Sachliche Argument oder einfach mal zuhören?

Angelehnt an euren Vorschlag, Gegenargumente für verschiedene Thesen zu sammeln, denke ich, dass es wichtig ist zu diskutieren, ob eine rein sachliche Argumentation immer sinnvoll ist. Meine Behauptung wäre, dass es zunächst wichtig ist zu verstehen, warum das Gegenüber diese These vertritt, da dies oft nicht auf sachlichen Gründen beruht. Eine rein sachliche Entkräftung würde in solchen Fällen wenig helfen (glaube / behaupte ich).

In Gesprächen mit Impfgegner:innen habe ich oft erlebt, dass jemand nicht deshalb Impfgegner:in ist, weil das Argument, es gäbe keine Langzeitstudien, so überzeugend ist, sondern weil es andere Beweggründe gibt. Eine sachliche Widerlegung des Langzeitstudien-Arguments würde deshalb wenig Wirkung zeigen.

Ich könnte mir vorstellen, dass der beste Weg oft das Zuhören ist, um herauszufinden, was wirklich hinter der Haltung des Gegenübers steckt.

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Finde ich auch wichtig zu diskutieren. Und geht ja auch ein Bisschen in diese Richtung:

Für mich wäre vor allem die Frage, welchem Zweck die Sammlung an Gegenargumenten eigentlich dienen soll. Das hätte m.E. in der Lage-Folge etwas besser herausgestellt werden können.
Meine Einschätzung: solche Argumente sind vor allem gut in öffentlichen Diskussionen, wo Zuhörer aller Art beteiligt sind. Wenn es um’s persönliche Gespräch geht muss man in der Tat differenzieren. Sehr viele AfD Wähler oder Sympathisanten wird man in der Tat mit solchen Argumenten nicht erreichen, weil ihre Position z.B. eher auf einer emotionalen Grundlage beruht. Da ist zum Einen Geduld gefragt und zum Anderen das Schaffen positiv erlebbarer Gegenbeispiele.

Finde ich ein sehr gutes Beispiel. Und da gab es ja eine ähnliche Diskussion in der Lage. In der Tat kann ich jemandem, der einfach eine emotionale Angst vor solchen Impfungen hat, noch so oft was von Wahrscheinlichkeiten erzählen - das wird ihn kaum erreichen. Anders ist das vielleicht wenn er sieht, dass alle seine Freunde sich impfen lassen und niemand Probleme hatte, während viele Bekannte immer mal wieder schwer an einer Infektion zu knacken hatten.

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Du hast meiner Meinung nach sehr Recht damit, dass nicht immer die beste Strategie in einer Diskussion gerade mit diametral anders denkenden ist, gute, sachliche Gegenargumente zu bringen.

Allerdings finde ich, sollten wir diese Gegenargumente schon kennen und im Zweifel auch parat haben. Alleine schon, weil viele populistische Aussagen einen wahren Kern enthalten, den wir herausarbeiten sollten.

Zuletzt: Der „wahre Kern“ mag in dem einen oder anderen Ausnahmefall sogar berechtigte Kritik begründen, der man sich anschließen kann, was wiederum in der konkreten Diskussion vielleicht hilfreich ist, so nach dem Motto: Du hast schon Recht mit X, das kritisiert man zu Recht. Aber Y lehne ich ab, weil Z. Oder so.

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Da ja alle schon wieder auf Verständnis setzen:

Wie können Nicht-AfD-Wähler:innen möglichst konstruktiv mit den knapp 30 Prozent ihrer Mitmenschen kommunizieren, die menschenverachtendes und demokratiefeindliches Gedankengut mindestens unterstützen? Eine respektvolle Diskussionskultur ist in einer lebendigen Demokratie unabdingbar: Menschen aller politischer Ausrichtungen sollten die Möglichkeit haben, sich sicher miteinander auszutauschen.

In jeder Diskussion ist es wichtig, rassistischen Aussagen deutlich und direkt zu widersprechen. Fehlende Intervention in realen Debatten gibt Rassismus eine gesellschaftliche Legitimität, das unterstreicht etwa die Studie „Rassistische Realitäten“ des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors. […]

Die Sozialpsychologin Pia Lamberty gibt im Magazin fluter zu bedenken: „Je ideologischer mein Gegenüber ist, desto unwahrscheinlicher ist es, dass ich ihn oder sie mit Sachargumenten erreichen kann.“ Für ein Gespräch ohne große Konflikte hilft es, im Voraus abzuschätzen, inwiefern eine respektvolle Auseinandersetzung überhaupt erwartet werden darf. Ei­ne:n AfD-Wähler:in mit einem geschlossenen Weltbild könne man nicht dazu bewegen, anders zu wählen. […]

Immerhin macht Pia Lamberty an dieser Stelle Hoffnung: Die Chance, den Menschen gegenüber mit Worten zu erreichen, sei höher, wenn ein Vertrauensverhältnis zu der Person besteht. Ist diese nicht mehr offen für sachliche Argumente, könne es helfen, das Gespräch auf eine persönliche Ebene zu verlagern, eigene Sorgen und Ängste vor der AfD-Politik anzusprechen.

Wenn der oder die Ge­sprächs­part­ne­r:in aggressiv wird, sollte die Diskussion aus Sicherheitsgründen sofort abgebrochen werden.

Klar kann es sein, dass vielleicht eine familiär oder freundschaftlich verbundene Vertrauensperson mit einer gewissen Art von Verständnis weiterkommt, aber das ist doch der Ausnahme- und nicht der Regelfall.

Das ständige Verständniszeigen führt m. E. in die völlig falsche Richtung, nämlich letztenendes dazu, dass sich die Leute mit abstrusen oder menschenfeindlichen Ansichten in ihrer Meinung bestärkt fühlen.

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Naja bei 30% AfD Wählern in Thüringen dürften statistisch viele einen in der Familie haben. Mit entsprechendem Engagement ist das also kein stumpfes Schwert.

Wo siehst du denn hier im Thread eine Aufforderung, Verständnis zu zeigen? Ich glaube du verwechselst hier „Verstehen“ und „Verständnis“. Dein Zitat von Pia Lamberty bestätigt nun ebenfalls, dass zumindest z.B
bei sehr ideologischen AfDlern Sachargumente für die Tonne sind. Nun lösen sich diese Wähler aber nicht in Luft auf, wenn wir sie ignorieren. Was also wäre dein Vorschlag, um sie wieder zurück zu holen?

Außer Kontakt mit Migranten, der den ‚Qualitätskriterien‘ der Kontakt-Hypothese entspricht, und dem Einwirken von Vertrauenspersonen sehe ich da nichts, was funktionieren könnte.

Bei Sektenanhängern oder Verschwörungstheoretikern funktioniert das auch höchstens auf die zweite Art und Weise, wenn überhaupt.

Das glaube ich nicht. Etwas - wie z. B. psychologische Mechanismen - zu verstehen ist immer die Grundvoraussetzung. Die Methode „[E]infach mal zuhören“ läuft dagegen auf Verständniszeigen hinaus. Und Letzteres kann nur über Vertrauenspersonen, die andere Probleme einer Person quasi ‚laientherapeutisch‘ aufgreifen, ansonsten aber auch ihren Standpunkt gegenüber menschenfeindlichen Einstellungen klarmachen, funktionieren. Ohne eine entsprechend enge Beziehung wird es nämlich nicht möglich sein, beim Gegenüber mit unliebsamen Wahrheiten durchzudringen. Und darauf muss es ja letztlich immer hinauslaufen.

Nein - sehe ich anders. Das vernünftige Zuhören ist die Grundvoraussetzung dafür, um überhaupt die konkreten Beweggründe einer Person zu verstehen. Genau das tut aber kaum noch jemand. Stattdessen reagieren die Meisten relativ allgemein auf irgendwelche Reizworte, die sie hören bzw. versuchen gar nicht das Argument des Gegenübers (so schlecht und oder falsch es auch sein mag) zu verstehen.
So kann das dann natürlich auch nichts werden. Wenn das Gegenüber hingegen merkt, dass man zumindest verstanden hat, was er eigentlich sagen will, ist das eine erstaunlich gute Gesprächsvorraussetzung. Und dazu muss man definitiv kein Familienangehöriger sein. Gefragt ist in so einem Fall halt nur das genaue Gegenteil von dem, was jetzt in dieser Themenkategorie aufgebaut wird. Hier braucht man keine allgemeine Antwort auf eine häufig genannte These, sondern hier muss man ganz speziell und persönlich auf eine bestimmte Person eingehen.
Und da wir als Gesellschaft (eben weil wir Menschen grundsätzlich nicht verachten wollen) auch daran glauben, dass Mörder und Vergewaltiger wieder in die Gesellschaft integriert werden können, gilt das auch für AfD Wähler.

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