LdN 367 - Krankenhausreform

Ich bin euch extrem dankbar dass ihr dieses Thema anfasst. Dafür Hut ab. Ich habe ein paar konstruktiv gemeinte Anmerkungen aus dem „Maschinenraum“ der Patientenversorgung:

  1. Ich finde die Prämisse hinterfragenswert, dass 88 Mrd Euro pro Jahr ein hoher Betrag der eigentlich ausreichen muss. Wenn ich mich nicht sehr verrechnet habe macht das tausend Euro pro Versicherten und Jahr um 24/7 eine funktionierende Gesundheitsinfrastruktur zur Verfügung zu stellen. Warum finde ich das nicht viel? Das von euch erwähnte Pembrolizumab kostet pro Gabe (die alle 6 Wochen gegeben werden) 22.000 Euro. Ein Tag Intensivstation? Zwischen 1500 und 3000 Euro. Die Hälfte der Bevölkerung ist über 44 Jahre alt, die Hälfte ist Übergewichtig. Wir sind statistisch ein altes Land voller Wohlstandserkrankungen. Geräte sind teuer, qualifziertes Personal erst recht. Was erwarten wir denn?

2.Dennoch habt ihr Recht, dass es Ineffizienzen gibt, und Fehlanreize. Ein Beispiel seie hier Verträge von Chef- oder Oberärzten die üppige Boni bekommen wenn sie pro Jahr eine bestimmte Zahl von OP X schaffen. Das ist ein gefährlicher Fehlanreiz und gehört in meinen Augen schlicht verboten.

  1. Wir müssen aber aufpassen dass wir nicht vom Regen in die Traufe geraten. Ich unterstütze die Bestrebungen dass bestimmte Eingriffe (gerade die die nicht kurzfristig gefährlich sind, für die also ein Transport an ein Zentrum möglich ist) nur dann sicher durchgeführt werden können wenn es in dem Haus einen Gewissen „Durchsatz“ gibt. Wenn wir die Hürden dafür zu hoch legen Eingriffe durchführen zu dürfen, entsteht ein Fehlanreiz. Dann muss ein Haus auf einmal auf X Eingrife vorweisen… nicht damit der Chef seinen Bonus kriegt, sondern damit das Haus ein Zentrum bleibt. Auch hier drohen „unnötige“ Ops. Da braucht es Fingerspitzengefühl beim setzen der Rahmenbedingungen
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  1. In eurem Beitrag werden „nötige“ und „unnötige“ Ops als harte Kategorien verwendet. Ich weiß dass Ihr das nicht damit sagen wolltet, aber es seie noch einmal hingewiesen dass die Indikationsstellung in vielen Situationen extrem Komplex ist. Manchmal ist es klar nötig, und es gibt auch klar nicht indizierte Eingriffe. Meistens aber bewegt man sich in einem Graubereich dazwischen in dem dutzende Faktoren, nicht zuletzt der Patientenwille und der Leidensdruck im Status quo, die Entscheidung beeinflussen. Deshalb wäre ich mit solchen Begriffen vorsichtig, was aber nicht heißt dass das Problem nicht grundsätzlich besteht.

  2. Ihr deutet an, dass eine Lockerung des finanziellen Druckes möglicherweise die Fehlanreize reduziert. Ich halte das zumindes teilweise für eine Fehlattribution. Wie ihr schon erwähnt habt ist ein Drittel der KH in privater Hand. Hier zählt also kategorisch schon nur die Zahl unter dem Strich, und die kann immer noch grüner sein. Im Zweifel erhöhen diese Konzerne die Renditen für Ihre Aktionäre wenn sich die FInanzierungssituation entspannt. Ob das der sinnvollste Weg ist den unsere Krankenkassenbeiträge nehmen können würde ich mal vor der Klammer lassen. Meiner Meinung nach sollte es eine Reinvestitionspflich von Überschüssen geben.

  3. Ein weiteres Drittel der KH sind in kirchlicher Hand. Sprich: In einem drittel der deutschen Krankenhäuser haben die Mitarbeiter kein Streikrecht, und können sich nicht für die Verbesserungen der Bedingungen einsetzen. Dass das in Deutschland im Jahr 2024 noch so ist kann ich nicht nachvollziehen. Vielleicht könnt ihr mich da erleuchten?

  4. Das Transparenzgesetz war in meinen Augen eine katastrophale Idee, und ist völlig zurecht gescheitert. Nicht weil ich nicht den Bedarf an mehr Transparenz sehe, sondern weil die falsche Kennzahl gewählt wurde. Auch hier lauert ein Brandgefährlicher Fehlanreiz: Wenn ein Klinikum weiß, dass es auf eine niedrige Komplikationsrate angewiesen ist um weiter Patienten zu bekommen, wird es sich im Zweifelsfalle weigern alte oder komplex erkrankte Patienten anzunehmen die ein hohes potential haben sich negativ auf diese Kenngröße auszuwirken. Wenn ich dann als herzkranker Patient keinen Chirurgen mehr finde der bereit ist meinen Krebs zu operieren, weil er sonst um seinen Ruf und somit das Fortbestehen seines Lebensunterhaltes fürchten muss wenn er zu viele Patienten wie mich annimmt, dann kann ich mich bei Herrn Lauterbach bedanken. Ggf wären hier die in einem Krankenhaus vorgehaltenen Personalschlüssel ein Weg. Oder man verkompliziert das Ganze durch einen Casemix-Index.

  5. habe ich einen weiteren Kommentar verfasst in dem ich sachlich und konstruktiv die Reaktion auf die oben angebrachten inhaltlichen Korrekturen kritisiert habe. Davon gäbe es noch mehr, aber solche Kommentare werden anscheinend nicht mal mehr frei gegeben. Was ist das für eine Fehlerkultur?

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Rückfrage zu der Schließung von Kliniken: Was gibt es dann für Lösungen für die Notfallversorgung in der Fläche? Sind die lokalen Gesundheitszentren dann mit einer kleinen Flotte von Rettungsfahrzeugen und einer notfallmedizinischen Erstversorgung ausgestattet? Ihr stellt es in der Folge so dar, als ob das Hängen am lokalen Kreiskrankenhaus eine reine Bequemlichkeitssache wäre, aber bei Unfällen oder auch Herzinfarkten kann der kurze Anfahrtsweg eine Sache von Leben und Tod sein. Wenn das nächste Krankenhaus zwei Stunden entfernt ist, müssen da andere Lösungen her. Geburtstationen sind auch ein Thema…

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Bei tatsächlich lebensbedrohenden Notfällen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass man lieber mit einer längeren Anfahrtszeit in ein entsprechendes Zentrum (Chest Pain Unit mit Herzkatheterlabor bzw. Stroke Unit mit interventioneller Radiologie) transportiert als ins kleine Spital im Nachbarort. Da kann man durchaus 30-45min Fahrstrecke tolerieren, wenn es ab dann in der Klinik zügig weitergeht.
Dafür braucht man natürlich entsprechend ausgebaute Strukturen des Rettungsdienstes. Ambulante Notfallzentren könnten dagegen dann den Kleinkram abfangen, gebrochene Arme und Nasen oder Schnittwunden. Dafür kriegt man ja auch heute schon kein Bett mehr.

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An der Aussage des Beitrags ändert es nichts direkt. Die Beispiele sind halt unglücklich gewählt. Worum es mir geht: ihr versteht euch (und die Lage-Hörer*innen inkl mir verstehen euch) als sehr gutes journalistisches Medium. Vielleicht geht es nur mir so, aber wenn ich in Berichterstattungen zu Themen, bei denen ich mich auskenne (gehäuft) Fehler bemerke, kommt der Gedanke:„Hm… aber stimmt denn das Andere was sie erzählen, wovon ich keine Ahnung habe, denn sich nur so zu 95% oder sogar weniger?“.

Bietet euren Kritiker*innen und insbesondere den Kritikern der „Mainstreammedien“ doch nicht diese Genugtuung und Angriffsfläche von „ach guck, da sind Fehler, also ist alles was sie sagen falsch“

Das ist der nächste Punkt, der mit solchen kleinen Fehlern einhergeht. Wir erleben immer mehr Patientinnen, die nicht so wirklich auf Schulmedizin vertrauen und jegliche Entscheidung der Ärzteschaft in Frage stellen (sicher, Hinterfragen ist gut. Alles kategorisch abzulehnen ist nicht gut). Diese Tendenzen (auch unbeabsichtigt) zu befeuern macht den Job der Pflegekräfte und Ärzt:innen nicht einfacher. Schimpfende und handgreifliche Patientinnen und deren Angehörige findet man leider immer häufiger vor. Und der Tenor geht oft in die Richtung: „ihr habt keine Ahnung“, „das ist alles nur Geldmacherei“, „das Internet hat aber gesagt“, „ihr steckt doch mit Big-Pharma unter einer Decke“.

Ein Verbesserungsvorschlag für die Lage mit Note 1-2, damit ihr die 1 schafft :wink:

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Dieser Eindruck ist ja gerade falsch, es handelt sich um einen (!) falschen Fachbegriff in einer ansonsten korrekten Berichterstattung.

Dieser Eindruck entsteht - wenn überhaupt - allenfalls durch die völlig übertriebene Kritik hier im Forum. Ich habe eher den Eindruck, dir geht es darum, die Redaktion als solche zu delegitimieren.

Eine angemessene Reaktion auf den Beitrag wäre gewesen: Liebe Lage, super Thema, aber die Rücken-OP heißt nicht X, sondern Y. Stattdessen machen ein paar Leute hier eine riesige Welle.

das beruht aber nicht auf kleinen und in der Sache völlig irrelevanten Fehlern von Journalisten, sondern auf den kaputten Anreizsystemen in den Kliniken, die wir beschrieben haben.

Und letztlich sind Menschen auch für sich selbst verantwortlich. Wenn der Tumorpatient auf Globuli setzen will statt auf Chemo, dann lass ihn doch.

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Kannst du die wissenschaftlichen Arbeiten dazu posten die du zitierst? Das ist mir neu, gerade bei Schlaganfällen.

Mal abgesehen davon haben dürften eh nur wenige kleine Häuser eine interventionelle Neuroradiologie haben. Da ist das Netz so weit schon sehr grob gespannt, alleine weil die Zahl an Ärzten die das kann extrem gering ist. Das weiter auszudünnen da wäre ich sehr vorsichtig. Soweit ich weiß gilt weiterhin Time ist Brain.

„Und letztlich sind Menschen auch für sich selbst verantwortlich. Wenn der Tumorpatient auf Globuli setzen will statt auf Chemo, dann lass ihn doch.“

Uff. Also schwer kranke Menschen denen von dritten unsachliche Hoffnung gemacht wird und die sich in ihrer Angst vor Erkrankungen und Nebenwirkungen an die falschen Strohalme klammern, die überlassen wir ihrer Eigenverantwortung. Pech gehabt. Sollen sie sehen wo sie bleiben.

Niemand hier streitet ab das es Fehlanreize gibt. Aber im Gesundheitswesen arbeiten tausende Menschen, die teils unter Aufopferung der eigenen psychischen Gesundheit versuchen in einem maroden System eine vernünftige medizinische Versorgung zu gewährleisten. Und genau die werden jetzt zusätzliche Zeit darauf verbringen müssen Patienten von euch verunsicherte davon zu überzeugen, dass sie wirklich eine OP brauchen. Ihr seit herzlich eingeladen eine OP abzulehnen wenn ihr mal einen Bandscheibenvorfall habt. Aber wenn ihr euch aufschwingt die Arbeit anderer Menschen zu beurteilen, dann macht vorher wenigstens euren eigenen Job und recherchiert gründlich. MIt Reichweite kommt Verantwortung, insbesondere in Gesundheitsfragen.

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Harte Worte… Es tut mir Leid, dass dieser Eindruck bei euch entstanden ist. Ich wollte nur auf einige kleine Fehler hinzuweisen, sodass in Zukunft die Lage noch hochqualitativer ist als sie auch sonst schon ist. Ich hätte das sicherlich freundlicher formulieren können/sollen.

So gleichgültig dem Schicksal von Menschen gegenüber bin ich (noch) nicht.

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Sachliche Kritik sollte auch Euch helfen. Beiträge löschen ist imho keine Lösung. Wenn Sie falsch sind wird das die Community schon klarmachen.

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Es gibt keinen Grund, warum mehr als ein Mensch hier darauf hinweist, dass irgendeine Bezeichnung irgendeiner Operation falsch sei. Das ist letztlich alles nur Werfen von Nebelkerzen, weil euch die eigentliche Diagnose nicht passt: dass nämlich Krankenhäuser massenweise sinnlose Behandlungen vorschlagen, um die Kasse aufzubessern.

Wie bereits mehrfach erklärt, ist die Bezeichnung der OP völlig irrelevant. Aber selbst wenn sie relevant wäre, müsste die Kritik nur einmal vorgetragen werden. Alle anderen wollen offensichtlich einfach nur schlechte Stimmung verbreiten und die Redaktion diskreditieren.

Aber wir haben das hierfür schon viel zu breit diskutiert, in Zukunft müssen wir einfach engagierter moderieren, damit solche Diskussionen gar nicht erst aufkommen.

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Liebes Lage Team,
erstmal danke das ihr euch diesem schwierigen Thema angenommen habt.
Ich selber habe in den letzten Jahren nur mittelbar mit diesem Sektor zu tun gehabt sehe aber auch bei den DRG den größten Hebel. Meines Wissens nach „verhandeln“ die Betreiber mit den Kassen den Katalog. Da hier ein offsichtlich ungleiches Verhältnis besteht kann es dazu führen, dass bei steigenden Fallzahlen die Kassen einen Rentabilitätsabschlag vornehmen also die erstatten Kosten über die Jahre abnehmen. Dies wiedrum wirkt sich dann mitumter sehr negativ auf die wirtschaftliche Lage aus.
Zum Thema Fusionen im ländlichem Raum bin ich über folgenden Fall gestolpert.

Die Rolle des Kartellamtes in diesem Bereich wäre also noch offen. Da ist der Weg des Klinksterbens scheinbar der einzige Ausweg :roll_eyes:

Liebes Lageteam,
vielen Dank für das Thema!
Vorweg: Ich bin Ärztin in Weiterbildung in der Chirurgie und ich möchte etwas zur Eingangs erwähnten Statistik hinzufügen, die am Bundesrat gescheitert ist.
Die Komplikationsrate einer Prozedur hängt von 3 Faktoren ab:

1. Wie gut ist das Team, das operiert
2. Wie krank sind die Patient*innen, die angenommen werden
3. Was zählt als Komplikation

Wenn ich also die Komplikationsrate senken möchte, dann kann ich entweder das Personal besser machen oder nur noch leichte Fälle annehmen, die keine Komplikationen haben werden, selbst wenn das Team nur mäßig gut ist. Dadurch steht ein Team, bei dem ich mich als Fachfrau ncht behandeln lassen würde, in einer Komplikationsstatistik deutliche besser da, als das beste Team des Bundeslandes, weil die eben auch die Schweren Fälle operieren (Stichwort Tumorchirurgie).
Außerdem entsteht der Anreiz zur Komplikationskosmetik: Todesfälle nach einer OP zählen in einem gewissen Zeitfenster als Komplikation der OP. Selbst wenn der/die Patientin einen Unfalltod erleidet oder wenn sich Angehörige nach der OP gegen die weitere Behandlung entscheiden. Dies kann zum einen dazu führen, dass OPs nicht gemacht werden, obwohl sie das Outcome verbessern, weil das Risiko eines anderweitigen Versterbens dem Team zu hoch sind. Oder es kann auch dazu führen, dass Patientinnen unnötig lange am Leben gehalten werden.

Tl;dr: Öffentliche Kompliaktionsstatistiken sind mit vorsichtig zu genießen und beinhalten die Gefahr für Fehlanreize

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Liebes Lage-Team,

danke für eure Recherche zum Zustand der Krankenhäuser in Deutschland. Als Ärztin, die früher jahrelang selbst in mehreren Kliniken und jetzt ambulant tätig ist, möchte ich versuchen, aus meiner Sicht noch ein paar Dinge „gerade zu rücken“.
Der Anreiz, sich für eine Therapie mittels „Eingriff“ zu entscheiden, ist nicht nur rein finanzieller Art. Ein Patient, der sich mit dem Problem „Rücken“ in ein Klinikum begibt, wünscht sich i.d.R. eine schnelle Lösung durch einen Spezialisten. Konservative Behandlungen kosten Zeit, aktive Mitarbeit und werden sowieso nicht im Krankenhaus durchgeführt.
Ein Arzt, dessen Haupttätigkeit aus dem Durchführung von Operationen besteht, wird diese Option dem Patienten immer als erstes vorschlagen. Da die allermeisten Ärzte, zumindest in den operativen Fächern, ihre Weiterbildung in Kliniken absolvieren müssen, wird ihnen quasi schon automatisch beigebracht, einen „Eingriff“ als Therapie der ersten Wahl vorzuschlagen. Außerdem muss für die Weiterbildung in den operativen Fächern eine Mindestzahl an OPs nachgewiesen werden, was einen weiteren Anreiz darstellt.
Was wenig bekannt ist: für Patienten gibt es bei manchen OPs ein Recht auf Zweitmeinungsverfahren, d.h. ein zweiter unabhängiger Gutachter muss die OP-Indikation bestätigen (z.B. bei Amputationen).
Weiterhin ist es so, dass bei vielen Krankheitsbildern keine ausreichenden wissenschaftlichen Daten existieren, ob der Verzicht auf einen Eingriff „besser“ ist. Das macht die Entscheidung in Zeiten von „evidence based medicine“ nicht leichter.
Für die Abrechnung in den Kliniken gibt es med. Dokumentationsassistent/innen, die die Verschlüsselung der Patienten überprüfen und die Ärzte nach mglw. „vergessenen“ Diagnosen befragen, die den Fallwert steigern könnten. Dabei steht im Vordergrund, die Verschlüsselung finanziell zu optimieren. Manche zusätzlich verschlüsselte Diagnosen bringen viel Geld, andere nicht. Die im Podcast gewählten Beispiele des „upgrading“ sind m.E. insofern etwas zu krass gewählt, als dass der Eindruck aufkommt, dass eine Dialyse oder intensivmedizinische Behandlung nur wegen des Zuschusses durchgeführt würden. Das ist definitiv nicht der Fall.
Die Behandlungsqualität von Kliniken wird von den Kassen kaum kontrolliert, da die beim MdK tätigen Ärzte selbst keine Experten auf dem jeweiligen Gebiet sind. Eine Reihe von Kliniken weisen sich mittels Zertifizierung als „Behandlungszentrum“ aus, aber auch da gibt es Probleme, worauf eine andere Kommentatorin schon hinwies. Viele ambulante Ärzte empfehlen sich gegenseitig informell, mit welchen Kliniken sie gute Erfahrungen haben.
Den meisten Patienten wiederum ist es egal, ob die Komplikationsrate bei einem Eingriff 0,5 oder 5% beträgt - für sie zählen kurze Wege, genug Parkplätze und freundliches Pflegepersonal.
Vielleicht könnt ihr einmal einen Vertreter des Gemeinsamen Bundesausschusses einladen und zum Thema Qualität in Krankenhäusern befragen?

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Es ist ein emotionales Thema, das mit den Bedürfnissen und Nöten der Menschen zu tun hat. Jeder Mitarbeiter*in, der direkt mit Patienten zu tun hat, und zwar jeden Tag, wird nicht ganz unemotional zuhören und daher auch emotional argumentieren. Es geht hier halt nicht um technische oder juristische Themen und ja/nein-Entscheidungen.

Harter Tobak für mich. Und die Angehörigen? Was macht es mit mir? Schonmal mit einem Tumorpatienten, oder den Angehörigen geredet? Und oft kommen die Patienten*innen dann früher oder später doch zur Schulmedizin. Und das lässt einen nicht kalt!

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Das Problem kann ich aus Sicht einer interessierten Laiin und klinikerfahrenen Mutter eines Kindes mit Seltenen Erkrankungen grundsätzlich bestätigen.
Beispiel Angeborene Fehlbildungen bei Kindern: Die Kliniken mit mehr (aber in absoluten Zahlen dennoch überschaubaren) Fallzahlen, die in der Behandlung von seltenen Fehlbildungen sehr gut, kompetent und interdisziplinär arbeiten, bekommen oft die besonders schwierigen Fälle und übernehmen die Nachbehandlung/ Folgeoperationen von Kindern, bei denen in anderen Kliniken bereits Dinge falsch bis katastrophal liefen. Das verzerrt die Statistik insbesondere bei niedrigen Fallzahlen erheblich.
Es gibt dafür aber Ansätze, um dennoch Qualität zu messen: „subsidiäre Evidenz“, also keine Vergleiche von direkt messbaren, klassischen Parametern wie Mortalität, Morbidität usw. zwischen deutschen Krankenhäusern, sondern zum Beispiel Vergleiche mit Daten aus anderen Ländern, in denen Zertifizierungen genutzt werden / Zentralisierung umgesetzt ist.
Das ist natürlich aufwändig und bringt nicht die schnelle Transparenz für alle.
Aber zusätzlich zu den klassischen, direkten Kennzahlenvergleichen wäre subsidiäre Evidenz sicher eine große Chance.

Was wirklich fatal wäre: Das Ziel der Transparenz aufzugeben wegen der in den Kommentaren genannten Schwachstellen, die es zweifelsfrei gibt. Die Alternative wäre ja: weniger Qualitätsmessung, weniger Transparenz und weniger gute empirische Basis für Verbesserung.

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Blockzitat

Üblicherweise werden Indikatoren zur Ergebnisqualität risikoadjustiert, nur so kann man fair vergleichen. Abgesehen davon werden die Ergebnisse der gesetzlichen Qualitätssicherung seit Jahren veröffentlicht (z. B. Weisse Liste) interessiert nur keinen. Schlechte Ergebnisse haben für Krankenhäuser relativ wenig Konsequenzen. Stellungnahmeverfahren, Zielvereinbarung oder Begehung sind übliche Maßnahmen, allerdings werden diese je nach Bundesland sehr unterschiedlich eingesetzt. Patientinnen haben oft auch nur einen begrenzten Nutzen von den Informationen, nur wenn es einen planbaren Eingriff geht.

Ich befürchte, dass Thema wird mal wieder einseitig aus der Sicht einer Urbanen Gesellschaft diskutiert. Ja, in den meisten Stadten herrscht eine sehr gute Versorgung. Meine Heimatstadt „garantiert“ zB. ihren Einwohnern innerhalb von 15 Minuten nach Notruf in einer Stoke Unit zu sein. Das ist im speziellen auf dem Land heute schon nicht zu leisten. Eine weitere Ausdünnung der Krankenhäuser dort würde die zeitkritische Versorgung defenitiv nicht verbessern. Mag ja sein, dass ein Patient in einer Spezialklinik besser versorgt wäre, wenn er auf dem Weg dahin stirbt hilft ihm das auch nicht.

Das GG garantiert gleichwertige Lebensverhältnisse, bei allen ökonomischen Überlegungen in der Daseinsvorsorge sollte das mit bedacht werden. Dazu kommt das Signal welches an die zum Teil heute schon Infrastrukturell und Kulturell abgehängte Bevölkerung auf dem Land gesendet wird. Wir sollten darauf achten, hier nicht noch Zunder in das Feuer der Populisten zu werfen, die aus dem Gefühl des abgehängt sein Kapital zu schlagen wissen.

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Liebe Beide!

ich möchte gerne auf folgendes Problem hinweisen: Es droht, wenn die Qualität eines Krankenhauses aus Anzahl der Fälle zu Outcome ermittelt wird, ein sog. „Cherrypicking“. Etwas was man in den USA schon lange kennt: Eingriffe werden bei low-risk Patienten gerne durchgeführt, high-risk Patienten werden hingegen mit fadenscheinigen Argumenten abgelehnt, da diese die Statistik negativ beeinflussen können. Ich habe wiederholt erlebt, dass amerikanische „inoperable“ Patienten dann bei uns völlig problemlos operiert wurden.
Da zudem in den Kliniken, die gewinnorientiert arbeiten müssen/wollen, das Controlling in der Regel bei ärztlichen Entscheidung mit „on board“ ist und die Kostenkalkulation der Patienten während des Aufenthaltes überwacht, kann diese bei dem bestehenden DRG - Entlohnungssystem zum Vorenthalten komplikationsbehafteter Therapien führen. Dieser Trend wird dann noch verstärkt, wenn „gute“ Kliniken besser entlohnt werden sollen, als „schlechte“.

Einen wirklich gute Lösung für dieses Dilemma haben ich jedoch nicht…

Herzliche Grüße

Liebes Lage Team,
ich bin wirklich Fan der Lage, aber hier haben sich aus meiner Sicht die beiden arg verhoben. Das passiert oft, wenn nicht Mediziner das Thema anpacken. Die Medizin ist leider rein wirtschaftlich nicht so einfach fassbar. Trotzdem tolle Hintergrundinfos, die ich zum Teil auch noch nicht kannte. Aber ein bisschen Food for thought (Ich war an 8 oder 9 Kliniken tätig, bin aktuell ärztlicher Leiter)

  • Thema Betten: da wird so viel Rechentrickserei betrieben, dass Statement mit dieser Rechnung kann man so nicht machen. Das ist auch unzutreffend(…), da die Auslastung teils arg variiert. Es gibt kaum noch ein gut geführtes Krankenhaus mit leeren Betten. Der Druck nahe 100% Bettenauslaustung auf dem Papier zu generieren, ist so stark, das regelhaft kein Bett verfügbar ist, wenn mal ein Patient unvorhergesehen kommt (was in Krankenhäusern ja nie der Fall ist), was dann dazu führt, dass die Notaufnahmen jetzt Übergangsstationen haben - die dann nicht ins Auslastungsmanagement eingehen usw usw.
  • Ganz wichtig: Das Transparenzgesetz ist im Ansatz schon Blödsinn. Warum? Woran will man denn Medizin messen? Im Podcast kam was von Sterblichkeit. Das ist ein Parameter, der auf die allermeisten Prozeduren gar nicht anwendbar ist, weil die Sterblichkeit viel zu klein ist. Und selbst da, wo man die Sterblichkeit nutzen könnte, wird es kompliziert: ist jetzt ein Schockraum in einem kleinen Krankenhaus, der vom Rettungsdienst nicht so oft angefahren wird, weil die schweren Fälle in die Uniklinik gehen jetzt wirklich besser? Aha, da müssen wir die Schwere der Kranken rausrechnen. Da gibt es Scores, und wo es scores gibt…da wird wieder Schmu getrieben. Ist also nicht so einfach. Hatten wir zB bei der Herzchirurgie in einem Krankenhaus in dem ich war. Die hatten eine höhere Sterblichkeit und galten dann als schlecht. Dabei haben die Patienten operiert, die andere Krankenhäuser nicht machen wollten. Da kann man jetzt wieder über die Indikation streiten. Und was ist mit all den Fächern, wo es quasi kaum Sterblichkeit gibt? Hüftprothesen zB? A propos OPs: die Qualität von OPs ist mitnichten abhängig von der Abteilung oder …von der Ausstattung, sondern, und da gibt es auch Literatur zu, vom Operateur, vom einzelnen Menschen. Und zwar ganz hauptsächlich oft. Ein total komplexes Themenfeld. Ich bin mal von einer recht großen Internetfirma angesprochen worden, ob man nicht eine Datenbank zur Medizinqualität ins Leben rufen könnte. Wir haben da nächtelang drangesessen und dann wurde das aufgegeben, weil es seriös nicht machbar ist - und vor allem nicht so, dass Patienten das verstehen. In der Medizin wird heutzutage so viel Unsinn getrieben - und da haben Sie recht - aus Geldgründen oder weil die Leute es nicht besser wissen - und es fällt in der Regel nicht auf.
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Teil 2:

  • Auch ganz wichtig: an dem Plan der spezialisierten Zentren, … ist das Problem, dass Uniklinik gar nicht unbedingt die bessere Medizin machen. Das meint man immer so. Das ist aber gar nicht so. Grade zum Beispiel Gelenkersatzoperationen werden an peripheren spezialisierten Zentren oft viel besser gemacht, weil die an der Uni vergleichsweise selten sind. Und es gibt auch an Unikliniken einfach schlechte Abteilungen. Und es gibt winzige Häuser, die einen herausragenden Operateur haben - ich könnte da jetzt locker ein Dutzend Beispiele nennen, aber will hier keine Kollegen ungefragt ins Internet stellen.
  • die Kritik am DRG system kann ich so nicht nachvollzeihen. Die Diagnosen werden ja in der Regel nicht im Krankenhaus erhoben, sondern die hat der Patient. Klar ist das ein System, was man bespielen kann, aber so willkürlich, …ist es jetzt auch wieder nicht.
    Insgesamt, ich kann Ihnen gern mal ein Hintergrundgespräch zum verständnis anbieten. Da geht wirklich ganz viel, was für Sie ein „no-brainer“ ist im fehlenden Sachverstand verloren. Das Sie da die richtigen wirtschaftlichen Zahlen haben glaube ich Ihnen, da sind Sie sicher besser informiert als ich, aber wie das in der Praxis funktioniert…nee, dass stimmt einfach nicht.

PS Ich lese hier keine kommentare auf meinen kommentar. das schaffe ich zeitlich nicht. Ich poste das hier auch nicht als Meinung, sondern als Resultat von 20+ Jahren Berufserfahrung in entsprechenden Positionen.