LdN 384 Infrastruktur und Wahlverhalten

Danke für den tollen Beitrag zum Zusammenhang zwischen Infrastruktur und Wahlverhalten! Ganz hervorragend!

Striktes Spardiktat und gleichzeitige Verweigerung, finanzstärkere Teile der Gesellschaft mehr zu belasten, führen zu schlechter Infrastruktur und damit zu mehr Prozenten für die AfD &Co.

Austeritätspolitik gefährdet unsere Demokratie.

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Danke für die Darstellung der Studienergebnisse.

In diesem Zusammenhang verweise ich auf das Interview mit unserem Finanzminister auf der OMR Konferenz 2024.

Angesprochen auf diese Studien und den Zusammenhang „zwischen Sparpolitik und dem Erstarken von rechten Parteien“ antwortet er lapidar „an diese Studien glaube ich nicht“.

Leider handelte es sich trotz des Titels bei weitem nicht um ein kritisches Interview, so dass dieses neo-liberale Glaubensbekenntnis unkommentiert blieb und Lindner dem gegenwärtigen FDP-Prinzip der Verantwortungs-Vermeidung treu bleiben kann.

Hier der Link zum Video, die Stelle findet ihr bei der Zeitmarke: 12:35

Christian Lindner im kritischen Interview mit Eva Schulz

Das Video bietet noch zahlreiche andere Einblicke in das Selbstverständnis diesen Politikers.

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Ich verstehe den in der Studie dargestellten Zusammenhang zwischen der Förderung von Infrastruktur etc. und dem Wahlverhalten.

Jetzt bin ich mal ein wenig böswillig und drehe den Zusammenhang um. Ohne das Geld aus Brüssel gäbe es noch viel mehr Zustimmung zu AfD und Co. Das passt ja auch zum berühmten „geht es Deutschland schlecht, geht es uns gut“ Satz. Mit der Erkenntnis kommt die Ernüchterung, dass das Trennenden zwischen demokratischem Teil der Gesellschaft und den anderen, Geld aus Brüssel ist und nicht gemeinsame Werte … rein logisch argumentiert.

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Würde eher sagen ineffektive Politik führt zu schlechter Infrastruktur.

Meine Erfahrung ist, dass viele Projekte nicht am Geld scheitern, sondern an der Unfähigkeit die PS auf die Straße zu bringen. Beispielsweise in der Digitalisierung sind Milliarden versenkt worden ohne das dabei viel rausgekommen ist. Zwar wird immer nach mehr Geld geschrien, aber hinter hervorgehaltener Hand sagen eigentlich alle das genug Geld da ist.

Bevor also nach mehr Schulden oder höheren Steuern gerufen wird, sollte erst einmal die Effizienz und Effektivität des Systems massiv verbessert werden. Will natürlich keiner dran.

Bezüglich Steuergerechtigkeit würde ich dir allerdings Recht geben - da ist massiver Nachholbedarf. Ansonsten bin ich bei Lindner - der Staat muss erst mal lernen das Geld besser zu nutzen was er hat.

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Das hab ich mir auch gedacht. Die Studie spricht doch für eine (konservative?), auf Wirtschaftswachstum ausgerichtete Politik. Im Sinne von: Wenn die Wirtschaft in den nächsten zehn Jahren nicht gut läuft, wird es auch in demokratischer Hinsicht bergab gehen …

Wenn ich es richtig verstanden habe, hat die Studie belegt, dass es in den Gegenden weniger rechtspopulistischer Tendenzen gegeben hat, wo mehr EU-Geld in die Infrastruktur geflossen ist.

Ich glaube also, dass ihr euch die Studie erstmal genauer ansehen solltet.

Mangelnde öffentliche Investitionen in die Infrastruktur führt zu weniger Vertrauen in Staat und Gesellschaft und damit zu mehr Rechtspopulismus. Es geht eben doch sehr wohl um Geld. Ohne Geld keine Investitionen.

Das ist doch genau der Punkt…(???)

Darum ging es in der Studie nicht und auch nicht hier im Thread. Es geht darum, dass ein direkter Zusammenhang zwischen öffentlichen Investitionen und dem Wahlverhalten der Bürger festgestellt wurde.

Wohnraum für „Geringverdiener“ ist auch ein Stück weit Infrastruktur. Die Politik hat in den letzten 30 Jahren dieses Feld stark vernachlässigt.
Bei uns hängen allenthalben AfD Schilder mit „Abschieben schafft Wohnraum“. Ohne Defizite in diesem Bereich würde der Slogan ins leere laufen.

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Darauf wollte ich hinaus. Ein Narrativ der AfD ist ja: „Die Gegendemonstranten wurden dafür bezahlt“ - also ohne Geld würden sie nicht gegen die AfD demonstrieren. Die Studie bestätigt quasi dieses Narrativ.
Zitat beim Spiegel: „100 Euro pro Kopf reduziert Stimmen für Rechts um 0,5 Prozentpunkte“. Geht es nur mir so, dass als schwierigen Zungenschlag zu empfinden?

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Die einen demonstrieren aus persönlichem Interesse, die anderen aus Überzeugung.
Das ist bei den Bauern so, das ist bei FFF so und natürlich auch bei den Demos gegen Rechts.
Wer die AFD wählt, tut das auch oft, weil er einen persönlichen Vorteil erhofft.
Ich würde sogar so weit gehen, dass, wenn die AFD schon die Geldfrage aufmacht, die meisten ihrer Kandidat:innen das macht, weil sie hoffen, danach einen gut dotierten Job für sich und ihre Freunde zu ergattern.

Für die gut dotierten Mandate in den Parlamenten in Brüssel, Berlin und Stuttgart finden sich ja ausreichend Kandidatinnen und Kandidaten, nur eben nicht fürs kommunale Ehrenamt. In der jüngsten Sonntagsfrage für Baden-Württemberg kommt die AfD auf 14 Prozent, im Herbst 2023 wurde sie sogar bei 20 Prozent notiert - in einer der wohlhabendsten Regionen Deutschlands.
Kommunalwahlen: Wo sich die AfD lieber rar macht - Politik - SZ.de

Die Aussage von Lindner im Rahmen des OMR hatte ich dazu auch gleich im Ohr. Danke für das Teilen.
Die Schuldenbremse und unser Verständnis vom „Steuerzahlergeld“ ist Gift für die Demokratie und die Wirtschaft im ganzen. Nur ein paar wenige können sich von dieser Gläubigkeit der Massen einen Vorteil verschaffen.
Und das alles ist nicht Gott gegeben, sondern wurde sich nach den ersten Weltkrieg ausgedacht um den Staat möglichst klein zu halten.
Nachzulesen in „the capital order“

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Vielen Dank für die Vorstellung dieser Studie aber ich hätte hier gleich mal die Antwort von Freund Christian Lindner zu diesem Thema.

Interview mit C-Lindner

Have Fun. (Anders kann man das nicht mehr sagen sorry)

Mein Beitrag wurde hierher verschoben. Ich hatte diesen scheinbar übersehen. Daher ist das Video nun doppelt. Aber kann in diesem Fall nicht schaden :slight_smile:

Was mir sowohl im Podcast, als auch jetzt gerade hier im Forum etwas fehlte, ist die kritische Einordnung der Publikation. Vielleicht hat Christian Lindner doch mehr recht, als wir denken würden. Ich bin kein Wirtschaftswissenschafler, wie die Autoren der Publikation, sondern Naturwissenschaftler (wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Universität), deshalb kann ich insgesamt nicht beurteilen, ob die Methoden generell geeignet sind. Mit fehlen innerhalb der Veröffentlichung aber grundsätzlich einige Punkte. Zunächst der Link zur Studie, damit wir auch alle auf dem gleichen Stand sind:

Das beim Kiel Institut für Weltwirtschaft veröffentlichte Paper

Deutsche Zitate entnehme ich aus dem Kiel Policy Brief, der sich nur auf die Auswirkung am rechten Rand bezieht:
Kiel Policy Brief

  1. Es scheint sich um ein sogenanntes working paper zu handeln, welches mit folgendem Hinweis versehen ist:

The responsibility for the contents of this publication rests with the authors, not the Institute. Since working papers are of a preliminary nature, it may be useful to contact the author of a particular issue about results or caveats before referring to, or quoting, a paper. Any comments should be sent directly to the authors.

Ich versehe es also so, dass es sich nicht um ein peer reviewed oder gar eingeordnetes Ergebnis handelt.

  1. Ich finde keine Übersicht, welche Parteien als rechtspopulistisch gewertet wurden.

  2. Abbildung 1/Figure 1 zeigt, dass es einen generellen Anstieg der Stimmenanteile der Stimmenanteile für rechtsextreme Parteien gibt. Größtenteils auch in den infrastrukturell geförderten Gebieten. Die Aussage

Tatsächlich sinkt die Unterstützung für populistische Parteien in europäischen Regionen, die Mittel aus dem Entwicklungsziel (Ziel-1) der EU-Strukturfonds erhalten, um etwa 20 Prozent.

ist so erstmal schwierig zu bewerten. Besser, aber nicht mit Zahlen versehen ist die Aussage:

Regionalpolitische Maßnahmen [können] den Aufstieg populistischer Parteien bremsen.

Diese Aussage ist allerdings nicht quantifiziert. Ein Methodenfehler wird für keine Aussage angegeben.

  1. Es findet meines Erachtens kein Test von Gegenhypothesen statt.
  • Die ostdeutschen Bundesländer sind zwischen 2009 und 2019 aus der Förderung herausgefallen (Abbildung 1/Figure 1) und haben einen starken Anstieg der rechtspopulistischen Stimmen zu verzeichnen. Die AfD gibt es aber auch erst seit 2013, sie kann in der vorherigen Periode nicht gewählt worden sein. Wurden solche Effekte mit den gewählten Methoden berücksichtigt? Diese Diskussion fehlt in der Studie.
  • Migration ist eventuell auch ein starker Korrelator für die Stimmen an rechtspopulistische Parteien, kann das als Grund ausgeschlossen werden? Bekommen vielleicht strukturstärkere Regionen, die keine Förderung erhalten, mehr Flüchtlinge zugewiesen, sind die Probleme in diesen Regionen dadurch offensichtlicher? Dazu gibt es keine Diskussion.
  • In der Einleitung wird darauf verwiesen, dass die ökonomischen Zusammenhänge bei der Wahl von rechtspopulistischen Parteien geklärt sind. Mir wird nicht ausreichend diskutiert, inwieweit die verwendeten Methoden geeignet sind, diese bereits bekannten Zusammenhänge ausreichent zu berücksichtigen. Sie könnten den gemessen Effekt ja sogar verstärken.
  • Mit der Osterweiterung sind in den dann nicht mehr so stark geförderten Ländern Themen wie: Arbeitsplatzmangel, Lohn-Dumping, grenzüberschreitende Kriminalität (insbesondere Nach Öffnung des Schengenraumes) in den öffentlichen Diskurs aufgenommen worden, welche eventuell auch die öffentliche Meinung unabhängig vom Zustand der Straße beeinflussen. Zu solchen Themen fehlt mir die Diskussion der möglichen Auswirkungen auf die Ergebnisse und wie das umgangen wurde.
  • Die Mittel müssen beantragt werden, sie werden nicht automatisch ausgeschüttet. Inwieweit besteht ein Zusammenhang, zwischen proeuropäischen Kräften, die mit den Möglichkeiten der EU im Wahlkampf werben und die Mittel dann auch beantragen und damit die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhöhen und die Zufriedenheit mit der EU steigt. Gibt es gegenteilige Effekte in anderen Regionen? Kann das das Ergebnis beeinflussen?

Im großen und ganzen sind die Ergebnisse interessant, aber bilden vielleicht auch erst die Grundlage für genauere Untersuchungen. Zu einer Aussage hinsichtlich der Wirksamkeit von Infrastrukturförderungen würde ich mich auf Grundlage dieser Daten erstmal nicht hinreißen lassen - aber vielleicht sind hier ja fachkompetente Erklärer unterwegs!

Das hätte ich gerne mit Zahlen unterfüttert.
Also dass Regionen, die besonders viele Flüchtlinge zugewiesen bekommen, besonders stark rechts wählen.
Zum Einstieg eine Karte:

Diskussion im wissenschaftlichen Sinne. Nicht, dass die Behauptung bereits belegt sei. Die Idee, dass die Wahlergebnisse rechter und rechtspopulistischer Parteien seit 2015 durch die „Flüchtlingskrise“ besser werden gibt es in Deutschland ja eben seit damals. Herr Lindner hat es ja ebenso angesprochen. Es könnte also nützen, zur Unterstreichung des eigenen Ergebnisses zu prüfen, ob an diesem Narrativ etwas dran ist.

Das liegt aber an der Berichterstattung und einer diffusen Angst vor Fremdem.
Es liegt aber gerade nicht an den Erfahrungen, die dann vor Ort gemacht werden.

Das kann ich nicht beurteilen und das ist auch gar nicht der Punkt. Es geht um etwas anderes: Solche Korrelationsstudien sind wichtig, um Zusammenhänge zu erkennen. Wie die Autoren aber selber ansprechen, ist das keine Interventionsstudie, sondern eine retrospektive Auswertung vorhandener, aus anderen Gründen als zur wissenschaftlichen Auswertung des Wahlverhaltens erhobene Daten. Da ist es immer schwierig, aus einer Korrelation eine Kausalität abzuleiten. Deshalb machen sie an der Stelle auch drei verschiedene Untersuchungen.

Nun gibt es jedoch die These (entsprechend dem Zitat von Herrn Lindner), dass die Migration auf das Wahlverhalten einen Einfluss hat und dass es dafür auch (politikwissenschaftliche) Beweise gebe. Eben weil retrospektive Korrelationsstudien diesen von den Autoren angesprochenen Limitationen unterliegen, ist es notwendig zu prüfen, ob es andere Korrelationen gibt, die die Beobachtung ebenfalls erklären können. Da ist es egal, was man von anderen Thesen hält.

Diese meiner Meinung nach fehlende Suche stelle ich als Schwäche des Papers heraus. Es kommt eventuell auch eine negative Korrelation raus, die zur Aussage führt, da, wo weniger Flüchtlinge untergebracht werden, ändert sich das Wahlverhalten am stärksten Richtung populistischer Parteien. Das Prüfen dieser These hat nichts damit zu tun, belegen zu wollen, dass Migration zur populistischen Wahlen führt, sondern nur das Ziel, zu prüfen, ob es andere Gründe für das beobachtete Verhalten geben kann, als das Ausbleiben europäischer Investitionen. Genauso, wie ich angesprochen habe, inwieweit die Verfügbarkeit rechtspopulistischer Parteien eine zeitliche Korrelation darstellen kann. Diese Art Fehler (confounder) hätte ich gerne in der Studie diskutiert gesehen.

Ein klassisches, plakatives Lehrbeispiel ist das Storchen-bringen-die-Babys-Beispiel:

Thesen nicht zu prüfen, weil man denkt, dass sie nicht zutreffen, ist die gleiche Art Fehler, wie nur Thesen zu prüfen, von denen man erwartet, dass sie sich als zutreffend erweisen.

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Es gibt nicht nur eine Studie, die den Zusammenhang zwischen Austeritätspolitik und Rechtspopulismus belegt. Es sind viele https://www.volksverpetzer.de/faktencheck/lindner-sparpolitik-staerkt-afd/

Wer diese Studien grundsätzlich infragestellt, diskreditiert die wissenschaftliche Einordnung.

Das ist unsäglich und gefährlich.

Abgesehen von der wissenschaftlichen Untermauerung ist der Zusammenhang auch einfach völlig logisch. Wer in seinem Ort erlebt, wie vieles nicht mehr funktioniert, aus Kostengründen und Streichungen nicht mehr funktioniert, der verliert Vertrauen in die Institutionen und den Staat.

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Der Vollständigkeit halber muss man aber anmerken, dass die Karte ein deutlich anderes Bild liefert, wenn nur auf Nicht-EU-Ausländer:innen geschaut wird:

EDIT: Die Karte ist nicht perfekt, da sie den Anteil von Nicht-EU-Staaten an allen Nicht-Staatsbürger:innen zeigt und nicht den Anteil an der Gesamtbevölkerung. Trotzdem interessant.

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Ich will nicht in Frage stellen, dass es einen Zusammenhang zwischen Infrastruktur und Wahlverhalten gibt, aber ob die Wahlerfolge der AfD überall zu einem großen Teil durch Infrastruktur etc. erklärt werden können wage ich zu bezweifeln und zwar aus folgender Betrachtungsweise heraus:

Im Osten ist die AfD unter anderem im Erzgebirge am stärksten. Das Erzgebirge steht aber wirtschaftlich und bezüglich der Infrastruktur im Schnitt deutlich besser dar als z.B. die meisten Regionen Brandenburgs oder Mecklenburg Vorpommerns. Und dennoch wählten z.B. bei der letzten Bundestagswahl im Erzgebirge über 30% die AfD in den anderen Gebieten zwischen 14 und knapp über 20%. Das ist doch ein signifikanter Unterschied.

Oder nehmen wir Dresden vs. Leipzig. Beides Städte die sich von der Infrastruktur nicht viel nehmen dürften. Meines Wissens sind die Wirtschaftlichen Kennzahlen für Dresden sogar deutlich besser. Und dennoch wählen in Dresden doppelt so viel Leute die AfD wie in Leipzig.

Gleiches gilt bei der Betrachtung an der Grenze zwischen Ost und West. Obwohl z.B. auch im Landkreis Hof ähnliche Probleme vorhanden sind wie im benachbarten Vogtland wählen nicht mal halb so viele Menschen die AfD.

Ich möchte nicht bestreiten, dass Gegenden die wirtschaftlich und Infrastrukturell abgehängt sind ein Feld bieten auf denen Parteien wie die AfD leichter wachsen können, weil sich die Menschen schneller von den Parteien in der Verantwortung abwenden, aber wie stark das ist und ob Protestwähler eher rechts oder links oder ganz anders (z.B. gar nicht) wählen ist dann doch nochmal eine ganz andere Frage.

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