LdN 401: Dänemark Migrationspolitik

Genauso wie der wirtschaftliche Erfolg nicht nur am Kolonialismus festgemacht werden kann, kann der Effekt des Kolonialismus auch nicht einfach negiert werden.

Mögliche Effekte gehen dabei über die reine Existenz deutscher Kolonien hinaus. Die bis heute andauernde wirtschaftliche Schwäche ehemaliger Kolonien (egal welchen Landes) bietet im globalen Handel selbstverständlich fundamentale wirtschaftliche Vorteile für die westlichen ehemaligen Kolonialmächte.

Das ist doch ein absolut schiefer Vergleich. Da die Länder des globalen Südens keinen Marshallplan hatten, kannst du nicht wissen, wie es ihnen mit Marshallplan gegangen wäre. Genauso ist die Ausgangssituation in Ostdeutschland nach dem Krieg ja nicht die selbe wie in allen Ländern des globalen Südens. Auch hier kann man also nur schwer irgendwelche konkreten Vergleiche ziehen.

Tja und jetzt kann man sich natürlich fragen, ob ein Teil dieser Probleme nicht durch koloniale Grenzziehung, wirtschaftliche Ausbeutung und negative koloniale Erfahrung mit westlichen Staatsformen noch verstärkt werden. Vom Verhalten von Akteuren wie der EU, dem IWF und der Weltbank ganz abgesehen…

Natürlich entlässt das die Länder nicht aus ihrer Selbstverantwortung.
Trotzdem ist es zumindest etwas wohlfeil zu behaupten, dass man einfach inhärent besser darin sei, etwas zu erwirtschaften, wenn man als westlicher Staat in Europa, u.a. in der Vergangenheit zB von den USA massiv unterstützt wurde (finanziell und state building) und vor dem Weltkrieg ja auch bereits eine einflussreiche Macht war. Die Ausgangssituationen sind einfach völlig andere.

Super und wie? Als Person, die selbst nie in einem instabilen und wirtschaftlich bankrotten Staat aufwachsen und leben musste, sagt sich das leicht.

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Zurück zu Dänemark:

Man kann Dänemark für den Verrat an der europäischen Idee kritisieren und eine europäische Lösung verlangen, aber dafür sollte man sich zunächst vergewissern, welche Positionen die einzelnen Länder vertreten. Ich kenne kein Land, das noch den Merkel-2015-Kurs der offenen Grenzen verfolgt. Neben Deutschland sind auch alle skandinavischen Länder von ihrem anfänglichen Kurs abgerückt. Wenn hierzulande selbst die SPD unter einem Kanzler Scholz mittlerweile migrationskritisch auftritt, sehe ich keine Möglichkeit, wie wir Länder wie Ungarn oder Italien davon überzeugen wollen, sich wieder stärker zu beteiligen.
Wenn Deutschland meint, sich hier dauerhaft gegen die Mehrheitsmeinung in der EU zu stellen, befürchte ich, dass das europäische Projekt ernsthaft Schaden nehmen könnte. Das Schließen der Binnengrenzen in Dänemark oder der Krieg vor der Haustür sind Symptome eines Auseinanderdriftens, das uns ernsthaft Sorgen bereiten muss.

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Demokratie in komplexen Strukturen wie der EU kann aber auch nicht bedeuten, dass nur weil überall alles nach Rechts kippt, jeder andere auch mitmachen muss. Ebenso wie Ungarn klare außenpolitische Positionen vertritt, die der Großteil der EU klar ablehnt, kann Deutschland durchaus auch klare migrationspolitische Positionen vertreten, die andere EU-Länder ablehnen.

Politik heißt nicht, seine Fahne immer in den Wind der Mehrheit zu hängen, sondern eben auch, dafür zu kämpfen, was man für Gerecht hält. Einigkeit in der EU ist wichtig, gar keine Frage, aber nicht um jeden Preis. Wenn die EU keine Meinungsverschiedenheiten über zentrale politische Kurse aushält, befürchte ich nicht, dass sie „Schaden nehmen könnte“, sondern dann wäre sie einfach bereits irreparabel geschädigt. Das glaube ich aber nicht.

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Ich glaube nicht, daß die deutschen Positionen 2024 in zentralen Punkten so unterschiedlich von Ungarn oder Dänemark sind. Die letzten Landtagswahlen lassen erahnen, wo wir nach der der nächsten Bundestagswahl, wohl unter einem Kanzler Merz, stehen werden.

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Die abgeschreckten Flüchtlinge sind untergetaucht oder in andere europäische Länder ausgewichen. Sie sind keinesfalls in ihren Heimatländern geblieben.

Hier wäre es interessant zu wissen, was passieren würde, wenn ganz Europa so restriktiv wäre. Würden Flüchtlinge dann nicht mehr nach Europa kommen? Wenn man bedenkt, dass flüchtlingskritische Tendenzen europaweit (zurecht?) erstarken, wäre das eine wichtige Information. Denn wie gesagt: Aus dänischer Sicht wurde das Ziel ja erreicht.

Wo bleibt der europäische Gedanke? Ist sich jeder Nationalstaat wieder selbst der nächste?

Ist halt die Frage, was hier der europäische Gedanke ist. Wenn die Mehrheit der europäischen Länder gegen hohe Flüchtlingszahlen ist (wovon ja weitaus nicht jeder tatsächlich einen anerkannten Fluchtgrund hat), dann wäre es gegen den europäischen Gedanken, Flüchtlinge „anzulocken“.

Migrationsbewegungen erweisen sich fast immer als positiv für die aufnehmenden Länder.

Das steht zum Widerspruch zu der Aussage des Wirtschaftswissenschaftlers, der vor Kurzem in der Lage interviewt wurde und der meinte, dass Flüchtlinge wohl weder eine negative noch positive Auswirkung auf die deutsche Wirtschaft haben werden.

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Gut das ich fast ein Jahrzehnt in Ländern des globalen Südens gewohnt habe. Alles Länder in der zweiten Hälfte des HDI rankings. By they way. Es gibt auch Länder ohne koloniale Historie, zum Beispiel Äthiopien…aber das sprengt jetzt den Rahmen.

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Politik heißt nicht, seine Fahne immer in den Wind der Mehrheit zu hängen, sondern eben auch, dafür zu kämpfen, was man für Gerecht hält.

Demokratie in komplexen Strukturen wie der EU kann aber auch nicht bedeuten, dass nur weil überall alles nach Rechts kippt, jeder andere auch mitmachen muss.

Richtig. Aber nur weil man seine Meinung ändert, heißt das nicht, dass man dies nur tut, weil die Mehrheit es auch tut. Wenn viele Länder nach „rechts“ kippen, dann hat das ja vielleicht einen anderen Grund als einfach nur „ist halt gerade cool“.

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Heißt Demokratie in komplexen Strukturen wie der EU nicht aber auch, dass sich Individualinteressen der Nationalstaaten möglicherweise hinter der Mehrheitsmeinung der Mitglieder anstellen müssen?

Soll heißen, wenn die Mehrheit der Staaten es kritisch sehen, dass Deutschland sich migrationsfreundlich positioniert und damit Migrationsanreize nach Europa setzt, muss dann Deutschland nicht vielleicht irgendwann seinen moralischen Kompass an den Nachbarn und Freunden anpassen? Für diese Frage ist auch unerheblich, ob es diese Anreize tatsächlich gibt.

An dieser Stelle interessiert mich, ob es andere EU Staaten gibt, die eine migrationsfreundliche Politik in der EU unterstützen oder fordern. Mir scheint, dass der deutsche Weg von 2015-2022 mittlerweile von allen Nachbarn abgelehnt wird. Aber vielleicht nehme ich das auch falsch wahr.

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Es ist wirklich erstaunlich, wie schnell viele Menschen bereit sind, die Errungenschaft der Menschenrechte aufzugeben. Am liebsten wäre es vielen, Menschen in Not oder ohne jegliche Lebenschancen würden einfach da bleiben, wo man sie nicht sieht.
Jeder sollte nicht ganz vergessen, dass er auch selbst einmal in einer solchen Lage sein könnte.

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Übrigens trägt Deutschland auch Mitverantwortung, weil hier ansässige Firmen viel Geld mit Waffenlieferungen verdient haben.
Ich finde es wirklich erstaunlich, wie sich manche die Verantwortung Deutschland schön reden können. Wirklich erstaunlich.

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Hätten nicht Ungarn und andere 2015/16 eine Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit ignoriert (der tatsächliche Rechtsbruch, der Fans von Recht und Ordnung aber weniger interessiert, als die Lüge über Merkels angeblichen) hätten wir seit bald 10 Jahren einen Verteilungsschlüssel auf europäischer Ebene gehabt. Also ja, es wäre gut, wenn sich alle an Beschlüsse und geltendes Recht hielten. Grade bei Migration herrscht aber schon immer Rosinenpickerei, besonders bei Migrationskritikern.

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Exakt. Das ist letztlich das große Problem.

Maßnahmen, die den Druck gerecht verteilen und damit Migration reibungsloser ermöglichen würden, werden von rechten Regierungen abgelehnt, weil die rechten Regierungen gerade diese Reibung bestehen sehen wollen, weil sie genau wissen, dass diese Reibungen ihnen die Wähler zutreiben. Genau deshalb sind Ungarn und co. gegen jede Verteilungslösung, sie können sich gleichzeitig ihren fairen Anteil an der Last vom Leib halten und zugleich dafür sorgen, dass es im Rest Europas durch die starke Belastung in Richtung Rechts kippt.

Die Frage ist:
Was können wir dagegen tun? Wir als „Individuen“, wir als „Deutschland“, wir als „Europa“? Und zwar auf einem Weg, auf dem wir Menschenrechte und unsere grundsätzlichen Überzeugungen nicht verraten müssen, wie es diejenigen wollen, die fordern, einfach genau so eine menschenfeindliche Asylpolitik zu betreiben, wie es Dänemark tut…

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Außerhalb Europas? Nicht viele.
Afrika:

  1. Äthiopien war etwa 10 Jahre lang italienische Kolonie (böse Geschichte, chemische und biologische Kriegsführung gegen zum Teil nur mit Speeren bewaffnete Soldaten, und Zivilisten natürlich). Jemand hat mal gesagt „Niemand darf sich Großmacht nennen, der nicht wenigstens einmal gegen Vietnam verloren hat.“ Äthiopien spielt in der selben Klasse wie Vietnam.
  2. Liberia ist aus einer amerikanischen Kolonie entstanden

Im nahen Osten:

  1. Iran, auch wenn er im 20. Jh. oft wenig mehr als ein Marionettenstaat war
  2. Saudi-Arabien, ein Staat von Großbritanniens Gnaden

In Indien:
Bhutan und Nepal waren formal selbstständige Staaten, de facto aber britische Protektorate, die ohne Zustimmung Londons keine eigenständige Außenpolitik betreiben durften.

In Südostasien:
Thailand stand im ausgehenden 19. und der ersten Hälfte des 20. Jh. unter britischer und französischer Vorherrschaft. Im WK2 versuchten sie da rauszukommen, und wurden zu einer japanischen Marionette

Bleiben noch China und Japan, die selbst sowohl Kolonialmächte als auch Opfer europäischer Kolonialpolitik waren (Schwarze Schiffe, Boxeraufstand, Hunnenrede etc).

Habe ich was vergessen?

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Der wichtigste Grund für Migrationsbewegungen dürfte der Klimawandel werden bzw. teilweise schon sein. Auch daran tragen die reichen Länder die Hauptverantwortung.

Pragmatische menschenwürdige Lösungen kann man nur gemeinsam finden, denke ich. Am besten global, mindestens aber europäisch.

Ich finde es schade, dass anstelle sich hier zu am Beispiel Dänemarks mehr mit den sozialen Systemen in Skandinavien zu befassen mal wieder eine reine Diskussion zu Flüchtlingspolitik und kolonialer Vergangenheit geworden ist. Es gab am Anfang ein paar interessantere Posts, die aber leider unbeachtet geblieben sind.

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… Die Menschenrechte kritisiert hier niemand im Forum. Ich traue es auch niemanden zu, dass er Menschen, die nach GFK Fluchtstatus besitzen, im Regen stehen lassen will.

Es geht allenfalls um eine Beachtung internationaler Regeln und Gesetze. Beispielsweise zu den Themen sichere Herkunftsländer, faire Verteilung oder Abschiebung im Fall, dass weder Fluchtstatus noch Subsidiärer Schutz beschieden werden können.

Edit: Nur nochmal der Disclaimer: Ich bin unentschlossen zu unserer Asylpolitik und traue mir bisher keine starke Meinung zu. Ich finde deine Argumentation nur wenig überzeugend und leider auch ungerecht verurteilend.

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Menschenrechte? Es geht hier doch gar nicht um wirkliche Flüchtlinge, sondern um die, die eben keine Flüchtlinge sind.
Aber wenn du das eh vermengst, stellt sich mir wirklich die Frage, ob du offene Grenzen für alle willst. (Da bist du mir übrigens immer noch eine Antwort schuldig, siehe LdN 401: Dänemark - #10 von Slash). Aber auch dir ist doch wohl klar, dass offene Grenzen für alle nicht funktionieren kann - oder?

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Die Frage, ob Asylrecht besteht, entscheiden Gerichte.

Und die Menschenrechte sind doch gefährdet, wenn Länder wie Afghanistan zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden, wenn Menschen zum Verdursten in die Wüste getrieben werden, wenn sie in Lagern unter miserablen Bedingungen zusammengepfercht werden… etc. etc. So sieht jedenfalls nicht meine Vorstellung von Menschenrechten aus.

Demokratien im aktuellen System funktionieren sicher nicht ohne Grenzen. Aber wer meint, die Grenzen innerhalb Europas schließen zu können, ohne all die Vorteile der EU zu zerstören, irrt. Wer meint, Europa abschotten zu können, ohne den eigenen Handel zu gefährden, ohne ggf. auf Menschen schießen zu müssen, irrt.

Aber wie wäre es denn mal mit

  • solidarischer Aufnahme und Verteilung.
  • Schuldenerlass für die armen Länder
  • Klimaschutz. Wir sind diejenigen, die hauptsächlich das Klima zerstören und Menschen ihr Zuhause nehmen.
    U.s.w.

Fast niemand verlässt sein Zuhause grundlos. Die Not treibt Menschen weg.

Ich persönlich möchte Menschen nicht in Not bringen, nur, damit sie abgeschreckt werden und woanders Schutz suchen. Das ist das, was Dänemark anscheinend tut, auf Kosten der Menschlichkeit und auf Kosten europäischen Zusammenhalts.
Race to the bottom könnte man das nennen.

Für mich wenig überraschend. Die Zahlen aufzubereiten wäre genauso wie einzelne Coronamaßnahmen herauszupicken und dann mit Infektionszahlen zu koppeln. Es gibt viele Einflüsse, die die Zahlen beeinflussen können. Wie will man die egalisieren?
Man kann ja aber für den Anfang die negativen Folgen widerlegen, die in der Lage genannt wurden, wie z.B., dass vor allem Fachkräfte und Gebildete von restriktiver Migrationspolitik abgeschreckt werden - also genau die, die davon gar nicht betroffen wären.

Die Forscher betonen immer wieder, dass nicht Restriktionen, sondern Demokratie, Selbstbestimmung, Wirtschaftsperspektive und Bekannte/Verwandte vor Ort den Ausschlag geben.
Blenden wir das aus wäre die Antwort wohl, dass sich Flüchtlinge sowieso auf den Weg machen (das sieht man auch daran, dass gerade Fachkräfte nun Dänemark meiden - also die, die ohne Zwang sich auf den Weg machen wollten). Und da Europa immer noch eine der reizvollsten Regionen ist, werden sie es wohl weiter versuchen, die Preise der Schleuser steigen halt, da der Aufwand steigt. Aber machen wir uns nichts vor: auch unsere Länder sind nicht frei von Korruption und so wird es auch von europäischer Seite Behörden geben, die im richtigen Moment wegschauen. Und sind sie erst mal in Europa, wird es schwer, die Wege zu kontrollieren, es sei denn wir bauen Mauern an den innereuropäischen Grenzen - wirtschaftliche immense Schäden aufgrund erschwertem Waren- und Pendlerverkehr inklusive.

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Entschuldige, ich hatte mich zu kurz ausgedrückt und eben noch mal den Eröffnungspost gelesen. Ich hatte glaube ich die Hoffnung, dass es hier mal konkret um Dinge gehen kann, die in Skandinavien anders und wohl oft besser laufen sollen. Nicht in Sachen Migration, da stimme ich dir zu, dass es nicht möglich sein wird einzelne Maßnahmen und deren Wirkung zu identifizieren. Es heißt nur, auch hier im Forum, oft, dass da vieles im System so viel besser sei und so richtig konkret wird es an vielen Stellen aber nicht. Aber ja, das wäre vermutlich eine andere Diskussion und nicht hier.