Wenn Einzelerfahrungen, die zudem sicherlich durch eine rassistische Disposition auf der Seite der Personen, die von den Erfahrungen erzählen, geprägt sind, eine größere Rolle spielen als Empirie, dann erlaube ich mir mal von meinen Erfahrungen zu sprechen.
Zum einen wohne ich in Frankreich in einer relativ internationalen Gegend und habe sogar hier und sogar als weiße Migrantin Diskriminierungserfahrungen machen müssen. Und nein, ich verursache keine Schlägereien und Messerstechereien, ich schmeiße nicht mit Böllern, ich belagere niemanden, habe versucht, mich zu integrieren, bin sogar als Lehrerin von französischen SchülerInnen eingesprungen, um zu helfen, und verhalte mich auch ansonsten (hoffentlich) gesetzeskonform. Ausländerfeindlichkeit kommt fast von allein und ohne besonderen Grund. Aus tradierten Vorstellungen, aus eigener Not, aus Neid,… Nicht aus realistischen, belastbaren Gründen.
Zum anderen habe ich viele Kontakte mit Menschen mit internationaler Geschichte, hier in Frankreich, aber auch wenn ich in Deutschland bin: Mit der Busfahrerin, der Supermarktkassiererin, dem HNO-Arzt vor 30 Jahren, mittlerweile sogar bei fast jedem Kontakt mit Ärztinnen in Deutschland wegen der Krankheit von Vater, Mutter, Sohn…, mit dem Pfleger, dem Mieter … etc… etc…
Meine beste Freundin in der Grundschule war Tochter von Migranten. Italiener, damals genauso diskriminiert wie heute Afghanen. Habe eine angeheiratete Familie mit viel internationaler Geschichte.
Selbstverständlich gibt es Böllerschmeißer und Messerstecher, aber erstens liegen die Gründe dafür nicht in einer Einwanderungsgeschichte, sondern meistens in den sozio-finanziellen Strukturen (zusammengepfercht, Arbeitsverbot, Unsicherheit, Angst vor Abschiebung, fehlende Familie, fehlende Perspektive, fehlende Deutschkurse …) und zweitens sind sie die Ausnahme. Die meisten Migrantinnen und Migranten suchen Schutz (vor Krieg, Hunger, Verfolgung…) und wollen arbeiten. Menschen möchten dazugehören. Sie möchten teilhaben und sich einbringen. Was für ein Menschenbild soll das sein, das davon ausgeht, dass Menschen gern „auf der faulen Haut liegen“ oder anderen zur Last fallen.
Drittens: Ich habe auch Angst, zum Beispiel vor Jugendgruppen voller Testosteron, egal ob weiß, braun oder schwarz. Vor Leuten, die gegen Ausländer hetzen, manchmal noch in den althergebrachten Springerstiefeln, aber mittlerweile auch im Maßanzug. Vor dieser völlig abgedrifteten, völlig irren Diskussion in Deutschland.
Ich möchte nach Deutschland zurückkehren. Wegen der Familie. Aber Deutschland macht mir Angst. Der Rechtsdrift macht mir Angst. Die Frage ist nur: Ist Frankreich oder ist Deutschland schlimmer? Und wenn das schon mir Angst macht, warum sollten dann Menschen, die nicht deutsch und nicht weiß sind, angstfrei als Fachkraft einwandern? Sie werden nicht einwandern in ein einwanderungsfeindliches Land.
Bestraft Straftäter. Dafür haben wir Gesetze. Das ist alles, was ich zum Thema Straftaten zu sagen habe.
Stattet die Kommunen, die Schulen, die gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften mit ausreichend Finanzmitteln aus. Mit ausreichend Sozialarbeiterinnen und Lehrern. Fördert die städtische/dörfliche Gemeinschaft vor Ort, die Vereine, Jugendtreffs, die genossenschaftlich organisierten Läden, die Fahrgemeinschaften. Schafft Kontakte, schafft Perpektiven. Ermöglicht Selbstwirksamkeit.
Hört auf, Menschen abzuschieben, die bereits integriert sind und Arbeit haben - Das ist nämlich das, was passiert. Genau die Falschen erwischt es, weil man sie aufgreifen und damit die eigene Abschiebestatistik „verbessern“ kann.
Und verfolgt endlich Steuerhinterzieher (statt Migranten und Bürgergeldempfänger) und beteiligt Menschen, die von ihrem Vermögen leben, endlich angemessen an den Lasten.
Wer Probleme- egal welche - immer auf Einwanderung schiebt, geht der Meistererzählung auf den Leim