LdN 418 Interview Frau Major

Das wird in der Lage immer mal wieder thematisiert, meine ich mich zu erinnern. Ich persönlich fände es ohnehin viel sinnvoller, nicht ständig über % des BIP zu zergeln, sondern von der richtigen Seite anzufangen: Mit welcher Entwicklung ist für die Zukunft vernünftigerweise zu rechnen? Ich würde sagen, man kann eine längere Abhängigkeit vom Goodwill der USA nicht weiter als Risiko akzeptieren. Man muss vom Worst-Case ausgehen und der sieht mMn so aus, dass nicht nur Russland, sondern auch die USA zur Autokratie werden und militärischen Druck (Gewalt kann/will ich mir nicht vorstellen) nutzen könnten, um unsere Demokratien zu attackieren. Primäre Ziele müssten also sein, Russland und ggf. andere Akteure davon abzuschrecken. Erweiterte Ziele wären noch solche Themen wie der Schutz der freien Seefahrt, auf die Europa als Handelsmacht letztlich auch existenziell angewiesen ist. Optional könnte man noch Interventionsfähigkeiten vorhalten, da müsste man länger überlegen, in welchem Umfang man diese Fähigkeiten haben will. Also welche Fähigkeiten müssen dann von Deutschland allein oder in Verbindung mit welchen verlässlichen Verbündeten aufgebaut werden, wie schnell muss das gehen und was wird das kosten? Hier müsste es unter den demokratischen Parteien eigentlich möglich sein, einen einigermaßen breiten Konsens zu etablieren (aber da hab ich mich beim Klimaschutz vor einigen Jahren ja auch schon mal gründlich getäuscht. Wir müssen natürlich alle erstmal nix).
Erst, wenn man das zwingend nötige definiert hat, muss man sich überlegen, wie das zu tun ist. Also welche Mischung aus Schulden, Sparen und Steuererhöhungen gewählt wird. Auf diesem Feld müssten die demokratischen Parteien ihre Konkurrenz, ihren Wettbewerb der Ideen austragen.

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Leider gibt es innerhalb der Parteien in Deutschland recht unterschiedliche Ansichten, ob und welche Bedrohungen von Russland, China oder auch den USA für uns zu erwarten sind.
Das wird eine gemeinsame Linie, wie sich Deutschland und Europa etablieren müssen, nicht einfach machen.

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Ich würde unterstellen, dass die Unterschiede in der Problemanalyse nicht immer, aber häufig etwas damit zu tun haben, welche Lösungen man im Haushalt etc. gerne hätte oder noch zumutbar findet. Musterbeispiel dafür wäre die SPD-Diskussion in den 2010er Jahren über die Beschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr. 10 Jahre parteiinterne Debatten und Anfang der 2020er Jahre war die SPD der Meinung, über das Thema sei noch nicht genug geredet worde, das sei noch nicht entscheidungsreif. Da ging es nicht mehr wirklich um inhaltliche Debatten, sondern um polit- und parteitaktische Spielereien. Nicht so anders, als bei den Debatten um Migration oder Klimaschutz zäumen (häufig die gleichen) Akteure das Pferd gern von hinten auf und nennen es „vom Ende her denken“. Die Problemanalyse soll dann nur dazu dienen, zu rechtfertigen, was man ohnehin tun wollte.

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Es geht in diesem Krieg nicht nur um die Fähigkeiten der Ukraine. Es geht halt auch um Masse. Die Ukraine muss eine 1000 km lange Front sichern. plump gesagt: Dafür brauch es eine Masse an Soldaten die dafür in den Schützengräben liegt. Daher ja die ganze Diskussion um die Rekrutierungen.

Moderne Technik wie dauerhafte Drohnen Überwachung etc. würde helfen, man brauch aber trotzdem eine Schlagkräftige Truppe, die Schnell bei überschreiten der frontlinie von a nach b verlegt werden kann.

Dazu brauch es, Flugzeuge, Panzer, Soldaten, Drohnen, Artillerie, Flugabwehr etc… die Front muss geschützt werden, die eigenen Soldaten aber auch.

Es brauch auch massiv an Infrastruktur wie Straßen und Häuser…

Die meisten Experten sagen, man bräuchte mindestens 200000 Soldaten + entsprechende Ausrüstung (weiß nicht ob da die Logistik in den Heimatländern schon eingerechnet ist, ich denke nicht, also mindestens nochmal 200000). Zum Vergleich die BW hat insgesamt gerade mal 180000 und massiv Probleme ihren Bestand an benötigten Soldaten für unbesetzte Stellen zu bekommen. Man schafft aktuell vielleicht 10000 -15000 Soldaten für Auslandseinsätze auszubilden (nicht jeder Soldat ist in einer Kampftruppe). 5000 sind schon in Litauen. Die kann man abziehen.

Die EU müsste denke ich alles was sie hat in die Ukraine werfen. Litauen, Estland, Finnland etc. wären ungeschützt.

Und ja selbst wenn man das alles aufbringen würde: mal angenommen die Russen schießen Raketen oder überschreiten die waffenstillstandslinie, es käme zu kämpfen zwischen Russen und EU Soldaten. (Denn dafür währenddessen EU Truppe ja da, im Ernstfall auch die Russen abzuwehren) Wer glaubt denn dann noch, dass sich der Kampf auf die Ukraine beschränkt und dann nicht plötzlich auch in der Ostsee die Post abgeht?

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Fair enough, dafür ist Austausch da. Wenn du aus Kritik einer Seite
Sympathie für die andere heraus liest, kann ich dir allerdings nicht weiterhelfen.

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Man schaue in die Ost-Ukraine, wo die Russen durch massive Verminung des Geländes dafür gesorgt haben das Angriffe der Ukrainischen Armee quasi unmöglich sind. In Zukunft könnte man die Landgrenzen Richtung Russland auf ähnliche Weise sichern. Und vermutlich wird daran auch kein Weg vorbeigehen, wenn man Westeuropa dauerhaft schützen will.

Ein Angriff auf internationale Schutztruppen durch Russland ist das Risiko, welches Europa bei dem Plan der Amerikaner wohl ohnehin in Kauf nehmen muss. Darüber hinaus wird man einen Despoten wie Putin wohl nur einhegen können indem man bereit ist Risiken einzugehen und wenn man Stärke zeigt. Alles andere führt lediglich zu einem fragilen Zustand, welcher über kurz oder lang in weiteren bewaffneten Auseinandersetzungen endet.

Ich bin der Auffassung, dass die Amerikaner aktuell die Gelegenheit hätten Russland dauerhaft als Großmacht aus dem Spiel zu nehmen. Daran haben sie jedoch kein Interesse, weil die Trump Administration auch kein Interesse an einem starken Europa hat.

Meines Erachtens ist die Gemengelage deutlich komplizierter ist als Viele denken und es ist an der Zeit das Europa erwachsen wird. Dazu gehört ein europäischer Wehretat und eine gemeinsame Armee. Einzelstaaten werden sich künftig nur noch entscheiden können ob sie lieber Vasallen der USA oder Vasallen der Chinesen sein möchten.

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[Edit Mod.: Bitte sachlich und höflich bleiben, vgl. Richtlinien.]

Der Witz an meiner Kritik ist gerade, dass man überhaupt keine bessere Definition von Frieden kennen muss, kein Zusatzwissen nötig ist. Fr. Major nennt zwei Mittel zum weit entfernten, echten Frieden. Das erste, Unnötigmachen, hat sie sofort wieder vergessen. Das Unmöglichmachen findet sie hingegen super. Hier frage ich mich ehrlich ob wir dasselbe Interview gehört haben. Sie tritt völlig unverhohlen für „wirksame Abschreckung“, also mindestens für militärische Potenz, wenn nicht gar Dominanz ein. Und weil man sich auf Uncle Sam nicht verlassen kann, muss halt die EU (und damit Deutschland) Supermacht werden. Und hier kommt der Clou: selbst wenn sie zu 100% alles kriegt was sie will, und Russland erfolgreich für 10000 Jahre abgeschreckt wird… Dann sind die Konfliktursachen immer noch nicht beseitigt, höchstens durch westliche Überlegenheit unterdrückt. Kein Frieden, ätschibätsch. Das ist doch in sich Blödsinn. Jedenfalls wenn es um sinnvolle Begriffsbestimmung geht.

Wie gesagt taugen solche Definitionen durchaus zur politischen Meinungsbildung: Noch der blutigste Kriegstreiber kann wahrheitsgemäß für sich in Anspruch nehmen, dass er für den langfristigen, den echten, Frieden eintritt. Vielleicht fällt es dir ja auf, wenn du mal geistig die Probe machst, ob sich Russland nach der Definition für Frieden einsetzt.

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Sehe ich anders. Wenn man die Analyse von Major und den meisten Fachleuten für Außen- und Sicherheitspolitik in Mittel- und Osteuropa teilt, dass der Kern des Konflikts der imperiale Anspruch Russlands und dessen Zurückweisung durch die anderen Europäer ist, kann der Konflikt im Grunde nur sinnvoll „unnötig“ werden, wenn Russland die europäische Friedensordnung und seinen gleichberechtigten Platz darin akzeptiert und eigene imperiale, revisionistische Wünsche abschließend aufgibt. Das ist aktuell so weit weg, dass es dazu wenig zu sagen gibt. Dass Frau Major ihr Argument „vergessen“ hat, würde ich ausschließen.

  1. Was wäre unter Berücksichtigung der Fundamente der europäischen Friedensordnung, der Souveränität der osteuropäischen Staaten und der seit über 10 Jahren klar kommunizierten revisionistischen russischen Ziele die Alternative? Was wurde bisher nicht schon erfolglos versucht?
  2. Abschreckung muss theoretisch nicht mal militärisch potent sein. Es geht darum, den Preis für einen potentiellen Aggressor so hoch zu setzen, dass sich das für ihn nicht lohnt. Finnland ist aufgrund verschiedener militärischer und ziviler Resillienzen für Russland lange kein attraktives Ziel gewesen. Für die Ukraine galt eigentlich das gleiche, sowohl 2014 als auch 2022. Zumindest, wenn man in Moskau der gleichen oder ähnlichen Rationalität gefolgt wäre, wie fast alle anderen Staaten in Europa. Nur durch die russische Bereitschaft extreme Personal- und Ressourcenverluste für einen imperialen Wahn hinzunehmen, entstand für Finnland und Schweden die Situation, in der sie in die Nato mussten, weil ihre Anschreckung gegen so einen Staat nicht funktioniert. Massive Aufrüstung ist nicht nötig, weil Frau Major oder ich oder wer auch immer das empfiehlt oder weil wir das wollen, sondern weil alles unterhalb, also ökonomische und politische Einbindung, ökonomische Abschreckung und Sanktionen, versucht und gescheitert sind. Die Notwendigkeit besteht allein aufgrund der russsichen Aggression (mittlerweile muss man aber auch eine mögliche militärische Erpressung durch die USA als Anlass für den Aufbau eigener Abschreckung mitdenken, fürchte ich)

Dass der netteste Mensch nicht in Frieden leben kann, wenn es seinem Nachbarn nicht gefällt, ist doch sogar sprichwörtlich. Das hat nichts mit vernünftigen oder unvernünftigen Definitionen zu tun, das ist einfach so. Jedenfalls müsstest du mir nochmal erklären, warum die These, dass in einem Konflikt, der nur auf Grund erfolgreicher ein- oder wechselseitiger Anschreckung nicht eskaliert, nicht von Frieden gesprochen werden sollte, „in sich Blödsinn“ sein soll. Das ist zumindest mir aus deiner Erklärung nicht klar geworden.

Dass man grundsätzlich jede Definition für die eigenen propagandistischen Zwecke füllen kann, habe ich nie bestritten. Ich weise nur die Unterstellung zurück, Major würde gezielt eine so anspruchsvolle Definition von Frieden wählen, dass diese -aus der Definition heraus- zwingend zu Aufrüsten (und Kriegstreiberei?) führen muss, weil sie das so „super“ fände.
Ich würde einen relativ umfangreichen Einsatz in eine Wette einbringen, dass Major und ich uns super auf folgendes Friedensszenario einigen könnten: Rusaland zieht sich aus der Ukraine zurück, akzeptiert bis auf weiteres Artikel 5-gleiche Sicherheitsgarantien für die Ukraine, als vertrauensbildende Maßnahme und arbeitet daran, ein Mitglied in einer europäischen Friedensordnung werden zu können. Das gesparte Geld und die Einnahmen aus dem Handel investiert die russische Führung wenigstens zu einem etwas größeren Anteil in das Gemeinwohl der eigenen Leute, wie man es seit mindestens 30 Jahren hätte machen können. Bei entsprechend gewachsenem Vertrauen gibt es eine realistische Perspektive für eine immer engere Anbindung, möglicherweise Integration Russlands in EU-Strukturen.

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Exakt das. Der neue Kanzler als erste Amtshandlung nach Paris fahren und gemeinsam mit Macron für die rasche Gründung eines europäischen Föderalstaats werben. Der Kerneuropa-Vorschlag der CDU ist nun schon über 30 Jahre alt. Seitdem haben wir in der EU zwar durchaus beachtliche Integrationserfolge erreicht, aber ich befürchte, dass diese Geschwindigkeit nicht ausreicht, bevor innere und äußere Feinde der EU dieses Projekt aufhalten.

Das ist eine valide Kritik an der Sinnhaftigkeit von Frau Majors Definitionsvorschlag. Es ist festzuhalten, dass prinzipiell zwischen allen Staaten immer Konkurrenz- bzw. Konfliktursachen existieren werden (harmloses Beispiel: „Wäre ein Grenzbegradigung mittels Annexion von Schaffhausen nicht ein tolles Beispiel für Bürokratieabbau?“).

Eine Befriedung im Sinne von Frau Majors Definition wird dementsprechend nur möglich sein, wenn die Kooperationsgewinne für beide Staaten höher wiegen als der Konflikt. Mir fallen hierzu insbesondere drei Mechanismen ein:

  1. Ein Hegemon droht drastische Sanktionen an, falls es zum Krieg kommt (Pax Romana, Ewiger Landfriede, Pax Americana, der mittelalterliche Papst und die Möglichkeit der Exkommunikation)
  2. Handelsbeziehungen, die beide Staaten so reich machen, dass sie beidseitig alles unternehmen, um einen Krieg zu verhindern
  3. Die existentielle Bedrohung durch einen gemeinsamen äußeren Feind
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Das ist ein Missverständnis, denke ich. Die Konfliktursache gibt es nur, wenn mindestens eine mögliche Konfliktpartei, das so wahrnimmt oder wahrnehmen will. Grenzen können auch auf dem Weg der Integration so egal werden, dass sie keinerlei Konfliktbedeutung mehr haben, wenn alle Parteien sich darauf einigen können. Siehe Integration der deutschen Kleinstaaten in die Bundesrepublik von heute. Es käme mutmaßlich keine Landesregierung auf den Gedanken, Landesgrenzen überhaupt zu diskutieren, geschweige denn gewaltsam zu verschieben. Auf EU Ebene ist das fürs erste ähnlich.

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Ja, es kommt sicherlich darauf an, wie man Konkurrenzursache und damit potentielle Konfliktursache definiert. Anhand Ihres Beispiels

kann ich meine semantische Einordnung verdeutlichen: Ja, dank Schengen stört mich die Grenze nach Frankreich kaum (bzw. nicht). Aber falls Schengen und die EU auseinanderfallen, dann stört es mich vielleicht, nicht mehr bürokratiefrei in das „urdeutsche“ Elsaß reisen zu können. Falls mir das extrem wichtig wäre, müsste ich mich dann für eine Annexion des Elsaß einsetzen. D.h. die Konkurrenzursache „Elsaß annektieren“ existiert auch heute zwischen Deutschland und Frankreich, nur unternehmen beide Länder vieles, damit sie nicht akut wird (insbesondere eben durch eine gemeinsame Mitgliedschaft in der EU und Schengen).

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Weil Abschreckung nun mal das letzte Mittel gegenüber Staaten wie Putin-Russland ist, um einen offenen Krieg zu vermeiden. Was wäre denn zur unmittelbaren Verteidigung die Alternative als jetzt aufzurüsten? (kommt ja auch drauf an ob man bspw. Luftabwehrraketen rüstet oder eher ballistische Raketen)

Gerade in der von ihnen beschriebenen Situation, dass die USA offensichtlich nicht mehr so bedingungslos als Schutzmacht Europas auftreten wird, ist doch die eigene Verteidigungsfähigkeit jetzt mehr gefragt als in den letzten 35 Jahren.

Frieden zu wahren, indem man den Aggressor anfangs gewähren lässt, wurde vor dem 2. Weltkrieg auch probiert und hat definitv NICHT funktioniert.

…Frieden heißt wortwörtlich das Ausbleiben von Gewalt, also quasi das Mindestmaß an Zivilisation. Und unter Staaten macht man das für gewöhnlich mit einem Friedensvertrag nach einem Konflikt oder gemeinsamen Absprachen oder gar Bündnissen vor einem Konflikt.

Keine Ahnung welche Konfliktursachen Sie hier beseitigen oder unterdrücken wollen, aber klingt eher nach Wortklauberei.

Ja kann er machen, ist nur schwierig zu behaupten, wenn man seit 3 Jahren sein Nachbarland angreift.

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Ich würde Frau Majors Aussagen so zusammenfassen: Wir senden gerade an Russland die Botschaft, dass es sich lohnen könnte, sich im Waffenstillstand neu zu sortieren, um dann nochmal versuchen die Kriegsziele in der Ukraine vollständig zu erreichen oder sich erst gar nicht auf einen Waffenstillstand einzulassen.
Jetzt könnten wir ja sagen: Blöd für die Ukraine. Haben wir bisher nicht getan, aber wir könnten.

Frau Major sagt aber ja klar: Aus ihrer Sicht ist die Ukraine für Russland nur ein Etappenziel. Ich würde sagen, dass z.B. die Balten genau das auch befürchten.
Und jetzt können wir natürlich darauf wetten, dass Russland die Nato nicht angreifen würde.
Frau Major ist da aber nicht von überzeugt, insbesondere, weil die Verlässlichkeit der USA fraglich ist. Aus meiner Sicht ist das keine abwegige Situation.

Aus meiner Sicht eröffnet das mehrere Fragen:

  1. Sehen wir nicht militärische Wege Russland von diesen Zielen abzubringen. Hier könnte man kritisch prüfen, ob wir wirklich so offen und fair mit Russland umgegangen sind, wie wir das von uns behaupten. Ich mich mit der Frage noch nicht genug beschäftigt, um mir eine fundierte Meinung zu bilden. Mein Bauchgefühl tendiert aber eher dazu, hier keine Lösungen zu erwarten.

  2. Ist die Nato noch das richtige Bündnis, um auf diese Bedrohung zu reagieren und falls nicht, was ist die Alternative? Ein europäisches Verteidungsbündnis aufzubauen, dass parallel zur Nato existiert dürfte unmöglich sein. Allein schon parallele Kommandostrukturen funktionieren ja nicht. Aber wir können nicht die Verteidigung gegen Russland gemeinsam mit einem Partner planen, von dem nicht sicher ist, dass er dann auch an seinem Frontabschnitt steht.
    Ich lasse mich gerne eines besseren belehren, aber ich denke, dass wäre das Ende der Nato, wie wir sie kennen. Jetzt baut man ja solche Strukturen nicht von einen Tag auf den anderen auf und vielleicht lässt sich ja mit den USA eine Übergangsfrist verhandeln, aber das ist ein Riesenbrett, was da zu bohren ist. Insbesondere, da mit Frankreich und Deutschland zwei wichtige Staaten in diesem Prozess eigentlich gerade eher mit sich selbst beschäftigt sind und England sich ja verabschieden musste.

Man kann nicht umhin festzustellen, dass das eine beschissene Situation ist.

Und hier möchte ich noch eine Lanze für die Linke brechen: Mein Verständnis der Position Jan van Akens ist, dass er mit einer europäischen Verteidungsarmee weit besser leben könnte, als mit der Nato. Der Knackpunkt dürfte zwar sein, wieviel Militär man dazu für notwendig hält. Aber ich bin nicht sicher, dass an der Stelle die Linke wirklich der Stolperstein wäre.

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Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.

Nur weil Die Linke es (endlich) geschafft hat anzuerkennen, dass das was in der Ukraine gerade passiert kein „Verständnisproblem“ ist, sollte man nicht vergessen, dass man zuvor jahrelang nicht müde war zu beschwichtigen, abzulenken und zu verwirren. Wie falsch die damaligen Prognosen allesamt waren können wir heute sehen.

Ginge es nach der Linken hätte sich die Ukraine nie verteidigen können.

Man braucht nicht so zutun, als würde man das Völkerrecht hochhalten, wenn man es de-facto und aus „moralischen Gründen“ bei Waffenlieferungen wieder unterläuft.

Über das Verlassen der NATO braucht man gar nicht erst zu reden, es wird seine Gründe haben, wieso die osteuropäischen Staaten so schnell wie möglich beitreten wollten.

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Die Frage ist längst nicht mehr, ob wir die Nato verlassen, sondern ob die Nato/USA uns verlassen. Weiß nicht, wie sicher sich die Osteuropäer mit Blick auf den kommenden Ukraine-Deal von Trump noch fühlen.

Stimmt. War für mich bisher auch ein Ausschlusskriterium. Aber wenn die Ukraine jetzt eh hängen gelassen wird, verändern sich die Prioritäten meiner Wahlentscheidung und die Linken kommen aus dem „Unwählbar“-Korb raus in den „Vielleicht“-Topf. Im Grunde ohne was dafür zu können🤷‍♂️

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Es ist verständlich, dass die Frustration über den Umgang des Westens mit der Ukraine zu einer Neubewertung der politischen Prioritäten führt. Doch wenn Sicherheitspolitik ein zentrales Thema ist, und das ist sie angesichts der geopolitischen Realität, dann sollte man sich fragen, ob eine Partei, die jahrelang gegen Waffenlieferungen, gegen Verteidigungsausgaben und gegen eine eigenständige europäische Sicherheitspolitik argumentiert hat, plötzlich eine glaubwürdige Alternative sein kann.
Die Linke hat nicht nur die Ukraine im Stich gelassen, sondern lehnt nach wie vor eine realistische Sicherheitsstrategie für Europa ab. Wer sich aus Trotz für eine Partei entscheidet, die genau das Gegenteil einer wehrhaften und souveränen Außenpolitik vertritt, akzeptiert langfristig eine sicherheitspolitische Schwächung Europas. Genau das, was Russland und andere geopolitische Akteure anstreben.
Kurz gesagt: Eine schlechte Strategie wird nicht dadurch besser, dass andere Akteure versagen. Wenn die Ukraine „hängen gelassen wird“, sollte die Antwort nicht sein, sich Parteien zuzuwenden, die schon immer für ein „Hängenlassen“ eingetreten sind.

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Ich erkenne aus dem Post von @JohanneSAC nichts, was auf Trotz hindeutet.
Es wäre schön, wenn wir Phantomdiskussionen beiseite lassen könnten.

Bei Der Linken ist es wie bei anderen Parteien auch: Die wenigsten Wähler*innen werden bei ihnen alles Gesuchte finden. Es geht darum, welche Themen man priorisiert. Die Ukraine-Frage ist für mich auch ein wesentliches Thema in der Pro-und-Kontra-Liste.

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Da liegt ein Missverständnis vor. Ich persönlich sehe aktuell keine Partei, die im sich abzeichnenden sicherheitspolitischen Umfeld glaubwürdig eine Politik verfolgen (geschweige denn durchsetzten) wird, wie ich sie für richtig halte. Also eine Politik, die Deutschland so aufrüstet, dass wir auf die politisch immer unzuverlässigeren Partner nicht mehr angewiesen sind und eine Rüstungsindustrie qualitativ und quantitativ so hochzieht, dass wir die Ukraine hinreichend beliefern können. Ich kann nachvollziehen warum das nicht passiert (politische und ökonomische Kosten). Aber wenn ich davon ausgehe, dass keine Partei in dem Bereich liefert, spricht es nicht mehr entscheidend gegen die Linkspartei, dass sie das noch weniger tut, als alle anderen. Entschieden ist damit ja noch nicht, wen ich am Ende wähle. Trotz wird jedenfalls nicht die Kategorie sein, die entscheidet,:wink:

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Die Rede von Olaf Scholz auf der Münchner Sicherheitskonferenz steht symbolisch für das Scheitern europäischer Demokratien an den derzeit stattfindenden politischen Disruptionen. Ja, es ist schön und richtig, dass er sich gegen die Einmischungen von JD Vance in den Bundestagswahlkampf wehrt. Das wird nun auch überall zitiert. Aber das war nicht die Art von Reaktion, die ein deutscher Bundeskanzler angesichts der laufenden Debatten hätte zeigen sollen. Das ist wieder dieses typische, nach innen gerichtete Blabla, das am Ende markig klingt, aber völlig folgenlos bleibt. Ansonsten: einige Ankündigungen zu notwendigen militärischen Mehrausgaben. Das hat er schon mal in seiner „Zeitenwende“-Rede verkündet. Und dann wieder kassiert.

Für die richtigen Antworten musste nun wieder Wolodymyr Selenskyj auf die Bühne treten: Er forderte eine gemeinsame europäische Armee. Genau das hätte ich auch von Olaf Scholz hören wollen: Wir brauchen radikale Antworten auf radikale Probleme für unsere Sicherheit. Nur zusammen können wir diese Herausforderung lösen: Der wichtigste Verbündete in Übersee ist umgekippt und paktiert nun mit dem wichtigsten Gegner auf dem europäischen Festland. Stattdessen wird dieser Punkt wieder vertagt. Und von „Weimar Plus“ habe ich bisher noch fast gar nichts gehört. Genau dieses Format brauchen wir jetzt aber, denn in der EU sind die nötigen Schritte wegen Putins Proxys nicht zu beschließen. Und es muss schnell gehen: wenigstens dieses eine Mal.

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Ich denke aus den von dir genannten Gründen verändert sich unsere Sicherheitslage gerade massiv. Es wird also neue Fragestellungen geben und ich habe kein Vertrauen darauf, dass die Linke diese Fragestellungen, die unsere Sicherheit und auch unser Verhältnis zu unseren Partnern betrifft, irgendwie seriöser beantworten wird. Auch jetzt gibt es doch nur dieselben Widersprüchlichkeiten wie vorher.

Im Gegensatz dazu haben SPD und Grüne die Wirklichkeit betrachtet und entsprechend gehandelt. Das macht sie für mich hundertmal wählbarer, aber das bleibt ja jedem selbst überlassen.

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