LdN 376 – RKI-Protokolle + "Corona-Aufarbeitung"

Wenn es um die Plätze in den Krankenhäusern geht könnte man aber ebensogut ein anderes „Lessons learned“ erstellen. Eines, bei dem nicht Menschen ob ihrer Einstellung zu Impfungen generell stigmatisiert werden. Wie z.B. die Krankenhäuser auf solche Fälle besser vorzubereiten. Es ist immer eine Abwägung zwischen Beschränkungen der persönlichen Freiheit und dem Schutz der Allgemeinheit. Wenn Du der Meinung bist, dass das immer gut abgewogen war, dann ist das natürlich Dein gutes Recht. Ich sehe das eben anders.

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Hat es denn mehr genutzt als geschadet? Die spaltende Rhetorik hat die Rechten in Deutschland noch mehr gestärkt. Sie hat Diskursräume bis heute verengt. Der öffentliche Diskurs läuft vor allem über Freund-Feind Muster und Grautöne werden gern dem Feind zugeordnet. Ich halte das für eine Folge der Corona-Rhetorik und für viel gefährlicher als 10.000(e) tote ü80 mehr oder weniger. Das klingt hart, aber letztlich macht mir eine diktatorische Regierung mehr Sorgen als eine temporäre Verringerung der YLL-Indikatoren (und ja, auch ich habe Angehörige in diesem Altersbereich).

Und dann wäre dort eben auch der Schaden, der an jüngeren Menschen entstanden ist, vor allem psychische Schäden durch Einsamkeit, Vertrauensverluste in die Demokratie usw…

Mit Einschränkungen hat die Pandemie ja deutlich gezeigt, dass wir bei der Beurteilung von Schäden stets viel zu eindimensional auf ein Ziel orientiert denken, was der tatsächlichen Herausforderung oft nicht gerecht wird.

Das ist tatsächlich so und da meine ich gar nicht, ob Betten verfügbar sind, sondern so Dinge wie die Entwicklung der Krankheit, Impfquoten und Erfassung von Nebenwirkungen.

Der Corona-Expertenrat, der die Bundesregierung berät, kritisierte in einer Stellungnahme Ende Januar die dünne Datenlage in Deutschland und verwies darauf, dass sich Deutschland derzeit zur Einschätzung der Omikron-Variante vorrangig ausländischer Untersuchungen, z.B. aus Großbritannien, Dänemark und den USA bediene.
Corona-Daten: Deutschlands klaffende Lücke – DW – 01.02.2022

Und das ist natürlich schwierig, wenn man keine flankierenden Studien durchgeführt hat.
Meistens war es ja nicht eine einzelne Maßnahme, die umgesetzt wurde, manche wirken auch sofort, manche mit zwei Wochen Verzögerung (Dauer der Quarantäne).
Man kann auch nicht verschiedene Zeitpunkte nehmen, um die jeweiligen Entwicklungen vor, während und nach Schulschließungen zu vergleichen, da jede Variante sich anders auf das Infektionsgeschehen ausgewirkt hat.

Wenn es wirklich so ist, dass es zu einzelnen Maßnahmen keine Studien gibt, hieße das ja auch, dass diese Maßnahmen (zum Teil über sehr lange Zeiträume) angeordnet und durchgesetzt wurden, ohne dass man sich überhaupt die Mühe gemacht hat, zu überprüfen, ob sie auch wirken wie gewünscht. Davon würde ich erst mal nicht ausgehen. Zudem kann gerade hier der internationale Vergleich helfen, da sich Politik und Gesundheitsbehörden in anderen Ländern zum Teil ja sehr viel systematischer darum bemüht haben, die Daten zu generieren, die dafür benötigt werden. Ein erster Schritt wäre ja erst mal eine Bestandsaufnahme, welche Studien mit welchen Designs, welcher Validität etc. es gibt. Ich kenne mich nicht gut genug aus, um einzuschätzen, ob es solche Übersichten gibt, aber meiner Meinung nach wäre das eine originäre Aufgabe für eine öffentliche Institution wie das RKI.

Das ist ja eine Frage des Studiendesigns. Auch da bin ich kein Experte, aber was spricht dagegen, mehrere Erhebungszeitpunkte vor und während oder während und nach Maßnahme X in eine Studie zu integrieren? Dass es bei Variablen wie Infektionsgeschehen, dominante Varianten, Quote der Genesenen, Quote der Geimpften etc. im Zeitverlauf Veränderungen gab, kann man dabei ja berücksichtigen - bzw. ich würde von einer seriösen Studie sogar erwarten, dass sie auf solche Bedingungen eingeht.

Massenhaft hochspezialisierte Betten inkl. Personal bereitstellen ist aber extrem teuer und hätte Maßnahmen ja nur um wenige Wochen verkürzt. Ab einer gewissen Inzidenz kommt man ja dann doch wieder ans Limit und das geht sehr schnell (exponentielles Wachstum).

Die Wirkung einzelner Pubkte in einem so komplexen System kann man immer nur grob abschätzen. Es gibt einfach zu viele Variablen um einzelne Maßnahmen quantitativ bewerten zu können. Natürlich kann man versuchen Änderungen des R-Wert auf Maßnahmen zurückzuführen, aber es wurden ja meist mehrere Maßnahmen auf einmal beschlossen oder auch wieder gelockert. Zudem gab es Anpassungen des Verhaltens der Bevölkerung die bei steigender Inzidenz vorsichtiger wurden, bei sinkender wieder unvorsichtiger.

Das Problem ist ja wie bei jeder Studie, dass Korrelation nicht immer auch Kausalität bedeutet.
Trotzdem ist es ja nicht so, dass es keine Studien gab die zumindest anhand der verfügbaren Daten Abschätzungen gemacht haben.

Diese kann man ja sehr wohl nutzen um in Zukunft früher fundierte Entscheidungen zu treffen.
Und in meinen Augen sind genau diese Studien doch der Hauptteil der Aufarbeitung. Wenn wissenschaftliche Studien nicht ausreichen, was wollen wir dann als Auswertung?

Es geht nicht darum, dass Erwachsene sich häufiger bei Kindern anstecken als umgekehrt. Da wird der Begriff „Treiber der Pandemie“ gerne bewusst eng ausgelegt. Das Problem ist, dass Kinder in Schulen/Kitas praktisch Infektionsbrücken zwischen Erwachsenen darstellen, die ansonsten keinen Kontakt miteinander hätten. Und umgekehrt. Das Virus springt von der Schule in die Familie an den Arbeitsplatz in eine andere Familie in eine andere Schulklasse in eine andere Familie an einen anderen Arbeitsplatz usw., und das ganze exponentiell.

Und natürlich gab es auch Studien zur Wirksamkeit verschiedener Maßnahmen:

Ergebnis: Neben Informationskampagnen waren Schulschließungen das wirksamste Mittel zur Verringerung der Ansteckungstätigkeit.

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Die Studie im von otzenpunk verlinkten Artikel behauptet das ja für einzelne Maßnahmen auf zwei Nachkommastellen des R-Werts genau bestimmen zu können. Ich wäre da auch etwas skeptisch, denke aber schon, dass es mit geeigneten Studiendesigns durchaus möglich ist, die tatsächlichen Auswirkungen von Maßnahmen einzuschätzen.

Was du beschreibst, hieße ja einfach nur, dass Schulen Teil des Infektionsgeschehens sind, denn es gibt ja unzählige dieser „Brücken“. Das Wort Treiber hat m. E. schon eine darüber hinausgehende Bedeutung - zumindest ist das soweit ich sehen konnte der Tenor der von mir zitierten Artikel bzw. der Studien auf die sie sich beziehen.

Ich habe nichts Gegenteiliges behauptet. Im Unterschied zu anderen gebe ich ja auch nicht vor, sämtliche Antworten schon zu kennen, sondern liste im Wesentlichen auf, welchen Fragen aus meiner Sicht systematisch nachgegangen werden sollte.

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Auf zwei Nachkommastellen exakt ist falsch formuliert. Man hat errechnet, dass ein Bereich links und rechts von -0,24 mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit korrekt war.

Jetzt war es aber meines Wissens durchaus nicht überall gleich wie z.B. Notbetreuung gehandhabt war, wer Zugang dazu hatte, wie groß die Gruppen waren etc. Inwiefern solche aus Internationalen Zahlen erhobenen Werte dann auch zu 100% exakt auf die lokale Gegebenheit angweandt werden können ist schon wieder eine offene Frage.
Was man aber sehen kann, und deshalb habe ich mich ausschließlich auf das Zahlenmäßige Erfassen was schwierig ist bezogen, ist, dass Schulschließungen eben durchaus zu den wirksameren Maßnahmen gezählt haben. Es wäre also falsch zu behaupten, dass dies nicht der Fall war.

Es ist aber eben auch so, dass dies eine der Maßnahmen mit vielen ungewollten Nebeneffekten war.

Wenn es jetzt um eine Handlungsanweisung für die nächste Epidemie geht, dann ist ja die Eine Frage wie die Wirksamkeit war, die andere wie die Nebenwirkungen waren. Falls wir zum Entschluss kommen, der Preis wäre zu hoch gewesen für die Wirksamkeit, dann ist eine Antwort beim nächsten mal auf die Schließungen zu verzichten, die andere Antwort wäre die Schließungen so umzusetzen, dass die ungewollten Nebenwirkungen abgemildert werden.

Naja, nur drauf verzichten wäre eher die schlechte Option, sondern man müsste sich dann schon überlegen, mit welcher Kombination anderer Maßnahmen man den Effekt anderweitig erreichen könnte, und was das wiederum für Nebeneffekte hätte.

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Genau dass die Schulen Teil des Infektionsgeschehens sind, wurde von diversen KultusministerInnen ja regelmäßig geradezu geleugnet. Und wenn man davon ausgeht, dass Kinder und Jugendliche sich nicht wesentlich von Erwachsenen unterscheiden, was die Übertragung angeht, muss man ja schon sehen, dass alleine das Setting Klassenraum ja schon deutlich mehr Übertragungspotential bietet als bspw. sehr viele Arbeitsplätze. Arbeitet ja nicht jeder im Großraumbüro.

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Das wäre natürlich der nächste Schritt. Ich hatte die Betrachtung jetzt erstmal rein auf diese Maßnahme belassen und da gibt es eben erstmal die Variante Schule schließen ja oder nein und wenn ja, was kann man besser machen als man es diesmal gemacht hat oder wie kann man einen Mittelweg finden bei dem man z.B. 90% der Wirksamkeit hätte aber nur 30% der unerwünschten Nebenwirkungen. So ganz laienhaft gesprochen.

Die Schulschließungen waren ja gerade dort weniger ein Problem, wo die Infrastruktur funktioniert hat. Digitale Klassenzimmer z.b. und Eltern die im Homeoffice arbeiten konnten. Hier müsste also angesetzt werden. Ansonsten waren die Schulschließungen ja auch in einem Zeitraum, als noch nicht bekannt war wie hoch die Sterblichkeitsrate von Corona, gerade auch für junge Menschen war. Wenn nun eine neue Pandemie kommt wird dies ja auch zunächst nicht klar sein. Wer will in so einer Situation das Risiko tragen? Ebola z.b. liegt bei 30-90% Sterberate je nach Variante. Aber bloß nicht die Schulen schließen? So allgemein geht es also nicht.

Diese Sichtweise reduziert m. E. Präsenzunterricht auf die reine Vermittlung von Lernstoff - was ich schon 2020/2021 verkürzt fand. Und selbst dabei geht es ja um viel mehr als nur um Infrastruktur, etwa um die Frage, welche Kinder zu Hause überhaupt Unterstützung bekommen (können). Die Befunde über den dramatischen Anstieg psychischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen zeigen zudem, dass es noch eine andere, vermutlich sehr viel wichtigere Ebene gibt, die bei dieser Betrachtung meist außen vor blieb.

Das ist so m. E. nicht korrekt. Zumindest nach meiner Erinnerung war sehr früh (schon bevor es die ersten großen Ausbrücke in Europa gab) klar, dass der Faktor Alter bei Covid einer der wichtigsten ist. Entsprechend früh war auch klar, dass eine Infektion (anders als Influenza oder RSV) bei Kindern nur selten zu schweren Verläufen führt. Andere Länder haben ihre Entscheidung gegen Schulschließungen auch schon im April/Mai 2020 genau damit begründet. Auch in Deutschland hat es entsprechende Hinweise, etwa von Kinder- und Jugendärzten, auch schon zu diesem Zeitpunkt gegeben. Abgesehen davon gab es die längsten Schulschließungen ja Anfang 2021, als das altersabhängige Risiko von Kindern definitiv längst bekannt war.
Auch hier will ich nicht sagen „ich weiß, wie es war“, aber es ist definitiv ein Thema, bei dem es sich m. E. lohnt, noch mal genau zu schauen, was man damals wissen konnte und was davon in der politischen Diskussion wie auftauchte - und was aber auch nicht oder nicht ausreichend

Die Rückführung eines Anstiegs psychischer Erkrankungen und anderer negativer Folgen alleine auf die Schulschließungen ist aber ebenfalls extrem verkürzt.

Wenn es danach ginge, was vehemente Gegner von Schulschließungen so verargumentieren, müssten Ferien ja für einen Großteil der Schülerschaft der Horror sein. Ich würde im Gegenteil eher davon ausgehen, dass Kinder und Jugendliche sich allgemein veralbert vorkommen müssen, wenn sie einerseits gezwungen sind, den Vormittag praktisch ohne Schutz in einem Raum mit 25 weiteren Personen zu verbringen, aber nachmittags in der Freizeit dann nicht zwei von denselben Personen gleichzeitig privat treffen dürfen.

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Das haben weder der zitierte Artikel, noch die darin angeführten Studien noch ich getan.

Das ist aber das, was in der öffentlichen Diskussion getan wird von den Leuten, die permanent verkünden, dass es nie wieder Schulschließungen geben dürfe.

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Mag ja sein, dass es Menschen gibt, die diese Position vertreten, aber ich finde so eine Aussage unredlich, wenn du das so pauschal sagst, ohne irgendeinen konkreten Bezugspunkt zu nennen und das in einer Antwort auf meinen Post, die ein Zitat von mir enthält. Das ist ein klassisches Strohmann-Argument.

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Habe die Tage nochmal darüber nachgedacht und ich kam zu dem Schluss, dass viele aus heutiger Sicht „absurden“ Maßnahmen für die ja Aufarbeitung gefordert wird, daraus entstanden sind dass eben nicht zentral entschieden wurde, sondern jedes Bundesland für sich. Jeder Ministerpräsident hatte seinen eigenen „Expertenrat“. Wo viele, gewählte Entscheidungsträger, Entscheidungen treffen müssen, haben diese natürlich die nächste Wahl im Kopf. Das führte zu einer extremen Profilierungssucht. Des Weiteren muss man sagen, dass es ja Pandemiepläne des RKI gab, nur wurden die nicht oder nur teilweise umgesetzt.

Es führt auch schlicht dazu, dass viele verschiedene Wege ausprobiert werden, von denen sich einige im Nachhinein zwangsläufig als falsch erweisen werden. Das ist ja immer das Argument pro Föderalismus, z.B. in der Bildung: Dass man verschiedene Dinge probieren kann (und im Idealfall alle sich irgendwann darauf einigen, was am besten funktioniert). In einer Pandemie-Situation führt das dann eben zwangsläufig dazu, dass in einigen Bundesländern fragwürdige Dinge probiert werden.

Das nun zu kritisieren macht natürlich Sinn, um für die Zukunft Grenzen im Spektrum des Zulässigen zu ziehen, aber es macht wenig Sinn, den damaligen politisch Verantwortlichen dafür Vorwürfe zu machen. Es war okay, dass verschiedene Dinge probiert wurden und es war klar, dass einige davon falsch sein würden. Auch Fehler gehören zum Lernprozess und es war eben ein Lernprozess.