Nach den 2017er Wahlen druckte die ZEIT ein langes Interview mit einem PEGIDA-Veteranen. Christian Bangel und Martin Machowecz unterhielten sich mit Lars-Detlef Kluger, Jahrgang 1970, Schulleiter aus Dresden, der PEGIDA anfangs unterstützt hatte. Hier der Link:
„Es haben nicht nur Verlierer AfD gewählt!“
Kluger hat für seine alten Mitstreiter keine guten Worte:
Da standen auch Vollidioten auf der Bühne.
Man hört heraus, dass er damit Lutz Bachmann meint. Über Bernd Höcke sagt er:
Es ist unerhört, wenn Höcke das Berliner Holocaust-Mahnmal als eine Schande bezeichnet. Das Mahnmal ist keine Schande, sondern ein angemessener Umgang mit unserer Geschichte, auf den ich stolz bin.
Kluger ist offensichtlich kein Nazi. Aber es klingt durch, dass er AfD gewählt hat. Warum? Viele Gründe, das Interview ist lang. Da ist zum einen das, was er die „Erosion des Rechtsstaats“ nennt. Damit meint er nicht nur die Flüchtlingskrise von 2016, sondern er will die Staatsgewalt auch ganz konkret im Alltag erleben:
An jeder Bahnhaltestelle steht: „Danke, dass Sie hier nicht rauchen.“ Und vor dem Schild? Ein Meer an Kippen! Es müsste nur ab und zu jemand vorbeikommen und sagen: Du zahlst jetzt 50 Euro. Das würde sich rumsprechen. Wir bräuchten jeden Tag jemanden an mindestens einer Haltestelle, der abkassiert.
Er beklagt „das Messen mit zweierlei Maß in fast jeder politischen Frage“ und gibt als Beispiel das grüne Vorzeigeprojekt, den Kampf gegen die Kernenergie an:
Stellen Sie sich vor, man hätte Pegida so viel Verständnis entgegengebracht wie früher der Anti-Atomkraft-Bewegung. Letztere hat Gleise unterhöhlt, Schienen blockiert, Polizisten verprügelt – um eine aus ihrer Sicht falsche Politik zu verändern. Und diese Anti-Atomkraft-Bewegung hat man mit unendlicher Toleranz behandelt.
Das ist kontrafaktisch, die Polizei hat PEGIDA mit Samthandschuhen angefasst, und die „unendliche Toleranz“ sah in Grohnde und Brokdorf so aus:
Schlacht um Grohnde
Aber seine gefühlte Wahrheit ist halt so.
In seiner Welt gibt es Uns, und es gibt Die Anderen. Wer Wir sind und wer Die, das kann sich da von Thema zu Thema ändern. Aber immer gilt: Wir halten uns an Regeln, wir kämpfen für Freiheit und Rechtsstaat. Die hingegen halten sich an kein Gesetz. Die sind Politiker, die im Leben nur „Kreißsaal, Hörsaal und Plenarsaal“ gesehen haben, Die sind die „40 Drogendealer, die sich […] am Hauptbahnhof mit der Polizei geprügelt hatten, kurz festgesetzt wurden und am Abend wieder frei waren“. Die sind rot-grüne Journalisten, von denen „linke Entwicklungen beklatscht […] und konservative Entwicklungen kritisiert“ werden. Die sind „Stadtviertel mit Mehrheitsverhältnissen, bei denen Integration nicht stattfinden kann“
Rassismus? Eher Tribalismus. Die Sehnsucht, einem Stamm anzugehören. Deutsche, oder Sachsen, oder Dynamo-Dresden-Fans, Wir halt. Das Verlangen, der eigene Stamm möge stärker sein als Die Anderen. Die unendliche Kränkung, wenn eins dieser Bedürfnisse nicht erfüllt ist.
Das Interview ist zwar schon acht Jahre alt, aber immer noch aktuell.