Ich bin erschüttert, dass kluge Menschen mit einer treffenden Analyse (‚Putin führt einen imperialistischen Krieg‘) die Folgen nicht zu erkennen scheinen.
Das was Ihr immer wieder im- und explizit fordert - die quasi bedingungslose Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte - bedeutet vor diesem Hintergrund genau das, was Ihr in einem Nebensatz raushaut aber worauf Ihr nicht weiter eingeht, obwohl es die zentrale Frage ist: Die Schlacht um die Ukrainie könnte gewonnen werden (fraglich nur in welchem Zeitraum und mit welchem Leid), aber der Großkonflikt wäre damit nicht beendet. Was ist aber dann mit diesem Großkonflikt?
Und wie Ihr selber so treffend analysiert: Putin will keine eigenständige Ukraine dulden, höchstens in Rudimenten. Die ukrainische Politik will aber keinen signifikanten Anteil des Staatsgebiets aufgeben. Ihr schwadroniert sogar von Rückeroberung der Krim etc. … Wer glaubt denn vor diesem Hintergrund ernsthaft, dass blau-gelbe Kampfpanzer an der Grenze halt machen würden? Zu Recht würde sich die Verteidigung der Ukraine nicht auf ihr eigenes Staatsgebiet beschränken.
Der Westen befindet sich längst im Krieg - aus Idealismus, Pragmatismus, Furcht oder Patriotismus - , ohne auch nur im Ansatz das gemeinsame Kriegsziel definieren zu können. Das hilft der russischen Aggression mehr als jeder vermeintlich defätistische offene Brief zum Dialogaufruf.
Der RND-Artikel zu Macron strotzt übrigens nur so vor Naivität. ‚Gerechtigkeit‘ ist keine geopolitische Kategorie und war es auch noch nie. Davon zeugen noch ganz frisch der Irak, Afghanistan, Lybien, Syrien …
Dieser Mann muss vor Gericht, je eher desto besser. Die in der nachfolgenden Haft liegende Demütigung wird man ihm weder ersparen können noch ersparen wollen. Gleiches gilt für die Vielzahl bereits identifizierter Mörder, Folterer und Vergewaltiger in der russischen Armee. Die russische Zivilbevölkerung muss sich darauf gefasst machen, über Jahrzehnte Schadensersatz an die Ukraine zu leisten.
Es mag taktisch bedingte Zwischenschritte geben. Doch wenn man mit einem Verbrecher wie Putin redet, dann nur in der Weise, wie die Polizei etwa während einer Geiselkrise mit einem Gangster redet: am besten per Megafon und zum Mithören für alle.
Das klingt tatsächlich so, als stünde der Weltgeneralstaatsanwalt schon vor Putins bescheidener Moskauer 3-Zimmer-Wohnung. Lächerlich …
Ja, es ist ein imperialistischer Krieg den Russland gegen die EU und die USA auf ukrainischem Territorium führt. Und wer sich die Geschichte imperialer Konflikte ansieht wird schnell feststellen, dass diese bis zum Ende mindestens einer der Konfliktparteien geführt werden. Das Problem ist, dass es heute zum ersten Mal einen solchen Konflikt gibt, in dem Atomwaffen zur Verfügung stehen (die letzte Phase des zweiten Weltkriegs ausgenommen - auch hier wurde das japanische Kaiserreich nuklear total besiegt).
Ein Krieg gegen eine Atommacht kann nicht gewonnen werden. Das müssen wir einsehen und akzeptieren und die Konsequenzen daraus ableiten anstatt so zu tun, als sei Moral eine anthropologische Konstante die es uns quasi aufzwingt, diesen Krieg bis zum allerletzten zu führen.
Insofern ist jedes Gespräch zu begrüßen. Dies bedeutet nicht die Aberkennung der russischen Verbrechen. Und es ist schmerzhaft und unfassbar tragisch.
(Noch eine Randbemerkung: Wenn derzeit aus nachvollziehbarem und durchaus guten Grund über Waffen und anderes Kriegsgerät dermaßen ausführlich berichtet wird würde ich mir wünschen, auch das entsprechende Umfeld journalistisch begleitet zu sehen. Der militärisch-industrielle Komplex wird gerade mit so unglaublich viel Geld bedacht, dass eine kritische Beleuchtung definitiv notwendig ist)