LdN 407: Kalte Progression - Mythos?

Ganau das war ja geplant. Ich sehe allerdings nicht, dass es in Deutschland ernstzunehmende Stimmen gegen einen progressiven Steuertarif gibt, die Forderung ist nur, den Tarif jährlich der Inflation anzupassen.
Ich bin zwar der Meinung, dass ein Spitzensteuersatz nicht schon im Facharbeiterbereich starten sollte, sondern erst beim 3 oder 5fachen Mediangehalt (wie es ja mal war), aber das ist nur eine persönliche Meinung.
Die fehlenden Steuern aus Einkommen kann man mit Erbschafts und Vermögenssteuer gerechter beschaffen, denn diese sind im Gegensatz zu Einkommen weit weniger leistungsbezogen.

Definitionssache.
Wenn der Spitzensteuersatz 80% beträge, würde ich dir zustimmen. Da der Spitzensteuersatz aber nur bei 42% bzw. mit Reichensteuer 45% liegt, muss er auch entsprechend früher anfangen. Je niedriger der Spitzensteuersatz ist, desto niedriger wird auch das Einkommen sein müssen, um diesen zu erreichen.

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Ich finde die Betrachtungsweise schon interessant. Werbungskosten entstehen, weil ich Aufwendungen zur Erhaltung meines Arbeitsplatzes (Kosten)habe. (Z.B Fahrt zur Arbeit).
Wenn diese Kosten jetzt höher werden, kann ich natürlich mehr absetzen, aber das ist natürlich keine Bekämpfung der kalten Progression ich kann nach wie vor nur Kosten, die arbeitsbedingt entstehen, von der Steuer absetzen. Trotzdem habe ich am Ende noch höhere Kosten die in Verbindung zur Arbeit stehen, denn die Steuer erstattet ja diese Kosten nicht voll - ich kann sie nur vom Bruttoeinkommen abziehen und bezahle weniger Steuern.
Und wie willst du die kalte Progression bekämpfen, wenn du nicht das Bruttoeinkommen betrachtest sondern das zu versteuernde Einkommen.
Unterschiedliche Steuerregeln für Ledige und Verheiratete, Familien mit und ohne Kinder, Kirchensteuer ja/ nein, priv. Altersvorsorge ja/nein, Weg zur Arbeit bis 10km, bis 20km, bis 30km,… das sind ja unterschiedliche Werbungskosten. Noch eine andere Regelung für Menschen, die Kosten der energetischen Sanierung ihres Hauses geltend machen.
Und all´ das kann sich ständig ändern.
Das wird ein Fest für Bürokraten!

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Letztlich ja nur eine psychologische Sache. Entscheiden ist ja der Durchschnittliche Steuersatz bei dem betroffenen Facharbeiter und da kann es schon Sinn machen unten weniger zu versteuern, dafür aber frühzeitiger mit dem hohen Steuersatz einzusteigen. Davon profitieren auch die, die bereits knapp Spitzensteuersatz zahlen.

Davon abgesehen dürften die meisten Facharbeiter tatsächlich gar keinen Spitzensteuersatz zahlen, weil ja das zu versteuernde Einkommen maßgeblich ist und nicht das Bruttoeinkommen.

Aber wegen des psychologischen Effekts wäre evtl. Ein leichtes anheben der Schwelle bei gleichzeitigem leichten anheben des Prozentsatzes (so dass es aufkommensneutral bleibt) für die Allgemeinheit besser zu vermitteln.

Man sollte vielleicht diskutieren, ob man die „Kalte Progression“ überhaupt bekämpfen muss. Ich würde sie nicht als „Mythos“ bezeichnen, weil sie zweifelsohne existiert, aber die Frage ist doch:

Ist es nicht eine relativ natürliche Sache, dass in Zeiten von Krisen die Inflation höher oder ähnlich hoch sein kann wie die Gehaltsentwicklung, sodass es zum Zustand der „Kalten Progression“ durch ein weniger flexibles Steuerrecht kommen kann?!? Ist das wirklich etwas, gegen das man seitens des Staates vorgehen muss?

In Krisenzeiten ist es normal, dass es zu Kaufkraftverlust kommen kann. Hohe Inflation bedeutet, dass Sozialleistungen und Renten entsprechend gesteigert werden müssen, um zumindest das Existenzminimum nach der erhöhten Inflation noch abzudecken. Dafür braucht der Staat Steuergelder. In dieser Situation Steuergeschenke zu machen, damit die Kaufkraft der Arbeitnehmer sich ja nicht um einen winzigen Anteil reduziert (und darüber reden wir bei der Kalten Progression, um Bruchteile von Bruchteilen), halte ich für falsch und unnötig bürokratisch.

In „guten Zeiten“ steigt die Kaufkraft immens, in „schlechten Zeiten“ kann sie auch mal etwas sinken. Letzteres um jeden Preis zu verhindern, gleichzeitig aber kein Limit für die Kaufkraft-Steigerung in guten Zeiten zu setzen, erscheint mir fragwürdig. Aber wehe, man würde Steuererhöhungen diskutieren, weil die Wirtschaft gerade boomt und die Lohnsteigerungen signifikant über der Inflation liegen, sodass mehr Raum für zusätzliche Steuern bei gleichzeitigem Erhalt der Kaufkraft bleiben würden…

Gerade in Zeiten wo es nicht so gut geht ist es doch Gold wert wenn vor allem die, die das Geld auch wieder ausgeben nicht noch zusätzlich belastet werden.

Das Framing „Steuergeschenk“ bei einer Maßnahme, die ja lediglich das Steueraufkommen kaufkraftbereinigt konstant hält, statt es kaufkraftbereinigt zu erhöhen, halte ich sogar für Desinformation!

Edit:
Es ist ja eben gerade nicht so, dass man dadurch das Steueraufkommen reduziert.

Wenn in guten Zeiten die Löhne über das Maß der Inflation steigen, dann steigt auch das Steueraufkommen über das Maß der Inflation hinaus.

Ich glaube gerade Argumentationen wie deine sind es, die dafür sorgen, dass selbst von Leuten mit moderaten Einkommen linke Politik kritisch gesehen wird und man dann doch lieber die Union wählt.

Ausgleich der kalten Progression sind keine Steuergeschenke für reiche Klientel, sondern es betrifft jeden der Einkommenssteuer zahlt und auch wenn das von einem Jahr aufs andere wenig erscheinen mag, so ist dieser Effekt auf Jahre bis Jahrzehnte signifikant!

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Das hat nichts mit Desinformation zu tun, sondern damit, wie man den Sinn und die Berechtigung von Steuern sieht. Du scheinst die Position zu vertreten, dass Steuern nicht die Kaufkraft reduzieren dürfen, ich vertreten die gegenteilige Position. Wir sollten nicht wie in den USA dazu übergehen, vertretbare Positionen der Gegenseite als „Desinformation“ zu verunglimpfen. Es geht hier um Meinungen, meinetwegen auch moralisch-normative Betrachtungen, was Steuern sein sollten, nicht um „Fakten“, die „falsch“ oder „richtig“ sein können.

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Ich bin der Auffassung, dass es legitim ist zu sagen wir gleichen das nicht aus, aber dann muss man das so bezeichnen wie es ist: als Steuererhöhung, weil dadurch der durchschnittliche Steuersatz der Bevölkerung immer weiter steigt.

Den durchschnittlichen Steuersatz konstant zu halten aber als „Steuergeschenk“ zu framen halte ich für falsch, selbst wenn man der Meinung ist dass höhere Steuern für alle sinnvoll sind.

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Ich bin der Meinung, dass die es keine Steuererhöhung ist, weil die Steuergesetze exakt so bleiben, wie sie sind, und lediglich außerhalb des Steuerrechts liegende, wirtschaftliche Gründe zu diesem Effekt führen. Die kalte Progression ist daher de facto keine Steuererhöhung.

Die Steuergesetze hingegen nach Unten anzupassen, damit die außerhalb des Steuerrechts liegenden Faktoren ausgeglichen werden, ist eine Steuersenkung. Der Staat ändert ein Gesetz und gibt damit einen Anspruch auf Steuern auf.

Das neutrale Framing wäre vermutlich, schlicht zu sagen, dass die Steuerlast des Bürgers durch die „Kalte Progression“ durch ein Zusammenspiel von Inflation, Lohnsteigerungen und dem Aufbau des Steuersystems sehr geringfügig steigt und man nun diskutieren kann, ob der Staat diese Steuerlasterhöhung beibehalten will oder Maßnahmen zur Reduzierung einleitet. Beides kann man - ja nach Sichtpunkt - entweder als „Steuersenkung / Steuergeschenk“ oder als „verdeckte Steuererhöhung“ framen, das sind natürlich von der jeweiligen Position aus getätigte Framings (und das ist auch okay so, wir dürfen Meinungen haben…)

Aber es wurden Freibeträge und Sätze zu einem Zeitpunkt x festgelegt um eine bestimmte Verteilung der Last zu erzielen.

Gibt es keine Anpassung, dann verändert sich die Verteilung.

Nehmen wir als Extrembeispiel die linke Forderung nach 100% Steuer oberhalb einer bestimmten Grenze, dann würde diese Grenze immer weiter sinken bis irgendwann sogar Geringverdiener keine Nettoerhöhung mehr bekommen könnten.

Es muss also klar sein, dass das ursprüngliche Ziel nur dann beibehalten wird, wenn es Anpassungen an die sich verändernden. Bedingungen gibt. Ansonsten sieht man wie gesagt für einen stetig steigenden durchschnittlichen Steuersatz auf die Einkommenssteuer. Am elegantesten indem die Sätze sich analog der Inflation automatisch anpassen.

Was heißt einen Anspruch? Er gleicht ja nur aus, dass die Steuereinnahmen kaufkraftbereinigt immer weiter steigen würden.

Welchen Nutzen hat es denn die Steuereinnahmen immer weiter zu steigern? Entweder braucht es mehr Einnahmen, dann braucht man eine Steuererreform oder man kommt mit diesem Level an Einnahmen klar, dann genügt es wenn diese kaufkraftbereinigt konstant bleiben.

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Das wäre dann aber eine Steuersenkung, oder?
Bei einer Tarifbindung von unter 50% ist eine Gehaltserhöhung nicht zwingend. Also bedeutet das automatische Verschieben dem staatlichen Ausgleich einer Inflation. Wenn das gewollt ist, kann man es automatisieren.

Man könnte es ja auch an die Lohnentwicklung koppeln.

Es ist zudem ja keineswegs so, dass nur Löhne mit Tarifvertrag streigen.

Wenn ein konstant halten eines Steuersatzes (in diesem Fall des durchschnittlichen Steuersatzes) als Steuersenkung gilt, dann müsste ja auch das konstanthalten der Mehrwertsteuer eine Steuersenkung sein. Weil es ist ja keineswegs sicher, dass alle Preise steigen und wenn ein Preis nicht steigt, dann ist die darauf gezahlte Steuer ja im nächsten Jahr weniger wert, also de facto eine Steuersenkung. Also wäre bei der gleichen Logik sinnvoll den MwSt-Satz jedes Jahr um die Inflation zu erhöhen um keine Steuergeschenke zu machen.

Edit:
Zur Veranschaulichung nochmal eine etwas weit hergeholte Beispielrechnung.

Nehmen wir an eine extrem linke Partei würde eine Mehrheit bekommen und den Steuersatz ab 80.000 € auf 100% festlegen. Wäre jetzt die Inflation konstant und es gäbe keine Anpassung mehr, dann würden bei 5% Inflation in weniger als 25 Jahren Mindestlohnempfänger in einem solchen Deckel laufen.

Natürlich ist für diese Rechnung kein realistisches Szenario zu erwarten, aber das zeigt doch warum es sich sehr wohl um eine de facto Steuererhöhung handelt, wenn auch jährlich gesehen um eine sehr kleine.

Eine automatische Anpassung wäre auch keineswegs Politik für reiche Leute sondern würde alle gleichermaßen auf einem Status quo halten. Eine Steuersenkung wäre es nur in Jahren wo die Löhne im schnitt weniger steigen als die Inflation, dafür steigen die Einnahmen in Jahren wo es andersrum ist.

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Das sehe ich auch mindestens als potenzielles Problem beim Ausgleich der kalten Progression.

Nehmen wir z.B. mal an, dass man bei der Berechnung des angepassten Steuertarifs (also das, was jährlich zur Abmilderung der kalten Progression beschlossen wird) davon ausgeht, dass alle, die Einkommenssteuer bezahlen auch eine Lohnerhöhung mindestens in Höhe der Inflation bekommen.
Wenn dann aber tatsächlich ein Teil der Arbeitnehmer keine Lohnerhöhung bekommen, dann sinken durch die Inflation auch die kaufkraftbereinigten Steuereinnahmen.

Die Mehrwertsteuer ist aber doch nicht progressiv.

Natürlich ist sie das nicht. Es geht ja um die Logik dahinter.

Wenn wir also sagen es sei eine Steuersenkung wenn wir den durchschnittlichen Steuersatz konstant halten, dann wäre es doch analog wenn wir einen fixen Steuersatz konstant halten. Weil der durchschnittliche Steuersatz ja quasi der vergleichbare Wert wäre.

Wie gesagt würden wir im Extremfall ja irgendwann dahin kommen, dass Mindestlohnempfänger Spitzensteuersatz zahlen und das war doch nie die Idee hinter dem progressiven System.

Wenn wir die Idee hinter den Stufen beibehalten wollen, dann wäre eine Anpassung folgerichtig. Denn die Stufen wurden ja nicht umsonst so gemacht hat wie sie gemacht wurden.

Aber ich will aufhören hier ins Detail zu gehen. Nur wer so argumentiert sollte bitte nicht von Senkung der Sozialleistungen reden wenn es lediglich darum geht, dass diese nicht im Maße der Inflation angepasst werden. Weil dann sagen wir auch da, Schuld sei nicht die Sozialleistung die nicht ausreichend steigt sondern die Inflation.

Ich verstehe nur nicht, warum so viele höhere steuern und kleinere Freibeträge (Kaufkraftbereinigt) gut finden, obwohl es ja das untere Ende aufgrund der knapperen Finanzplanung überproportional hart trifft wenn am Ende trotz Lohnerhöhung weniger Kaufkraft bleibt.

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Hier mal Zahlen, ich habe 2007 als Ankerpunkt genommen:
Seit 2007 bis inkl. 2024 beträgt die Inflation 44% (habe für 2024 5% angenommen) Quelle Destatis

Entwicklung der Eckpunkte des zvE seit seit 2007 bis inkl. 2024:

E0 stieg um 51,4% auf 11.604€
E1 stieg um 34% auf 17.005€
E2 stieg um 28% auf 66.760€
E3 stieg um 11% auf 277.825€
Quelle Eckpunkte Wiki

Fazit: Ja, tatsächlich steigen Eckpunkte geringer als die Inflation. Dh es gibt also eine kalte Progression. Sie ist geringer als ich früher dachte. Weil seit 2013 jedes Jahr angepasst wird.

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Wenn ich diese kalte Progression bewerten soll:

Dass E3, die Schwelle für den kleinen Sprung auf 45%, nicht genug stieg, kann ich nicht bedauern. Mit rd. 280.000€ zvE im Jahr braucht es da mMn keine Anpassung.
Dass E2 geringer stieg als die Inflation: E2 beträgt für 2024 66.760€ , ist durchaus ok, meine Meinung.
Dass E1 (ist in 2024 17.005€ zvE) nicht ordentlich steigt ist mMn nicht zu akzeptieren.
Dass E0, der Grundfreibetrag, stärker stieg als die Inflation, das ist definitiv gut so.

Aber ich vermute mal, CL geht es um E2 und E3, also um Menschen, mit über 67T zvE.

Für mich liegt das Problem nicht bei der jährlichen Anpassung der Eckwerte.
Sondern dass seit 2000 (?) die Steuerlast SEHR schnell von 14% auf 24% ansteigt. Dadurch steigt gerade bei kleinen Einkommen die Steuerlast, sobald man über den Grundfreibetrag kommt, ratz fatz an.
Das war bei der Kurve davor (1996-2000) deutlich besser.
Quelle

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So kann man das Leistungsprinzip ad absurdum führen. Ich glaube, wer als Angestellter ein Einkommen von 150.000 € und mehr hat, hat vorher mit Abitur, Studium etc. mind. 8-10 oder 12 Jahre in seine Ausbildung investiert. Der sollte auch die Früchte seiner Arbeit ernten, ohne dass jemand davon träumt, ihm über die Hälfte wegzunehmen.
Es geht hier nicht um Erbschaft oder Vermögen, sondern Einkommen - manchmal auch Verdienst (von verdienen) genannt.

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Du betrachtest das allerdings so nur über einen sehr kurzen Zeitraum. Das Problem an der kalten Progression ist ja aber gerade, dass über die Jahre die Kaufkraft der Bürger im Vergleich zu den gewährten Lohnanstiegen immer geringer wird. Genau da liegt das Problem.

Einmal gerechnet: Ein Arbeitnehmer verdient 30.000 €, der Arbeitgeber gleicht immer die Inflation aus, 10 Jahre später verdient er 40.000 Euro. Gibt es keine Anpassung im Steuertarif steigt sein Bruttogehalt um 33,3%, sein Nettogehalt um 25,8 % (die Steuer steigt von 1162€ auf 3518€ um satte 200%).

Quelle: https://www.smart-rechner.de/kalte_progression/rechner.php

Kalte Progression heißt in diesem Fall (der nicht ganz der Realität entspricht, da es ja zumindest immer die Anpassung zum steuerfreien Existenzminimum gab und zuletzt auch besser angepasst wurde wie @Marie-Luise schrieb) einen Kaufkraftverlust um knapp 8% in 10 Jahren - nur durch den Staat.
Und - auch wenn es nicht alle hören wollen - in der Ampel sorgte vor allem CL für diese Anpassung des Steuertarifs.

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Ich bin ja auch nicht komplett gegen Anpassungen, um den Effekt der „Kalten Progression“ zu reduzieren. Ich halte es nur für fragwürdig, vor allem für die höheren Einkommen zu fordern, dass dies zwangsläufig zu 100% zu geschehen habe.

Die von @Marie-Luise aufgeworfenen Zahlen sind da ein schönes Beispiel, anhand dessen man die Kalte Progression viel besser diskutieren kann. Es ist genau richtig, dass in den untersten Einkommensbereichen die Kalte Progression sogar überkompensiert wird, in den mittleren allerdings nicht mehr und in den obersten kaum noch. Ich stimme auch zu, dass in dem E1-Bereich die Kalte Progression ausgeglichen werden sollte, weil dort noch der Großteil des Einkommens verkonsumiert wird und folglich von der Inflation in einer Weise betroffen wird, die starke Auswirkungen auf den Lebensstandard hat. Bei dem E2- und E3-Bereich hingegen wird schon ein erheblicher Anteil des Einkommens gespart, hier ist es völlig in Ordnung, über das Nicht-Ausgleichen der Kalten Progression eine indirekt höhere Steuerlast zu haben.

Ich richte mich daher nur gegen die Meinung, dass jede Kalte Progression stets zu 100% kompensiert werden müsste. Das muss sie nicht.

Auch die „Kalte Progression“ ist bei dieser Betrachtung aber Systemimmanent, daher direkter Ausfluss aus diesen Regelungen.

Du redest am Beispiel vorbei.

Dein Argument war: Spitzensteuersatz soll erst bei sehr hohem Gehalt anfallen.
Mein Gegenargument war: Das hängt davon ab, wie hoch der Spitzensteuersatz ist.

Die 80% Spitzensteuersatz wären ebenso wie eine 20% Flat Tax Extrembeispiele, die das verdeutlichen. Bei einer Flat Tax zahlt sogar der Mindestlohnempfänger schon den „Spitzensteuersatz“ (weil der halt bei allen 20% beträgt), bei einem deutlich höheren Spitzensteuersatz von z.B. 80% kann man den gesamten Spielraum (von 0-80%) komplett nutzen, sodass der von dir genannte Facharbeiter trotzdem beim derzeitigen Spitzensteuersatz von 42% liegen könnte, ohne, dass man dein Argument, „der Facharbeiter sollte nicht den Spitzensteuersatz zahlen müssen“ anwenden könnte, denn er wäre weit weg vom Spitzensteuersatz.

Aus dieser Argumentation weichst du aus auf eine allgemeine Steuergerechtigkeits-Argumentation mit dem typischen Argument des Leistungsprinzips. Diese Diskussion führen wir hier aber gar nicht, es ist eine gänzlich andere Argumentation. Wenn du die Meinung vertrittst, der Facharbeiter solle keine 42% Grenzsteuersatz auf seine letzten paar Euros zahlen müssen, weil dies zu hoch sei, ist das ein legitimes Argument (dem man je nach eigener Gerechtigkeitsvorstellung zustimmen oder widersprechen kann), aber die Meinung, „der Facharbeiter sollte keinen Spitzensteuersatz zahlen müssen“ ist schlicht nicht logisch, weil diese Frage von der Definition des Spitzensteuersatzes abhängt. Deshalb habe ich dieses Argument kritisiert. Wenn der Spitzensteuersatz „nur“ 42% beträgt, ist es okay, dass einige wenig(!) Facharbeiter diesen erreichen. Der durchschnittliche Facharbeiter verdient laut diversen Lohnportalen übrigens, je nach Portal, zwischen 38.000 und 50.000 Euro, ist also noch verhältnismäßig weit von den 66.761 Euro entfernt, die es bräuchte, um den Spitzensteuersatz auch nur auf einen Euro(!) zahlen zu müssen. Auch wer 66.761 Euro verdient zahlt für 66.760 Euro gerade keinen Spitzensteuersatz, sondern nur einen durchschnittlichen Steuersatz von 17,96%, also weit weniger als die 42% Spitzensteuersatz.

Auch deswegen ist das Argument mit dem Spitzensteuersatz so absurd. Selbst wer 100.000 Euro im Jahr verdient, zahlt gerade mal einen Steuersatz von 25,48%. Nur auf die letzten 33.240 Euro fallen die 42% an.

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Auch den Staat treffen die Preissteigerungen und sein Bedarf steigt analog zur Inflation.

Die ist gesetzlich vorgeschrieben. Das Existenzminimum muss steuerfrei bleiben, wäre also einklagbar, wenn der Staat da nicht handelt.