Habe mich extra angemeldet um genau das zu kommentieren, danke für den Beitrag!
Der völlig unkritische Umgang mit Wasserstoff als vermeintlicher Energieträger der Zukunft passt für mich eigentlich nicht zur Art und Weise wie die Lage sonst berichtet.
Wasserstoff kommt gerne genau dann ins Spiel, wenn es darum geht, Investitionen in fossile Infrastruktur zu rechtfertigen. Erdgaskraftwerke könnten in Zukunft ja auch mit grünem Wasserstoff betrieben werden, die Gasheizung die man im Jahr 2022 noch bei einem Neubau einbaut kann soundsoviel Prozent Wasserstoff verbrennen, selbst Nord Stream 2 wurde als nachhaltig bezeichnet, weil man dadurch später ja grünen Wasserstoff transportieren könnte.
Grüner Wasserstoff entsteht aber nicht aus dem Nichts. Man braucht dafür grünen Strom und der ist nach wie vor in fast allen Ländern der Welt Mangelware. Die Herstellung, der Transport und oft auch die weitere Verwertung (Stichwort Brennstoffzelle) ist sehr ineffizient, d.h. es wird viel wertvoller, grüner Strom verschwendet.
Beispiel Heizung: wenn ich meine Gasheizung mit grünem Wasserstoff betreiben will, dann muss der Strom von Sonne oder Wind zunächst in die Elektrolyseanlage, wo er unter Verlust in Wasserstoff umgewandelt wird. Dieser Wasserstoff muss entweder durch hohen Druck verdichtet oder massiv gekühlt werden, damit er transportierbar wird. Das kostet wieder sehr viel Energie. Auch der Transport selber ist nicht ohne Verluste. Am Ende wird der Wasserstoff dann in der Heizung verbrannt, wobei ein Teil der Wärme auch noch durch den Schornstein entweicht.
Im Gegensatz dazu könnte man den Strom auch einfach in das schon existierende Leitungsnetz einspeisen und am anderen Ende einen 30€-Heizlüfter laufen lassen, der den Strom zu 100% in Wärme umwandelt. Da sind wir noch gar nicht bei Wärmepumpen, die die Wärmeausbeute nochmal um den Faktor 3-4 steigern.
Viele Experten bezeichnen grünen Wasserstoff als den „Champagner unter den Energieträgern“. Er ist in dieser Rolle ein Nischenprodukt für Spezialanwendungen und wird nie eine große Rolle spielen.
Die Faszination dafür ist trotzdem riesig und ich denke das hat einen einfachen Grund:
Jahrtausendelang war es so, dass wir Energie gewonnen haben indem wir energiereiche Stoffe gesammelt, transportiert und anschließend die chemische Energie in andere Energieformen umgewandelt haben. Vom Steinzeitmenschen, der Holz für sein Feuer sammelt bis hin zur modernen, industriellen Förderung von Kohle, Öl und Gas.
Erneuerbare Energien funktionieren ganz anders. Da entsteht Elektrizität direkt, es gibt keine Energieträger mehr, nur noch Leitungen, Speicher und Verbraucher. Jeder Umweg über chemische Energie bringt riesige Verluste mit sich und muss um jeden Preis vermieden werden.
Grüner Wasserstoff passt perfekt in unsere althergebrachte Vorstellung von der Gewinnung und Verwertung von Energie. Damit kann jeder gleich etwas anfangen, ohne seine Denkweise komplett über den Haufen werfen zu müssen. Wasserstoff kann man tanken, durch Leitungen transportieren, verbrennen oder in Strom umwandeln. Das ist uns so vertraut, dass wir gar nicht mehr fragen ob das sinnvoll ist.
Schön wäre es, wenn man dazu irgendwann einmal einen Experten wie z.B. Volker Quaschning in die Lage einladen könnte.