LdN 365 - wie rechts ist das Wort "Remigration"?

Hallo,

ich würde gerne noch etwas zum Wort „Remigration“ beitragen. Ihr kritisiert in eurer Folge - zurecht - den unreflektierten Umgang der Median mit diesem Wort im Zuge der aktuellen Geschehnisse.
Aber ihr sagt dann, das es ein Beispiel ist, wie Rechte ihre Sprache normalisieren.

Hier möchte ich widersprechen. Remigration IST ein normales, deutsches Wort. Es gibt Migration, es gibt Remigration. Ziehe ich in die USA migriere ich. Ziehe ich dann wieder nach Deutschland, remigriere ich.

Hier ist es für mich eher ein Beispiel wie Rechte versuchen Sprache zu übernehmen - und ja, das hätte besser in den Medien eingeordnet werden müssen (wobei einige das auch taten)

UND ich finde es hier auch wichtig gegen anzugehen. Es kann nicht sein, das extrem rechte Kräfte nach und nach Begriffe besetzen und umdeuten. Das was sie planen hat nicht mit Remigration zu tun - und wir sollten nicht zulassen, dass dieses Wort umbesetzt wird.

Nur meine 2c ^^
Torge

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Dazu passt auch, dass in der Wikipedia gestern „freiwillig oder unfreiwillig“ ergänzt wurde.

Wenn Vertreibung gemeint ist aber von „Remigration“ gesprochen wird, klingt es schon sehr stark nach einem rechten Euphemismus. Da sollte man schon deutlich und vorsichtig sein um rechte sprache nicht unüberlegt zu übernehmen.

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Hi Torge,
Du hast recht, so etwas ist ein Unding. Aber die Feststellung, dass es nicht sein kann, hilft auch nicht weiter. Wie willst Du verhindern, dass Begriffe ‚umgedeutet‘ werden? Etwa durch eine Sprachpolizei?
Begriffe haben immer ihre Bedeutung im Laufe der Zeit verändert.
Bei häufig genutzten Begriffen können wir uns noch dadurch wehren, dass wir sie bewusst häufig selbst benutzen - und bei schriftlichen Beiträgen auch noch eine Anmerkung dazu setzen, wie der Begriff zu verstehen ist.
Bei seltener benutzten Wörtern wie Remigration geht das nicht, es gibt zu wenig Gelegenheiten, bei denen wir gewöhnlichen Leute das Wort überhaupt wahrnehmen.

Und ich kaufe tatsächlich bewusst keine **Volks-**Produkte, da ich nicht erkennen kann, ob es günstige Angebote Mitbürger, die nicht allzu viel verdienen sein sollen, oder doch betonen sollen, dass die Firmen etwas für Bio-Deutsche anbieten.

Im Podcast wurde kritisiert, dass es in manchen Medien nicht in Anführungsstriche gesetzt wird. Gleiches hat Dunja Halali kritisiert.
In anderen Medien gab es diese und dazu sogar einen farbigen Kasten „woher kommt das Wort Remigration“.
So kann man schon ein Bewusstsein wecken. Dass aber die häufige Benutzung durch Rechte irgendwann das Wort umdeutet, kann man dadurch auch nicht verhindern, das stimmt.

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Ich verstehe den Punkt nicht. Klar ist „Remigration“ ein Wort, das theoretisch ohne rechten Kontext verwendet werden könnte. Genauso wie „Heil“. Oder „Endlösung“.

In der Praxis habe ich aber das Wort nie außerhalb das Nazikontextes gehört. Wie sollen wir denn verhindern, dass es umbesetzt wird (bzw. meiner Meinung nach schon ist)? Jetzt auf einmal in jedem zweiten Satz ein Wort verwenden, dass wir vorher nie gebraucht haben?

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Die Argumentation, Remigration sei ein „normales deutsches Wort“ scheint mir nicht übermäßig überzeugend, da solche Bewertungen von einzelnen Begriffen ja immer einem gesellschaftlichen Aushandlungsprozess unterliegen, also den berühmten Grenzen des Sagbaren.
Dennoch finde ich die Berichterstattung zum Begriff der Remigration zu einseitig und auch die Wahl des Begriffs als Unwort des Jahres unpassend. Ich studiere nämlich seit einigen Jahren Soziologie und in dieser handelt es sich bei Remigration um einen feststehenden Grundbegriff, der gerade nicht ideologisch aufgeladen ist, sondern zunächst wertneutral das Prinzip beschreiben soll, das hier auch schon oft genannt wurde: Menschen migrieren in ein anderes Land und kehren zu einem späteren Zeitpunkt in ihr Herkunftsland zurück. Dieses Phänomen lässt sich zunächst mal empirisch feststellen.
Die AfD benutzt Remigration nun als Kampf-, bzw. Verschleierungsbegriff für etwas, das wohl besser mit willkürlichen oder menschenrechts-inkompatiblen Ausweisungen, bzw. Deportationen beschrieben wäre. Das hat aber erstmal nichts mit dem analytischen Begriff der Remigration zu tun. Was die AfD damit aber schafft, und dieses Prinzip ist ja nicht neu, ist, dass nun ein Kulturkampf um einen Begriff herum entbrennt, der in völlig entstellter Form gebraucht wird. Mit dieser Taktik haben die Rechten seit vielen Jahren Erfolg darin, nicht nur die Grenzen des Sagbaren, sondern für ihre Gegenseite auch die Grenzen des Unsagbaren zu verschieben, was aber heißt, dass sie die Diskurshoheit darüber erlangen, was ein Begriff letztlich bedeutet. Auf der Seite der Nicht-Rechten (ich will sie mal die Seite der Vernünftigen nennen), führt das dann wieder dazu, dass im Framing der Rechten über diese Begriffe gestritten wird, dass neue Begriffe eingeführt werden, die man von den „problematischen“ rechten Begriffen absetzen will, die dann von den Rechten wieder gekapert werden und so weiter und so fort. Bitte nicht falsch verstehen, es gibt durchaus Begriffe, die immer schon primär z.B. diskriminierende Konnotationen hatten und die zurecht im Diskurs als solche markiert werden. Ich möchte nur dafür plädieren, hier etwas genauer hinzusehen, zu differenzieren und nicht immer wieder der gleichen Masche auf den Leim zu gehen.

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Darum geht es auch gar nicht darum, den Begriff nicht zu benutzen, sondern, wenn man über die AFD berichtet, ihn in Anführungszeichen zu setzen, um zu zeigen, dass er hier in falschem Kontext benutzt wird - und, wenn möglich, am Rand des Artikels die wahre Bedeutung zu erläutern. Damit macht man es wesentlich schwerer für die AFD den Begriff umzudeuten, als wenn man ihn nicht mehr benutzt oder gar durch zitieren der AFD ihr wording ungewollt übernimmt.

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Man muss wohl eher sagen, Remigration war ein „normales deutsches Wort“, in dem etwas weiteren Sinne, der soziologische Fachbegriffe mit einschließt.
Und nun wird es von den Rechten als Euphemismus für Deportation verwendet.
Den Rechten geht es offenbar darum wieder politisch über Deportationen zu sprechen ohne das Wort zu verwenden, weil es ihnen (noch) jenseits des Sagbaren zu sein scheint.

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Da nun seit zwei Wochen „Remigration“ präzise im Zusammenhang mit dieser Konferenz am Wannsee (nicht „Wannsee-Konferenz“) zu verstehen ist, könnte man bei jeder Erwähnung des Begriffs in Klammern dazuschreiben „gemeint als Zwangsumsiedlung bzw. Vertreibung von Menschen aus ihrer Heimat“, ohne dass man damit eine unzulässige Verallgemeinerung begehen würde.

Der Bedeutung nach (siehe Einordnung von @roemoeloe) wird der Begriff von den Rechten FALSCH, also unzulässig verwendet. Denn Remigration geschieht implizit FREIWILLIG, zumindest frei von äusserem Zwang. Auch das müsste den rechten Sprachstrategen bei allen Gelegenheiten um die Ohren gehauen werden.

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Ich würde hier mal noch einstreuen, dass es zumindest in Rostock anscheinend auch eine Stelle für Remigration gibt. Ich würde hoffen, dass sie nicht jetzt erst auf die Idee gekommen sind, diese Stelle so zu bezeichnen.

Laut dem Rostocker Rathaus heisst die Abteilung schon seit 6 Jahren so NDR Quelle