass sich das ganze Problem auflöst in dem Moment wo man einfach auch jungen Menschen in sozialen Bereichen einen Mindestlohn zugesteht, der Ihnen ein unabhängiges Leben zumindest auf kleine Fuße ermöglicht. Einem Volljährigen Menschen, der freiwillig in z.B einem Altenheim arbeitet ein „Taschengeld“ von 3-400 Euro zu zahlen ist im Jahre 2022 doch blanker Hohn.

An der Stelle haben die Jungs recht, bevor man hier eine Pflicht in Betracht zieht muss der Staat erstmal die niedrigeren Eskalationsstufen abklopfen. Das dürfte auch Herrn Steinmeier bewusst sein, der ja nicht zufällig damit aus der Versenkung gekommen ist während er wegen seiner Rolle im Ukrainekonflikt massiv in der Kritik steht. Ich würde mal unterstellen, dass er selbst nicht an die Realisierbarkeit eines Pflichtjahres glaubt.

Hi, liebes Lage-Team!
ich bin Unternehmerin in der Sicherheitsbranche, arbeite auch selbst in meiner Firma mit.
Ich fände eine Pflicht für ein wie auch immer geartetes gesellschaftlich sinnvolles Jahr äußerst sinnvoll!
Wieso?
Durch meinen Beruf habe ich recht viel Kontakt mit Personen aus kompletten Parallelgesellschaften, die völlig außerhalb des gesellschaftlichen Diskurses stehen. Genau dieser Personenkreis, wie auch die Gesellschaft, würde enorm profitieren, wenn genau die wenigstens einmal in ihrem Leben mit sanftem Zwang zeitweise aus ihrer Blase heraus und in einen anderen sozialen Zusammenhang umzuziehen.
Genau dieser Personenkreis ist auch durch noch so motivierende Kommunikation nicht erreichbar!
Innerhalb dieser Systeme wäre es auch für diesen Personenkreis viel einfacher, einer „Pflicht“ nachzukommen als sich freiwillig zu irgend etwas zu verpflichten - letzteres würde ziemlich sicher unter deren Parallelgesellschafts-Peers auf völliges Unverständnis stoßen.
Viele Grüße!
Claudia

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Die Frage ist nur, wieso gelingt dies nicht durch das Schulsystem?

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Btw, wenn man dein Steuerargument ummünzt fänd ich es extrem witzig entlang hinterzogener Steuern Sozialstunden zu berechnen. ^^ Man nimmt einfach den Stundenlohn eines FSjler und berechnet danach wie viele Sozialstunden jemand entlang der Höhe der hinterzogenen Steuern leisten muss.

Zu mal wenn man die Logik schon anwendet dann bitte nicht so vage darüber spekulieren sondern nen konkreten Vorschlag machen bspw: Man erstellt eine Tabelle wie viel Stunden man in seinem Leben abzuleisten hat und verrechnet dass dann mit den gezahlten Steuern im Verhältnis zum eigenen Einkommen. :smiley:

Aber wieso sollte man dies durch Arbeit korrigieren ? Wieso keine anderen Maßnahmen nutzen, ausdenken etc. ?

ich verstehe wirklich diesen Fokus auf Arbeit nicht, zu mal das nicht mal unter Lohnarbeit fällt sondern eher ehrenamtlich-unfreiwillige Arbeit ist.

Btw, wenn es um Austausch und Kontakt geht, wäre ich eher dafür dass verpflichtend europäisch zu machen Anstatt.

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O weh. Jahrzehntelanges Wegschauen, Verkennen der Realität, Konfliktscheu, Setzen der falschen Prioritäten… Von allem etwas, schätze ich.

Lieber Hufschmied, ich würde gar nicht die „Arbeit“ so hervorheben (obwohl Arbeit oft nicht einmal weh tut ;-)).
Ich würde es eher „Einbinden in laufende Prozesse“ nennen?
Das geht kaum irgendwo so gut wie in der ZusammenARBEIT (da isse wieder…) mit anderen, die das schon länger machen / besser können.