LDN293 - Ukraine-Krieg: Bestehen? Sieg?

Ich bin erschüttert, dass kluge Menschen mit einer treffenden Analyse (‚Putin führt einen imperialistischen Krieg‘) die Folgen nicht zu erkennen scheinen.

Das was Ihr immer wieder im- und explizit fordert - die quasi bedingungslose Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte - bedeutet vor diesem Hintergrund genau das, was Ihr in einem Nebensatz raushaut aber worauf Ihr nicht weiter eingeht, obwohl es die zentrale Frage ist: Die Schlacht um die Ukrainie könnte gewonnen werden (fraglich nur in welchem Zeitraum und mit welchem Leid), aber der Großkonflikt wäre damit nicht beendet. Was ist aber dann mit diesem Großkonflikt?

Und wie Ihr selber so treffend analysiert: Putin will keine eigenständige Ukraine dulden, höchstens in Rudimenten. Die ukrainische Politik will aber keinen signifikanten Anteil des Staatsgebiets aufgeben. Ihr schwadroniert sogar von Rückeroberung der Krim etc. … Wer glaubt denn vor diesem Hintergrund ernsthaft, dass blau-gelbe Kampfpanzer an der Grenze halt machen würden? Zu Recht würde sich die Verteidigung der Ukraine nicht auf ihr eigenes Staatsgebiet beschränken.

Der Westen befindet sich längst im Krieg - aus Idealismus, Pragmatismus, Furcht oder Patriotismus - , ohne auch nur im Ansatz das gemeinsame Kriegsziel definieren zu können. Das hilft der russischen Aggression mehr als jeder vermeintlich defätistische offene Brief zum Dialogaufruf.

Der RND-Artikel zu Macron strotzt übrigens nur so vor Naivität. ‚Gerechtigkeit‘ ist keine geopolitische Kategorie und war es auch noch nie. Davon zeugen noch ganz frisch der Irak, Afghanistan, Lybien, Syrien …

Dieser Mann muss vor Gericht, je eher desto besser. Die in der nachfolgenden Haft liegende Demütigung wird man ihm weder ersparen können noch ersparen wollen. Gleiches gilt für die Vielzahl bereits identifizierter Mörder, Folterer und Vergewaltiger in der russischen Armee. Die russische Zivilbevölkerung muss sich darauf gefasst machen, über Jahrzehnte Schadensersatz an die Ukraine zu leisten.

Es mag taktisch bedingte Zwischenschritte geben. Doch wenn man mit einem Verbrecher wie Putin redet, dann nur in der Weise, wie die Polizei etwa während einer Geiselkrise mit einem Gangster redet: am besten per Megafon und zum Mithören für alle.

Das klingt tatsächlich so, als stünde der Weltgeneralstaatsanwalt schon vor Putins bescheidener Moskauer 3-Zimmer-Wohnung. Lächerlich …

Ja, es ist ein imperialistischer Krieg den Russland gegen die EU und die USA auf ukrainischem Territorium führt. Und wer sich die Geschichte imperialer Konflikte ansieht wird schnell feststellen, dass diese bis zum Ende mindestens einer der Konfliktparteien geführt werden. Das Problem ist, dass es heute zum ersten Mal einen solchen Konflikt gibt, in dem Atomwaffen zur Verfügung stehen (die letzte Phase des zweiten Weltkriegs ausgenommen - auch hier wurde das japanische Kaiserreich nuklear total besiegt).

Ein Krieg gegen eine Atommacht kann nicht gewonnen werden. Das müssen wir einsehen und akzeptieren und die Konsequenzen daraus ableiten anstatt so zu tun, als sei Moral eine anthropologische Konstante die es uns quasi aufzwingt, diesen Krieg bis zum allerletzten zu führen.

Insofern ist jedes Gespräch zu begrüßen. Dies bedeutet nicht die Aberkennung der russischen Verbrechen. Und es ist schmerzhaft und unfassbar tragisch.

(Noch eine Randbemerkung: Wenn derzeit aus nachvollziehbarem und durchaus guten Grund über Waffen und anderes Kriegsgerät dermaßen ausführlich berichtet wird würde ich mir wünschen, auch das entsprechende Umfeld journalistisch begleitet zu sehen. Der militärisch-industrielle Komplex wird gerade mit so unglaublich viel Geld bedacht, dass eine kritische Beleuchtung definitiv notwendig ist)

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Sehr treffend beschrieben. Aus meiner Sicht ist dabei schon die Vorstellung, dass wir den Ukraine Konflikt beenden, indem wir Russland militärisch aus den seit Februar besetzten Gebieten vertreiben, reichlich naiv. Wenn es Russland darum geht, dauerhafte Instabilität zu erreichen, dann schaffen sie das mit überschaubarem Aufwand in Donezk und Luhansk, indem sie mit Vollgas die Separatisten unterstützen. Damit würde diese Region niemals sowas wie Frieden erleben. Egal, ob Option A, B oder C (Definition gemäß Podcast) - den Ukraine Konflikt kann ich nur lösen, indem ich auch eine Lösung für den Großkonflikt mitdenke. Und diese Lösung sehe ich Stand heute noch überhaupt nicht.

Es wird ja häufig die Parallele zum aktuellen Konflikt gezogen, dass Nazi-Deutschland besiegt werden konnte, weil u.a. die USA mit Waffengewalt massiv eingegriffen hat. Was man allerdings dazu sagen muss ist, dass dieser Konflikt erst geendet hat, als Nazi-Deutschland in Schutt und Asche lag. Wie soll denn nun dieser Konflikt enden?

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Dann jetzt mal Butter bei Fische:

Wie sieht konkret die Lösung dieses Konfliktes mit zwei Regionalmächten aus aus Perspektive des Realismus bzw. Neorealismus?
Die Terminologie der Theorieschule wird gerne verwendet aber selten ein konzises Argument aufgebaut jenseits von die Nato ist schuld. Auch Mearsheimers Vortrag ist da nicht besser. Alles beschränkt sich auf wage Aussagen von Machtsphären und Respekt.
Gerade der Bezug zur internationalen Machtordnung wäre hier auch wichtig.

Was bedeutet konkret Gespräche/Diplomatie als Strategie in diesem Kontext?
Vor allem jenseits von Binsen, wie Krieg kann nur Diplomatisch beendet werden oder normativen falschen gegenüberstellungen, wie Diplomatie ist besser als Waffen zuliefern. Also was ist hier die konkrete Strategie in den Gesprächen

Welche relevante Person vertritt ernsthaft die Ansicht die Ukraine könne auch die Krim zurück bekommen?
Meines Wissens war das noch nie der Standpunkt von Selensky oder eines anderen Staatsoberhaupts. Natürlich spekulieren überall Leute aber eher um die Krim als Ziel auszuschließen und gewinnen ist ja meist nicht mehr als ein Appell daran dass die Ukraine nicht noch mehr Staatsgebiet verliert.

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Natürlich kann ein Krieg gegen eine Atommacht nicht in dem simplifizierten Sinne „gewonnen“ werden, wie Kriege in „Age of Empires“ gewonnen werden: zwei beschießen sich so lange, bis einer von beiden die Hauptstadt bzw. das Kommandozentrum des jeweils anderen in Schutt und Asche legt und dessen Territorium auf der Landkarte die Farbe wechselt. Spätestens kurz vor der totalen Vernichtung seiner selbst werden die Kosten und Risiken des Einsatzes von Atombomben, die einen Staat sonst davon abhalten, sie zu nutzen, so irrelevant gering, dass ein Einsatz zur Gewissheit wird.

Aber es gibt eine Unmenge an Szenarien, in denen die Ukraine effektiv diesen konkreten Konflikt „gewinnt“, sprich mindestens ihre Souveränität erhält und die territorialen Grenzen von vor dem 24. Februar intakt bleiben, und parallel dazu Russland innerhalb seiner jetzigen Grenzen intakt bleibt und somit auch die Hürden zum praktischen Einsatz von Atomwaffen weiterhin bestehen. Selbstverständlich hieße das, dass Russland auch in fernerer Zukunft noch ein potenzieller Quell von Konflikten bleibt; allerdings ist offen und meines Erachtens kaum seriös vorhersagbar, wie groß ganz praktisch dieses Konfliktpotenzial sein wird und inwieweit es sich dann in tatsächlichen Konflikten materialisiert (das inkludiert auch potenzielle Konflikte durch Unterstützung von Separatisten in der Ukraine - gut möglich, dass das noch eine ganze Weile weiter schwelt, aber ebenfalls gut möglich, dass Russland irgendwann so viele interne Probleme hat, dass es schlicht keine Zeit und Aufmerksamkeit mehr für das Sticheln in irgendwelche Konfliktherde aufbringen kann). Das Einzige, was zumindest einigermaßen sicher ist, ist die Tatsache, dass die internationalen Reaktionen auf den jetzigen Konflikt mit hoher Wahrscheinlichkeit dafür sorgen werden, dass Russlands Möglichkeiten, zukünftig mit militärischen Mitteln Ärger zu machen, deutlich geringer sein dürften als sie es jetzt sind, was schon mal ein Gewinn wäre. Idealerweise lässt sich eine solche Situation aufrecht erhalten, bis Putin an Altersschwäche stirbt. Wenn wir Glück haben, hat er Parkinson o.ä. und segnet früher das Zeitliche. Halte ich beides für keine unwahrscheinlichen Varianten.

Und was dann passiert, steht in den Sternen, und hängt von so vielen Variablen ab, allen voran der Frage, wer (oder was) nach Putin kommt, dass erst recht keine seriöse Prognose möglich ist. Womöglich gibt es irgendwann wieder eine Form der Annäherung unter einer neuen russischen Führung. Vielleicht aber auch nicht, und Russland wird eine Art in sich abgeschlossenes System, das weitgehend ohne Interaktion mit dem Rest der Welt vor sich hin existiert. Vielleicht werden wir auch alle im dritten Weltkrieg sterben. Ich lass mich überraschen. Wir leben nun mal in interessanten Zeiten.

[edit] Habe den Beitrag nochmals umformuliert und einige Spitzen herausgenommen.

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Wenn das stimmt, wie konnte der Vietnamkrieg dann so zu Ende gehen? Wieso sind die Taliban wieder in Kabul?

Ich finde, dass man es sich mit dieser Annahme zu leicht macht. Gleichzeitig würde ich hier auch gar nicht zu sehr mit Moral kommen. Wir müssen ein essenzielles Interesse daran haben, dass Russland aus seiner Barbarei keinen Vorteil zieht. Und dieses Interesse deckt sich mit dem ukrainischen Wunsch nach territorialer Integrität und Unabhängigkeit von Russland.

Der Vergleich Hitler/Putin oder Nazis/Russen ist nicht hilfreich. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass es Putin um ein „alles oder nichts“ geht, wie es ein Deutschland '45 widerfahren ist. Dieser Konflikt wird enden, wenn Putin für sich keine Chance auf Zugewinne mehr sieht. In diesem Moment kann und wird ein diplomatischer Prozess beginnen, der die bestehenden Frontlinien als Verhandlungsmasse berücksichtigt.

Das Ziel der Ukraine und des Westens sollte daher sein a) Putin weitere Geländegewinne unmöglich zu machen und b) seine Verhandlungsmasse zu minimieren, indem seine Armee zurückgedrängt wird wo möglich.

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Das ist doch exakt das, was die Lage in Frage stellt mit der These, dass Putin dauerhaft stören will.

Richtig. Allerdings in beide Richtungen. Nur weil Hitler „alles oder nichts“ wollte, konnte man ihm ausschließlich mit Waffengewalt Einhalt gebieten.

Ich glaube nicht, dass wir auf einen Gorbatschow 2.0 hoffen können. Nach der derzeitigen politischen Situation in Russland besteht sogar die Gefahr, dass Putins Nachfolger ein noch größeres Problem sein könnte.
Ich denke die aktuelle Strategie kann man nur bis an die Grenzen des Donbass denken. Falls es der Ukraine gelingt, militärisch bis dahin vorzustoßen, wird man die Karten neu auf den Tisch legen und dann einen halb erzwungenen, halb verhandelten Deal mit Russland schließen müssen, der für die Ukraine halbwegs erträglich ist.

Zunächst mal muss ich nicht die Lösung eines Problems in der Schublade haben, um es als solches benennen zu können.
Ich bin kein gewählter oder sonst in einer Entscheidungsposition befindliche Mensch und meine Meinung ist völlig unbedeutend, schließlich geht es hier um globalstrategische Fragen.

Ich würde die Formulierung ‚Regionalmächte‘ auch hinterfragen. Russland hat das größte Nukleararsenal der Welt und ist immer noch flächenmäßig das größte Land. Auf der anderen Seite stehen zumindest auf den ersten Blick die USA und die NATO und die EU.

Dass die NATO ‚Schuld‘ sei habe ich im übrigen nicht geschrieben. Aber das ist dieser bemerkenswerte Reflex, der aus kritischen Positionen gleich einen Nazi/Putinversteher/Pazifisten/etc. machen will. Die NATO ist nicht Schuld an diesem Konflikt, aber sie ist auch kein Verteidigungsbündnis und hat in der Vergangenheit herzlich wenig zu Abrüstung beigetragen.

Im Podcast werden gefühlt im Wochentakt die impliziten Kriegsziele anhand der täglichen (Propaganda-)Meldungen aus Kiew gewechselt. Mal ist die Ukraine kurz vor dem Sieg, kurz danach sieht es im Donbass eher schlecht aus… Ist ja auch völlig klar, wir wissen alle viel zu wenig über Krieg im Allgemeinen und über diesen Krieg im Speziellen. Aber das muss man auch zugeben und nicht aus den offensichtlich unzulänglichen Informationen und unter Verkennung der Hintergründe und Konsequenzen dann irgendwelche Handlungen fordern.

In Vietnam wurde nur stellvertretend gekämpft; hätten die SU und/oder VRC damals mit demselben Engagement die USA bekämpft wie wir heute Russland wäre es ganz bestimmt anders ausgegangen.
In Afghanistan hat die CIA nur ein paar Waffen und Informationen geliefert und damit die Rote Armee ins Desaster geschickt, aber auch hier gab es keine so indirekte Konfrontation wie derzeit. Der letzte Afghanistankrieg war kein imperialistischer Krieg, sondern eine kopflose Idiotie die zigtausend Menschenleben gekostet hat.

Das sind zwei völlig verschiedene Ziele.

Hier fehlt noch c): Die Situation nicht auf den Kampf um die Ukraine zu verkürzen (und diesen womöglich noch zu einer Art Endkampf Good vs Evil stilisieren). Alles andere kann nicht zu einer friedlicheren Ordnung mit weniger Leid führen.

@ Slartie: Das mag alles stimmen, aber hier geht es um den sogenannten ‚Großkonflikt‘.

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Könnte es nicht sein, dass sich die Entscheidungsträger in der Regierung und auch viele Unterzeichner des in der Lage kritisierten offenen Briefes einen Sieg der Ukraine über Russland (sprich Rauswurf der russischen Armee, Rückeroberung aller ehemals ukrainischen Gebiete durch Ukraine) nicht vorstellen können? Weil beispielsweise die Eskalationsmöglichkeiten Russlands hier als sehr hoch bewertet und bis jetzt noch überhaupt nicht ausgeschöpft wahrgenommen werden. Aus dieser Sicht wird plötzlich die mittlere Option, also ein irgendwie gearteter Kompromiss mit Zugeständnissen der Ukraine inkl. Gebietsverzichten vielleicht doch als die realistischste Option für ein Ende der Kämpfe wahrgenommen? Noch dazu: wenn Putin wirklich totkrank wäre (vielleicht nicht völlig unbegründete Spekulation in der Lage), und der Ukraine-Krieg sozusagen seine Torschlusspanik darstellen würde, um als Wiedervereiniger Großrusslands in die Geschichte einzugehen, wäre dann nicht bei einem drohenden Sieg der Ukraine sogar ein Einsatz von Atomwaffen durch Putin denkbar? Auch diese Abwägung würde Zögerlichkeit erklären.

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Dabei muss man bedenken, dass Russland kein Ein-Mann-Despotismus ist, sondern eine klassische Autokratie mit einer sehr mächtigen Elite. Daher: Während man in Nordkorea noch sagen könnte: „Wenn Kim sich bedroht fühlt, fliegen die Atomwaffen“, muss man in Russland schon einschränken, dass neben Putin auch die „zweite Reihe der Macht“ dem zustimmen muss.

Ein Befehl eines todkranken Führers, Atomwaffen abzufeuern, um damit in die Geschichtsbücher einzugehen, würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit am Pragmatismus und Überlebenswillen dieser „zweiten Reihe“ scheitern. So lange Putin noch halbwegs rational agiert, lässt man ihn machen und fügt sich - ein unsicherer Putsch ist einfach zu riskant. Aber in dem Moment, in dem diese Leute sagen können: „Wenn es nach Putin ginge, wären wir alle in zwei Wochen tot und Russland über Jahrhunderte verstrahlt!“ wäre der Erfolg eines Putsches vorprogrammiert. So stark ist der Führerkult um Putin bei den Entscheidungsträgern in den Machtzentralen halt nicht, dass man für ihn sehenden Auges in den Atomkrieg und damit die totale Vernichtung gehen würde.

Wenn wir uns von Russland und gewissen „offene-Briefe-schreibern“ einreden lassen, dass wir Russland aus Angst vor einer atomaren Eskalation gewähren lassen müssen, heißt das im Klartext, dass wir uns bereiterklären, zu akzeptieren, dass die Atommächte die Welt unter sich aufteilen dürfen. Wie so ein Szenario enden könnte zeigt die Entstehungsgeschichte des ersten Weltkrieges im Hinblick auf den Kolonialismus.

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  • Suez Krise
  • Vietnamkrieg
  • Sovietische Invasion Afghanistans
  • Afghanistankrieg 2001 - 2021

In all diesen Beispielen wurden Atommächte besiegt.

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Ich meinte auch nicht dass du ein Policy Paper schreiben sollst, sondern aufzeigen wie man Gespräche führen kann. Hebel, Winset, Incentives etc. oder du bedienst dich verschiedener theoretischer Schulen. Sicherlich kann man über ein konstruktivistisches Wertesystem sprechen mit dem sich irgendwie internationaler Druck erzeugen lässt, man kann realistisch über wirtschaftliches Druck argumentieren, oder liberalistisch den Nationalstaat aufbrechen und Akteure innerhalb Russlands finden die Druck ausüben auf die Politik des Staates oder institutionalistisch über die Organisationen des internationalen Systems (osze, un etc.)
Alles Möglichkeiten wie man ein Argument formulieren kann, ich sehe zwar nicht wie man hier kohärentes Argument aufbauen kann dass einzig Diplomatie als erfolgreiches Instrument beschreibt lasse mich aber gern vom Gegenteil überzeugen. Aber einfach die Gegebenheiten zu ignorieren und zu sagen Gespräche sind wichtig ist halt kein Argument sondern bestenfalls ein leerer normativer Appell an etwas das eh stattfindet.

Nukleare Macht und Fläche reichen für eine Analyse des Status als internationaler Macht schlicht nicht aus. Wirtschaftliche Macht, Einflussphäre, militärische Macht. Ich kenne kaum Positionen die ernsthaft von einer Tripolaren Welt mit Russland als 3. Weltmacht sprechen. Außer vielleicht in Russland ^^
Im Vergleich zu den Staaten und China deren militärischer, wirtschaftlicher Macht etc. ist Russland keine Weltmacht. Vieles was man bei Russland als Aspekte einer Weltmacht bezeichnen kann sind überbleibsel des Weltmacht Status der UdSSR: Atommacht, UN Sicherheitsratssitz, internationales Engagement etc. Diese Aspekte gelten auch für Frankreich und das UK. Das macht die lange noch nicht zur Weltmacht. Mann kann bspw. auch durchaus argumentieren, obwohl Deutschland das alles nicht hat bzw. nicht mal eine relevante militärische Stärke besitzt, dass Deutschland wesentlich machtvoller ist als Frankreich sowohl international als auch in der EU.

Außerdem ist das auch vor allem ein erst mal ein regionaler Konflikt, da aber alle beteiligten Akteure imperialistische Staaten ist der Konflikt halt international extrem relevant.

ich habe dir nicht vorgeworfen, dass du das Nato Argument gebracht hast nur dass ist halt das einzige was man hört, deshalb warte ich auf ein anderes Argument. Das Nato Argument resultiert halt immer darin dass man Osteuropa sich selbst überlässt in variierender Stärke.

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Die Russen wollen, nachdem ihr Plan A einen Enthauptungsschlag auszuführen gescheitert ist (danke USA), die Ukraine nicht dauerhauft destabilisieren. Das haben sie seit 2014 versucht. Sie wollen dieses Land jetzt bis auf das Ende der Zeit in die wirtschaftliche und strategische Bedeutunglosigkeit schwächen. Die Trajektorie der ukrainischen Zivilgesellschaft gen Verwestlichung kann Putin nicht mehr aufhalten, im Gegenteil: er hat es wahrscheinlich nur beschleunigt. Aber er kann die Ukraine in einen Binnenstaat verwandeln, ihr den Zugang zu Häfen, Öl- und Gasfelder verwehren und gleichzeitig all diese geographischen/geologischen Vorteile sich selbst aka Russland einverleiben.

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Es ist ein Mythos, wahrscheinlich aus Filmen? Videospielen?, dass der russische Präsident einfach per Knopfdruck machen kann was er will. Putin ist kein absolutistischer Alleinherrscher mit totaler Befehlsgewalt. Beispiel Atomwaffen: der angeblich todkranke Putin, der jetzt sein ganzes Land mit in den Abgrund reißen möchte weil er nichts mehr zu verlieren hat (Szenario), bräuchte dann entweder seinen Verteidigungsminister oder den Chef des Generalstabs. Ob diese dann genauso denken würden wie er lasse ich mal einfach so stehen.

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Um diesen „Metakonflikt“ anzugehen, müssen erstmal die Grenzen vom 24.02.22 hergestellt werden. Alles andere würde die Message verbreiten, dass

A. man mit Angriffskriegen einfach sein Staatsgebiet vergrößern kann und nur die wütenden Reaktionen des Westens aussitzen muss, der selber sehr schnell kriegsmüde und gespalten wird.
B. dass Sicherheitsgarantien aus dem Westen nichts wert sind und nukleare Abrüstung eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellen wird.

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Ich bediene mich zuerst eines gesunden Verstands - hoffe ich zumindest.

Ich habe auch nie geschrieben, dass der Konflikt ohne militärische Gewalt zu einem wünschenswerten Ergebnis geführt werden kann. Natürlich nicht. Es ging hier um die Kritik an Macron/Scholz, die mit Putin telefonieren. Sie tun das meiner Meinung nach nicht unbedingt aus den richtigen Gründen, aber darum geht es nicht. Es geht um die Kritik daran und darum, dass diese Kritik aus meiner Sicht wenig fundiert oder sogar naiv ist.

[quote]Nukleare Macht und Fläche reichen […] schlicht nicht aus. Wirtschaftliche Macht, Einflussphäre, militärische Macht. Ich kenne kaum Positionen, die ernsthaft von einer Tripolaren Welt mit Russland als 3. Weltmacht sprechen. Außer vielleicht in Russland ^^
Im Vergleich zu den Staaten und China deren militärischer, wirtschaftlicher Macht etc. ist Russland keine Weltmacht. Vieles was man bei Russland als Aspekte einer Weltmacht bezeichnen kann, sind Überbleibsel des Weltmacht-Status der UdSSR: Atommacht, UN Sicherheitsratssitz, internationales Engagement etc. Diese Aspekte gelten auch für Frankreich und das UK. Das macht die lange noch nicht zur Weltmacht. […] [/quote]

Das sind Ansichten, die u.a. zu diesem Konflikt geführt haben. Nicht in dem Sinn, dass die Marginalisierung Russlands zwangsläufig zu einem Überfall auf die Ukraine führen musste. Aber dahingehend, dass wir jetzt überrascht davon sind, dass ein faschistoider Diktator auf die großartige Geschichte seiner Nation verweist und nebenbei auf die Interkontinentalraketen im Keller zeigen kann.
Russland als Regionalmacht zu bezeichnen ist völlig unterkomplex und an der Realität vorbei. Stell Dir vor, Italien wäre von einem faschistoiden Macho regiert der die Medien kontrolliert, ein Vetorecht und 2000 Atomsprengköpfe und Außengrenzen zu den größten Wirtschaftsräumen hat - wäre das für Dich eine Regionalmacht?

Ich dachte es ist auch ein Kampf um unsere westlichen Werte und deshalb relevant? Aber ja, noch ist das ein regional begrenzter Krieg. Und bei den Erwägungen zu der Definition von Sieg&Niederlage geht es eben genau darum, dass es unter allen Umständen auch dabei bleibt.

Osteuropa ist schon mal zum größten Teil in der NATO und insofern so sicher vor russischer Aggression wie es nur geht. Natürlich heißt das nicht, dass die anderen Staaten nicht berechtigt Angst davor haben.
Wie schon geschrieben bin ich aber weder fachlich noch sonstwie in der Position, einen Vorschlag zu machen der darüber hinaus geht, was ich schon geschrieben habe. Aber ich kann ganz klar sagen, dass die verbale und tatsächliche Aufrüstung lediglich in eine Richtung führt aus der wir nicht mehr hinaus kommen, wenn nicht gleichzeitig ganz pragmatische und - ja! - auch gesichtswahrende Angebote gemacht werden, über die man dann reden kann. Aber wenn schon das Reden selber derart verteufelt wird…
Suggeriert wird immer noch, dieser Krieg sei zu ‚gewinnen‘ und Russland sei dann irgendwie geschlagen. Dass wir aber mindestens am Beginn eines kalten Kriegs in einer neuen Bipolaren Weltordnung stehen und das Ende dieses Konflikts mitnichten gleichbedeutend mit umfangreichem Frieden ist wird kaum auch nur erwähnt. Das wäre ehrlich, und dann könnte man weiter diskutieren ob es sich lohnt, jetzt den totalen Sieg anzustreben. Dann sollten fairerweise aber auch die Staaten des Globalen Südens gefragt werden und ich wette, dass denen unsere Moral nicht ganz so wichtig sein wird, wie das Essen auf dem Teller…

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„gesunder Verstand“. Cool. Ich bediene mich meines fachlichen Abschlusses.

Aber mal ernst ich finde es faszinierend, Jahrzehnte der Forschung zu internalisierten Bias, der einfachen Verfügbarkeit von Wissen, der Kritik an Echokammern, Filterblasen, Ideologien und was es nicht alles an psychologischen und soziologischen Effekten gibt die die eigene Wahrnehmung trüben und trotzdem zieht man als einzige Begründung für seine Meinung in einem komplexen internationalen Konflikt seinen ungetrübten rationalen Verstand heran.

Entsprechend undifferenziert und diffus ist auch deine Kategorien und Begriffswahl scheinbar setzt du Atommacht mit Weltmacht gleich, ohne Bezug darauf zu nehmen welche Funktion strategische Nuklearwaffen haben.
Alle anderen Machtfaktoren inklusive des Militärs fallen nicht nur als Bezugspunkt weg, sondern deren analytische Betrachtung im Falle von Russland ist auch noch ein Problem, weil es Russlands Selbstverständnis kränkt, zu herablassend ist um den Konflikt zu lösen oder man Russland als Gefahr nicht genug wahrnimmt ? Du führst nicht ganz aus um was es dir genau geht.

Es wird angespielt auf das psychologische Modell der Gewaltspirale als Problem der Rethorik, ohne darauf einzugehen warum es eventuell einen Unterschied macht ob es sich um Personen, Gruppen oder Staaten handelt.

es werden Strohmänner abgefackelt, wie dass Reden (bzw eigentlich scheint Diplomatie gemeint zu sein) kategorisch abgelehnt werden würde. Ohne das erörtert wird was damit gemeint ist. Was völlig kontrafaktisch ist alle Parteien bemühen sich um eine diplomatische Lösung.
In der Kritik an Scholz bzw. auch bspw. Nehammer geht es, um die diplomatische Strategie dahinter. Insbesondere auch, um die Kommunikation nach Russland aber auch zu den Verbündeten, dass es bspw. als deutscher Politiker der SPD, die massiv in der Kritik steht wegen ihrer gescheiterten Ostpolitik und wirtschaftlichen Verflechtungen mit Russland, nicht besonders vertrauenerweckend wirkt wenn sie von gesichtswahrend bzw. Diplomatie redet, sollte einen nicht verwundern. Nach Jahren verfehlter Politik ist so ein Statement ohne konkrete Aussage was das heißen soll, schwierig denn es klingt danach als würde man zu dieser Politik zurück gehen. Natürlich muss man in Verhandlungen Zugeständnisse machen, dass liegt in der Natur dieser.

Der Begriff des Kalten Krieges wird verwendet, ohne konkret zu erklären, was das heißen soll. in Europa mit Russland oder weltweit mit China oder werden beide Staaten gleich wieder in einen Topf geworfen ?

Dann wird die Rethorik des „gegnerischen“ Lagers Implizit mit Nazi Rethorik gleichgesetzt in dem man vom „totalen Sieg“ spricht… nice

und zu guter letzt noch nen whataboutism im Bezug auf Lebensmittelknappheit ausgelöst durch Russland.

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Stimmt sicher für den Großteil der Ukraine. Für Krim und Donbass bin ich mir da nicht so sicher. Die Tatsache, dass die Einstellung Russland gegenüber in unterschiedlichen Regionen der Ukraine stark variiert, ist schon Putin zum Verhängnis geworden.
Ich bezweifle nicht, dass der Großteil sich klar zu Selensky bekennt. Aber es reicht ja eine kritische Minderheit, um eine Entwicklung aufzuhalten.

Ich halte es für schwierig das zu einer harten Vorraussetzung zu machen. Das Argument ist valide, aber es muss:

  1. Realistisch machbar sein
  2. im Sinne der Menschen sein, die in diesen Regionen leben. Also nicht nur im Sinne von Selensky, sondern z.B. auch im Sinne von Donezk / Luhansk.

1 Wird sich in den nächsten Wochen / Monaten zeigen. 2 können wir heute wohl auch nicht beurteilen. Ich vermute aber, dass der Preis an Leid und Zerstörung, um bestimmte Donbass Regionen zu befreien, sehr hoch sein wird und zudem - wie bereits geschildert - dort nie wirklich ein friedensähnlicher Zustand einkehren wird, solange Russland das nicht will.

In den bisherigen Überlegungen fehlt, dass es unsere (mit)menschliche Pflicht ist die ärmere Bevölkerung unseres Planeten ausreichend bezahlbare Ernährung zur Verfügung zu stellen. Von daher ist das Aufrechterhalten des Status Quo das Todesurteil von unzähligen Menschen. Einen (schnellen) Ausweg aus dieser Misere ist militärisch nicht wirklich zu bewerkstelligen. Was bleibt sind Gespräche/Zugeständnisse.
Es wird Zeit dass wir die „Kornkammern“ dieser Welt besser (be)schützen.

Falls wir hier scheitern können wir unsere „westlichen Werte“ endgültig beerdigen.

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diese message haben „wir“ doch schon an anderer stelle übermittelt, als wir Erdogan nicht daran gehindert haben sein Staatsgebiet auf Syrien und den Irak auszuweiten.
Staaten dürfen defacto ihre grenzen ausdehnen - aber halt nicht jeder :wink:

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Selbstverständlich ist die Nato ein Verteidigungsbündnis. Seit ihrer Gründung schützt sie ihre Mitglieder vor allem vor der Macht, die seit Februar die Ukraine mit Krieg und Terror überzieht.

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