LdN 383 – Sylt-Video: Sollte der Song noch gespielt werden?

Hallo,

nach dem Sylt-Vorfall und weiteren in ganz Deutschland geht das Oktoberfest schon jetzt dazu über, den Song „L‘Amour Toujours“ von Gigi D‘Agostino zu verbieten.

Ich selbst bin als DJ auf zahlreichen Events unterwegs, lege auch in Clubs und auf öffentlichen Festivals auf. Der Song ist eine der Dance-Hymnen der letzten Jahrzehnte – wurde zahlreich gecovert und gehört normalerweise in meine DJ-Sets rein.

Nun stehe ich aber vor der Frage: Sollte man den Song noch spielen? Ich will ihn nicht den Nazis überlassen, denn, und das gehört dazu: Gigi D‘Agostino ist Italiener, der Titel des Songs ist französisch, die Lyrics sind englisch. Mehr Vielfalt in einem Dance-Song geht eigentlich gar nicht.

Am Ende habe ich Angst, als DJ von meiner eigenen politischen Bubble an den Pranger gestellt zu werden, weil ich den Song gespielt habe – das reicht heute ja von abfälligen Kommentaren in den sozialen Medien bis zum Herausfinden der eigenen Wohnanschrift.

Wie steht ihr dazu: Einknicken und den Song aufgeben oder konsequent und bewusst öffentlich aufführen (mit all den negativen Aspekten, die Letzteres hätte)?

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Differenziert betrachten?

Ich würde ihn auf einer Feier mit Leuten die sich politisch klar gegen rechts abgrenzen wohl spielen, bei der Dorffeier wo man nicht weiß was die Leute draus machen und ob nicht irgendwelche Leute das zum Anlass nehmen das falsche zu singen eher nicht.

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Das Thema wurde ja schon an anderer Stelle angedeutet, aber ich finde es wichtig, darüber nochmal zu diskutieren.

Meiner Meinung nach sollte der Song trotzdem gespielt werden. Die Rechten werde, wenn sie möchten, immer neue Lieder, Memes oder war auch immer sich im Internet schnell verbreitet, finden, um es für ihre Zwecke zu okkupieren. Das lässt sich in der Schnelllebigkeit des Internets kaum verhindern und wäre vermutlich gleich dem Versuch, Rauch mit bloßen Händen zu fangen. In dem Ziel, widerstandsfähig zu wirken, würde die demokratische Mehrheitsgesellschaft dann eher aber den Eindruck erwecken, quasi den Rechten hinterher zu hinken und nur im Nachhinein alles aus der kulturellen Szene zu verbannen, was von Rechten missbraucht worden ist. Nein, ich denke nicht, dass das die Art und Weise ist, wie wir mit diesem Problem umgehen müssen.

Ich denke, der Ansatz muss ein deutlich offensiverer sein: Wir dürfen uns nicht von den Rechten ins Bockshorn jagen lassen, sondern ganz provokant und vielleicht sogar bewusst diese Lieder spielen – und dann, sobald die Nazis wieder versuchen, sie für ihre Propaganda und ihren Hass zu verwenden, klar dagegen Stellung beziehen. Das ist von Situation zu Situation unterschiedlich gut machbar. Doch du als DJ bist hier besonders gefragt, denn du hast gewissermaßen die Macht über alle, die gerade zu der Musik tanzen, mitsingen etc.: Wenn du hörst, dass wieder á la Sylt solche Parolen gesungen werden: brich einfach ab. Mach eine Durchsage, dass solche Inhalte in deinem Club nichts zu suchen haben. Die Wirkung ist viel größer, als wenn das Lied einfach nicht gespielt wird, was im Zweifel entweder gar nicht mitbekommen, oder zweitens – s.o. – als ein Wegducken wahrgenommen wird.

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Der Song kann doch nichts dafür, dass er von Idioten vereinamt wurde. Mir missfällt der Gedanke alles zu verbieten, weil es auch von rechten instrumentalisiert werden kann. Lasst uns, oder eben den friedlich feiernden Menschen, die Hoheit über das Lied.

Im Ernstfall müssen eben einzelne Idioten aus dem Publikum entfernt werden. Nicht aber ein Lied aus einer Setlist. Das wird auch dem Künster nicht gerecht, der einen Dance Klassiker geschaffen hat. Keine rassistische Parole

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Ich möchte für die Diskussion zu Bedenken geben, dass die Frage nicht bei Songs stoppt.

Es gibt auch Worte (Remigration) oder Marken (Helly Hansen, Dr Martens) deren Verwendung kontrovers diskutiert wird weil Rechte sie zu Codes gemacht, sich damit ihrer bemächtigt haben.

Eine Antwort wie man mit L’Amour toujours verfährt muss auch diese Komplexe mitdenken. Eine Sonderlösung für Songs wirkt sonst sehr beliebig.

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So wie sie gestellt ist, ist das ja fast eine rhetorische Frage. Die Idee ist es, Songs, die überhaupt nichts mit rechtem Gedankengut zu tun haben aufgrund ihres Ohrwurm-Charakters mit rechten Texten zu „infizieren“. Wenn man das konsequent zuende denkt, dann kann die Antwort ja nur sein, dass man sowas nicht zulässt.
Das Problem ist halt: viele Clubs, die gesehen haben, welchen Shitstorm das Pony abbekommen hat (obwohl sie aus meiner Sicht in der Situation nur sehr bedingt hätten handeln können) wird das Risiko nicht eingehen und allein deshalb den Song von der Playlist streichen.
Mit dem Dilemma wird man leben müssen. Aus meiner Sicht muss daher hart gegen den Missbrauch solcher Songs vorgegangen werden aber mit einem gewissen Pragmatismus gegenüber den Club-Betreibern / DJs. Was man m E. erwarten kann ist, dass ein DJ über die Kontroversität eines Songs informiert ist und ggf. ein entsprechendes Statement vorausschickt und dass die Betreiber unmittelbar handeln, wenn Vorfälle gemeldet werden.

Bei einem amerikanischen Krieg (Irak-Krieg?) wurde bekannt, dass die Soldaten gerne Fire Water Burn von Bloodhoundgang spielten, während sie feindliche Ziele mit Raketen beschossen. Da kommt die Zeile „Burn, motherfucker, burn“ vor (in den Sinne, geh beim Feiern an deine Grenzen).
Obwohl ein beliebtes Partylied, wurde es erstmal nicht gespielt. Und das zu Recht.
Ich würde jetzt direkt nach der Sylt-Geschichte darauf verzichten, wenn Gras über die Sache gewachsen ist, kann man es ja wieder spielen. Oder man leitet es entsprechend ein: „Diese 15 Sekunden sind für alle Rechten hier. Danach verlasst bitte den Laden.“

Und ja:
Auf Volksfesten kann der Gastgeber es verbieten, wenn er es momentan als zu sehr politisch aufgeladen findet. Jeder Musiker/DJ kann es selbst für sich bewerten, ob er sich darauf einlassen will oder nicht. Deren Auftraggeber hat auch das Recht, zu sagen, welche Songs er besonders gerne und welche er gar nicht hören möchte.
Sehe da gewisse Parallelen zu Leila.

Finde ich gut. Ein Statement gegen Nazis vorschieben, dann kann man das auch spielen. Gerne davor und danach Party-Evergreens gegen Nazis spielen. Da gibt es exzellente Songs. Falls DJs Hilfe brauchen, ZSK hat da mal was vorbereitet:

Das Problem ist, dass vorgeschobene Statements zwar in der jeweiligen Situation (also im Club) einen Effekt erzielen, aber nicht im Nachhinein. Im Nachhinein werden nur aus dem Kontext gerissene Schnipsel verbreitet, die belegen, dass es vielleicht auch in diesem Club Leute gab, die die Nazi-Version gesungen haben. Dann bringt es auch nichts, wenn ich den Song abbreche – der Moment ist ja festgehalten und ein paar Minuten später bei TikTok (ohne den erfolgten Abbruch).

Nach Rücksprache mit dem Club-Betreiber verzichten wir vorerst auf diesen Song. Ganz ehrlich: Ich kann das verstehen, finde es aber sehr schade. Aber wenn auch nur ein Video viral geht, wie die Nazi-Version in diesem Club gesungen wird, dann hat der Club ein PR-Problem – selbst wenn ich ihn rechtzeitig abbreche. Und bei TikTok hatte ich in den Kommentaren gelesen, wie selbst der DJ auf der Sylt-Party in die Verantwortung genommen wurde.

Da verbrennt man sich nicht die Finger, knickt aber leider gleichzeitig ein …

Das Video, das viral ging, wurde von diesen Leuten selbst online gestellt.
Ich weiß nicht, ob es sonst diese Wirkung erzielt hätte.
Aber gerade das selbst veröffentlichen zeigt nun mal, welch Geistes Kind man ist.
Dass die Empörung dann immer gleich übers Ziel hinausschießt ist leider Standard.
Dass man nicht alles was dann öffentlich bejammert wird, für bare Münze nehmen darf, auch.
Dass nun einer aus Düsseldorf sich beschwert, die Geschichte hätte dazu geführt, da er selbst an dem Abend im Pony war, dass er nun als Nazi bezeichnet wird, lässt sich schlecht nachprüfen, ist uns sicher eine Krokodilsträne wert, sagt aber mehr über seine Freunde als über die Geschichte aus.

Differenziert betrachten.

Zum 1x1 im Handwerk eines DJs gehört es doch, die Stimmung im Raum und die Gäste einzuschätzen. Wenn man auf einer Veranstaltung damit rechnen muss, dass die Parolen gegrölt werden, und dann dieses Lied spielt, macht man sich bzw. als Betreiber schon ein wenig verantwortlich. Wenn man sich nicht sicher ist kann man es ja auch entsprechend einleiten, so nach dem Motto „mit dem nächsten Lied zeigen wir, dass wir uns die Musik nicht von rechten A******** kaputt machen lassen!“ - dann wissen alle, die in Versuchung geraten können, Bescheid woran sie sind. Das widerrum klappt natürlich nicht auf einer Elektroparty, wo solche Ansagen nicht üblich sind.

Bei Großveranstaltungen wie den Wiesn kommt man ggf. um eine generelle Regelung nicht herum. Da besteht natürlich die Gefahr des Streisand-Effektes (Leyla), aber die perfekte Lösung gibt es halt nicht.

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Ich bin weiterhin der Meinung, dass das unkritische Spielen des Songs keine gute Lösung ist. Ein paar gute Gedanken dazu sind schon angeklungen.

Dabei ist zu bedenken, dass die Menschen im Club oder Zelt nicht wissen, mit welcher Intention der Song gespielt wird. Man kann nicht lange reden und differenzierte Rezeption in so einer Situation verlangen. Dazu trägt auch bei, dass sich der Künstler, der eine gewisse Definitionsmacht hat, nicht klar zu der rechten Vereinnahmung geäußert hat, sondern sich auf vage Allgemeinplätze geflüchtet hat.
Da nun bekannt ist, dass er eine echte Chiffre ist, sorgt das für Unsicherheit, wie weit rechtsextremes Gedankengut verbreitet und v.a. akzeptiert oder toleriert ist. Unsichere Menschen oder Mitläufer:innen werden in der Folge aus Konformismus weniger stark Stellung gegen solches beziehen. Menschen mit rechten Tendenzen werden sich ermutigt fühlen, diese auch auszuleben. Menschen mit Migrationshintergrund werden sich möglicherweise nicht mehr willkommen fühlen und sich zurückziehen. Und obendrein setzt man sich auch dem Risiko aus, dass wirklich einige den Nazi-Text grölen.
Im schlechtesten Fall normalisiert man damit rechte Hetze.

Daher ist das keine Option. Wenn, dann MUSS eine Ansage kommen oder gleich der Text „Nazis raus, Nazis raus - Deutschland ist multi, alle Nazis raus!“ oder ein Äquivalent angestimmt werden.

In diesem Fall muss das Lied gehen Rechts gewendet (subvertiert) werden - andernfalls toleriert man rechte Hetze.

Ich mag das Lied sehr gern, finde den Nazi-Ohrwurm unerträglich. Deshalb schreibe ich gerade Orgas an, die Demos gegen Rechts planen, ob sie das Lied nicht auf diese Weise auf ihren Demos spielen wollen. Macht doch mit. Wenn genug Leute das tun, nehmen wir den Rechten so die Macht über das Lied.

Wenn man die Veranstaltung offenen Auges und Ohres begleitet (durch Gäste und Securities) wäre das doch eine gute Gelegenheit gleich Gäste die man ohnehin nicht auf der Veranstaltung haben will loszuwerden und das am besten gleich dauerhaft (Hausverbot).

Warum MUSS (in Großbuchstaben!) es das? Bei der Studentischen Tanzparty in einem Multikulturellen Umfeld bei der zu keinem Lied ein Text angestimmt wird und es generell keine Ansagen gibt finde ich es völlig legitim dieses Lied ganz ohne Ansage und ganz ohne Gesang auch weiterhin zu spielen. Man muss nicht jedes Publikum gleich unter Verdacht stellen ohne eine solche Ansage den „falschen“ Text zu singen und man darf auch nicht jedem DJ der das Lied spielt gleich die Intention unterstellen unterschwellig die Parole an den Mann bringen zu wollen.

Beim Dorffest wo zwischen fast jedem Lied eine kurze Ansage kommt und das Verständnis der Problematik im Schnitt auch geringer ist, sollte dagegen natürlich einmal klargemacht werden was los ist.

Großschreibung war intendiert. Es geht mir gar nicht darum, dass der falsche Text gesungen wird oder jemand offen rassistisch auftritt. Auch wenn er nicht gesungen wird, ist die Botschaft nach den jüngsten Vorkommnissen mindestens auf ungute Weise unklar.

Ich meine, dass der Kontext auf einer Tanzveranstaltung kaum eindeutig genug sein kann, um Zweifel auszuschließen.
Ich weiß nicht, welchen Kontext Du Dir genau vorstellst, aber dass auch im studentischen Umfeld einige Toleranz für rechtsextremes Gedankengut und Gebahren vorkommt, sollte klar sein. Zumal wenn Musik wie „L’amour toujours“ läuft und nicht links oder antirassistisch konnotierte Musik. Wann ist denn die Party multikulturell genug, um als TN sicher wissen zu können, dass keine rechtsextreme Botschaft platziert wird (dog whistling ist halt eine beliebte Strategie!)? Als Mensch mit Migrationshintergrund (ich habe keinen, werde das aber mal in meinem Umfeld diskutieren) - wann kann man sich auf der Party trotz dem Lied willkommen fühlen? Das sind Unsicherheiten, für die in meiner Einschätzung in dieser wichtigen Frage kein Platz ist und die man nicht durch unkritisches Spielen beseitigt bekommt. Deswegen mMn kein gelungener Umgang mit dem Lied. Eventuell könnte ich mir noch vorstellen, dass man das Lied mit eindeutig antirassistischen Titeln „einrahmt“. Man kann auch Cuts aus anderen Songs mit entsprechender Botschaft einbauen. Wenn man einen gelungenen Umgang damit finden will, findet man auch Wege.
(Klarstellung: Ich würde dem DJ oder der DJane nicht sofort Rassismus unterstellen, wenn das Lied unkritisch läuft. Mir wär aber die Lust auf Feiern vergangen und ich würde die Party verlassen, mindestens schon, weil die den Schuss nicht gehört haben.)

War mir klar. Fand ich nur übertrieben.

Das kann man pauschal nicht sagen.

Ich habe auch keinen Migrationshintergrund, aber ist hier nicht die gesamte Stimmung entscheidend. Eine Party auf der man sich generell als gern gesehener Gast sieht, dann aber das Lied gespielt wird wäre mir tausend mal lieber als eine auf der es vorher einen Disclaimer gibt und den Aufruf Nazis raus zu singen, aber an der Tür werden Leute die nicht Mitteleuropäisch aussehen abgewiesen.

Welchen Schuss? Und gilt das nur für Deutschland? Für deutschsprachige Länder? Für alle Länder? Das Lied wurde Gestern z.B. in Prag bei der Feier der Tschechen zur Weltmeisterschaft gespielt. Kann man unterstellen, dass der DJ mitbekommen hat für was das Lied im Nachbarland mittlerweile steht? Dogwhistle? Oder einfach nur ein Partyhit?

Ich kann mir übrigens sehr gut vorstellen, dass in Ländern mit vielen Leuten mit rechtem Gedankengut dieses Lied auch ganz bewusst wegen dieser Chiffre gespielt werden wird, wenn sich das rumspricht.

Ich denke das hängt zu 100% davon ab, wie du mit einer entsprechenden Situation umgehen würdest. Traust du dir zu, wenn beim Set auf einmal 10-20 der Gäste „Ausländer Raus – Deutschland den Deutschen“ skandieren, die Musik abzudrehen, den Leuten laut über das Mikro mitzuteilen was für rassistische Arschlöcher sie sind, die Veranstaltungsleitung aufzufordern, die Personen rauszuwerfen und anschließend persönlich gegen die Beteiligten Strafanzeige zu stellen?

Wenn du das Szenario für dich mit „Ja“ beantworten kannst, dann sehe ich keinen Grund, warum du das Lied nicht spielen solltest (obwohl es natürlich sein kann, dass der Song in Folge der Ereignisse eben nicht mehr die „Dance Hymne“ ist, die sie mal war).

Wenn du das Szenario so nicht durchziehen könntest, dann mach dich ehrlich und spiel das Lied nicht mehr. Sonst bist du am Ende wirklich Teil des Problems.

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Würde ich auch sagen. Aber der Kontext muss aus meiner Sicht schon sehr, sehr eindeutig sein, denn als Partygast stehen mir regelmäßig recht wenige kontextuelle Informationen zur Verfügung. Wir wissen demgegenüber aber - das weiß spätestens jetzt so ziemlich jeder in D, weshalb das Beispiel mit Tschechien mE nicht verfängt -, dass seit Monaten deutsche Rechtsextreme mit diesem Lied und harten Nazi-Parolen (nicht etwa zweideutige oder nur provokante Texte) Social-Media-Stunts machen, vielleicht kann man es auch schon Kampagne nennen, und dass Normalisierung und Dog Whistling zum gern genutzten Repertoire rechtsextremer Gruppen gehören. D.h. die Aufladung ist aus meiner Sicht einfach schon geschehen und es ist in D nicht mehr einfach nur der Partyhit, der es mal war. Daher bräuchte es schon recht eindeutigen Kon- oder Subtext, um sich davon abzugrenzen. Mit einem allgemeinen Rahmen, der oberflächlich apolitisch erscheint - was er aus der Sicht von Menschen, die von Rassismus betroffen sind, nicht unbedingt ist, sondern sich in einen Kontext bettet, in dem sie geothert und diskriminiert werden -, ist es dann mMn nicht mehr getan. Dafür ist das unausgesprochene Verständnis, dass für Rassismus kein Platz ist, in meiner Wahrnehmung in den letzten Jahren bereits zu brüchig und zu wenig selbstverständlich geworden (vielleicht habe ich mich auch nur sensibilisiert und politisiert, aber ich denke doch, die objektiven Anzeichen sind unverkennbar). Deshalb favorisiere ich die offensive Rückgewinnung des Lieds.

Meinst Du mit „wenn sich das rumspricht“ (Hervorh. von mir) die Verwendung als rechtsextreme Chiffre selbst oder eine unterstellte Reaktion darauf in Form von Boykott oder „Verboten“?
In beiden Fällen könnte ich mir das auch gut vorstellen, im ersten schon allein wegen der guten Vernetzung der Rechtsextremen in Europa und im zweiten Fall zusätzlich wegen des Streisand-Effekts und der bewährten Strategie der Rechtsextremen, sich als Opfer einer Meinungsdiktatur und eines Kulturkampfes zu stilisieren. Deshalb ist es mMn sehr wichtig, dass der Song jetzt positiv neu besetzt wird. Durch „Laufenlassen“ verfestigt sich die rechte Chiffre nur.

Kann natürlich sein, dass ich es überschätze und es eher eine memekulturelle Eintagsfliege ist (vielleicht liegt da der Grund unserer unterschiedlichen Einschätzungen?), aber ich würde hier lieber auf der Seite der Vorsicht irren, zumal eine Ansage gegen Rechts nicht viel kostet.

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Bei der x-beliebigen Disco meist ja.
Bei vielen Einrichtungen kann man aber die Grundausrichtung schon ablesen, deshalb das Beispiel des mulitkulturellen Umfelds (es sollte nicht heißen, dass studentische Umfelder stets mulitkulturell seien). Wenn also eine Feier z.B. in einem Jugendzentrum stattfindet welches von vorne bis hinten, von unten bis oben mit Bannern, Aufklebern, Postern und was auch immer mit Slogans für Vielfalt, gegen Nazis, gegen Rassismus, gegen Sexismus und gegen Homophobie dekoriert ist, und das Publikum Stammpublikum ist, dann kann man wohl annehmen, dass ein Song dort ganz ohne Chiffre gespielt wird.

Das finde ich schon wieder zu pauschal. Ich finde es gibt durchaus auch weiter eine Tendenz sich als Location klar von sowas abzugrenzen. Natürlich muss das im Alltag dann aber auch gelebt werden.

Ja. Und da ja deutsche Touristen im Ausland öfter mal ausleben was sie sich hier nicht trauen (natürlich nicht alle), dann wohl oft auch mit dem Text. Sehe da im Sommer schon die Videos aus Strandbars z.B. in Kroatien kommen, wo Leute in Rot nach dem x-ten Bier das Lied mitgrölen.

Ich glaube für eine Eintagsfliege ist das jetzt schon zu lange im Umlauf. Ich finde auch, dass man das Lied anders besetzen muss. Ich finde auch den Kontext wichtig. Ich sehe nur anders als du sehr wohl auch noch Situationen wo man das Lied ganz ohne Ansage, Einbettung in andere Lieder etc. spielen kann, eben weil die Location und damit auch das Publikum sensibel genug sind. Und wenn sich dann doch Leute dort hin verirrt haben die das falsche Singen, dann gibt es dort auch die passende Reaktion darauf.

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An mehreren Orten im Münsterland sollen Personengruppen in den vergangenen Tagen Parolen ähnlich dem Video mit rassistischen Party-Gesängen auf Sylt skandiert haben. Der Staatsschutz ermittele in allen Sachverhalten aufgrund des Verdachts der Volksverhetzung, teilte die Polizei Münster am Sonntag mit. An mehreren Orten seien Anzeigen erstattet worden. […]

Während eines Dorffestes in Niepars bei Stralsund sind nach Polizeiangaben am frühen Sonntagmorgen ausländerfeindliche Parolen gerufen worden. Als sich Polizisten zur Klärung eines anderen Sachverhalts gegen 3.25 Uhr in der Nähe des Festgeländes befanden, hätten sie aus etwa 50 Metern Entfernung hören können, wie das Lied „L’amour toujours“ von Gigi D`Agostino abgespielt wurde. Zum Refrain sei aus einer kleinen unbekannten Personengruppe heraus lautstark „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ gerufen worden, teilte das Polizeipräsidium Neubrandenburg mit.

Nachdem die UEFA den Song für EM Veranstaltungen verboten hat, äußert sich D’Agostino und beklagt das Verbot sei der eigentliche Rassismus.

„Wenn jemand ein Lied missbraucht, um rassistische Botschaften zu verbreiten, dann macht er das auch beim nächsten und beim übernächsten Lied. Diese ganze Angelegenheit ist grotesk.“ Sein Song handle „von der universellen Liebe und von Menschen, die sich in den Armen liegen und sich vereint fühlen. Ein kompletter Widerspruch zu dem, was da gerade passiert: Die UEFA hat mein Lied verboten? Das ist eine rassistische Botschaft. Diese Entscheidung ist rassistisch. Ich bin immer noch schockiert, ich kann es nicht glauben. Diese Entscheidung der UEFA ist eine explizite Absage an die Liebe.“

Ich finde er hat einen Punkt. Das Kapitulieren der UEFA vor rechten Hundepfeifen und Twitters Berufsempörten ist mal wieder maximal unsouverän. Letztlich suchen die Rechten sich jetzt einfach einen neuen Songs und dann beginnt der Unsinn von vorne.