Hi zusammen,
mit der FDP hat nun die mutmaßlich einzige Gegnerin des Tempolimits die Regierungskoalition verlassen. Sehe ich das richtig, dass einer Einführung eines allgemeinen Tempolimits nun theoretisch nichts mehr entgegenstehen würde? Soweit ich das verstanden habe geht es dabei lediglich um die Änderung einer Verordnung, die somit keiner Gesetzesänderung bedarf und somit nicht auf eine Mehrheit im Bundestag angewiesen ist.
Zugegeben gibt es in Deutschland aktuell größere Probleme, als ein allgemeines Tempolimit, aber abgesehen davon, dass das Argument „Jede Tonne zählt“ immer noch valide ist frage ich mich, ob es nicht auch strategisch klug sein könnte. Zum einen ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Menschen in Deutschland nach der Einführung eines allgemeinen Tempolimits auf Autobahnen und Co. bald vor allem die positive Effekte, wie ruhigeren Verkehrsfluss und mehr Sicherheit wahrnehmen und die Änderung so positiv aufgefasst wird. Zum anderen ist das zwar ein polarisierendes Thema, wird aber doch immer wieder von Mehrheiten befürwortet. Würde die Einführung eines Tempolimits also durch die aufkommenden Diskussionen vielleicht die Chance bieten, den Klimaschutz im Wahlkampf auf die Agenda zu setzen?
Ist die Union Tempolimit-Befürworterin?
Wie man’s nimmt: Der Bundestag muss einer Änderung der StVO zwar nicht zustimmen, wohl aber der Bundesrat:
Rechtsverordnungen, wie zum Beispiel die Straßenverkehrs-Ordnung, sind allgemein verbindliche Vorschriften zur Durchführung von Gesetzen. Sie werden von der Bundesregierung oder einzelnen Bundesministern erlassen. Meistens ist hierzu die Zustimmung des Bundesrates erforderlich (Artikel 80 Abs. 2 GG). Das bedeutet, dass der Bundesrat den Inhalt der Verordnung gleichberechtigt mitbestimmen kann. [Quelle]
Das meistens hat mich jetzt natürlich neugierig gemacht.
Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, vorbehaltlich anderweitiger bundesgesetzlicher Regelung, Rechtsverordnungen der Bundesregierung oder eines Bundesministers über Grundsätze und Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen des Postwesens und der Telekommunikation, über die Grundsätze der Erhebung des Entgelts für die Benutzung der Einrichtungen der Eisenbahnen des Bundes, über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen, sowie Rechtsverordnungen auf Grund von Bundesgesetzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen oder die von den Ländern im Auftrage des Bundes oder als eigene Angelegenheit ausgeführt werden.
Also hier lese ich nichts, wo ich das Tempolimit unterordnen würde.
War mir so nicht bewusst und wäre ein interessanter, leider unwahrscheinlicher, Move.
Bei solchen Gesetzen ist es üblich, in einer Übergangszeit keine Strafen zu verhängen. Man könnte also Bürger herauswinken, auf die neue Rechtslage aufmerksam machen und weiter schicken.
Das unter neuer (CSU-)Leitung stehende Verkehrsministerium könnte dann als erste Amtshandlung die Regelung gleich wieder kassieren.
Ich bin kein Jurist, ich weiß nur, dass der Bundesrat der letzten Änderung der StVO zugestimmt hat. Daher nehme ich an, dass er das bei weiteren Änderungen auch tun müsste.
Die betraf auch in Teilen die Gestaltungsmöglichkeiten der Gemeinden, zum Beispiel innerstädtische 30er-Zonen oder die Regelung, dass nun alle Verkehrsteilnehmer gleich gewichtet werden sollten (keine Bevorzugung des Autos). Ich glaube sogar Umweltaspekte sollten gleich gewichtet werden. Das betrifft die Länder und Gemeinden direkt. Die Autobahnen sind Sache des Bundes.
Danke für eine Einblicke. Klingt zumindest so, als wäre es nicht ausgeschlossen, das Tempolimit auch ohne Zustimmung des Bundesrats einzuführen.
Was haltet ihr unabhängig von der Machbarkeit von einem solchen Vorhaben? Glaubt ihr, es würde rot-grün um die Ohren fliegen, analog zum Heizungsgesetz oder wäre es ein kluger Schachzug?
Die StVO liegt im Zuständigkeitsbereich des Verkehrsministeriums. Der zuständige Minister ist also ein gewisser Herr Wissing…
Würde mich wundern.
Die geschwindigkeitsbezogenen Regelungen der StVO dürften auf § 6 Abs. 1 Nr. 2 StVG beruhen. Der fordert explizit die Zustimmung des Bundesrates.
@der_Matti, die Argumentation find ich in der Sache tatsächlich überzeugend. Daher vermute ich mal, dass es rein verfassungsrechtlich betrachtet eigentlich auch ohne den Bundesrat ginge. Aber um die einfachgesetzliche Lage dürfte man wohl nicht herumkommen.
Diese Konstellation überrascht mich allerdings etwas und ich konnte jetzt noch keine Literatur einbeziehen, daher keine Gewähr.
Ja, das klingt plausibel.
Das bedeutet, dass ein Tempolimit immer am Bundesrat gescheitert wäre, genauso wie die angedrohten Fahrverbote. Wissing hätte seine CO2-Ziele also nie erfüllen können. Schade, dass er es nicht wenigstens probiert und die Union als die wahren Blockierer bloßgestellt hat.
Ich vermute mal, dass die SPD sich so kurz vor einer Bundestagswahl kein so unbeliebtes Projekt mehr vornehmen wird, so gerne ich es auch sehen würde.
Ich erweitere diesen Themenvorschlag mal auf einen Kommentar zur LdN 407.
Falls Volker Wissing das Tempolimit auf den Weg bringt, würde ich meine Meinung über ihn vollständig zum Posititven ändern. So richtig glaube ich allerdings nicht.
Bleiben wir doch realistisch: Wir sind jetzt im Wahlkampf und mit einem Tempolimit ist kein Blumentopf zu gewinen. Ja, es gibt zwar inzwischen eine Mehrheit für ein Tempolimit, grade für SPD und Grüne wäre es aber ein Beinschuss, weil das massiv FDP und CDU Wähler mobilisieren würde.
Dochdoch. Die Mehrheit der Bevölkerung ist für ein Tempolimit.
Das beantwortet allerdings nicht die Frage, ob sich die Einführung eines Tempolimits positiv auf den Wahlausgang auswirkt. Für diejenigen, die gegen ein Tempolimit sind, ist ein Tempolimit oft ein „rotes Tuch“, ein wirklich, wirklich wichtiges Thema, das wahlentscheidend sein kann. Für diejenigen, die für ein Tempolimit sind, ist es oft eher ein „Ach warum eigentlich nicht“, aber du wirst wenige Leute finden, die sagen würden: „Weil die Regierung ein Tempolimit verabschiedet hat wähle ich sie jetzt wieder!“.
Das ist das generelle Problem bei Verboten: Die von Verboten betroffenen Verbotsgegner reagieren oft wesentlich schärfer auf das Verbot als die von den Verboten weniger betroffenen Verbotsbefürworter. Aus den gleichen Gründen hat sich Harris im US-Wahlkampf nicht für ein Waffenverbot ausgesprochen, sondern ist sogar damit hausieren gegangen, dass sie selbst Waffen besitzt. Leider ist der negative Backlash eines Waffenverbotes deutlich härter als die positive Reaktion auf das Waffenverbot. Anderes Thema, gleicher Mechanismus.
Das sehe ich ähnlich wie @Daniel_K . Das Thema hat eine Mehrheit in der Bevölkerung, wird aber vermutlich von anderen Wahlkampfthemen in den Hintergrund gedrückt. Das „leichtere Tempo 30 in Städten“ hätte ich mir da noch eher als relevantes Wahlkampfthema vorstellen können, aber das hat die Bundesregierung ja im Oktober schon vorangebracht (Quelle).
Ja, aber wie gesagt musst du das Kalkül aufmachen, dass man mit dem Tempolimit mehr Nichtwähler und ehemalige FDP Wähler wieder für CDU/FDP aktiviert, als Wechselwähler für SPD oder Grüne anzuziehen.
Wahltaktik und Politik vor der Wahl folgt nicht der selben Logik wie Wahlversprechen.
Wie @AndyDisotell ausgearbeitet hat, braucht es den Bundestag dafür gar nicht. Als zuständiger Minister kann Wissing es erlassen. Im Bundesrat wird die Verordnung dann vermutlich kassiert werden. Das bringt aber Grüne und SPD nicht in Bedrängnis, denn sie waren ja außen vor. Gleichzeitig aber macht es CDU, CSU und FDP zu Verweigerern.
Ich halte das wahltaktisch für einen guten Move, der allerdings außerhalb der Verantwortung der Nutznießer ist. Es liegt allein an Wissing und seinem Ministerium (dessen Mitarbeiter wohl eher Gegner des Tempolimits sind).
In der Lage wurde gesagt, dass 2/3 der Deutschen für ein Tempolimit sind. Auch hier 8m Forum wird es so dargestellt, als wenn eine große Mehrheit dafür ist.
Wenn ich aber nach belastbare Umfragen schaue, finde ich wenig. Es gibt eine vom ADAC wo 55 % dafür sind. Das ist so ziemlich die aktuellste Umfrage.
Ansonsten findet man nich Umfragen von 2021 (42 % dafür, 22 % eher dafür, wobei die Option „egal“ nicht vorhanden war) und eine von 2020 wo es 59 % dafür und 39 % dagegen sind. Das war eine zeit wo das Thema Klima und Tempolimit grade sehr im Fokus waren.
Hat jemand mal noch was aktuelles, repräsentatives gefunden?
Was ich vermisse ist mal noch eine Umfrage unter Personen, die tatsächlich regelmäßig Autobahn fahren. Würde mich interessieren, ob sich da der Prozentsatz zu 2021 oder der ADAC Umfrage unterscheidet.