Liebe Alle,
ich habe mich über das Thema zu Steuern in der aktuellen Lage sehr gefreut.
tl:dr: Steuern auf Gehälter runter, Steuern auf Vermögen rauf!
Um das Provokative kurz vorweg zu nehmen: Ich finde den Steuervorschlag der Union sehr gut! Die Steuern steigen in einer einzigen langen Progressionslinie bis zu einem Jahreseinkommen von bis zu 100.000 Euro auf bis zu 50% an.
Warum denke ich das? Auf den ersten Metern über dem Grundfreibetrag kickt die zusätzliche Steuerlast richtig. Da das gesamte Einkommen verkonsumiert wird, wird der Lohn vollständig mit Sozialabgaben, MWSt und eben der neu dazukommenden, rasch ansteigenden Steuerlast belastet. Dieser Umstand führt faktisch dazu, dass Schlecht- und Gutverdienende praktisch ähnlich viele Steuern zahlen.
Aber auch weiter oben führt die Steuerlast heutzutage dazu, dass sich der klassische Mittelstand kaum noch Vermögen aufbauen kann. Der Spitzensteuersatz wird bereits 32% über dem Medianeinkommen (2022) erhoben.* Früher war das erst beim Achtfachen der Fall. Dagegen werden auf Kapitalerträge knapp 26% fällig, Vermögen wird praktisch gar nicht besteuert.
Ich war neulich in einem Musterhauspark. Für ein Mittelmaß-EFH mit 140 m2 und moderner Energietechnik werden schlüsselfertig „nicht unter 550.000 €“ auf einen zukommen. Nur das Haus, da ist das Grundstück nicht drin, also zahle ich diese Preise auch auf dem Land. Wohnungen gehen bei uns zwischen 4500 und 6000 € pro Quadratmeter über den Tisch, auch kein Trost. Kurz: Ohne Erbe geht beim Immobilienvermögen heute kaum noch was.
Ja, nicht jeder kann sich Eigentum leisten und mit 60.000 € im Jahr nagt man nicht am Hungertuch, aber ich finde es sehr schade, dass in Deutschland die unteren Einkommensschichten gegen den Mittelstand ausgespielt werden. Leute gelten ab 60.000 € Jahreseinkommen als „reich“, obwohl man sich mit diesem Gehalt nun wirklich nicht ansatzweise die klassischen Statussymbole Reicher leisten kann, während die Bestandsvermögen selten Gegenstand einer ernsthaften politischen Diskussion sind. Es wird Zeit, dass wir Reichtum ausgehend vom Vermögen definieren, nicht ausgehend vom aktuellen Steuersatz. Das Problem liegt nicht beim Einkommen, sondern beim Bestand.
Die Beiträge für die Sozialversicherung sind auf der anderen Seite sehr sinnvoll angelegt, zumindest war die Kranken-, Unfall-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung angeht. Mit der Rentenversicherung habe ich so meine Probleme, gerade wenn ich auf die teils sehr guten kapitalgedeckten Vorsorgesysteme anderer Länder blicke. Aber hier wird sich realistisch nichts substantiell ändern lassen, also wird diese Last - meist aus gutem Grund - unverändert bleiben.
*Damit möchte ich ausdrücken, dass ich die Signalwirkung problematisch finde. Denn wer auch nur mit einem Euro dem Spitzensteuersatz unterliegt, gilt hierzulande gemeinhin als „reich“.