LdN 338: Justiz und rechte Gewalt

Man kann durchaus noch andere Dinge anführen - zum Beispiel die vermutete besondere Motivation des Gerichts, anders als bei vielen Gewalttaten von Rechtsextremen alle Angeklagten auch wirklich zu verurteilen und zum Teil einer kriminellen Vereinigung zu erklären.

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Naja, der absolut überwiegende Teil aller beobachtenden Medien und Juristen sieht hier keine Probleme. Einzig die Verteidigung äußert massive Kritik (aus nachvollziehbaren Gründen) und klar im linken Sektor tätige Vertreter äußern gemäßigte, durchaus nachvollziehbare Kritik. Aber es ist eben kein wirklicher Skandal, es ist allenfalls die Frage, ob es kleinere Abweichungen vom Ideal gibt.

Das ist natürlich absolut berechtigt. Niemand hier sagt, dass es in der Vergangenheit im Hinblick auf rechtsextreme Taten nicht ziemlich geharkt hat. Aber das sollte man nicht nutzen, um jetzt in einem Fall, in dem das System funktioniert hat, Kritik am Urteil zu äußern, sondern im Gegenteil: Das nächste Mal, wenn es den Eindruck macht, dass bei einer rechtsextremen Gruppierung wieder nicht genug getan wird, sollte auf dieses Verfahren verwiesen werden und entsprechend gleiche Aktivität gefordert werden.

So gesehen ist das Verfahren eher ein Vorbild für zukünftige Verfahren als ein Negativbeispiel, wie es nicht gehen sollte. Oder seht ihr das anders? Daher kann ich die Verweise auf „mildere Strafen“ oder „Fehler“ in Verfahren gegen Rechtsextreme nur begrenzt nachvollziehen. Es gibt eben kein Recht darauf, dass die selben Fehler nun auch hier gemacht werden müssten, sondern allenfalls ein Recht darauf, in Zukunft diese Fehler auch bei Straftaten von Rechts zu vermeiden.

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Der Punkt von @Viktor war ja, warum sich überhaupt Menschen außerhalb von Gerichtsverfahren in höheren Instanzen mit den Inhalten und Abläufen von Gerichtsverfahren näher beschäftigten sollten. Meine Frage war eine Reaktion darauf. Die Frage, wie die Öffentlichkeit ein bestimmtes Verfahren (überwiegend) bewertet, ist eine komplett andere.

So war es auch gemeint.

Wie kommst Du auf die Idee, dass ich der Meinung sein könnte, dass Lina E. unschuldig sein könnte? Die ganze Diskussion zielte nie auf das Strafmaß ab. Lina E. hat Gesetze gebrochen und gehört dafür bestraft. Ganz einfach.
Worum es mir geht sind die Ressourcen, die hier reingesteckt wurden. Das Missverhältnis zeigt Dein Vergleich mit den NSU Prozessen. Indizienprozesse sind normal, aber während bei Lina E. alles „zusammengekratz“ und Dinge falsch Interpretiert wurden, so dass überhaupt eine kriminelle Vereinigung konstruiert werden konnte, war bei den NSU Prozessen trotz Überwachung durch den Verfassungsschutz nur ein Indizienprozess möglich.

Ich tue mich sehr schwer andere Interpretationen zu finden.

@Daniel_K: Bist Du der Meinung, dass wir hier in Deutschland ein Problem mit Rechtsextremismus haben? Ein Problem mit der Verfolgung desselben? Sind die 200 Toten in den letzten Jahren „OK“? Ist es OK, dass es für Menschen in bestimmten Gegenden von Deutschland zum Alltag gehört von Rechtsextremen unterdrückt zu werden und Gewalt zu erfahren? Und wie denkst Du, dass es bei solchen Menschen ankommt, wenn sie davon erfahren, welcher Aufwand bei Lina E. getrieben wurde? Abholung mit Hubschrauber nur so als Beispiel?
Von dem was ich bisher erfahren habe, gäbe es diesen Prozess gar nicht, wenn die Polizei gegen Rechte mit dieser Energie vorgehen würde, wie sie es hier bei Lina E. getan hat.

Die Polizei versagt offensichtlich (200 Tote) bei Rechtsextremen. Sie zeigt immer wieder energisches Vorgehen gegen Links. Für mich bedeutet das, dass die Polizei nicht mehr „Freund und Helfer“ ist, sondern sich zunehmend in ein Repressionsorgan verwandelt. Mir macht dies Sorgen.

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Das geht mir auch so. Wenn ich dann aber zurückdenke an 1933, da hat das auch so angefangen. Wie das geendet hat, wissen wir alle. Die Frage, die ich mir stelle und auf die ich keine Antwort habe, ist ab wann „versagt“ der Staat so sehr, dass man sich dagegen wehren „muss“? Ich weiß nur, dass ich so friedfertig bin, dass ich zu spät reagieren werde.
Das soll auf keinen Fall ein Aufruf zur Gewalt oder Billigung von den Taten von Lina E. sein. Sondern wir als Gesellschaft müssen aus meiner Sicht dringend darüber diskutieren, wie wir damit umgehen und was wir machen können, um gegen zu steuern.

Hast du eine Quelle?

Ich verweise mal dazu auf diesen Beitrag von vor 3 Tagen:

Also ja, wir haben ein verdammt großes Problem mit Rechtsextremismus. Und ja, die Behörden haben beim Rechtsextremismus, wie nicht zuletzt der NSU-Komplex zeigte, lange Zeit verschlafen, ebenso beim Thema Reichsbürger. Das alles habe ich an vielen, vielen Stellen hinreichend klar gemacht - und alle diese Dinge lassen sich ja auch gut belegen.

Ich sehe nur nicht, warum diese Einschätzung etwas an der Bewertung des Falles Lina E. ändern soll. Dein Argument ist hier:

Dass beim Fall Lina E. Dinge falsch interpretiert wurden, um eine kriminelle Vereinigung zu konstruieren, dürfte nicht die herrschende Meinung zu dem Thema sein. Gerichtsfest belegter Fakt ist doch, dass die Gruppe um Lina E. planvoll mehrere schwere Gewalttaten begangen hat, also ich habe hier keinen Zweifel, dass man da juristisch nach der aktuellen Gesetzeslage (im Gegensatz zur Letzten Generation, wo das zumindest stark umstritten ist!) problemlos zu einer kriminellen Vereinigung kommen kann.

Der Rest deines Statements zielt wieder darauf ab, den Anspruch auf eine mildere Strafe für Lina E. daraus zu begründen, dass der Staat hier endlich mal nicht die Fehler gemacht hat, die er im Umgang mit Rechtsextremen ständig macht. Aber ein Kurswechsel zum „richtigen“ Verhalten hin sollte nicht kritisiert werden, sondern wenn jetzt der Staat in Richtung Rechts wider mal schläft sollte das Vorgehen der Behörden im Fall Lina E. uns als Argument dienen, hier auch gegen Rechtsextreme das gleiche Strafverfolgungs-Engagement zu verlangen.

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Dann halte ich es für keine besonders gute Erklärung denn sie träfe auf alle Bewohner von Connewitz zu. Es könnte also vlt. ein Teil der Erklärung sein, der jeodch direkt die nächste Frage auffwirft, warum ist die Gruppe um Lina E. gewaltätig gewordem während es der Rest der Bewohner von Connewitz (oder wenn man es mehr ein grenzen will: der Rest der linksautonomen) nicht gewaltötig geworden ist.

Danke, wieder was neues gelernt :slight_smile:

Nein, denn das sehe ich nicht so.
Was is sagen wollte ist, dass wenn mann sich die Aussagen von der Verteidigung, der Staatsanwaltschaft und des Richters anschaut, relevanteste erstmal die des Richters sein sollte, da sie wohl den höchsten Anspruch an objektivität hat. Falls die Urteilsbegründing des Richters Fehler aufweist, kann darüber natürlich jeder berichten wie er mag, aber geklärt ob der Richter fehler gemacht hat sollte dann wieder im Gericht geklärt werden.

Nein auch diese Ansicht vertrete ich nicht.
Jeder soll sich doch gerne eine Meinung bilden, aber um tatsächlich zu klären ob etwas nicht mit rechten Dingen zuging (oder grade doch mit rechten haha) sind aus meiner sicht wieder Gerichte gefragt denn die ahben doch viel mehr informationen als die von dir beschriebenen Gruppen

Könnste du mir sagen in welchemd er beiden interviews ca. bei welcher Minute, will mir nicht die ganze Stunde reinziehen :smiley: Aber das ist tatsächlich ein sehr interessanter Punkt und ich leider juristisch nicht bewandert genug um ihn sinnvoll ein zu ordnen. Passiert das öfter ?

Ich finde die Vorstellung, dass einzelne Richter:innen für sich „Objektivität“ beanspruchen können, ehrlich gesagt recht abenteuerlich. Natürlich sind Richter:innen von Berufs wegen angehalten und bemüht, unterschiedliche Sachverhalte und Sichtweisen gegeneinander abzuwägen. Aber es besteht doch wohl kein Zweifel, dass sie dabei immer auch subjektiv handeln und neben ihren persönlichen Überzeugungen auch von gesellschaftlichen Diskursen beeinflusst sind. Wäre dem nicht so, würde es m. E. keine politischen Kämpfe um die Besetzung von Richter:innenstellen und keine politischen Auseinandersetzungen um Veränderungen in der Rechtsprechung geben.

Hier ist die große Frage, was Du unter „klären“ verstehst. Dein Einwand bezog sich ja auf meinen Vorschlag, sich das Verfahren genauer anzuschauen, also zu analysieren. Und da es keine Dokumentation des Verfahrens (etwa der Beweisaufnahme oder der Befragung von Zeug:innen) gibt, wüsste ich auch nicht, warum andere Gerichte hier über mehr oder bessere Informationen verfügen sollten als Rechtsanwält:innen, die dieses Verfahren miterlebt und mitgestaltet haben. Und um die ging es ja konkret in den von mir verlinkten Interviews.

Ich verlinke auch am liebsten Texte (und zwar ohne Paywall). damit die Informationen, auf die ich mich beziehe, besser nachvollziehbar sind. In diesem Fall gab es aber leider nur Audios. Für eine schriftliche Zusammenfassung oder Indizierung fehlt mir leider die Zeit. Ich befürchte aber, dass Du nicht der einzige bist, der sich die Interviews gar nicht angehört hat, aber trotzdem sicher ist, dass die beiden Anwält:innen nichts wesentliches zu sagen haben :wink:

Mir ging es nie um das Strafmaß, da habe ich schlicht und einfach keine Ahnung von. Mir geht es hier um eine Gleichbehandlung. Wenn der Staat Linke „richtig“ behandelt und bei Rechten schläft, dann ist das „nicht OK“. Und der Fall Lina E. macht dieses Mißverhältnis zwischen Links und Rechts deutlich, da es diesen Fall bei einer Gleichbehandlung gar nicht gäbe. Genau das kritisiere ich.

Das ist wie gesagt absolut nachvollziehbar, niemand bezweifelt, dass der Staat auf dem Rechen Auge bisher häufig blind war. Und darüber kann, darf und sollte man sich aufregen, da sind wir absolut einer Meinung.

Aber die Gleichbehandlungsgrundsatz kann hier nicht zu dem Ziel führen, zu sagen: „Bei Rechts hat die Regierung verschlafen, also soll sie jetzt auch bei Links weggucken“. Natürlich hat der Staat das Recht, einen falschen Kurs der Vergangenheit zu korrigieren. Problematisch wird es daher erst dann, wenn sich beim nächsten Vorfall von Rechts wieder zeigt, dass der Staat wieder verschläft. Dann können wir diese Diskussion über die Gleichbehandlung führen und dafür kämpfen, dass der Staat hier gegen Rechts auch richtig durchgreift.

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Warum stellst Du eigentlich immer wieder denselben Pappkameraden auf? Wer hat denn hier im Thread gefordert, „wegzugucken“? Und warum gehst Du nicht auf tatsächlich vorgebrachte Kritikpunkte ein? Das macht die Diskussion aus meiner Sicht wirklich müßig.

Mir erschließt sich nicht, warum die Kritik an unterlassener oder zu milder Strafverfolgung gegen Rechtsextreme in Ordnung sein soll, aber die Kritik an zu scharfer oder übermotivierter Strafverfolgung gegen Linksextreme nicht? Und warum soll sich der Vergleich nicht auf die bisherige Rechtspraxis in Bezug auf Rechtsextreme beziehen, sondern nur auf die zukünftige?

Das ist kein Pappkamerad, weil eben tatsächlich das Urteil zu Lina E. mit dem Argument kritisiert wird, dass hier der Staat mehr Mühe in die Untersuchung gesteckt hätte als bei vergleichbaren rechten Taten.

Der Kritik, dass der Staat bei Rechts zu oft nicht genug tut, da sind wir uns doch absolut einig. Ich sage nur, dass das nicht dazu führen darf, das Urteil gegen Lina E. zu relativieren, was eben immer in der Diskussion mitschwingt.

Weil im Fall der zu milden / unterlassenen Strafverfolgung gegen Rechtsextreme ein objektiv festzustellendes Versagen der Strafverfolgungsbehörden kritisiert wird.
Im Fall von Lina E., wo die Strafverfolgungsbehörden hingegen geradezu vorbildlich den Sachverhalt bis in’s letzte Detail ausgeforscht haben, liegt kein Versagen vor, sondern das ist letztlich der Zustand, der in einem Rechtstaat erwünscht ist. Das zu kritisieren finde ich falsch.

Man kann gerne die Staatsanwaltschaft für ihre absurde Strafforderung in Höhe von 8 Jahren kritisieren, aber nicht dafür, dass sie bei der Ausforschung des Sachverhalts „zu viel“ getan hätte, da es immerhin um Straftaten ging, die zur akuten Lebensgefahr eines Betroffenen geführt haben. Hier kann kaum „zu viel“ ermittelt werden.

Weil wie gesagt ein Staat das Recht hat, einen falschen Pfad in der Vergangenheit zu verlassen und auf einen richtigen Pfad umzuschwenken. Man kann nicht auf ein klar falsches Verhalten in der Vergangenheit (und die mangelnde Verfolgung Rechtsextremer in der Vergangenheit siehst auch du doch eindeutig als Falsch an, oder?!?) zeigen und ein „richtiges“ oder zumindest „richtigeres“ Verhalten der Gegenwart, also eine Kurskorrektur, dann kritisieren. Wohl aber kann man nach einer erfolgten Kurskorrektur ein erneutes Abweichen vom neuen, richtigen Kurs mit sehr guten Gründen kritisieren.

Oder anders ausgedrückt:
Wenn eine bestimmte Tat in der Vergangenheit zu lasch ermittelt wurde und jetzt und in der Zukunft richtig ermittelt wird, ist das ein Fortschritt.
Wenn eine bestimmte Tat in der Vergangenheit zu lasch ermittelt wurde, jetzt bei einem anderen politischen Hintergrund strikt ermittelt wird, und in der Zukunft bei Rechtsextremen wieder zu lasch ermittelt wird, dann ist das Willkür.

Hier wird der Fehler gemacht, eine überfällige Kurskorrektur bei politisch motivierter Gewalt in die Nähe von Willkür zu rücken - das geht aber eben erst, wenn diese Kurskorrektur nur für den Einzelfall und nicht generell für die Zukunft erfolgt ist.

Das mit dem „Pappkameraden“ bezog sich auf die Forderung wegzuschauen. Nochmal: wo gab es die?
Du argumentierst hier meist mit absoluten Kategorien (erst „Unschuld“, dann „Wegschauen“ und nun „Versagen“ und „Willkür“). Nur: Diese absoluten Kategorien - ebenso wie der Verweis auf vermeintlich objektive Kategorien - kommen in dieser Diskussion meist von Dir selbst, aber nicht von denjenigen, die Du kritisierst oder denen Du sie unterstellst. Noch dazu ignorierst Du dabei aus meiner Sicht die (eher graduelle) Kritik, die tatsächlich geäußert wird. Und das macht die Diskussion extrem unproduktiv.

Was die Kritik an der vergangenen und zukünftigen Strafverfolgung von Rechtsextremen angeht, läuft Dein Argument ja darauf hinaus, dass Kritik nur sinnvoll ist, wenn diese zu einer Veränderung der Realität führt. Das ist eine Einschränkung für die Legitimität von Kritik, die ich weder nachvollziehen, noch mittragen kann. Zudem glaube ich kaum, dass Mitarbeitende bei Ermittlungsbehörden erst mal das Lage-Forum checken, bevor sie sich an die Arbeit machen.

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Das Argument ist vor allem, dass hier nicht ergebnisoffen ermittelt wurde, sondern dass man einen Erfolg für die notorisch erfolglose Soko LinX brauchte und deshalb sowohl die Indizien zuweilen eindeutiger ausgelegt hat als sie sind und zum anderen die zahlreichen Widersprüche in den Zeugenaussagen nicht angemessen berücksichtigt hat.

Über die zahlreichen Probleme während des Prozesses wurde ja selbst in nicht-linken Medien immer wieder berichtet: Mutmaßliche Verbindungen zumindest eines der Soko-Mitglieder zu Rechtsextremen, außerdem bekannte Schikanen der Soko gegen Linke durch ungerechtfertige Polizeimaßmahmen; Widersprüche in den Aussagen der Neonazis, die ihre späteren Aussagen anscheinend auf die Anklageschrift abgestimmt haben; das plötzliche Herbeizaubern eines „Kronzeugen“; die Erhebung von Tatvorwürfen, obwohl der Anklage bereits Gegenbeweise vorlagen; die Vereindeutigung von Indizien, damit sie zum Beweis einer kriminellen Vereinigung dienen.

Es wird mitnichten nur kritisiert, dass hier zu viel Aufwand betrieben wurde.

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Das kommt halt drauf an, ob man den Ermittlungsbehörden vertraut objektive Ermittlungen zu führen. Und das ist eben definitiv nicht der Fall, wenn ganz offensichtlich Mitarbeiter der „Soko Linx“ mit rechtsradikalen Zeitschriften zusammenarbeiten und denen wiederholt interne Ermittlungsergebnisse durchstechen.

Gerade mit einem „Kronzeugen“ wäre die Möglichkeit der Manipulation doch definitiv gegeben, wenn man z.B. nicht seine Aussagen zur Kontrolle mit anderen abgleicht, sondern im Gegenteil extra nach den Aussagen von anderen (erwiesen rechtsextremen) Zeugen designt.

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Der Staat hat über 200 mal bei Rechts weggeguckt und weil er jetzt bei Links einmal durchgegriffen hat, bist Du der Meinung, dass sich jetzt alles geändert hat? Du brauchst jetzt einen weiteren Mord oder ähnliches von Rechts, um mit der Diskussion anfangen zu können?
Sorry, aber wenn Du hier das Schema nicht siehst, frag ich mich schon etwas. Der Staat hat Rechst dermaßen stark versagt, dass Lina E. sich gezwungen sah Selbstjustiz zu üben. Das ist nicht OK, aber wenn der Staat dann in diesem Fall alles einsetzt, um dagegen vorzugehen, dann bestätigt dies den Rechtsdrall unseres Staates. Und das ist aus meiner Sicht extrem bedenklich.

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Naja, ich habe die Hoffnung, dass wenn die Strafjustiz beim nächsten Fall wieder wegschaut, wir jetzt deutlich bessere Argumente haben, mehr Initiative zu fordern - denn der Staat hat im Fall Lina E. gezeigt, dass er in der Lage ist, die ganz großen Geschütze bei politischem Extremismus rauszuholen.

In diesem Kontext ist die gute Nachricht, dass Lina E. und die anderen Verurteilten Revision eingelegt haben. Daher wird der BGH das Ganze noch mal unter die Lupe nehmen. Das finde ich gerade wegen der von dir genannten Vorwürfe auch sinnvoll und bin gespannt, was dabei raus kommt.

Ich hoffe nur, dass die Staatsanwaltschaft nicht auch noch Revision einlegt, weil ihr die Strafe zu niedrig war. Das würde sonst den Eindruck verschärfen, dass die Staatsanwaltschaft hier unbedingt eine maximal-harte Verurteilung erreichen will.

Ich glaube ehrlich gesagt, dass das Risiko für die betreffenden Beamten da zu hoch ist. Also dass Polizei und Staatsanwaltschaft besonders viel Eifer haben, Linke zu verfolgen, bezweifle ich definitiv nicht - leider. Aber bewusst Beweise zu fabrizieren und falsche Aussagen herbeizuführen wäre eine schwere, karrierebeendende Straftat. Bei allem Hass mancher Polizisten und Staatsanwälte gegen die linke Szene, glaube ich nicht, dass hier Nutzen und Risiko auch nur halbwegs in einem sinnvollen Verhältnis stehen.

Das würde ja bedeuten, dass es in der Vergangenheit keine ausreichend guten Argumente gab, mehr und bessere Strafverfolgung rechtextremer Umtriebe zu fordern und es würde nahelegen, dass es bisher berechtigte Zweifel daran gab, dass der Staat dazu theoretisch in der Lage ist. Beides ist meiner Meinung nach nicht der Fall.

Bei einer Revision wird ja der Prozess gerade nicht noch einmal inhaltlich aufgerollt. Wenn ich RA Werner richtig verstanden habe, ist gerade eine Rekonstruktion dessen, wie das Gericht bestimmte Aussagen gewertet hat oder wie die Indizienkette für das Bestehen und die Mitgliedschaften in einer kriminellen Vereinigung genau geknüpft wurde, sogar explizit davon ausgeschlossen. Es handelt sich eben um ein eminent politisches Verfahren und deshalb halte ich es auch nachwievor für legitim, es politisch zu analysieren und zu kritisieren und es eben nicht auf eine rein juristische Ebene zu reduzieren.

Eine Straftat ist es nur, wenn es als solche geahndet wurde. Und wer soll das in diesem Fall tun? RA Werner zeichnet zum Beispiel nach, wie Ermittler den Kronzeugen mit einer These konfrontieren, dieser die These übernimmt und später behauptet, deren Inhalt so persönliche erlebt bzw. beobachtet zu haben. Seine entsprechende Aussage diente dann im Verfahren als Beweis. Es gab also eine klare Interessenkoalition: Staatsanwaltschaft und Richter wollten eine Verurteilung und der Kronzeuge wollte in den Zeugenschutz, wofür er einen nennenswerten Beitrag zur Verurteilung liefern muss. Wenn das keine (gemeinschaftliche) Herbeiführung falscher Aussagen bzw. Fabrikation von Beweisen ist, was dann?