Im Interview spricht Beckett das Phänomen des „Konservativismus des Alltags“ an. Das finde ich sehr interessant, weil es m.E. viele Probleme erklärt, die wir bei der Umsetzung progressiver politischer Ideen haben. Und das betrifft sowohl konservative wie auch progressive, politisch links wie rechts eingestellte Menschen. Sehr häufig gibt es in beiden Lagern zumindest einen gewissen Konservativismus in grundsätzlichen Überzeugungen, der nicht morgen völlig reformiert wird, weil heute neue Erkenntnisse auf den Tisch kommen - so überzeugend sie auch sein mögen. Ich finde das kann man auch in der Realität sehr gut beobachten. Es braucht immer eine gewisse Zeit, bis einer grundlegend neuen (wissenschaftlichen) Erkenntnis eine gesellschaftliche Akzeptanz in der Mitte folgt und noch viel länger, bis es diese in der Breite gibt. Das ist im Einzelfalls oft ein Problem. Im Allgemeinen ist es aber natürlich schon auch ein hilfreicher Schutzmechanismus.
Nicht umsonst gibt es in der Technik in sicherheitsrelevanten Bereichen in aller Regel konservative Änderungen, also kleine, inkrementelle Verbesserungen, die sich in der Praxis bewähren müssen, bis der nächste Schritt folgt. Und zwar auch dann wenn es sehr überzeugende, theoretische und experimentelle Nachweise gibt.
Insofern ist es natürlich hilfreich, wenn Politik gut erklärt wird - sagt Beckert ja auch - aber es ist - und ich glaube das denken immer noch viele - nicht allein ausreichend das zu tun. In Fällen, in denen eine politische Akzeptanz in der Breite benötigt wird - und das ist im Kampf gegen den Klimawandel ganz sicher der Fall, weil ganz viele Dinge auch auf kommunaler Ebene umgesetzt werden müssen - müssen diese Menschen durch inkrementelle Schritte überzeugt werden. Und das wichtigste: der Erfolg dieser kleinen Schritte muss erfahrbar sein.
Und genau das ist beim Thema Kampf gegen den Klimawandel sehr schwierig, weil ich nur schwer Etappenziele nachweisen kann (wir machen heute Klimaschutz und morgen ist der Klimawandel ein bisschen schwächer). Heißt aus meiner Sicht aber nicht, dass wir machtlos sind. Es gibt ja durchaus Teilaspekte der Energiewende, deren Erfolge man für Menschen erfahrbar machen kann. Wenn z.B. der erneuerbare Strom so gut funktioniert und so bezahlbar ist, wie der fossile. Wenn das E-Auto so gut funktioniert und so bezahlbar ist wie das fossile. Wenn die Wärmepumpe die Wohnung so warm macht wie die Gasheizung und (zumindest langfristig) auch so bezahlbar ist. Optimistisch gesprochen könnten solche Teilerfolge auch die Akzeptanz für die Energiewende als Ganzes verbessern. Pessimistisch gesprochen könnte ihre Notwendigkeit bedeuten, dass wir den gesellschaftlichen Wandel nicht so schnell hinbekommen wie es aus wissenschaftlicher Sicht sinnvoll wäre. Die Abwägung besteht also immer darin, wie viel Geschwindigkeit ich der Gesellschaft zumute. Ist es zu wenig, dann ist der Erfolg des ganzen Vorhabens gefährdet. Ist es zu viel, dann sperren sich die Menschen und die Erfolge in der Überzeugungsarbeit / im gewonnenen Vertrauen werden möglicherweise wieder zunichte gemacht.
Auch wenn für den ein oder anderen die Analogie zum Konservativismus des Alltags weit hergeholt scheint - tatsächlich würde ich diesen Vergleich ebenfalls unterstützen. Denn in beiden Fällen geht es um Vertrauen. Vertrauen hat man in sicherheitsrelevante Technik aber eben auch in seine grundsätzlichen Überzeugungen.
Ich komme ja aus der Luftfahrt. Hier gibt es einige Beispiele, wo z.B. Werkstoffe intensivst im Labor, in der Analytik, in Langzeittests und Feldversuchen getestet wurden und sich dann in der Flotte doch anders herausgestellt haben. Deswegen gilt hier: Konservative Auslegung. Das ist auch der Grund, warum es technisch durchaus denkbar ist, sehr bald ein flugfähiges, klimaneutrales Flugzeug zu bauen. Nur ich halte es für nicht so realistisch dass wir so bald eines bauen, in das auch Menschen einsteigen.
Menschen haben bzgl. vieler Themen grundsätzliche Überzeugungen aufgebaut, zum Thema Atomkraft z.B, zum Thema gentechnisch veränderte Pflanzen oder zum Thema Impfen. Anhand dieser Themen kann man auch ganz gut beobachten, dass das kollektive gesellschaftliche Verhalten wenn überhaupt nur indirekt oder verzögert auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse reagiert, allerdings durchaus signifikant auf Erlebnisse oder Erfahrungen.
Man wird viele Menschen durch rationale Argumente nicht davon überzeugen können, dass Impfen weniger gefährlich ist als Anstecken, oder dass gentechnisch veränderte Pflanzen nicht gefährlicher sind als gezüchtete. Und man brauchte kein Fukushima um zu wissen, dass auch in AKWs in Industrieländern ein GAU passieren kann. Interessanterweise scheinen Menschen das aber nicht wirklich zu realisieren. So regt sich der Gentechnik Gegner über den Impfgegner auf und umgekehrt.
Und ich denke auch wir sollten dieses Verhalten nicht als dumm oder irrational framen sondern als menschlich - eben weil wir es alle in irgendeiner Form an den Tag legen und oft gar nicht merken. Entsprechend müssen wir es auch im politischen Handeln berücksichtigen. Wobei es dabei natürlich sehr viel Spielraum gibt.
Mir scheint, deine Argumentation geht von falschen Voraussetzungen aus und tappt so in die Falle pluralistischer Ignoranz:
Psychologische Studien zeigen, dass viele Menschen beim Klima in einer falschen sozialen Realität leben. Sie unterschätzen das Klimabewusstsein ihrer Mitmenschen stark – […] auch hierzulande. […]
Pluralistische Ignoranz nennt die Sozialpsychologie dieses Phänomen. Der sperrige Begriff meint ganz einfach, dass Menschen falsch einschätzen, wie ihre Mitmenschen denken und handeln. […]
Die Fehleinschätzung wird dann zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung. Denn Menschen orientieren ihr Verhalten daran, was sie für akzeptiert und weit verbreitet halten.
Das zeigt auch das letzte Soziale Nachhaltigkeitsbarometer:
Interessant ist der Blick auf die tatsächliche und wahrgenommene Befürwortung von Klimaschutzmaßnahmen. So unterschätzen viele die Zustimmung zum Ausbau von Windenergieanlagen im Wohnumfeld. Während die Befragten glauben, dass in Gesamtdeutschland nur etwa ein Drittel (32 Prozent) der Menschen den Windausbau vor Ort befürworten, sind es tatsächlich nahezu doppelt zu viele (59 Prozent). Wenn es um die Frage nach der Bereitschaft zum Energiesparen geht, meinen sie, dass nur knapp über die Hälfte der Mitmenschen bereit sei, weniger Strom und Gas zu verbrauchen – dabei liegen die Zustimmungswerte bei 77 Prozent.
„Eine verzerrte Wahrnehmung der tatsächlichen Meinungsverhältnisse zum Ausbau Erneuerbarer Energien kann sich negativ auf die Genehmigung solcher Anlagen auswirken und der Politik einen falschen Eindruck vermitteln, nach dem Motto: Vor Ort will keiner mitmachen, wenn es um die Umsetzung der Energiewende geht“, warnt Ortwin Renn vom RIFS. „Die Aufklärung über Mehrheits- und Minderheitsverhältnisse zu einzelnen Maßnahmen der Strom- und Verkehrswende ist also sehr wichtig für den politischen Diskurs und Entscheidungsprozess.“
Trotz hoher Bereitschaft hakt es an anderer Stelle:
„Die Mehrheit empfindet die Verteilung der Entlastungen als insgesamt ungerecht und bemängelt insbesondere, dass Menschen mit niedrigen Einkommen nicht ausreichend entlastet werden.“
An einer zeitgerechten Transformation führt ja aus wissenschaftlicher Sicht kein Weg vorbei, schon gar nicht, wenn man den Aspekt der intertemporalen Freiheitssicherung bzw. Generationengerechtigkeit bedenkt.
Durch eine faire Lastenverteilung, die die Situation armer Menschen stärker berücksichtigt, wird auch eine Mehrheit den notwendigen schnellen Veränderungen gegenüber aufgeschlossen sein.
Man muss auch gar nicht alle „mitnehmen“. Es reicht schon eine einfache Mehrheit.
Wer immer glaubt, auch noch die Nachhut und Totalverweigerer überzeugen zu müssen, hat schon verloren.
Vielleicht kann mal ein/e Admin diesen Thread an den schon bestehenden zur selben Podcastfolge angliedern.
Das ergäbe ja Sinn, nicht zweigleisig zum selben Themenkreis zu diskutieren.
Ich denke da sind wir nah beieinander. Vielleicht trotzdem eine Ergänzung: natürlich ist dieses Verhalten total menschlich und deswegen muss auch eine Politik sich darauf einstellen. Auf der anderen Seite bleibt irrational irrational. Natürlich werden wir jemanden der Angst vor Impfungen hat nicht mit Statistiken überzeugen können. Aber ganz grundsätzlich müssen wir als Gesellschaft schon über den Bildungsweg ganz stark die Befähigung pushen, sein Weltbild immer wieder infrage stellen zu können. Und das sollte auch gesellschaftlich belohnt werden. Wenn wir uns z.B. mal die Diskussionen hier im Forum angucken, dann passiert es fast nie, dass mal jemand sagt „stimmt du hast Recht, da hast du mich aber überzeugt“. Und das ist ein bisschen symptomatisch für viele Diskussionen. Wenn Irren als Schwäche ausgelegt wird, dann hemmt das Konsens und damit selbst inkrementelle Änderungen und das wiederum wäre der Todesstoß für jede Demokratie.
Nein, da kann ich dich beruhigen. Die hohen grundsätzlichen Zustimmungswerte zu Klimaschutz-Maßnahmen sind mir sehr bekannt. Was mir allerdings auch bekannt ist, ist das tatsächliche Wahlverhalten und damit die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung im Hinblick auf Klimaschutz.
Je mehr Leute man mitnimmt desto einfacher wird es, einen so grundlegenden Umbau unseres Landes in die Wege zu leiten, wie wir ihn für die Energiewende vor uns haben. Das müssen natürlich nicht alle sein. Eine einfache Mehrheit würde gegenüber heute vieles einfacher machen, aber mit 16 Bundesländern und 11.000 Kommunen würden wir uns bei dieser Aufgabe sehr schwer tun, je mehr dieser Regionen sich gegen politische Änderungen wehren. Wie schon gesagt - das ist am Ende eine Optimierungsaufgabe.
Das mag in der Theorie so sein. In der Praxis ändert selbst ein Verfassungsgerichtsurteil nichts daran, dass ein so grundlegender und schneller Umbau unseres Landes effektiv nur mit einer ausreichend breiten Zustimmung in der Bevölkerung machbar ist.
Das halte ich für vorgeschoben, zumal die Zustimmung ja da ist (s. Nachhaltigkeitsbarometer).
Die einfache Mehrheit ist ja schon vorhanden (s. o.).
Der Verweis auf Bundesländer und Kommunen ist letztlich ein Spiel mit der Verantwortungsdiffusion.
Einiges muss top down gemacht werden, z. B. die verbindlichen Vorgaben für Bundesländer, einen bestimmten Anteil der Landesfläche als Vorrangebiete für Windkraftanlagen auszuweisen, oder das Gesetz zur verbindlichen kommunalen Wärmeplanung. Letztere hat Baden-Württemberg z. B. längst festgeschrieben. Und bei der Flächenbereitstellung für die Windkraftanlagen kommen einige Bundesländer bzw. Regionen plötzlich vorfristig zu Potte.
Wenn man sich erst durch die ganze Republik bis Hintertupfingen durchdiskutieren muss, passiert nichts. Der so forcierte Handlungsdruck wird dann umso größer.
Das hat man z. B. beim Netzausbau gesehen, wo etwa bei Sued(Ost)Link erhebliche Verzögerungen auftraten und -treten. Im Ergebnis bleibt so massenweise Windstrom ungenutzt, weil die Netzdistribution nicht steht.
Bislang konnten auch abgefeimte Transformationsgegnerinnen und -gegner wie „Vernunftkraft“ die Energiewende fast nach Belieben ausbremsen. Die neue Gesetzeslage im Bund schränkt deren Obstruktionsmöglichkeiten nun zum Glück ganz erheblich ein.
Und, wie bereits empirisch belegt, befürworten bereits 59 % den Windkraftausbau vor Ort. Die fundamentaloppositionellen „Schreihälse“ sind aber so laut, dass die Bevölkerung glaubt, es wären nur 32 %.
Da hast du durchaus einen Punkt. Was man jedenfalls sagen kann, ist, dass mutmaßlich ein wesentlicher Teil der Bevölkerung nicht über die tatsächliche Dringlichkeit der Transformationsnotwendigkeit im Bilde ist und auch andere Wissensdefizite bestehen:
Es gibt verschiedene Studien, die sagen, dass nur ein Sechstel der Bevölkerung die Konsequenzen des Klimawandels richtig verstanden hat.
Und diese „Wir haben ja noch Zeit!“-Attitüde wird auch von Desinformationsverbreitern befördert, z. B.:
CDU-Chef Friedrich Merz sieht in der politischen Debatte eine Überbewertung des Klimaschutzes. „Das Thema Klimaschutz rangiert schon seit langer Zeit in den Augen der Bevölkerung nicht da, wo es in der Politik gesehen wird“ [by the way: pluralistische Ignoranz], sagte Merz der Wochenzeitung „Die Zeit“.
Das Argument, die Zeit laufe ab, in der Maßnahmen noch den nötigen Erfolg haben könnten, teile er ausdrücklich nicht. „Es ist eben gerade nicht so, dass morgen die Welt untergeht. Wenn wir in den nächsten 10 Jahren die Weichen richtig stellen, sind wir auf einem guten Weg“, ergänzte er.
Handlungnotwendigkeiten auf Zeitskalen zu verstehen scheint in etwa so schwierig zu sein wie exponentielles Wachstum. Vom Physiker Al Bartlett ist das Bonmot überliefert: „Das größte Manko der Menschheit ist unsere Unfähigkeit, die Exponentialfunktion zu verstehen.“
Und es gibt natürlich auch jede Menge kognitionspsychologischer Trade-offs:
Nahezu jede Partei behauptet ja von sich, sich für Klimaschutz einzusetzen. Da fallen dann natürlich viele auch auf Nebelkerzen und Blendgranaten herein.
Und dann ist da auch noch das Problem von Wahlgewohnheiten, die sich mit höherem Alter tendenziell verfestigen, oder das Phänomen des Konformitätsdrucks.
Weiß ich nicht ob das geschickt ist. Schwerpunkt des Threads soll ja nicht Klimapolitik werden.
Ich finde sowas in einer Diskussion seltsam und ehrlich gesagt grenzwertig. Vor allem wenn eine solche Unterstellung ohne Grundlage und ohne Erklärung gemacht wird. Wir haben das hier im Forum leider immer wieder mal, dass Menschen, die seit Jahren die Grünen wählen und sich privat und beruflich für die Energiewende engagieren, von Menschen, die sie überhaupt nicht kennen, in eine Ecke mit Klimaskeptikern, -verzögerern und Co gestellt werden, wenn sie Aspekte an der Klimapolitik kritisieren. Sehr schade.
Die Umfrage aus dem Nachhaltigkeitsbarometer hat nichts mit dieser Fragestellung zu tun. Diese Umfragen sind doch ein alter Hut: Quintessenz: fast jeder möchte, dass etwas gegen den Klimawandel getan wird. Aber die wenigsten möchten dafür auf etwas verzichten. Genauso wie jeder möchte, dass die Armut in Deutschland verschwindet. Aber die wenigsten möchten dafür selbst etwas abgeben.
Das Zitat stammt 1:1 aus diesem ZEIT Artikel [1]. Das ist ein Interview mit dem Psychologen Stephan Heinzel. Direkt der nächste Satz nach dem zitierten lautet:
„Das ist zu wenig, damit gewinnt man keine Wahlen. Es gibt keine Mehrheit, die die notwendigen Veränderungen wirklich unterstützt.“
Also nochmal: Nein - es gibt diese Mehrheit (Stand heute) nicht.
Man muss sich kein Exponentielles Wachstum vorstellen können, um die Probleme des Klimawandels zu begreifen. Und man muss auch nicht den Fragebogen aus der verlinkten Studie beantworten können, in dem Fragen auftauchen wie „At pre-Covid-19 rates, after how many years we will have burnt our CO2-budget to limit the temperature rise to 1.5°C? 8, 10, 15, 30 years?“
Wir haben eine grüne Partei, die ein gutes Programm zum Klimaschutz hat. Da gibt es auch sehr gute Ideen zum sozialen Ausgleich (und dass die nicht umgesetzt werden liegt nicht an den Grünen). Das ist immer noch nicht ambitioniert genug, aber alle anderen haben praktisch keins. Wer Klimaschutz wirklich ernst nimmt und nicht auf eine Kleinstpartei spekuliert, der wählt die und beißt im Zweifelsfall in den sauren Apfel, wenn ihm etwas anderes am Programm nicht 100% zusagt. Wie viele haben sie bei der letzten Europawahl gewählt? 12%.
Die nächste Unterstellung. Warum auch immer. Nein, das ist kein Spiel - das ist die Art und Weise wie unsere Demokratie in Deutschland funktioniert. Und dass unsere Bundesländer hier eine gewisse Souveränität haben hat seine guten Gründe.
Auch hier wieder: so funktioniert Demokratie. Du kannst natürlich lauter Entscheidungen über die Köpfe der Hintertupfinger hinweg machen und irgendwas werden die dann sicher auch machen müssen. Aber wenn Hintertupfingen keinen Bock auf Energiewende hat, dann wird das sehr sehr schwierig sie dazu zu zwingen.
Um es nochmal zusammen zu fassen: du kannst nicht jeden überzeugen, aber du brauchst eine kritische Masse und die haben wir Stand heute nicht. Stand heute haben wir 12% Grünen Wähler.
[1]
Edit: Rechtschreibung
Schade, dass du Dinge aus dem Zusammenhang pflückst und wesentliche meiner Argumente am Wegesrand liegen lässt.
Vielleicht setzt du dich ja noch mit den anderen Argumenten auseinander. Ich schaue mir deine Replik dann bei Gelegenheit an.
Da gehe ich mit. In einer Podiumsdiskussion zum Thema Fakenews und Co. hat mal jemand gesagt, dass es Sinn macht für sich persönlich neben einem Faktencheck auch einen Narrativ-Check durchzuführen. Denn häufig erscheinen uns viele Dinge plausibel oder unplausibel weil sie gut oder schlecht in ein bestimmtes Narrativ passen, das unser Weltbild stützt.
Ich habe mir das jetzt grob durchgelesen weiß nicht ganz, welche wesentlichen Argumente du meinst. Vielleicht könntest du das deutlicher machen.
Ansonsten muss ich @MarkusS insofern Recht geben als dass es in einer Diskussion schwierig ist, wenn über vorgeschobene Argumente spekuliert wird, ohne dass dafür eine Grundlage erkennbar ist oder genannt wird.
ist leider ein ernst zu nehmendes Problem. Und vor allem ist es kontraproduktiv. Ich erlebe vor allem im beruflichen Umfeld eine Menge eher konservative aber sehr rationale Menschen, die der gesamten grünen Klimapolitik skeptisch gegenüber stehen, die aber einen wesentlichen Teil der Gesellschaft repräsentieren. Und vor allem: mit denen man reden kann. Unser Fokus sollte darauf liegen diese Menschen zu überzeugen und nicht darauf sich darüber zu streiten, ob wir radikale oder sehr radikale Maßnahmen brauchen.
Das würde ich so nicht unterschreiben, denn ich habe da keinen Kampf, insbesondere von Habeck gesehen. Die Grünen Reslos wollen genauso wenig sozialen Ausgleich wie die FDP. Habeck klingt nur netter dabei.
Da ich wenig Zeit habe, nur eine kurze Antwort.
Z. B. geht @MarkusS weder auf meine Ausführungen, dass Top-down-Vorgaben des Bundes zu Fortschritten geführt haben, noch auf die von mir angeführten weiteren Gründe, eine andere Partei zu wählen (Stichworte: Wahlgewohnheit, kognitionspsychologische Trade-offs (s. verlinkte Quelle), Konformitätsdruck usw., Behauptungen fast aller Parteien, sich für Klimaschutz einzusetzen, in Kombination mit dem Streuen von Desinformation) ein.
Beim mangelnden Verständnis geht es übrigens um die Zeitsskalen. Vielen ist nicht bewusst, dass z. B. die Entfossilisierung des Wärmebereichs ja bei sehr begrenzten Personal- und mithin Materialressourcen ja heute schon energisch angegangen werden und parallel zu anderen Transformationsmaßnahmen erfolgen muss. Ergebnisse wie die, dass viele Menschen „eine stärkere Handlungsverantwortung bei Industrie und Politik“ sehen, aus dem Nachhaltigkeitsbarometer, zeigen, dass viele nicht erkannt haben, dass alles parallel erfolgen muss. Als würde es ausreichen, wenn erst mal die anderen (hier v. a. die Industrie) machten. Die von Ortwin Renn beschriebene kognitive Verzerrung enthält übrigens auch unbewusst das Gefühl, womöglich von Trittbrettfahrenden, die erst mal die anderen machen ließen, übervorteilt zu werden. Usw.
Da bloß aufs Wahlprogramm der Grünen zu verweisen, was ja prinzipiell nicht falsch ist, ist einfach zu wenig. Da kaum jemand Wahlprogramme liest und Vorschläge zu einer gerechten Lastenverteilung im grünen Wahlprogrammen daher wohl wenig bekannt sein dürften.
Die grundsätzliche Bereitschaft ist schon da, wie empirische Daten ausweisen. Und wenn’s zum Schwur kommt, sind viele auch bereit, sich zu beteiligen, was auch die bisher weitgehend voluntaristisch erzielten Fortschritte, die jedoch aufgrund kognitiver Verzerrungen (s. Renn-Zitat) ausgebremst wurden, zeigen. Dass Gerechtigkeitsvorstellungen dabei eine große Rolle spielen (nicht übervorteilt werden wollen, gerechte Lastenverteilung usw.) und diverse Fehlannahmen (von Trade-offs über Unkenntnisse über die benötigten Transformationszeiträume in diversen Bereichen bis zu falschen Versprechungen), habe ich versucht deutlich zu machen.
Und ich konzediere gerne, dass Klimaschutz bei sehr vielen Wählenden nicht hinreichend priorisiert wird. Das ist jedoch etwas völlig anderes als eine grundsätzliche Gegnerschaft oder NIMBY-Einstellung.
Nach etwas Überlegung bin ich zu dem Schluss gekommen, dass wir diese Diskussion nicht weiter fortführen sollten, einfach weil die Prognose, dass wir zu irgendeinem konstruktiven Ergebnis kommen, miserabel ist. Im wesentlichen aus 2 Gründen:
- Wir haben kürzlich über das Thema diskutiert, ob es ganz grundsätzlich sinnvoll ist, Klimaschutz Maßnahmen in ihrer Umsetzung auch anhand ihrer Effizienz zu priorisieren. Bei dieser Frage war es nicht möglich zu einem Konsens zu kommen. Wenn das bei einer so einfachen grundsätzlichen, scheinbar trivialen Frage nicht möglich ist, ist das schon mal eine schlechte Prognose.
- Grundvoraussetzung für eine Diskussion, die konstruktiv sein soll, wäre für mich, dass man von der grundsätzlich konstruktiven Absicht des Gegenübers ausgeht. Du hast mehrfach klar zu erkennen gegeben, dass du das nicht tust. Und ohne dieses Mindestmaß an Vertrauen sehe ich auch schwarz für irgendeine Konsensbildung.
Warum auch immer das so ist sei dahingestellt, aber in Summe ist die Prognose damit für mich so schlecht, dass wir hier beide nur unsere Zeit vergeuden würden.
Agreed. Ein Hauptgrund, warum das Überzeugen hier so schwierig ist, ist aus meiner Erfahrung, dass -selbst wenn diese Menschen z.B. Klimaschutzmaßnahmen grundsätzlich gut fänden - sie einfach dieser „grüne Anstrich“ stört. Und zwar im Allgemeinen eher auf einer emotionalen Ebene im Sinne des Konservativismus des Alltags. Gäbe es also eine konservative Partei, die sich Klimaschutzmaßnahmen mit konservativem Anstrich auf die Fahnen schreibt, könnte sie bei manchen dieser Menschen punkten. Da dies wiederum bei der Summe ihrer Wähler schlecht anzukommen scheint haben die entsprechenden Parteien das Thema allerdings abgeräumt. Zumindest in der Theorie könnte eine Partei, die einen Mix aus liberalen, konservativen und linken Ansätzen zum Klimaschutz zulässt dieses Problem lösen. Oder total scheitern, weil niemand sich so richtig angesprochen fühlt.
Vera Schröder zeichnet in der Süddeutschen Zeitung ein düsteres Bild.
Je akuter die Folgen, desto mehr werden bei den Menschen Verdrängungsmechanismen einsetzen.
Wenn die Gefahr zu groß und zu präsent wird, erträgt der Mensch sie nicht mehr, fühlt sich hilflos, überfordert und blendet sie einfach aus.
Weil der Artikel hinter einer Paywall steht: die Überschrift heißt ja: „wie man gegen Klimamüdigkeit vorgeht“. Interessant wäre also zu wissen, was Frau Schröder vorschlägt um das angesprochene Problem anzugehen.
Der Originaltitel ist
Hitze und Klimawandel
Angst lähmt, aber wir bräuchten Tempo
„Hoffnung entsteht, ohne dass man nach ihr gesucht hat, wenn man alle Illusionen und Überlegenheitsfantasien ablegt und lernt, unsere Wirklichkeit mit einem neuen Blick zu betrachten“, schreibt die Philosophin Corine Pelluchon. Dabei, so Pelluchon, sei Hoffnung nicht mit Optimismus gleichzusetzen, also dem Verschleiern des Ernsts der Lage. Sondern Hoffnung bedeutet, beklemmende Tatsachen sehen zu können und dennoch den Mut zu finden, sich eine lebenswerte Zukunft vorzustellen.
Sorry, aber deine Unterstellungen mir gegenüber sind einfach bodenlos.
Angesichts derselben kann man sich, in dem Punkt stimme ich dir zu, wirklich jedwede weitere Diskussion schenken.
Möchte allerdings festgehalten wissen, dass du auf meine Entgegnungen inhaltlich nicht weiter eingehst. Das finde ich schon schwach, ehrlich gesagt.
Einigermaßen kurios ist meines Erachtens deine Haltung, dass Sachauseinandersetzungen immer auf Konsens hinauslaufen sollten (Zitat: „Konsensbildung“).
Aus meiner Sicht ist das ein Ansatz, den man weiter denken sollte. Zumindest scheint ja eine Partei wie Volt (von der man halten kann was man will) da auch eine gewisse Lücke gefunden zu haben. Das entspricht zum einen meiner persönlichen Wahrnehmung. Ich treffe immer wieder mal konservative Menschen, bei denen ich eine gewisse Frustration raus höre, dass es in ihrer Partei keine vernünftigen Ideen zum Klimaschutz gibt, die aber andererseits ein tiefes Misstrauen gegen z.B. grüner Politik hegen, dass auch nicht von heute auf morgen auszuräumen wäre. Zum anderen sieht man ja auch, dass z.B. die FDP Jugend inzwischen genervt von der rückwärtsgewandten Pro-Auto Klientelpolitik ihrer Senior-Parteikollegen ist. Nur bis sich so eine Bewegung etabliert hätte, würde es vmtl. viel zu lange dauern.
Es könnte sich trotzdem lohnen. Aktuell ignorieren Parteien wie CDU und FDP schlicht einen Teil ihrer Wähler, der gerne mehr Klimaschutz machen würde. Sie wissen, sie können sich das leisten, weil die meisten diesen Kurs zähneknirschend akzeptieren werden. Der Schritt wegen dieser Unzufriedenheit jetzt Grüne oder SPD zu wählen wäre dann doch zu groß. Das wäre vielleicht anderes, wenn es eine Alternative gäbe. Sprich: selbst wenn eine solche „Klimaschutzpartei der Mitte“ noch tief in der Findungsphase stecken würde, würde sie zumindest Druck auf die etablierten Parteien ausüben, wenn’s gut läuft.