Ich finde eurer Ansinnen löblich, Fakten und Argumente zur Bekämpfung der AFD zu sammeln. Aber ich fürchte, der wichtigste Grund für den Erfolg der AFD ist Fremdenfeindlichkeit und die davon befallenen Menschen sind durch Argumente nicht zu erreichen.
Meine These ist es, dass es eine tief verwurzelte Fremdenfeindlichkeit in Deutschland und auch anderen Ländern gibt. Das spielt sich auf einer emotionalen und kulturellen Ebene ab und dem ist nur schwer mit Argumenten beizukommen.
Die AFD bietet dem ganzen nur eine Plattform. Durch den Erfolg fühlen sich Menschen dazu animiert, ihren tiefen Ressentiments nun freien Lauf zu lassen. Irgendwie wurde in den letzten 3 oder 4 Jahren ein Kippunkte erreicht, durch den die Sache eine Eigendynamik entwickelt hat. In anderen Ländern sieht das ja leider auch nicht besser aus.
Durch persönliche Erfahrung, durch Austausch mit Menschen aus verschiedenen Gegenden in Deutschland und die Erzählung von eingewanderten Menschen hat sich bei mir folgende These herausgebildet (natürlich rein annekdotisch inspiriert).
Es wäre mal interessant, wenn ihr recherchieren könntet, ob auch Soziologen in diese Richtung gedacht haben und es empirische Forschungen dazu gibt.
Hier also meine These: Es gibt zwei Arten von tief verankerter Fremdenfeindlichkeit.
1. Wunsch nach kultureller Homogenität
Viele Menschen wünschen sich kulturelle Homogenität in ihrem sozialen Umfeld. Die Menschen sollen so aussehen, sprechen und verhalten wie sie selbst. Diese Menschen sind in der Regel nicht rassistisch und wissen kulturelle Vielfalt auch zu schätzen. Aber eben nicht in ihrem Umfeld. Das geht so weit, dass selbst innerdeutsche Einwanderer unerwünscht sind oder nicht voll akzeptiert werden. Man empfindet Menschen anderen Aussehens und anderer Prägung als störend und möchte sie loswerden. Ich habe diese Art von Fremdenfeindlichkeit insbesondere in ländlichen und katholisch geprägten Gebieten erlebt. Z.B. in Sachsen, Thüringen, Teilen von Bayern oder im Schwarzwald.
2. Funktionale Fremdenfeindlichkeit
Hier geht es darum, dass Fremde dafür verantwortlich gemacht werden, dass Probleme entstehen oder bestehende Probleme verschlimmert werden. Und man sie deswegen wieder los werden möchte.
Manchmal geht das einher mit üblem Rassismus, der diese Probleme an inhärenten Eigenschaften von Ethnien oder Kulturen festgemacht wird.
Diese Art von Fremdenfeindlichkeit habe ich auch in eher protestantisch geprägten Gegenden in ganz Deutschland gesehen, vermutlich auch durch die protestantische Leistungsethik gefördert.
Die beiden Phänotypen sind natürlich in der Realität nicht so glasklar anzutreffen.
Da es sich in beiden Fällen um so eine Art Ideologie oder Glauben mit Jahrhunderte alten Traditionen begründet, wird es schwierig, Überzeugungsarbeit anhand einzelner Sachthemen zu leisten. Wird ein Argument entkräftet, wird das nächste aus dem Hut gezaubert. Das Ganze ist ja kein in sich geschlossene Hypothese, die man einfach falsifiziert und schon ist die fremdenfeindliche Person geläutert.
Der englische Historiker James Hawes argumentiert in eine ähnliche Richtung: Die Besonderheiten im politischen System Ostdeutschland reichen bis in Römerzeit zurück. Der östliche Teil Germaniens (östlich der Elbe) hat keine fest definierte Grenze. Die später dort siedelten „deutschen“ Stämme sahen sich von slawischen Stämmen umringt, was für ein „Wir-gegen-Sie“ Gefühl und dem Wunsch nach Homogenität geführt hat, was sich bis heute gehalten hat.
Ich bin nicht ganz so optimistisch, dass sich so lokale begrenzen lässt, kann der abstrakten These aber etwas abgewinnen. Vermutlich reicht hier eine gewisse geografische Isolation aus, um solche Effekte zu fördern.
Insgesamt bin ich daher ziemlich pessimistisch und ratlos.
Ich fürchte, dass AFD & Co diesen Wunsch nach Homogenität nutzen, gleich das ganze liberale politische System abzuschaffen. Oder umgekehrt, dass moderate Parteien irgendwann vor der Wahl stehen, fremdenfeindlich zu agieren, um die liberale Demokratie zu retten.
Man kann sich natürlich überlegen, wie die tiefgreifende kulturelle Fremdenangst überwunden werden kann. Aber uns läuft einfach die Zeit davon.