LdN 401: Analyse zur SPD von Prof. Abou-Chadi

Ich kann die Analyse von Prof. Abou-Chadi zu der aktuellen Schwäche der SPD ehrlich gesagt nicht nachvollziehen. Die Zahlen geben das einfach nicht her.
Wenn man sich die Wählerwanderung der SPD bei der Europawahl und bei den letzten 3 Landtagswahlen anschaut, dann ist das Ergebnis eindeutig: die SPD hat vor allem nach rechts verloren (AFD, CDU und BSW). Und auch die anderen progressiven Parteien Grüne und Linke haben Wähler ins weniger progressive Lager verloren (SPD und BSW).
Wie Prof. Abou-Chadi daraus ableitet, dass die SPD ein deutlich linkeres Profil bräuchte, um Wähler zurückzugewinnen, erschließt sich mir nicht.
Übersehe ich hier etwas?



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Zum einen, dass das BSW das linkeste ist, was man momentan abseits der SPD wählen kann (wenn man eine Partei möchte, die auch im Bundestag vertreten ist). Die Linke hat es leider der SPD vorgemacht, wie man mit falscher Themensetzung sich selbst zerlegt und ist keine Alternative mehr.
Will man eine linke Partei und trotzdem die Ukraine unterstützen wird es auch bei den weniger aussichtsreichen Parteien düster.
Zum anderen, dass die SPD sich rechter orientiert, trotzdem an das rechte Lager verliert. Würdest du Recht haben, ist sie also noch nicht rechts genug. Das ist aber der gleiche Effekt, den auch die CDU erlebt. Wer rechte Themen bespielt, holt keine Wähler von dort zurück, sondern macht es legitim, noch rechtere Parteien zu wählen, denen man in diesen, anscheinend momentan sehr drängenden, Punkten wesentlich mehr Kompetenz zuspricht.
Es ist Aufgabe der SPD (und auch der Linken) linke Themen zu setzen und zu besetzen und damit im öffentliche Diskurse außerhalb einer linken Bubble zu bringen. Nur so begreift der politisch wenig interessierte Wähler, dass es ein Problem ist, wenn Reiche immer reicher werden, Unternehmen zu wenig Steuern zahlen, Subventionen falsch verteilt werden, das Schulsystem Kindern armer Familien weniger Chancen einräumt usw

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Ja, denn wenn die SPD sich auch noch im rechten Populismus tummelt, werden es ja nicht mehr rechte Wähler, die dann SPD wählen. zeitgleich wird die SPD noch mehr linke Wähler verlieren. Links ist eben eine Riesenlücke, die noch größer wird, da die Grüne Partei Robert Habecks ja schon eng mit der Union kuscheln will. Die Grünen werden sicher merken, dass sie mehr verlieren als gewinnen werden, aber das muss die SPD ja nicht nachmachen.

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Ist das so? Irgendwie habe ich das Gefühl, dass der BSW eher eine Rechtsaussen Partei ist, mit Sozialem Anstrich. Klimaschutz–> Nein Danke, Migration → Auf keinen Fall, Heimische Wirtschaft fördern → massiv usw.

Ich glaube, dass dieses jeder Wähler weiß. Das Problem ist, dass die Lösungsvorschläge zu komplex sind, um von dem Wähler als sinnvoll erachtet zu werden. Beim Thema Schule zum Bsp: werden dermaßen oft neue Gesetze erlassen, aber die Wirkung bleibt komplett aus.
Das Unternehmen zu wenig Steuern zahlen ist ebenfalls so eine Mär. Internationale Großkonzerne zahlen durch finanzielle Geldflussströme zu wenig Steuern. Unternehmenssteuern: Wie belastet sind Firmen in Deutschland? | BR24

Zunächst einmal ist das BSW, wie hier schon angemerkt wurde, keine linke Partei, sondern eine rechtspopulistische.

Des Weiteren sind drei Wahlen in Ostdeutschland natürlich nicht repräsentativ für die Bundesrepublik als ganze. Der Anteil der Wahlberechtigen in den neuen Ländern ist nicht mal ein Fünftel aller Wahlberechtigten:

https://www.statistikportal.de/de/wahlen/bundestagswahl

Wie zuletzt die Europawahlergebnisse gezeigt haben, unterscheiden sich die Wahlentscheidungen zwischen Ost und West ganz erheblich.

Von daher sollte man eh vorsichtig damit sein, von diesen drei Landtagswahlen Schlüsse für Gesamtdeutschland zu ziehen.

Nationalchauvinistische und fremdenfeindliche Einstellungen sind unter SPD-Wählenden zwar erheblich häufiger als bei Wählenden der Grünen, jedoch auch deutlich seltener als bei CDU/CSU-Wählenden (vgl. Zick et al. 2023):

Den „Themenbesitz“ auf diesen Feldern haben die rechten Parteien:

Wenn andere Parteien die Themen populistischer Parteien übernehmen, nützt das Letzteren. Der Fachbegriff dafür ist »issue ownership«. Die Themen »Ablehnung von Migration und Einwanderern« und »Hass auf die Grünen« sind Kernthemen der AfD […]

und mittlerweile auch (wieder) der CDU/CSU.

Dort kann also die SPD kaum punkten. Folglich muss sie sich anders profilieren.

Es ist daher schon sinnvoll, sich auf die eigenen Kernthemen zu besinnen.

Interessant ist noch die Positionierung der Grünen im Parteiengefüge. Lesenswert ist diesbezüglich z. B.:

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Das BSW ist def. keine progressive Partei. Gesellschaftspolitisch klar rechts der SPD.

Alle linken und progressiven Parteien sind bei den letzten Wahlen nach rechts gerutscht. Die These von Prof. Abou-Chadi, die linken und progressiven Parteien müssten jetzt noch linker werden, um diese Wähler zurückzugewinnen, halte ich schlicht für falsch.

Gleichzeitig steht die CDU mit ihrer deutlich härteren Migrationspolitik recht gut und stabil da:

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Ich gehe davon aus, dass @der_Matti eher auf die Wirtschafspolitik anspielt.
Das BSW ist eben wirtschaftspolitisch „links“ (also für mehr Umverteilung, mehr Arbeitnehmerrechte usw.), aber gesellschaftspolitisch „rechts“ (also für weniger Migration, weniger Rücksichtnahme auf Minderheiten usw.).

Die Frage ist, was der Wähler, der das BSW wählt, will:
Wählt er BSW, weil er eine linke Wirtschaftspolitik will (und er in Grüne und SPD das Vertrauen verloren hat?)
oder
Wählt er BSW, weil er eine rechtere Gesellschaftspolitik will (aber würde er dann nicht eher AfD wählen, wenn das sein Fokus wäre?)
oder
Ist es gar eine Mischung aus beidem?

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Ich frage mich, welche Studie überhaupt gemeint ist. Wohl diese hier: https://www.researchgate.net/publication/382369918_Trade-offs_of_social_democratic_party_strategies_in_a_pluralized_issue_space_a_conjoint_analysis

2021 gab es schon einmal diese hier:
https://www.researchgate.net/publication/382369918_Trade-offs_of_social_democratic_party_strategies_in_a_pluralized_issue_space_a_conjoint_analysis

Wenn ich es richtig sehen, beruht die Studie allein auf den geführten Interviews. Es gibt keine Kontrollen, ob die Ergebnisse sich in den Wahlen widerspiegeln. Das wäre wohl auch schwierig, denn die Interviews sind rein inhaltlich ausgerichtet. Entscheidend bei den Wahlen sind aber viele andere Faktoren, insbesondere die Kandidaten und die Relation zu den anderen Parteien. Labour in UK z. B. hat ja nich 60 % gewholt, weil Keir Starner und dessen Politik sol toll sind, sondern weil die Tories sich selbst unwählbar gemacht haben.

Ob diese Studie hier also wirklich eine Handlungsempfehlung geben kann, würde ich stark bezweifeln. Kontrollüberlegungen machen die Ergebnisse, wie hier schon zurecht angedeutet wurde, unschlüssig. Dezidiert links-progressive Programme werden in Deutschland aktuell abgestraft. Die SPD wird schon genug Berater haben, die diese Studien lesen und auswerten. Ob Sie dann in Politik überführt werden, ist eine andere Frage. Die sagt dann mehr über die Qualität der Studie, als über die SPD aus.

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Ich denke da gibt es eine Menge Gründe. Zum einen tritt wohl niemand intensiver für eine Stopp der Waffenlieferungen ein als das BSW. Das dürfte Pazifisten aus dem linken und rechten Lager anziehen. Außerdem könnte der eine oder andere Protestwähler sich für BSW entscheiden, der aus grundsätzlichen Gründen der AfD nie die Stimme geben wollte. Dem BSW haftet eben noch nicht so sehr der rechte Stallgeruch an.

Und natürlich gibt es auch die riesige Repräsentationslücke der deutschen Parteienlandschaft im sozialautoritären (wirtschaftlich links und freiheitlich autoritär) Spektrum, die du im Grunde auch thematisiert.

Ich bin überzeugt, dass man die BSW nicht im klassischen Rechts-Links Bild einordnen kann. Wir sollten aufhören politische Einstellungen nur eindimensional zu verstehen. In einer immer komplizierter werdenden politischen Landschaft wird das der Realität nicht mehr gerecht.

Drehen wir mal am Rad und tun so, als wäre die Bundestagswahl 2025 am Wochenende und die SPD würde das Ergebnis einfahren, das ihr die Umfragen voraussagen. Wäre die Lektion für die Zukunft dann „Nicht mehr auf Themen wie Migrationskritik setzen“?

Oder müsste ein Post-Mortem nicht vielmehr fragen, wer überhaupt noch einen Grund haben sollte die SPD zu wählen, wenn er nicht Transferleistungsempfänger ist? Die einzigen Projekte, hinter die die SPD ihr Gewicht wirft, waren/sind die Bürgergeldreform (wobei sie selbst davon in Teilen wieder abweichen), das Rentenpaket II (Erhöhung der Renten zu Lasten der Arbeitenden) und jetzt die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze (Vermeidet eine Reform der Sozialsysteme, dafür Erhöhung der Lasten auf Arbeitseinkommen). Hinsichtlich der Themen Klimaschutz, Energiesysteme, Wirtschaftlicher Standort, Familien & Bildung überlässt die Partei, die Fraktion und Olaf Scholz selbst quasi vollkommen den Ampelpartnern und der Opposition. Nicht dass sie sich nicht dazu äußern, wenn gefragt, aber sie haben keinerlei Zukunftskonzepte mehr und auch keinen Markenkern. Verteidigung und Gesundheit sind noch das letzte, wo man sowas erkennen kann, aber ich befürchte für die SPD, dass das nicht reicht.

Wer dann in einer Rückschau zum Schluss kommt, dass die SPD wegen Nancy Faeser und ihrem Migrationskurs verloren hat, blendet das Problem der SPD m.E. völlig aus. Das ist höchstens noch eine statistische Korrelation.

Zumal die Realität die Aussagen von Herrn Abou-Chadi nicht unterstützen. Bei der letzten bundesweiten Wahl (EU-Wahl) hat die SPD 30% ihrer Wähler an die Union verloren und circa 1% an die Grünen (andere Parteien nicht messbar). Wenn man einfach postuliert, dass die Grünen für sogenannte “Progressive Wähler” attraktiver sind als die Union, dann hätten sich doch mehr Leute - die ihre progressive Heimat in der SPD verloren haben - den Grünen zuwenden müssen. Wo ist denn der progressive Wählerpool in den aktuellen Umfragen, den die SPD mit einem linksgewandten Kurs rekrutieren könnte? Bei der BSW? In den Nichtwählern? Wo sind die wissenschaftlichen Nachweise hierfür?

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Das ist doch falsch. Ursprünglich war die SPD eine Arbeiterpartei. Und genau diese Klientel ist doch heute oft von Abstiegs- und Transformationsängsten geprägt. Sicher könnte man sie mit einer guten Sozialpolitik, angemessenem Mindestlohn etc. wiedergewinnen.

Wenn Bürgergeld eingeschränkt wird - und das hat die SPD mitgemacht - dann soll das vor allem dafür sorgen, dass Arbeitende aus Angst vor Arbeitslosigkeit jede Arbeit zu jedem Niedriglohn annehmen. Kommt sicher nicht gut an beim potenziellen SPD-Wähler…

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Ich glaube, du erreichst Menschen nicht, indem du Politik für den absoluten persönlichen worst case machst, sie aber ansonsten weitgehend in ihren Bedürfnissen ignorierst. In der Praxis sind 95% der arbeitenden Bevölkerung doch nicht davon bedroht ins Bürgergeld abzusteigen. Viel eher erwartet man von der Politik, dass sie die politischen Rahmenverhältnisse so setzt, dass das nicht passiert, anstelle sich auf das unterste soziale Netz zu verlassen.

Leider gibt es aber bei der SPD keine erkennbare Politik mehr, in Deutschland gut bezahlte Arbeitsplätze zu schaffen und die arbeitende Bevölkerung nicht immer weiter mit Abgaben zu belegen. Oder sieht die jemand?

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Der Niedriglohnsektor ist sehr wohl groß.

Es sind 19% der Beschäftigungsverhältnisse. Zum Vergleich, würde man Politik für die untere bis obere Mittelschicht machen, würde man 63% der arbeitenden Bevölkerung adressieren.

Welches Angebot hat die SPD für die arbeitende Mitte der Gesellschaft?

Wohlstand? Sichere Arbeitsplätze? Bezahlbare Mieten? Geringere Abgaben? Bildung?

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Und

Klingt gut

Wenn ich mir deine anderen Argumente so durchlese natürlich.
Welche persönlichen Probleme ergeben sich denn aus der Migration für mich oder dich?

Genau der Gedanke kam mir auch. Nur weil interviewte Personen sagen, sie bevorzugen ein Partei-Programm, heisst das noch lange nicht, dass sie am Wahltag entsprechend der Programme der tatsächlichen Parteien so wählen.

Andererseits werden links-progressive Programme in Deutschland auch nicht unbedingt abgestraft, weil die Wähler sie nicht wollen, sondern weil gewisse Medien im Vorfeld genau gegen diese Parteien hetzen. Das hat Auswirkungen.

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Da Du dich explizit auf diese Zeilen beziehst, glaube ich, Du hast mich falsch verstanden:

Die SPD kann ihren Migrationskurs fortsetzen, abmildern oder verstärken. Am Ende wird sie - wenn sie sonst nichts ändert - die Wahl krachend verlieren, gemessen am Ergebnis von 2021, und das wird nicht ursächlich an ihrer Migrationspolitik hängen, sondern ihrer übrigen Politik.

Wer danach behauptet “Die SPD hat einen harten Migrationskurs gefahren und deswegen die Wahl verloren”, dessen Beweis möchte ich sehen. Meiner Meinung nach baut die ganze These mehr auf gefühlten Wahrheiten als auf statistischer Analyse auf. Wo hat Prof. Abou-Chadi die Nullhypothese überprüft?

PS: Vielleicht haben Sie das aber auch selbst erkannt. Laut mehreren Presseberichten soll ein 2025 Wahlkampfthema “Wir kämpfen für Deutschlands Zukunft: Wirtschaft ankurbeln, Arbeitsplätze sichern, Beschäftigte entlasten”. Na dann los, vielleicht schafft es die SPD ja den Wahlkampf wieder auf die großen Themen zu lenken. Friedrich Merz hat ja dazu gestern ebenso die Einladung verschickt.

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Vor allem ändert die extrem harte Migrationspolitik die schlechten Wahlergebnisse nicht zum Guten.
Denn wenn gute Politik an anderer Stelle fehlt (z.B. Sozialpolitik), gibt es keinerlei Grund, die SPD zu wählen.
Und die ganze Energie und mögliche Ressourcen gehen in m.E. unwirksame und schädliche Abschottungs- und Abschiebepolitik. Diese fehlen dann für die Lösung der wirklichen Probleme (Wohnraum, Bildung, Ungleichheit, Infrastruktur etc.)

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