Sehr gute Frage, ich versuche mal so gut ich kann darzustellen, warum ich Strom da für wichtiger halte.
Wir sind aktuell in der Situation, dass wir in Deutschland sowohl aus der Kohle, als auch aus der Atomkraft aussteigen wollen. Kohle und Atom haben leider immer noch einen relativ hohen Erzeugungsanteil im Strommix. Es wird zwar besser, aber leider ist dieser Anteil immer noch relevant.
Gute Darstellungen dazu gibt es z.B. bei Energy Charts vom Fraunhofer ISE:
https://energy-charts.info/charts/installed_power/chart.htm?l=de&c=DE
Atomkraftwerke liefern Strom (ggf. auch Fernwärme, bin aber unsicher), Braunkohlekraftwerke Strom und jede Menge Fernwärme. Diese Kraftwerke müssen ersetzt werden, es entfällt also maßgeblich Strom und um die Kraftwerke herum etwas lokale Fernwärme (lokale Fernwärme klingt mega dämlich, ich denke aber der Gedanke kommt rüber…).
Daher kann es richtig sein, dass Gas aktuell vorrangig für Heizungen benutzt wird, das wird sich allerdings bald ändern, da wir eben mehr Strom brauchen wenn Kohle und Atomkraft wegfallen.
Nun muss man fairerweise dazu sagen, dass Gaskraftwerke schon sehr effizient sind. Moderne Kohlekraftwerke können so ca. 50% der Energie in Strom umwandeln, (Wirkungsgrad Stromerzeugung 50%), Gaskraftwerke liegen da teils bei fast 65%. Sie sind also effizienter. Zudem können sie innerhalb weniger Minuten gestartet werden, während Kohlekraftwerke mehrere Wochen zum Anlaufen oder Abschalten brauchen. Aus dem Grund drosselt man aktuell auch oft die Erzeugung von Wind- und Solarstrom, weil Kohlekraftwerke eben nicht gut geregelt werden können. KKW laufen daher meist in Grundlast, also 24/7.
Kurzer Einschub zur „Energie“. Ich rede von Energie, weil man Energie zwischen ihren verschiedenen Arten wandeln kann. Strahlungsenergie der Sonne kann man mit Solarzellen in elektrische Energie wandeln. Dein Wasserkocher wandelt elektrische Energie in Wärmeenergie um. Ein Fahrstuhl wandelt elektrische Energie in potenzielle Energie (Höhenenergie), ein E-Auto wandelt elektrische Energie in kinetische Energie (Bewegungsenergie).
Es muss also drum gehen die vorhandene Energie möglichst sparsam zu nutzen.
Wie oben schon erläutert benötigen wir also in absehbarer Zeit mehr Strom. Und Strom können wir ja auch sehr gut aus regenerativen Energien gewinnen, sogar dezentral.
Jeder kann auf ein Hausdach Solarzellen bauen, die den ganzen Tag Strom erzeugen. Diese könnte mit einem Hausakku zwischengespeichert werden und dann über den Abend, wenn keine Sonne scheint benutzt werden. Natürlich kann man den Strom auch zum Heizen benutzen, z.B. durch eine Erdwärmepumpe.
Das ganze geht natürlich auch im größeren Maßstab. Wenn im großen Stil Windenergieanlagen (WEA) gebaut werden, dann kann diese Energie auch gespeichert werden, z.B. mit Hilfe von Pumpspeicherkraftwerken. Man kann das aber auch im kleinen nutzen.
Man könnte den Strom von einer WEA, der zu einer Tageszeit vielleicht überflüssig und nicht benötigt wird auch in 10.000 Hausakkus laden, statt ihn zu vernichten (meistens verheizen in einem Widerstand) oder die WEA abzuschalten. Das bietet sich für diejenigen an, die keinen Solarzellen auf ihr Dach setzen können. So kann man die Energie an einem späteren Zeitpunkt nutzen, statt sie nicht zu nutzen.
Warum jetzt Strom? Sicher ist dir schon aufgefallen, dass man elektrische Energie sehr einfach quasi beliebig umwandeln kann. Man kann sehr effizient Bewegungsenergie, Wärmeenergie, potenzielle Energie, usw. erzeugen, ohne dass im Prozess viel Energie verloren geht.
Anders herum ist es eher schwierig. Man kann aus Wärmeenergie (z.B. verbranntes Gas) zwar elektrische Energie erzeugen, aber eben nur unter teils hohen Verlusten (siehe Kraftwerketeil). Je mehr Umwandlungen stattfinden, desto mehr Energie geht verloren.
Kurzes Beispiel: Ein Verbrennungsmotor braucht Kraftstoff (chemische Energie). Um sich fortzubewegen wird diese wie folgt umgewandelt:
Chemische Energie (Kraftstoff)
→
Wärmeenergie + mechanische Energie (Druck im Zylinder)
→
Wärmeenergie (Reibung) + translatorische Bewegungsenergie (Kolben)
→
Wärmeenergie (Reibung) + rotatorische Bewegungsenergie (Kurbelwelle)
→
translatorische Bewegungsenergie (Bewegung des Fahrzeugs)
Ein E-Auto hingegen wandelt die Energie wie folgt um:
Elektrische Energie (Strom in der Batterie)
→
Wärmeenergie (Reibung) + Rotatorische Bewegungsenergie (Drehender E-Motor)
→
translatorische Bewegungsenergie (Bewegung des Fahrzeugs)
Gesamtwirkungsgrad Verbrennungsmotor ca. 15%, beim E-Auto sind es ca. 85%.
Und hieraus ergibt sich auch der „Widerspruch“, den viele Menschen nicht verstehen. Nur weil z.B. E-Autos mehr Strom (elektrische Energie) benötigen bedeutet das nicht, dass wir damit auch mehr Energie benötigen. E-Autos ersetzen Verbrenner, die viel mehr Energie benötigen.
Ein Liter Diesel hat ca. 10kWh Energie pro Liter. Davon braucht ein Auto ca. 6L auf 100km, macht 60kWh/100km.
Ein E-Auto braucht aber nur ca. 15kWh/100km. Es braucht also mehr Strom, aber eben weniger Energie, weil der Wirkungsgrad so viel besser ist.
Es wird klar, dass man aus elektrischer Energie deutlich mehr machen kann, als aus anderen Energieformen. Dein Wasserkocher kann ohne Probleme Wasser erhitzen, aber schon mal versucht aus heißem Wasser Strom zu machen? Geht natürlich, ist aber deutlich aufwendiger.
Daher sollte man so viel wie möglich mit elektrischer Energie arbeiten, weil man diese eben perfekt umwandeln kann. Und daher besser Strom einkaufen als irgendein Gas, was man dann unter Verlusten zu Strom macht und dabei auch noch CO2 ausstößt und dem Klima schadet.