LdN 458 Fehlende Identifikation

Liebes Lage-Team,

vorab erstmal ein großes Lob für den sehr gut aufbereiteten und faktenbasierten Podcast.

Ihr habt beim Thema Wehrpflicht eine moralische Diskussion eröffnet, die m.E. im Ergebnis eines der gesellschaftlichen Grundprobleme zeigt. Eine fehlende Identifikation mit dem “Staat”. Dies ist insbesondere auch durch Verwendung der Begrifflichkeiten begründet. Der Begriff “Staat” wird grundsätzlich in einem Kontext verwendet um ein Gegenverhältnis zu beschreiben, indem der Staat regelmäßig als das große mächtige Wesen dargestellt wird, was den Bürger nur benachteiligen will. Auch Ihr seid hier nicht immer sauber in der Verwendung.

Staat ist vielmehr die Struktur, die sich alle auf einem Gebiet (Staatsgebiet) lebenden Menschen (Staatsvolk) geben um ein gemeinsames und gewaltfreies Leben zu erreichen. Daher obliegt auch das Gewaltmonopol den Regelungen, die sich das Staatsvolk gegeben hat. Da aber auch der Staat selbst, als virtuelles Konstrukt keine Gewalt ausüben kann, insbesondere nicht selbst dafür sorgen kann, dass Rechte und Pflichten des Einzelnen durchgesetzt werden können, wurden die staatlichen Gewalten geschaffen, die (wie kann es auch anders sein) mit Menschen besetzt sind (Mag künftig vielleicht durch KI ersetzbar sein…).
Damit aber auch hier Fehler bzw. Mißbrauch vermieden werden, ist diese staatliche Gewalt dreigeteilt, so dass die Gewalten einem gegenseitigen Kontrollsystem unterliegen.

Im Ergebnis ist der Staat das Regelwerk, welches ein gesellschaftliches Zusammenleben in Freiheit und Frieden sicherstellen soll.

Die dauerhafte falsche Verwendung des Begriffs ist auch sicherlich ein Grund, weshalb sich viele im Angriffsfall lieber “verpissen” wollen, da hier eine Identifikation mit dem eigenen Staat fehlt. Es wird eben als Gegner gesehen und nicht als Gemeinschaft aller Menschen.
(BTW: Wohin wollen die sich eigentlich “verpissen”? Da wir aktuell uns gegenüber fremden Menschen keinesfalls menschlich verhalten, dürfte das Interesse anderer Staaten, vor dem Krieg flüchtende Deutsche aufzunehmen, eher gering sein.)

Hinzu kommt auch noch die jahrzehntelange Unterdrückung in Deutschland auf sein Land stolz sein zu dürfen. Was z.B. in USA, Großbritannien und Frankreich normal ist und auch dazu führt, dass es dort keine Diskussionen gibt die Flagge aufzuhängen oder für sein Land auch zu kämpfen, führt dies in Deutschland dazu, dass ein Teil der Bevölkerung sich dem “Deutschsein” entfremdet hat und sich daher auch lieber verpissen will.
Das andere Extrem ist leider, dass sich viele eben gerade wieder dem übertriebenen “Deutschsein” zugewandt fühlen, welches ihne braun-blaue Gruppierungen anbieten und daher auch wieder ein starkes Deutschland unter starker Führung ersehnen.

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Du hast da eine sehr wichtigen Punkt getroffen!

Darf ich das mal prägnanter formulieren:

Der Begriff „Staat“ wird oft mit dem Begriff „Regierung“ verwechselt.
Etwas verkürzt: „Staat“ ist vielmehr die Gesellschaft (Staatsvolk) und die Regeln, die sich diese Gesellschaft gegebenen hat.

Dass man sich mit der Regierung oder den Regierungen der letzten Jahrzehnte identifizieren kann, kann ich nachvollziehen. Denn die Ergebnisse, die diese Regierungen erreicht haben, sind heute - vor allem für die jüngere Hälfte der Gesellschaft - bei weitem nicht mehr so gut wie sie für die ältere Hälfte der Gesellschaft war und ist und die Perspektive in die Zukunft aus diesem Status Quo heraus und mit den Erfahrungen, die wir mit Regierungen in den letzten Jahrzehnten gemacht haben, nicht sonderlich positiv. Es liegt eben nicht nur am deutschen Pessimismus und auch nicht die weltpolitische Entwicklung, sondern eben auch am Status Quo, in den uns die Regierungen der letzten Jahrzehnte („die Politik“) geritten hat, der eine düstere Zukunft verspricht. Wie soll man sich da mit Regierung oder Politik oder eben mit dem Status Quo / dem Zustand des Staates noch identifizieren?

Und das Argument „Dann engagiert Euch doch!“ funktioniert nicht, denn alles bürgerliche Engagement der letzten Jahrzehnte hat den heutigen Status Quo nicht verhindern können. Wie kann man hoffen, dass man selbst etwas zum Besseren erreichen kann?

Es ist etwas an unserem Staat, nämlich an unseren politischen System kaputt. Und das ist die Ursache, dass die konkrete parlamentarische Demokratie, wie wir sie heute haben, schon seit langem nicht mehr imstande ist, eine gute Gegenwart und eine optimistische Zukunftsperspektive zu liefern.

Leider ziehen daraus ca ¼ der Wähler die Konsequenz, „mal jemand anderes ran lassen“ zu wollen und dabei entweder nicht so genau hinzuschauen, wer denn dieser „jemand anderes“ ist oder es ist ihnen egal, dass sie rechtsextrem, rassistisch und z.T. faschistisch sind und eine Republik anstreben, in der die meisten sicherlich nicht leben möchten. Ein weitere Teil geht nicht mehr wählen (die berühmte Politikverdrossenheit, die schon in der Jugend beklagt wurde). Und ein dritte Teil zieht sich zurück, kapselt sich ab und sagt dann eben: „Wenn ich hier nicht mehr in Ruhe gelassen werde [weil wir angegriffen werden], dann „verpisste ich mich lieber“.

Eine Alternative wäre ja, mal genau zu analysieren, was genau eigentlich kaputt ist an unserer Parlamentarischen Demokratie und wie man die reparieren könnte.

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Was mir gefehlt hat in dem Podcast war das Ernstnehmen der politischen Spaltung in der deutschen Bevölkerung. Es wird so leichtfertig gesagt, dass die Bundesrepublik Deutschland in ihrer aktuellen Form das beste Herrschaftssystem ist, das wir haben - und das wir es verdammt nochmal verteidigen müssen, egal was kommt. Ich will mich dem auch nicht komplett entgegenstellen, sondern bin ein absoluter Fan des Grundgesetzes und genieße daraus gewisse Freiheiten (wie z.B. hier meine Meinung zu äußern). Allerdings möchte ich mal was sagen dazu, in der Hoffnung, dass die beiden Hosts der Lage mal darüber nachdenken.

Laut Allensbach-Umfrage zur Bundestagswahl vom 11.12.2025 sieht es wie folgt aus:

  • 52 % „konservativ“/„rechts“/„libertär“
    CDU/CSU 27 %, AfD 25 %

  • 35,5 % „liberal“/„progressiv“
    SPD 14 %, GRÜNE 12.5 %, DIE LINKE 9 %

  • 7,5 % nicht im BTag

    BSW 3 %, FDP 4.5 %

Wenn man also nicht zu dem Block #1 gehört, oder gar zu den Nicht-Wahlberechtigten (Warum Wahlergebnisse nicht repräsentativ für die Bevölkerung sind), dann geht man in die Bäckerei namens BRD und bekommt nur hartes, altes Brot, das nicht schmeckt (mit Aufdruck “Austerität”). Und man denkt auch, im Extremfall, ein Jens Spahn klaut dein Geld für seine Freunde, und morgen kommt dann eben ein Wladimir, der dir immer noch das Geld klaut für seine Freunde. Für einen durchschnittlichen jungen Bürger, der die Hoffnung vom sozialen Aufstieg schon längst verloren hat, macht es doch theoretisch keinen Unterschied, wo das Geld versickert.

Im Hinblick auf die Ukraine, auf den Euromaidan, auf den Holodomor, kann ich es da im Gegenteil eher verstehen, dass man bereit ist, die eigene ukrainische Identität, die Nation, zu verteidigen, weil es als Versprechung am Ende eben einen Stopp der Korruption, eine nähere Anbindung an Europa und mehr wirtschaftliche Prosperität gab. Wo ist hier dieselbe Erzählung, dieselbe Energie für die heutige BRD im Zustand von 2025? Man hat ja eher den Eindruck, dass wir uns bereits in Richtung Russland und USA bewegen (“nationaler Stolz” durch Rassismus gepart mit Austerität und Oligarchen).

Ich will nur einmal dafür werben, diese Sichtweise mal testweise einzunehmen. Im Sinne eines Bürgers, dessen normales Leben bereits schlechtere Aussichten als das seiner Eltern hat, und der sich, wie manche Umfrage zeigt, von der jetzigen Staatsform im Stich gelassen fühlt (Nur 52 Prozent der Befragten stimmt zu, dass die deutsche Demokratie im Großen und Ganzen ganz gut funktioniere). Wieso sollte der dann überhaupt dafür kämpfen, den Status Quo mit Friedrich Merz als unseren BK, Alexander Dobrindt als IM, etc. zu erhalten?

Übrigens hatte Merz den Zelensky dazu aufgefordert, die ukrainischen Männer an der Ausreise nach Deutschland zu hindern - was also offenbart, dass er umgekehrt ebenfalls dazu bereit wäre, die deutschen jungen Männer zu stoppen. Soviel zum Thema, dass man immer stets verweigern können wird… Was dann noch mehr junge Leute dazu bringen könnte, angesichts einer drohenden Lage noch früher auszureisen, bevor der das macht (Ich habe ihn gebeten, dafür zu sorgen, dass diese jungen Männer im Land bleiben).

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Eine ideale Demokratie funktioniert so gerade nicht. Denn in einer idealen Demokratie versucht die Regierung immer, auch die Opposition nicht ganz an die Wand zu nageln. Ich denke, wir sind uns einig, dass weder 16 Jahre Kohl noch 16 Jahre Merkel dazu führten, dass die Politik ganz krass konservativ-liberal war. Was du beschreibst, trifft eher auf die USA seit Trump I zu, da erst dort erstmal die Opposition zum Feind erklärt wurde und gezielt alles getan wurde, um möglichst weit weg von der Politik der Opposition zu kommen. Und da wollen wir in Deutschland nicht hin.

Wir müssen akzeptieren, dass es aktuell eher eine konservativ-rechts-liberale Mehrheit gibt. Aber es gibt eben keine Mehrheit für einen „harten konservativen Kurs“, weil den auch viele, die die Union wählen, nicht unterstützen würden. Auch unter diesen 52% sind viele potenzielle Wechselwähler, die auf einen zu hart konservativen Kurs damit reagieren würden, dass sie bei der nächsten Wahl dann SPD oder GRÜNE wählen. Alleine deshalb ist es auch im eigenen Interesse der Union, ihr Selbstanspruch, eine „Volkspartei“ zu sein und alle Interessen von Rechts bis Links zu vertreten, zu erfüllen. Natürlich wird sie unter’m Strich deutlich mehr konservative als sozialdemokratische oder gar linke Politik machen, aber sie wird nicht „nur 100% konservative“ Politik machen.

Kurzum: Du siehst die Sache viel schwarz-weißer, als sie in der Realität immer war und auch in Zukunft hoffentlich sein wird.

Genauso kann man argumentieren, dass Du die Situation viel zu bunt siehst. Der Gini Koeffizient steigt, Aufstieg wird immer schwieriger, gute Bildung ist weiterhin ein Thema für Menschen, die es sich leisten können (Stichwort: Nachhilfe), unsere alte Wirtschaft ist auf dem absteigenden Ast und niemand scheint eine Idee zu haben, was danach kommen soll, sprich es gibt in Zukunft noch weniger zu verteilen udn das geht an immer mehr an die, die ohnehin schon genug haben. Gleichzeitig droht der “Kulturkampf” an die ganz rechten Gesellen verloren zu gehen.

Und wenn man dann noch zu den 16-25 Jährigen gehört, dann weiss man bereits das man immer das Opferlamm ist. Sei es Covid, sei es Wehrpflicht, sei es Rente.

Man kann alles nicht ganz so schwarz sehen wie ich es male, aber eben auch nicht so bunt wie Du es darstellst. Und am Ende muss das jeder mit sich selbst ausmachen.

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@Margarete Ich schlage vor, dieses Thema nach

zu verschieben.

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Wer klärt mich auf, was “Babo” heißen soll?

Bin ich einfach zu alt?

So etwas wie Boss sagt das Internet.

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Ganz genau. Man stelle sich mal exemplarisch den Ortsverein vor, in dem 6 von 10 Mitgliedern über 50 sind. Da sitzt dann der jüngere Teil der Bevölkerung und erlebt folgendes:

  1. Antrag auf Schulschließung: ja, mach zu, Junge sind egal
  2. Antrag auf Rentenniveau: ja, schreib es bis 2031, Junge sind egal
  3. Antrag auf Mietpreisbremse: nein, wovon Junge eher profitieren
  4. Antrag auf Klimaziele behalten: nein, das betrifft mehr Junge ob nun 2035 oder 2050
  5. Antrag auf Grenzschließung: ja, wobei Junge eher reisen & in Kontrollen im Stau stehen
  6. Antrag auf Wehrpflicht: ja, wobei Junge in den Krieg müssen
  7. Antrag auf Extremismushilfe/Demokratieprojekte: nein, was eher Jungen hilft
  8. Antrag auf Investitionen: nein, das verschieben wir ausm Kernhaushalt, wenn überhaupt

Wenn man sich aktuell beteiligt an der Demokratie und quasi zu einer Minderheit (den Jungen/Jüngeren unter dem Durchschnittsalter in der BRD) gehört, erlebt man eigentlich kein Narrativ, das einem irgendwie Hoffnung gibt. Nach den Klimaprotesten bspw. konnte man noch argumentieren, das wohl jede demokratische Partei ein bisschen zuging auf die Forderungen von jungen Leuten, was dann auch in eine Spaltung in Grün und FDP gerade unter den Neuwählern führte und ein bisschen Zukunftsidee versprach. Was soll dieselbe Person jetzt sagen, die zwar eigentlich immer wichtiger wird durch die Demographiekrise, gleichzeitig aber immer weniger repräsentiert wird? Das Rentenpaket letztens war ja auch wieder ein gutes Beispiel dafür, dass man sich nicht herantraut an das, was Ü50 (und Wohlhabendere) Wähler ärgern würde.

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Deine Liste ist ein kleines bisschen polemisch, oder? :wink:
Aber ich verstehe deinen Punkt.
Ich fand zusätzlich (auch aus Sicht von Älteren wie mir) die fehlende Reaktion der demokratischen Parteien auf die riesigen Demonstrationen vor einem Jahr erschütternd.

Ein gutes Beispiel für das Ungleichgewicht sind die maroden Schulen: Eigentlich müssten Schulen der schönste und freundlichste Ort in jeder Stadt sein, damit Kinder und Jugendlich gerne kommen.

Da es schon über 200 Beiträge zu dem Thema im anderen Thread gibt, hoffe ich nicht allzu viel zu wiederholen. Ich denke, dass es schon deutlich leichter ist die Haltung der Hosts zu haben, wenn man wie sie viele Privilegien im aktuellen System genießt. Wenn man die systemischen Ungerechtigkeiten jeden Tag ganz konkret im eigenen Alltag spürt, sieht man das vielleicht tendenziell anders? Ich kann mir gut vorstellen, dass Menschen, die sowohl im zwischenmenschlichen Miteinander als auch durch Vertreter:innen staatlicher Institutionen wie bspw. in Schule, bei Behörden oder Polizei (häufig) Diskriminierungserfahrung machen, unsere Gesellschaft und die FDGO für weniger (oder sogar nicht) verteidigenswert halten.

Ich möchte mich jedenfalls sowohl bei den Hosts als auch bei den zahlreichen Diskutant:innen im Forum für die wertvollen Gedanken bedanken und merke, wie die Argumente in mir arbeiten.

(Edit: Wortlaut präzisiert)

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So geht es mir auch. Nicht jede/r hat immer sofort eine völlig eindeutige Meinung. Dafür sind Diskussionen schließlich da: Austausch, Reflexion, Meinungsbildung, vielleicht sogar -änderung.

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Das formale System. also das im GG vorgesehene System ist meines Erachtens nicht kaputt. Es ist sogar deutlich besser als die Systeme anderer Staaten (vgl. Polen, USA), die nunmehr aufgrund der aktuellen formalen Situation erhebliche Probleme haben.

In Deutschland liegt vielmehr ein moralisches Problem vor. Aktuell ist die wirtschaftliche Situation (nicht nur) in Deutschland angeschlagen. Über die Ursachen kann man hier lange diskutieren. Entscheidend ist aber vielmehr, dass wir künftig unsere Ansprüche senken müssen. Wir werden nicht mehr das Wirtschaftswachstums der vergangenen Jahrzehnte weiter realisieren können. Das ist, wie gesagt, aber kein rein deutsches Problem. Das ist weltweit und liegt auch darin begründet, dass wir das Ende der Billigproduktionskette erreicht haben. Selbst das chinesische Volk ist nicht mehr willig für Europa und USA die eigenen Ressourcen aufzubrauchen und nur billig zu produzieren. Auch die Chinesen wollen nun ein Auto haben und in einer gesunden Umwelt leben. Dadurch werden die Produkte eben teurer. Da es aber nun keine Möglichkeit mehr gibt die Produktion in “günstigere Länder” zu verlagern, werden die “Industrienationen” sich mit einer Abschwächung des Lebensstandards abfinden müssen.
Und da kommt das moralische Problem wieder zu Tage: Die agierenden Personen in den staatlichen Gewalten, insbesondere in der Bundes- und den Landesregiserungen sind nicht in der Lage diese Folgen zu vermitteln (vielleicht sogar zu erkennen) und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. Statt dessen werden vermeintliche Probleme (angebliche illegale Migration) thematisiert und “bekämpft” und damit den AfD-Narrativen zugestimmt.
Statt dessen wäre eine Vorbereitung auf die kommenden Zeiten sinvoll und insbesondere eine Investition in die Bildung (vgl. Ifo-Stuudie zur langfristigen Steigerung des BIP). Die deutsche Arbeitnehmerschaft ist auch in der Vergangenheit kein Vorzeigemodell des schnellen, fleißigen und günstigen Arbeiters gewesen, der Massenproduktion bewältigen kann. Dazu fehlen us auch schon die “Massen” an Arbeitern. Unsere Stärke lag vielmehr in der Bildung und der daraus resultierenden “deutschen Ingenieurskunst", die sich natürlich nicht nur auf Ingenieure beschränkt hat. Aufgrund jahrzehntelanger Sparpolitik ist hiervon leider nicht viel übrig geblieben.
Nur hierüber kan die deutsche und auch die europäische Wirtschaft wieder steigen. Indem wir Innovationen schaffen.
Und dies durchzusetzen traut sich leider keiner der aktuell agierenden Personen. Das ist das Problem, weshalb viele der Meinung sind, dass das “system kaputt” sei.

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Du stellst es so dar, als hätte Deutschland das selbe Problem wie alle anderen auch, nur die Politiker sind zu blöd.

Ich meine schon, dass das parlamentarische System, so wie wir es haben, kaput ist: Offenbar gibt den Menschen, die mitgestalten wollen (den Politikern), schon seit Jahrzehnten falsche Anreize. Nämlich den Anreize, die fundamentalen Probleme, die wir hier haben, nicht anzugehen (weil zu schwer, zu komplex, weil sie dafür keine Mehrheit finden) und statt dessen dauernd völlig unwichtige Nebenkriegsschauplätzen eröffnen. Daher werden die Probleme an Infrastruktur, Bau/Wohnen, Klima/Umwelt, Rente, Gesundheit/Pflege, Digitalisierung, Integration/Migration, Vermögensverteilung/Gerechtigkeit, usw. …, die schon seit langem im Argen liegen und bei denen schon viel länger erwartbar war, dass es so kommen würde, nicht angegangen.

Die Ursachen sind komplex und mir ist beileibe nicht vollständig klar, welches das sind. Eine Ursache ist der von Ulf immer wieder genannte Zwang zur großen Koalition dadurch, dass der Bundesrat = die Länder bei allem möglichen zustimmen müssen. Eine Ursache ist, dass in unserem föderalen System die einen die Entscheidungsbefugnis haben, da anderen das Ergebnis der Entscheidungen umsetzen / ausbaden müssen. Eine Ursache ist die - gemessen an der Größe der Aufgaben - Kürze der Legislaturperioden, v.a. aber die vielen, vielen Wahlen während der Legislaturperiode. Eine Ursache ist, dass der Staat keine wettbewerbsfähigen Gehälter zahlen darf, um qualifiziertes Personal gewinnen zu können (z.B.: Digitalisierung). Eine Ursache ist, dass unsere Gerichte nicht hinreichend ausgestattet sind, um Konflikte effektiv und effizient, d.h. eben auch schnell genug zu lösen. Und da gibt es viele mehr und sicher noch sehr viele mehr, als mir klar ist.

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Wenn man die Argumente von @harrydm noch etwas marxistisch angehaucht zuspitzt, dann wird noch deutlicher, woher die fehlende Identifikation zum Teil kommt. Denn die deutsche Demokratie existiert ja nicht im luftleeren Raum, sondern im globalisierten Kapitalismus. Deshalb unterscheiden sich die verschiedenen Regierungen zwar z.B. darin, wie sozialliberal sie sind (zu Themen wie Geschlechtsidentität, Abtreibung, Cannabis etc.) aber nicht darin, dass sie den Wirtschaftsstandort Deutschland voranbringen wollen, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Dies widerspricht dann aber in der Regel direkt den Interessen der breiten Bevölkerung, da es bedeutet, dass Einschränkung von Arbeitnehmerrechten (Arbeitszeitgesetz), Senkung von Sozialleistungen (Bürgergeld), Anreize für Arbeiten im Rentenalter statt Rentenerhöhungen, Bau von Gaskraftwerken etc. verabschiedet werden, aber potenziell für den Wirtschaftsstandort schädliche Entscheidungen wie Verbrenneraus, Lieferkettengesetz, Vermögenssteuer, Anhebung des Spitzensteuersatzes etc. nicht kommen oder rückgängig gemacht werden.

Und von vielen der Freiheiten, von denen Ulf und Philip so schwärmen (Reisefreiheit!) profitieren Menschen in den unteren Einkommensschichten in der Regel nur wenig. Dass ich nach Paris fahren darf, aber es mir nicht leisten kann, bringt mir nicht viel. Und dass ich frei die Meinung äußern kann, dass ich gerne hätte, dass das Geld bis zum Ende des Monats reicht, macht das Konto auch nicht voll. Von daher kann ich nachvollziehen, dass viele Menschen nicht die Motivation verspüren, dieses „geringere Übel“ mit ihrem Leben zu verteidigen.

Interessant finde ich aber, dass im Podcast auch Personen zitiert wurden, auf die das eigentlich gar nicht zutrifft, die also tatsächlich etwas zu verlieren haben. Da scheint dann vielleicht doch eher die Gewissheit maßgeblich zu sein, dass man genug Geld auf dem Konto hat, um einfach in ein anderes Land auswandern zu können, in dem man seine Freiheiten dann weiter genießen kann, ohne etwas dafür tun zu müssen.

Und das ist doch der entscheidende Punkt. Die, die sich dann „verpissen“, sind nicht die, denen jetzt schon vom Schicksal in den Schritt getreten wird. Die sind nur die, die makabrerweise als Ausrede herhalten dürfen für die, die es dann tun und auch das Geld, die Fähigkeiten und die Kontakte haben, sich woanders etwas Neues aufzubauen.
Denen kann man allerdings zu Gute halten, dass erfolgreich sein und Staat und Gesellschaft hassen sich nicht ausschließen.

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