LDN 364#2 - Schulden

Moin, moin,

um mal ein paar alte aber doch altbewährte Gedanken von Keynes einzubringen. Ich würde die Annahme das Schulden nur für Investitionen sinnvoll sind in Frage stellen. Nicht umsonst heißt es D=C+I. Die Frage ist welche Konsumausgaben betrachtet werden. Konsumausgaben etwa in Schulsozialarbeiterinnen, Lehrerinnen oder andere Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge können durchaus sinnvoll sein. Ebenso verdienen Handwerker*innen im öffentlichen Dienst oft deutlich zu schlecht. Auch vor dem Hintergrund das ein gutes Gehalt Anreize bietet für Menschen bei staatlichen Instutionen zu arbeiten und nicht in die Privatwirtschaft gehen. (wobei deren Fachkräftemangel ebenso problematisch ist)

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Moin,
An Betriebe im Bundesbesitz (z.B. DB, Autobahn GmbH, Baugesellschaften etc.) kann der Bund Überweisungen tätigen die von der Schuldenbremse ausgenommen sind, da diese als finanzielle Transaktion (Erhöhung des Eigenkapitals) eingeordnet sind. Dies wurde extra so eingerichtet, damit der Bund seine Unternehmen nicht zur Finanzierung verkaufen muss. Auf diese Weise kann der Bund eine Vielzahl seiner aktuellen Probleme adressieren. Die Bahn kann modernisiert werde, die Autobahnbrücken saniert, sowie bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden. Als guten Gesprächspartner für die finanziellen Möglichkeiten des Bundes kann ich Maurice Höfgen empfehlen. Ich glaube ein Gespräch würde die Lage bereichern.

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Moin, dem kann ich mich nur anschließen. Umso unverständlicher das der Bund Anteile nach dem Schuldenurteil veräußert, da diese ja gar nicht von der Schuldenbremse betroffen sind.
Über einen Talk mit Maurice würde ich mich auch sehr freuen.

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Warum sollte angestrebt werden, dass die Handwerker die es noch gibt auch noch beim Staat angestellt sind? Und warum sollte dafür Geld ausgegeben, sogar noch Schulden gemacht werden, um das Angebot an Handwerkern für Unternehmen und Privatpersonen noch weiter zu verknappen?

Das deutsche Wirtschaftswunder ist in einem schlanken Staat passiert und nicht in einem ausufernden, sich über all einmischenden Staat.

Steile These.
Wo stehen wir nach diesem „Wirtschaftswunder“ denn aktuell?
Genau: ziemlich schlecht da.
Nach dem Krieg ist die Wirtschaft in relativ gesundem Maß gewachsen - mit sehr viel mehr Staatslenkung.
Der entfesselte Kapitalismus seit der 90er Jahre hat uns erst in die Misere gebracht.

Natürlich wäre es sinnvoll, dass der Staat jetzt massiv investiert, denn die privaten Investitionen stagnieren doch aktuell, weil für sie wenig Gewinn in Aussicht ist. Da werden gerade Kapazitäten frei, die es in zehn Jahren, wenn die Boomer in Rente gehen, sicher nicht mehr geben wird.

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Morgen Zusammen,

Ich sehe das Problem an einer ganz anderen Stelle.
Der Bund gibt 33 Prozent (wenn das nicht stimmt bitte ich um Verzeihung) seines Haushaltes für die Rente aus.

Soweit ich das verstanden habe, sollte sich das System selbst tragen.
Man möge sich vorstellen der Bund würde nichts zur Rente dazu geben müssen, dann waren 100 Mrd frei für Investitionen.

Ich sehe bei dem ganzen Thema „Schulden für Investitionen“ und Schulden für Konsum eine Wahrnehmungsverzerrung, wir haben nur kein Geld zum Investieren, weil wir den aktuellen Konsum Quersubventionieren (133 Mrd für die Rente?).

Leider muss ich hier Mal einen Politiker Sprechen übernehmen, wir haben ein Ausgaben Problem und kein Einnahme Problem.

Das heißt nicht, dass man über bestimmte Steuern nicht nachdenken sollte.

Grüße

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Wie verkaufst Du das den Rentnern. Die haben jahrzehntelang eingezahlt. Und was bei Kürzungen mit den entstehenden Härtefällen? Bezahlen wir die dann aus dem Sozailhilfetopf (Stichwort: Rechte und linke Hand)? Und was macht das mit den aktuellen Einzahlern? Vertrauen ade?

Und ganz davon ab kann eine Regierung, die Änderungen gegen die Rentner durchführt, ganz sicher mit ihrer Abwahl rechnen. Die Rentner sind (und werden noch mehr) die größte Bevölkerungsgruppe.

Ja, die Konkurrenz um Handwerksleistungen habe ich ja angesprochen. Mein Gedanke war eher das es so attraktiver wird eine Ausbildung in einem handwerklichen Beruf anzustreben, ggbf. auch kommunale handwerkliche Betriebe die selber ausbilden aber hätte ich wohl mehr ausführen müssen. Ohne Zuzug aus dem Ausland wird das eh nichts werden.

Der Staat war damals deutlich interventionisstischer. Ludwig konnte die Ideen von Röpcke, Rüstow und Armack ja nicht so durchsetzen wie er es gerne hätte, zum Glück.
Abgesehen davon ist das Narrativ vom deutschen Wirtschaftswunder ein reines Märchen. Es gibt zig Interpretationen warum es zum wirtschaftlichen wiederaufstieg kam, wahrscheinlich sind aber ne Mischung aus keynsanischer Sicht, Catch-Up These und der Rekonstruktionstheorie, soweit ich ich informiert bin.
Man betrachte auch die wirtschaftliche Entwicklung anderer Länder nach dem WW2, die zum teil mit komplett anderen wirtschaftsystemen ähnlich oder noch erfolgreicher waren.

Allein die Wiedervereinigung, wo Kohl ja versucht hat mit Ordoliberalen Mitteln ein ostdeutsches Wirtschaftswunder zu erzeugen zeigt das der Quatsch nicht funktioniert. Bis auf die Zerschlagung der Wirtschaft, der Exportfähigkeit und den Ausverkauf an Wessis hat er ja nichts erreicht,

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Das ist alles richtig und schwierig, aber wir drehen uns bei dem Thema ja auch im Kreis. War natürlich auch mit etwas Sarkasmus zu verstehen.

Du hast das größte Problem ja richtig angesprochen, „Die Renten sind und werden immer mehr die größte Bevölkerungsgruppe“, dann wird es erst Recht immer mehr Geld vom Bund für die Rentenversicherung geben müssen, bis wir irgendwann bei 50% oder sogar 75% angekommen sind? So wie es jetzt läuft kann man das System nicht mehr weiterbetreiben, alle müssten hier Einschnitte hinnehmen.

Fand das Schwedenmodell ja immer sehr gut, aber das findet in Deutschland ja leider keinen Anklang bzw. Keine Regierungsmehrheit

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Das es 75% werden bezweifel ich ehrlich gesagt. Naja, ich denke es gibt Vor- und Nachteile.

Positiv bewerte ich vor allem das auch Beamte und Selbstständige einzahlen müssen und das der Arbeitgeberanteil richtigerweise deutlich höher ist. Da kann man sich auf jeden Fall in D ne Scheibe abschneiden.

Lieber Lage Talk,

was habe Ich mich nach einer Folge zum Schuldenmachen gesehnt!

Da kam Sie endlich! Und wie immer: nicht enttäuschend :slight_smile:

Ich frage mich nur warum wir alle davon ausgehen, dass „Staatsschulden“ etwas schlechtes sind?
Vom Ökonomen Mourice Höfgen (in den Kommentaren bereits erwähnt @Jani @P4ll4d1um) habe ich im letzten Jahr gelernt, dass wir beim Schulden machen von Staaten zu sehr von uns selbst ausgehen. Also von privaten Haushalten, Unternehmen oder anderen nichtstaatlichen Institutionen. Wo gehen wir hin wenn wir einen Kredit brauchen? Meist zur Bank.
Ein Staat funktioniert jedoch anders. Er ist nach der Modern Monetary Theory (und Maurice Höfgen) abstrakt gesehen der Monopolist über die Währung. Heißt er schöpft sie über die Versteigerung von Staatsenleihen selbst.

Es braucht also eine andere Analysebrille. Der Staat ist per se nicht begrenzt in der Schöpfung seiner Währung und die Spielregeln mit ihr kann er selbst regulieren. (BSP: Schuldenbremse, US-Schuldenobergrenze, EU- Maastricht Schuldenregeln, Anleihen-Kaufprogramme der EZB, Japan Staatsverschuldung von 261% 2022 etc.)

Gut-Im Falle des Euros ist das etwas komplizierter - aber dennoch lohnt sich der Gedankengang.

Natürlich ist es trotzdem so, dass nur die Ausgaben des Staates sinnvoll sind, die überhaupt bedient werden können. Im Falle unserer Lage wäre eine dieser Begrenzungen dann zum Beispiel fehlende Fachkräfte oder schlicht zu wenig junge Menschen #Demographielücke, die z.B. Wärmepumpen installieren oder die Schiene modernisieren.

Die MMT postuliert meinem Verständnis nach, dass Einnahmen = Ausgaben. Das hieße, will die Bundesrepublik ihre Schulden zurückzahlen, entzöge sie so der Privatwirtschaft enorme Mengen an Euro.

Diese Denkweise verändert die Wahrnehmung von Diskussionen um die Schuldenbremse krass!

Danke für diese Möglichkeit Feedback zur Folge zu geben!

Ganz Viel Liebe an das Lageteam!
Bis zur nächsten Folge

PS: Maurice Höfgen/Dirk Ehnts vor Interview! :wink:

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Zunächst täte es aus meiner Sicht Not zu verstehen, wie denn unser Geld überhaupt entsteht:
Wie so oft helfen dabei Informationen, die recht einfach im Internetz zu finden sind, z.B. bei der Deutschen Bundesbank - seit ein paar Jahren überarbeitet, vorher wurde Unfug behauptet, der leider noch Denken und Handeln der Regierenden und Expert:innen dominiert.

‚Doch wie kommt dieses Buchgeld in die Welt?‘
„Neues Buchgeld schaffen die Banken, wenn sie Kredite vergeben.“

„Buchgeld entsteht durch die Kreditvergabe von Banken.“

‚Wenn alle Kredite auf einmal zurück gezahlt würden, würde dann alles zuvor geschöpfte Buchgeld vernichtet werden?‘
„In dem gewiss hypothetischen Fall, daß alle Kreditnehmer ihre Schulden bei den Banken gleichzeitig tilgen, würde das durch Kredite geschaffene Buchgeld in der Tat wieder verschwinden“

Ca. 97% der Geldmenge ist Buchgeld.

Daraus folgt für mich als schlichtem Gemüt logisch:
Die Geldmenge auf unserem Planeten entspricht dem Schuldenstand auf unserem Planeten.
Dieses zu verstehen wäre der Anfang vom Ende konfuser Diskussionen um Schuldenbremsen und Wirtschaftswachstum.

Ohne den Staat (sprich: EZB im Euro-Raum) als ‚lender of last resort‘ gibt es unser Giralgeld nicht.

Ergo:
Wer das Geld bereit stellt, darf auch in einer angeregten Debatte über Menge und Verwendung streiten.
Statt es dem privaten Sektor zu überlassen, für welche Casino-Abenteuer die Schulden in die Welt gebracht werden, sollten wir das in demokratischem Streit verhandeln: erschaffen wir Geld für Wetten an den Finanzmärkten oder schöpfen wir Geld für soziale Aufgaben, Klimaschutz etc.

Zum weiteren Verständnis empfehlenswert:
Stafan Mekiffer; Warum eigentlich genug Geld für alle da ist
Aaron Sahr; Die monetäre Maschine

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Das lese ich da nicht raus.

Kann aber anscheinend auch Buchgeld geben, das nicht durch Kredite geschaffen wurde, z. B. können dem Einlagen und Sicherheiten gegenüber stehen. In einer Welt, in der Staaten immer höher verschuldet sind, wird der Anteil natürlich immer kleiner.

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Ich frage mich, warum es immer wieder als Allheilmittel angesehen wird, Beamte und Selbstständige in die Rentenversicherung einzubeziehen.
Einerseits bekommt man mehr Einzahler, andererseits auch mehr Anspruchsberechtigte auf Rentenleistungen. Das ändert doch nichts an der Finanzierungssituation.

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Das Einbeziehen von mehr Einzahlern soll gleichzeitig mit einer regressiven Gestaltung der Rentenansprüche einher gehen, was bedeutet, dass ab gewissen Grenzen nicht mehr die volle Anzahl an Rentenpunkten pro Einzahlungssumme erworben wird, sondern weniger. Dadurch steigt dann durch Einbeziehen von finanzstarken Beitragszahlern das Beitragsaufkommen stärker als es die Ausgaben tun.

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Danke. Wollte das gleiche schreiben.

Das ist aber ein ganz anderes Konzept. Damit vermischt man den Charakter von Beiträgen mit dem von Steuern und schafft so quasi eine zweite Einkommensteuer.

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Nein, das ist kein grundlegend anderes Konzept. In der Sozialversicherung gilt nämlich neben dem Äquivalenzprinzip (also: Der Einzahlung muss auch eine gewisse Leistung gegenüber stehen) auch das Solidarprinzip (alle Beitragszahlenden werden gemäß ihrer finanziellen Belastbarkeit zu Beiträgen heran gezogen, nicht pauschal oder aufgrund von persönlichen Merkmalen wie Gesundheitsstatus usw.).

Wie genau diese Prinzipien gewichtet werden obliegt dem Gesetzgeber, und er hat dabei einen Ermessensspielraum. Das Einbeziehen weiterer Personengruppen in die gesetzliche Rentenversicherung bei gleichzeitiger regressiver Ausgestaltung der Rente betont also zwar das Solidarprinzip gegenüber dem Äquivalenzprinzip, schafft es aber gerade nicht ab (das würde eine harte Maximalrente schon eher tun, für die ich daher auch nicht eintrete).

Den Gedankengang hatte ich im Zusammenhang mit der Krankenversicherung angesprochen (Beitragsbemessungsgrenze streichen) und der durchgängige Kommentar im Forum war:

Das ist nicht zulässig, weil man nicht die gleiche Leistung für gleiches Geld bekommt und mit dem Streichen die Schere zu weit auseinander gehen würde.

Hier soll es plötzlich gehen? Höhere Beträge, weniger Leistung fürs gleiche Geld?

Bin mir da nicht so sicher.

Hallo,
bei den zahlreichen Folgen der Lage, in denen die Schuldenbremse thematisiert und als reformbedürftig beurteilt wurde, habe ich mich schon immer gefragt, was bei der vorgeschlagenen Lockerung bei gleichzeitiger Verpflichtung auf investive Schulden dann politisch passieren würde.

Gesetzt den Fall, das Gesetz sähe vor, dass eine Neuverschuldung über der bekannten Grenze nur für Investitionen zulässig wäre, böte sich den regierenden Parteien doch folgende Option, die schwer zu verhindern wäre:
Um sich finanziellen Spielraum (auch für konsumptive) Ausgaben zu schaffen, verlagert man eine beliebige Menge an investiven Ausgaben (bspw. Schieneninfrastruktur), die bislang auch durch den regulären Haushalt getragen werden (BVerkehrsministerium), hinein in die zulässige Neuverschuldung. Schulden finanzieren Investitionen, reguläre Haushaltsmittel würden frei für allerlei andere Ausgabenprojekte konsumptiver Natur. Was übersehe ich hier?

Obwohl ich zustimme, Schulden für Investitionen zuzulassen, die sich voraussichtlich auszahlen, habe ich hier große Zweifel an der Haushaltsdisziplin der Politik.