Gentechnik - Herausforderung und Risiko in der Landwirtschaft

Ich finde die oft gehörte Kritik sehr überzeugend, dass der massive Einsatz von Gentechnik zu immer komplizierteren Lieferketten und Abhängigkeiten führen wird. Die Lebensmittelproduktion vieler Länder des Globalen Südens sind schon heute von Fabriken in Industriestaaten (Düngemittel, Hybrid-Setzlinge, angepasste Pestizide, …) abhängig und es fällt mir schwer, mit ein Szenario vorzustellen, in welchem beim weiteren Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft diese Abhängigkeit nicht noch größer wird.

Angesichts der Multikrise „Klimawandel“ sollten wir alles daran setzen, ein gewisses Maß an Resilienz in der Nahrungsmittelversorgung zu erhalten und das leisten immer noch am besten lokale bäuerliche Strukturen - gerne unterstützt mit modernstem agrarwissenschaftlichen und ökologischem Know-How.

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Vielen Dank für euer feedback.

Ich kann diese Befürchtungen im Grundsatz nachvollziehen, allerdings nicht teilen. Denn naheliegenderweise können wir bei praktisch keiner technischen Innovation das Auftreten unbekannter Risiken analytisch ausschließen. D.h. der o.g. Ansatz würde in der Konsequenz zum fast vollständigen Stopp von Innovationen führen. Da das in der Praxis nicht vorstellbar ist, werden neue Technologien vor dem flächendeckenden Ansatz wissenschaftlich begleitet, so auch in der grünen Gentechnik. Hier war ja lange Zeit die Skepsis auch sehr nachvollziehbar. Für mich hat sich das aber spätestens seit der Veröffentlichung der oben verlinkten EU-Studie geändert. Heute haben wir einen breiten wissenschaftlichen Konsens (zumindest innerhalb aller großen wissenschaftlichen Institutionen), dass grüne Gentechnik nicht risikoreicher als konventionelle Pflanzenzucht ist. Zu diesem Thema ist auch die entsprechende Folge von MaiThinkX sehr aufschlussreich.

Den Vergleich halte ich nicht für angemessen. Die Kernschmelze ist ein uns wohlbekanntes Risiko, dessen Eintrittswahrscheinlichkeit höchstens umstritten ist. Bei der grünen Gentechnik sind uns keine Risiken (gegenüber konventioneller Zucht) bekannt und es gibt höchstens die Befürchtung, dass es Risiken gibt, die wir noch nicht kennen.

Im Grunde ist ein solcher konservativer Ansatz eine valide Option. Wären da nicht die o.g. gigantischen Herausforderungen, für deren Lösung wir m.E. kaum auf den Einsatz der neuen Technik verzichten können werden. Der oben verlinkte Apell von 159 Nobelpreisträgern an Greenpeace, UN und Regierungen macht neben dem o.g. wissenschaftlichen Konsens genau auf dieses Problem aufmerksam.

Ich würde durchaus beipflichten, dass der massive Einsatz von Gentechnik die o.g. Entwicklung beschleunigen würde. Für mich wäre aber die Frage, ob das ein Argument für den Verbot einer technischen Innovation sein kann. Im Grunde wäre das ja ein Grundsatzargument gegen viele Arten von High Tech – insbesondere in der Landwirtschaft.

Falls man anerkennt, dass man für die Bewältigung mancher der o.g. Probleme (auch) relativ schnell angepasste und leistungsfähige Nutzpflanzen braucht (vielleicht müssten wir vorab das nochmal diskutieren), dann liegt die Alternative zum Einsatz von grüner Gentechnik ja einzig in der intensiveren Züchtung. Würden große Konzerne also ihre Züchtungsvorhaben massiv ausweiten, um dasselbe Ziel zu erreichen, kann ich nicht erkennen, wo der Vorteil gegenüber dem Einsatz von grüner Gentechnik liegt.

Trotzdem ist der Punkt natürlich wichtig. Ich würde ihn halt nur unter der Kathegorie „Was muss ich bei der Einführung von Gentechnik beachten, regulieren, neu regeln“ und nicht unter der Kathegorie „Argumente für den Verbot von Gentechnik“ verbuchen.

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Da bin ich bei ihnen.
Ihre englischen Studien kann ich leider nicht verstehen.

Wie sie das Problem lösen wollen ist allerdings zu kurz gedacht, denn mit „wir machen neue Pflanzen“ dann können wir so weiter machen wie bisher wird nicht zum Ziel führen.

  • Es müssen auch andere Anbaumethoden angewendet werden denn die riesigen Äcker sind nach der Ernte riesige Brachflächen die der Erosion Preis gegeben sind. Durch den Klimawandel wird das Risiko der Erosion noch steigen.
  • die jetzt üblichen riesigen Monokulturen sind anfälliger für Schädlinge und Missernten. Je größer die Vielfalt der angebauten Lebensmitteln ist desto geringer ist die Gefahr dass sich eine Region nicht ernähren kann.
  • Die Probleme die Industriell hergestellte Lebensmittel haben sehen wir jetzt schon. z.B. ohne entsprechende Zusatzstoffe Sensorisch eher mangelhaft.
  • große Abhängigkeiten durch Lieferketten
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Das ist auch nicht die (zumindest nicht meine) These. Dass „neue Pflanzen“ nur ein Teil der Lösung sind, da stimme ich zu. Nur: ich sehe bisher keinen Ansatz, wie es OHNE neue Pflanzen geht.

Ein Ansatz wie es OHNE PFLANZEN geht.

Zitat: How to feed a growing global population in a secure and sustainable way? The conventional, biogenic agriculture has yet failed to provide a reliable concept which circumvents its severe environmental externalities—such as the massive use of land area, water for irrigation, fertilizer, pesticides, herbicides, and fossil fuel. In contrast, the artificial synthesis of carbohydrates from atmospheric carbon dioxide, water, and renewable energy would allow not only for a highly reliable production without those externalities, but would also allow to increase the agricultural capacities of our planet by several orders of magnitude. All required technology is either commercially available or at least developed on a lab-scale (at least for sugar).

s. auch

Das gab es ja schonmal: Humaninsulin wurde 1976 von deutschen Forschern erstmals gentechnisch hergestellt. Nach der Marktreife wurde 1984 der Firma Hoechst jedoch vom hessischen Gesundheitsministerium aus Sorge vor der Gentechnik der Aufbau einer Versuchsanlage verweigert: in Deutschland durfte kein Insulin hergestellt werden. Humaninsulin gab es dann erst 1999 von der von Mitarbeitern der Firma Höchst in den USA aufgrund laxerer Gentechnik-Gesetze gegründeten Firma Aventis. Die Sorge vor der Gentechnik, vor allem damals ausgehend von den neu gegründeten Grünen, hat damals die Herstellung und Verfügbarkeit von Insulin auf Jahre verzögert und im Nachhinein betrachtet für unnötige Tote gesorgt.

Man könnte Palmöl auch gar nicht so einfach ersetzen. Es hat die hervorragende Eigenschaft sich in einzelnen Fraktionen trennen zu lassen, die jeweils eigene Eigenschaften haben, z.B. streichfest bei Raumtemperatur.
Auf Produkte zu verrichten in denen Palmöl drin ist, wäre der erste Weg (und zwar ohne auf die Alternative auszuweichen, fehlt schwer bei Nutella :thinking:)

@lib > „Die Sorge vor der Gentechnik, vor allem damals ausgehend von den neu gegründeten Grünen, hat damals die Herstellung und Verfügbarkeit von Insulin auf Jahre verzögert und im Nachhinein betrachtet für unnötige Tote gesorgt.“

Im Prinzip gilt auch für diesen Beitrag über die Geschichte des gentechnisch erzeugten Humaninsulins in Deutschland, dass das Ausblenden der Risiken der Gentechnik einem Manipulationsversuch nahekommt. Zu einem Fake macht ihn aber darüberhinaus die Behauptung, es habe wegen der Nichtzulassung bis fast zur Jahrtausendwende kein Insulin zur Verfügung gestanden und es habe deshalb unnötige Tote gegeben. Einem taz-Artikel (2006) ist im Gegenteil zu entnehmen: DiabetikerInnen, die das Humaninsulin nicht vertrugen, mussten ums Überleben kämpfen.

„Für Diabetiker stehen fast nur noch gentechnisch hergestellte Humaninsuline zur Verfügung. Patienten, die diese nicht vertragen und Schweineinsulin benötigen, sind auf aufwändig zu besorgende Arzneimittel aus dem Ausland angewiesen.“

Meine Kritik an Deinem Beitrag bezieht jetzt nicht den aktuellen Stand der Forschung zu diesem Thema ein, der sicherlich spannend wäre. Es geht ausschließlich um Deinen Versuch, dem Forum mal eben falsche Inforemationen als Fakten unterzujubeln.

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Cool, kannte ich noch nicht.

@lib: Leider stecke ich in dem Fall überhaupt nicht drin und würde mich gerne auf grüne Gentechnik beschränken. Meine (unbegründete) Vermutung wäre jedoch, dass auf Basis der damaligen wissenschaftlichen Erkenntnisse die Skepsis gegenüber der gentechnischen Entwicklung berechtigt war.

Bezogen auf die entsprechende Rüge zum Thema grüne Gentechnik: ich würde ja gerne näher verstehen, was du hier meinst. Das fällt mir aber ohne nähere Infos schwer. Es gibt einen wissenschaftlichen Konsens darüber, dass durch grüne Gentechnik gezüchtete Pflanzen keine höheren Risiken bergen, als solche, die durch konventionelle Züchtung entstanden sind. Diesen Konsens unterschreiben weltweit alle größeren Forschungseinrichtungen. Falls darüber hinaus die Studie der EU nicht für sich selbst spricht, sollte spätestens der Apell der 159 Nobelpreisträger klar stellen, dass es hier keine zwei Stimmen in der Wissenschaft gibt. Mir ist weder klar, welche Risiken hier ausgeblendet worden sein sollen, noch, wo ein Manipulationsversuch vorliegt. Insulin ist ein anderes Thema.

Jetzt zurück zum eigentlichen Thema. Wichtig ist: dass gentechnisch veränderte Pflanzen nicht „unsicherer“ sind, als gezüchtete heißt natürlich nicht dass sie ungefährlich sind. Natürlich kann es passieren, dass die neuen Pflanzen giftig / schädlich für das Ökosystem sind etc. Nur: diese Risiken sind nicht höher als bei Pflanzen, die durch Züchtung hergestellt wurden.

Die entscheidende Frage, die man beantworten muss ist also, ob man das Risiko eingehen möchte, dass durch eine massive Kampagne zur Entwicklung neuer Pflanzen entsteht. Nach meinem Kenntnisstand hält man das derzeit für den realistischsten Weg. Sicher ist aber genau das ein springender Punkt. Entscheiden wir uns für einen Weg, wo wir diese Hochleistungspflanzen nicht brauchen, braucht es auch die Gentechnik nicht. Entscheiden wir uns für diese Pflanzen, dann gibt es nach meinem Kenntnisstand keinen Grund, dies nicht mit grüner Gentechnik zu tun. Selbst wenn einem die (zu) schnelle Entwicklung neuer Pflanzenarten problematisch erscheint, könnte man das ja sogar (z.B. durch Sondersteuern) regulieren. Aber zumindest würden keine Ressourcen sinnlos für Züchtung verschwendet. Man könnte sogar Regularien gegenüber konventioneller Züchtung verschärfen und damit neue Pflanzen sicherer machen.

Jetzt ist es ja zunächst mal nicht schlimm, wenn jemand trotz dieser Erkenntnisse keine Gentechnik möchte. Kritisch wird es erst durch die heraufziehende Krise in der Landwirtschaft. Damit steht man vor der verantwortlichen Entscheidung: löst man die Krise mit oder ohne Gentechnik? Hier wurden ein paar Ansätze genannt, für die es keine Gentechnik braucht (weniger Fleischkonsum, weniger Biosprit, synthetische Kohlenhydrate etc.). Die eine Frage wäre, ob diese Maßnahmen reichen. Meine Vermutung wäre nein und so lese ich auch den Apell der Wissenschaftler. Aber nehmen wir mal an es reicht, dann wäre zumindest sicher, dass man das Ziel mit dem Einsatz grüner Gentechnik schneller und mit weniger Aufwand erreicht, weil man nämlich in der Gleichung einfach aufwändige, langsame Züchtung, durch schnelle Gentechnik ersetzt.

Man könnte die Klimakrise auch ohne Windenergie lösen (z.B. indem man teuren Wasserstoff importiert). Oder besserer Vergleich: man hätte Corona auch überwunden, wenn man auf einen Nicht-RNA-Impfstoff gewartet hätte. Aus gutem Grund hat man das aber nicht getan, sondern auf wissenschaftliche Erkenntnisse vertraut, die gezeigt haben, dass der RNA-Impfstoff nicht unsicherer als konventioneller Impfstoff ist. Und damit hat man jede Menge Menschenleben gerettet.

Warum sollte man beim Thema Gentechnik anders vorgehen? Warum eine Krise unnötig verschärfen? Am Anfang ihres oben verlinkten Videos sagt Mai, dass es kaum ein Thema gibt, bei dem öffentliche Meinung und wissenschaftliche Erkenntnisse weiter auseinander liegen. Für mich ist schwer zu verstehen warum?

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Dass man bei großen Erwartungen an zunächst gut klingende Technofixes wie „Präzisionslandwirtschaft“ und „neuer, sicherer Gentechnik“ genauer gucken und hinterfragen sollte, von welchen Interessengruppen sie befürwortet werden, hat eine Literaturstudie von Andrea Beste (für die Grünen im EP) verdeutlicht. Klimaschutz fällt dabei zu oft hinten runter.

Vermeintlich wenig innovativ klingende Lösungsvorschläge wie Ausstieg aus Importfutter und Getreide in den Trog, Bioethanol, Ausstieg aus synthetischen Stickstoffdüngern und Pestizideinsatz sind die potentiell wirkungsvollsten Maßnahmen und wären sofort umsetzbar.

Hinter dem irgendwie muffig nach 80er Jahre klingenden Begriff „Ökolandbau“ vermutet man das vielleicht nicht. Dabei sind Ökolandbauflächen die Erneuerbaren der Agrarwende.

Guter Punkt. Wie würdest du in diesem Zusammenhang die Grünen einordnen? Um Politik und Gesellschaft bzgl. wissenschaftlicher Erkenntnisse unabhängig zu beraten gibt es ja die Leopoldina. Die informiert auch zum Thema grüne Gentechnik in einer Art Faktencheck [1]. Zitat:

  1. „Genetisch veränderte Pflanzen sind eine Gefahr für die Umwelt.“
    Diese Hypothese ist durch biologische Sicherheitsforschung über viele Jahre hinweg detailliert untersucht worden. Sowohl das Bundesministerium für Bildung und Forschung als auch die Kommission der Europäischen Union fanden keine Anhaltspunkte oder Belege für spezifische Risiken, die der Gentechnik beziehungsweise entsprechend veränderten Pflanzen zuzuschreiben sind.

Warum wäre die Zulassung vom Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen nicht sofort umsetzbar? Und warum widersprechen sich die Maßnahmen (siehe dazu auch mein letzter Post)? Eine Möglichkeit Pestizideinsatz zu reduzieren ist übrigens der Einsatz neuer Pflanzenarten.

Hier wiederum Zustimmung. Natürlich ist die Große Frage, welche neuen Pflanzen man erforscht und was man damit macht. Das ist allerdings kein Grund, sie nicht mit grüner Gentechnik zu erforschen.

[1]

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Das sehe ich nicht ganz so.

Um die Minderung des Fleischkonsums in den Industrienationen wird auch schon seit Jahrzehnten gekämpft. Der Erfolg ist gelinde gesagt überschaubar.

Warum?

Wir treten uns damit Probleme ein die wir (mal wieder) gar nicht überschauen können.

Dann lieber konventionelle Züchtung mit Wettersimulation im Gewächshaus und die Natur die Lösung finden lassen, statt irgendwas rumzuschnippeln und nicht zu wissen was man evtl. noch wichtiges mit weggeschnippelt hat.

???
Seit wann wird illegales erlaubt?

Das ist exakt das fatale Missverständnis, um das es geht. Das Risiko mit Gentechnik etwas wichtiges wegzuschnipseln ist nicht höher, als mit konventioneller Züchtung etwas wichtiges wegzuzüchten. Siehe dazu z.B. das Zitat der Leopoldina.
Edit: vielleicht muss man noch dazu sagen, dass Züchtung nicht viel mit „die Natur die Lösung finden lassen“ zu tun hat.

Grundsätzlich ein guter Ansatz. Nicht alle Aspekte der ökologischen Landwirtschaft werden uns da helfen, aber sicher viele. Aussage der EU Studie ist, dass grüne Gentechnik ein entscheidendes Werkzeug für eben diese nachhaltigere Landwirtschaft sein kann.

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Nicht erlaubt, aber wegen Unkontrollierbarkeit findet das eben statt. Die Meere sind leider viel zu groß für strikte Kontrollen.

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Ja und nein.

Wenn du in einem Gewächshaus Pflanzen ziehst das mit zu erwartendem Wetter simuliert wird, ist es die Natur, die die Lösung findet.

Es dauert halt nur länger, da man vermutlich mehrere Generationen Pflanzen ziehen muss um die Anpassung zu erreichen.

In dem ich aktiv wegschaue.

Das stimmt auch. Aber innerhalb der EU akzeptiert man auch, dass Küstenregionen vor Afrika leer gefischt werden und man dadurch die Nahrungsmittelsicherheit der Menschen vor Ort gefährdet.

Alleine die Diskussion über Subventionen zeigt, wie perfide sich die Industrieländer absichern.

wenn ich das richtig verstanden habe würdest du in diesem Fall nicht groß von außen eingreifen und nur natürliche Mutationen und Kreuzungen zulassen. Praktisch Evolution in einer künstlichen Umgebung = Zielumgebung.
Heutige Züchtungen passieren in der Regel wie folgt: man hat eine recht konkrete Vorstellung, wie das Erbgut der Zielpflanze aussehen soll. Transgen-Veränderungen werden dabei durch Mutationszüchtung erreicht. Man wartet also, bis sich „zufällig“ das Erbgut ändert. Weil das von alleine viel zu lange dauert beschießt man die Pflanzen in.d.R. mit radioaktiver Strahlung. Cis-Gen Veränderung erreicht man durch gezielte Kreuzung. Das ganze ist ein Heidenaufwand, weil man natürlich durch die Mutationen alles mögliche bekommt und ungewünschte Veränderungen aufwändig wieder rauszüchten muss. Nicht jede Züchtung braucht Transgen-Veränderungen aber die berühmte rote Grapefruit ist z.B. so entstanden.
Vielleicht zeigt dieses Beispiel warum hier zwischen Züchtung und Genmanipulation nicht wirklich ein Unterschied ist. In der Praxis erzeugen Unternehmen oft die Zielpflanze durch Gentechnik und züchten sie dann über Jahre nach. Bzgl. Dauer habe ich nichts belastbares, aber in einer Terra X Reportage war die Rede von 2-3 Jahren für Gentechnik und 10-15 Jahren für konventionelle Züchtung.
Für die exakt gleiche Pflanze muss ich aber bei gentechnischer Herstellung ein viel aufwändigeres Zulassungsverfahren durchlaufen als bei Züchtung. Warum? Gute Frage.
Wenn so eine extrem zielgerichtete Züchtung schon >10 Jahre benötigt, kann man sich vielleicht eine Vorstellung machen, wie lange die o.g. „natürliche“ Züchtung dauert.
Ist denn zumindest die natürliche Züchtung ungefährlich? Dazu am besten Mal Punkt 1 des oben verlinkten Leopoldina Textes lesen. Einen wirklich guten Grund dafür, dass diese „natürliche“ Züchtung risikoärmer ist, gibt es demnach nicht. Aber natürlich gibt es hier viele Jahrhunderte Erfahrung. Im Prinzip ist es allerdings auch egal, denn die Option, dass wir jetzt alles auf „natürliche“ Züchtung umstellen ist illusorisch. Hätten wir keine modernen Züchtungsverfahren verwendet, wären wir heute nicht in der Lage die Weltbevölkerung zu ernähren. Und die Zeiten bei dieser Züchtung würden es praktisch unmöglich machen, an den Klimawandel anpassungsfähige Pflanzen rechtzeitig zu züchten, um massiven Ernteausfällen und Hungersnöten in der Zukunft vorzubeugen.

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Wir wollen uns nicht nur ernähren, sondern Nahrung muss unseren viel zu hohen Ansprüchen genügen.

Sehr viel von dem, was zur Zeit produziert wird, werfen wir weg, nicht weil es verdorben ist, sondern weil es unseren optischen Erwartung des Nahrungsmittels nicht entspricht. Deshalb kommen auch schon vorhandene Varianten von Obst- und Gemüsesorten nicht zum Einsatz, obwohl sie widerstandsfähiger wären.

Warum nicht an dieser Schraube drehen? Das Umdenken hier wäre sofort und ohne Risiko umsetzbar.

Es gibt auch noch die Variante, dass wir uns als Menschheit entschließen, die Bevölkerung der Erde nur auf einen maximalen zu ernährenden Höchstwert anwachsen zu lassen. Dann müssten wir nur eine gerechte Verteilung der produzierten Nahrungsmittel organisieren.

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Auf jeden Fall eine valide Option. Ich bin eben nur fest davon überzeugt, dass wir an weit mehr als einer Schraube drehen müssen. Nur, damit man sich die Dimension mal vor Augen führt: die UN geht davon aus, dass wir die globale Nahrungsmittelproduktion bis 2050 verdoppeln müssen [1]! Da wir nicht mal eben 100% mehr Anbaufläche schaffen können ist das allein schon ein gigantisches Problem. Hinzu kommt, dass unser derzeitiger Anbau alles andere als nachhaltig ist. Wir müssten eigentlich weniger düngen, dürften nicht so viele Pestizide einsetzen. Das alles hat aber auch negative Folgen auf den Ertrag pro Fläche. Und dann kommt der Klimawandel: Ernteausfälle, Dürren Überschwemmungen - genau in den Regionen, wo Nahrung knapp ist.

Ich kann verstehen, wenn wir in der Entwicklung neuer Pflanzenarten Risiken sehen. Nur dann ist die Konsequenz nicht, eine Blockade der Gentechnik (weil diese Technik nicht unsicherer ist, als moderne Züchtungsmethoden), sondern eine Verschärfung der Zulassungsvorrausetzungen (für ALLE neuen Arten). Mal ins unreine gesprochen: das könnten wir uns sogar leisten. Wenn eine gentechnisch veränderte Sorte 2-3 statt 10-15 Jahre braucht, bis sie einsatzbereit ist, dann können wir gerne auch noch ein weiteres Jahr Studien zur Unbedenklichkeit dran hängen. Damit hätten wir dann die Sicherheit neuer Pflanzenarten verbessert UND die Forschungsdauer reduziert.

Die Wissenschaftler fordern in ihrem Apell “Opposition based on emotion and dogma contradicted by data must be stopped”. Wir haben in Deutschland die Situation, dass etwa ein Viertel der Bevölkerung aus irrationalen Gründen eine Corona-Impfung ablehnt und damit eine Krise unnötig verschärft. Bitte lasst uns sowas hier nicht widerholen.

Jetzt einen Schritt weiter. Hier wurden eine Menge gute Ansätze genannt, was noch getan werden kann, um die Ernährungskrise zu bewältigen. Welches sind jetzt die relevanten Hebel und vor allem, wie wirken sie zusammen? Dazu gibt es einen recht interessanten Artikel in Nature [2], den ich noch kurz vorstellen will. Hier werden sieben Aspekte genannt, die man angehen muss:

  1. End hunger and improve diets:
    Ziel ist die Verbreitung von günstiger, nährstoffhaltiger und gesunder Ernährung. Erfolgversprechend haben sich hier z.B.: Bewässerungssysteme auf kleinen Farmen, Reduzierung von Abfällen (durch dezentrale Energieversorgung und recyclebare Verpackungen zur besseren Konservierung) und Schulspeisungen erwiesen.

  2. De-risk food systems
    Hier geht es darum Ernährungssicherheit herzustellen. Risiken sind z.B. Preisspekulationen, aber auch Dürren, etc. Neben politischen Instrumenten zur Absicherung sind hier vor allem Frühwarnsysteme (z.B. Handy-Apps) und auch dezentral mit (Solar-)Energie versorgte Bewässerungssysteme hilfreich.

  3. Protect equality and rights
    Gleichberechtigung im Agrarsektor. Hätten Frauen z.B. dieselben Rechte, wie männliche Farmer in Äthiopien, könnten sie ~40% mehr Output generieren. Ähnlich wichtig ist der Schutz von Grund und Boden kleiner Farmer.

  4. Boost bioscience
    Alternative Proteinquellen: z.B. auf pflanzlicher Basis, aber auch Insekten. Stickstoff aus der Luft zum „Düngen“ gewinnen. Gentechnik für Verbesserung der Qualität, Resistenz und Produktivität der Pflanzen. Daten/ Ergebnisse müssen für alle verfügbar sein.

  5. Protect resources
    Die dauerhafte Nutzbarkeit von Anbauflächen muss sichergestellt werden. D.h. automatische Überwachung (z.B. mithilfe von Drohnen mit AI) der Bewässerung, Bodenqualität, Biodiversität etc.

  6. Sustain aquatic foods
    Biodiversität muss sichergestellt werden. Alternative Nahrung kann aus Meeren gewonnen werden (z.B. Algen-basiert). Alternative Futterquellen für Fische erschließen.

  7. Harness digital technology
    IT und Roboter können die Landwirtschaft effektiv unterstützen (wie z.T. schon oben gezeigt), Verschwendung vermeiden und Qualität sichern. Die Produkte müssen aber billiger und verfügbarer werden, damit sie auch für kleine Farmer verwendbar sind. Das könnte z.B. eine Art Uber für Farm-Roboter leisten.

[1]
Food Production Must Double by 2050 to Meet Demand from World’s Growing Population, Innovative Strategies Needed to Combat Hunger, Experts Tell Second Committee | Meetings Coverage and Press Releases
[2]
https://www.nature.com/articles/d41586-021-02331-x

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