LdN 334 Mobilität als Flatrate

In der aktuellen Lage wurde auch über das 49€ Ticket und in diesem Zusammenhang über die Psychologie von Flatrates gesprochen. Die Argumentation, dass eine „ÖPNV Flatrate“ ein geschicktes Werkzeug ist, um eine „PKW-Flatrate“ zu verdrängen fand ich dabei durchaus überzeugend.

Was ich mich aber andererseits frage ist, ob Flatrates in der Mobilität und bei der Energiewende insgesamt das richtige Mittel sind. Schließlich ist der Effekt einer Flatrate immer auch, dass Dinge in der Tendenz nicht soviel genutzt werden, wie nötig, sondern so viel dass sich die Kosten auch rentieren (Jetzt habe ich die Flatrate gekauft, jetzt muss ich sie auch nutzen). Der Gedanke liegt nahe, dass diese Denke nicht notwendigerweise zum Ressourcen sparen einlädt.

Um mal ein Beispiel zu nennen: wenn jeden Tag ein bestimmtes Lied hören möchte, macht es mir die Internet-Flatrate möglich, dass ich das entsprechende Musikvideo jeden Tag über Youtube streame. Viel ressourcensparender und kaum aufwändiger wäre es, das Lied einfach einmalig runterzuladen.

Kommen wir zurück zur Mobilität. Ich bin – ähnlich wie Ulf – auch fast nur mit dem Fahrrad unterwegs und habe mir daher kein 49€ Ticket gekauft. Vielleicht muss man das als Transparenzhinweis im Kopf haben, wenn man liest, was ich schreibe und sich parallel seine eigenen Gedanken zu dem Thema macht. Was wir beim 9€ Ticket gesehen haben ist, dass die ÖPNV Mobilität stark gestiegen, die PKW-Mobilität aber nur leicht gesunken ist. Sprich: die Mobilität insgesamt ist gestiegen.

Das kann zunächst mal gut sein, denn bezahlbare Mobilität ist wichtig für Menschen. Andererseits kann der Flatrate-Effekt hier eben auch unnötige Mobilität fördern. Mehr Mobilität bedeutet auch mehr Energieverbrauch. Zwar ist dieser deutlich geringer als beim PKW, aber eben nicht Null. Zudem kommen wir vermutlich mit dem Ausbau des Nah- und Fernverkehrs gar nicht so schnell hinterher, dass unser Angebot die Nachfrage stillen könnte. Für den Berufspendler, der auf den ÖPNV angewiesen ist, ist es vielleicht auch nicht so pralle, wenn er jeden Tag in überfüllten Zügen unterwegs ist. Und wenn man Gesundheitseffekte mit einkalkuliert ist es auch nicht in jedem Fall sinnvoll, wenn man vom Fahrrad auf den ÖPNV umsteigt, weil es ggf. billiger / bequemer ist.

Die Alternative wäre es, den ÖPNV sehr günstig zu machen, aber dennoch auf Basis des Verbrauchs abzurechnen, um Sparanreize zu erhalten. Das dürfte bei ausreichender Digitalisierung für den Reisenden auch nur geringfügig aufwändiger sein. Was denkt ihr? Ich sehe vielleicht vieles zu stark durch die Fahrradfahrer-Brille. Daher wäre ich sehr an Meinungen interessiert.

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Diese Alternative (wie auch das 49€-Ticket oder das 9€-Ticket) verursacht bzw. erhält enorme volkswirtschaftliche Kosten. Diese Alternative benötigt weiterhin eine Infrastruktur für den Ticketverkauf (sei es digital oder physisch), Lohnkosten für Ticketkontrolleure sowie Kosten für das Justizwesen (die Erschleichung von Leistungen belastet Gerichte und Gefängnisse, siehe LdN330).

Ein entgeltfreier, steuerfinanzierter ÖPNV wäre wohl die ressourcenschonendste Alternative. Und die gesparten Kosten könnte die Volkswirtschaft z.B. in den Klimaschutz investieren.

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Das kann man grundsätzlich erst mal annehmen. Aber dann sollte man sich auch überlegen, durch welche Menschen diese zusätzliche Mobilität entsteht:

  1. ÖPNV-Berufspendler, die wohl die größte Gruppe der Deutschland-Ticket-Nutzer ausmachen dürften, können z.B. werktags nicht „noch mehr“ mit dem ÖPNV fahren, da sie ja arbeiten müssen. Und an Wochenenden und im Urlaub sind Ausflüge und Reisen mit der Bahn gegenüber Auto und Flugzeug ja eindeutig Energie-sparsamer, also ein Gewinn.
  2. Rentner dürften ebenfalls eine große Gruppe der Deutschlandticketnutzer ausmachen und die Bahn für Ausflüge und Urlaubsreisen innerhalb Deutschlands nutzen. Diese Leute werden aber wohl eher tagsüber fahren, wenn die Busse und Bahnen leer sonst leer sind. Das könnte nebenbei auch zu einer gleichmäßigeren Nutzung des ÖPNV führen, was wirtschaftlich sehr sinnvoll wäre.
  3. Bei erwerbslosen Personen glaube ich eigentlich nicht, dass sie sich das Deutschlandticket „einfach so“ kaufen werden, da 50 Euro im Monat nicht wenig Geld ist, das war beim 9 Euroticket anders.

Insofern würde ich erst mal abwarten, ob es wirklich wieder zu einem so großen Mobilitätssprung kommt und dann genau hinsehen, wo diese Mobilitäts-Zunahme stattfindet.

Und im Gegensatz zum Auto muss im ÖPNV auch nicht für jeden zusätzlichen Fahrgast gleich 1,5 weitere Tonnen an Metall bewegt werden. :wink:

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Danke für dein Feedback

Ich kann nachvollziehen, dass ein komplett kostenloser ÖPNV einiges vereinfachen würde und damit auch Kosten einsparen könnte. Ich bin allerdings skeptisch, dass diese Einsparung wirklich so groß ist, wie von dir beschrieben, da Ticketverkauf- und Kontrolle ja im Nahverkehr verhältnismäßig schlank gestaltet sind und viel Infrastruktur für den Fernverkehr ohnehin gebraucht wird. Diese Regelung würde die Flatrate-Kosten von den Nutzern auf die Steuerzahler umlegen. Prinzipiell ist dadurch ein gewisser sozialer Ausgleich enthalten. Es könnte aber zum einen als ungerecht empfunden werden von denjenigen, die den ÖPNV wenig nutzen. Zum anderen bekommen jetzt Menschen eine Flatrate, die sie gar nicht brauchen, was aufgrund der o.g. Logik zu noch mehr unnötiger Mobilität führen könnte. Da mir die Daten fehlen, kann ich nicht beurteilen, ob das wirklich die ressourcenschonendste Alternative ist – plausibel scheint es mir aber aufgrund der o.g. Gründe nicht.

Auch vielen Dank für deine Rückmeldung.

Brauchen wir gar nicht. Wir haben ja zumindest eine halbwegs aussagekräftige Bilanz vom 9-Euro-Ticket [1] [2]. Durch das Ticket ist die ÖPNV Nutzung kurzzeitig um ca. +50% nach oben geschnellt und hat sich dann recht stabil bei ca. +40% eingependelt. Was leider kaum passiert ist, ist der Umstieg vom Auto auf die Bahn. Der lag eher so bei 2-3 %. Auch wenn das sicher keine extrem verlässlichen Daten sind, liegt hier ja mehr als eine Größenordnung dazwischen.

Welche Art von Mobilität sich verändert hat, kann man hier auch recht gut sehen. Es ist vor allem viel Freizeit-Mobilität hinzugekommen. Leute sind öfter zu weiter entfernten Erholungsgebieten gefahren und teilweise ist man sogar mit dem ÖPNV Ticket von den Alpen an die Ostsee gereist. Da kenne ich sogar eine Menge Beispiele von besser verdienenden Menschen. Diese Verlagerung von Fern- auf Nahverkehr ist allein wegen der besseren Energieeffizienz des Fernverkehrs nicht sinnvoll. Wenn man mal frustrierte Pendler und Zugbegleiter über die Zeit des 9-Euro Tickets befragt, dann hat diese Mobilität durchaus nicht nur außerhalb der Stoßzeiten stattgefunden.

Im Endeffekt ist das genau die Zunahme von unnötiger Mobilität die ich meine. Menschen planen ihre Freizeit und berücksichtigen dabei natürlich auch Kosten. Beim Auto habe ich zumindest bisher die Kosten von Strom oder Benzin mit einkalkuliert. Wenn ich eine ÖPNV Flatrate habe, kalkuliere ich für die Mobilitätskoste Null. Das führt dann eben zu genau dem beobachteten Verhalten, dass viel mehr Menschen z.B. am WE in die Berge fahren, statt im Umkreis zu bleiben, Radtouren zu machen o.ä. ohne dass die Lebensqualität sich dadurch erheblich ändern würde.

Ich verstehe schon, dass es generell angenehmer ist, eine Mobilitätsflatrate zu haben. @vieuxrenard hat sich ja auch als Fan geoutet. Was ich aber nicht verstehe, ist warum man hier grundsätzlich anders vorgeht, als bei allen anderen Themen der Energiewende. Bei Strom und Gas (wo wir zum Glück kaum Flatrates haben) ist die Devise ja auch, die Bürger die Kosten für die Energie bewusst spüren zu lassen und dann mit sozialen Ausgleichen nachzusteuern, um Sparanreize zu setzen. Warum machen wir es im Bereich Mobilität, der für einen signifikanten Teil des Energieverbrauchs verantwortlich ist anders? Man kann ja auch ohne Flatrate ÖPNV günstiger machen als energieintensivere Alternativen.
[1]

[2]

Naja, man darf nicht vergessen, dass ich auch im ÖPNV eine Menge Metall bewege. Diese Berechnung aus der ETH [3] passt sehr gut zu Zahlen die ich auch aus anderen Quellen kenne. Danach verbrauche ich mit der Bahn etwa so viel Strom pro Personenkilometer, wie wenn ich mit zwei Personen im E-Auto unterwegs bin. Was hier grob berücksichtigt ist, sind auch Herstellungskosten etc. (höherer Anteil beim E-Auto) allerdings keine Infrastruktur-Kosten (z.B. Autobahn vs. Schienennetz).

Sprich im Fall, dass wir langfristig die ÖPNV Kapazität am Bedarf ausrichten, verbraucht der Pendler, der allein im E-Auto sitzt, etwa doppelt so viel Energie, wie wenn er mit der Bahn fahren würde. Im Fall der 4-Köpfigen Familie, die in die Berge fährt, ist es genau anders herum. Trotzdem setzen wir ja mit einer ÖPNV Flatrate den Anreiz, dass diese 4-Köpfige Familie zukünftig die Bahn nimmt und tendenziell öfter unterwegs ist als bisher.

[3]

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Die Zahlen vom 9€-Ticket sind nicht verwertbar. Durch die kurze Dauer gab es Druck auf der einen Seite, das Angebot zu nutzen, bevor es weg ist und auf der anderen Seite keinen Druck, für das 9€-Ticket durchzurechnen, ob es Sinn macht, das Auto zu verkaufen oder still zu legen. Wer die Fixkosten sowieso hat, neigt dazu das Auto auch zu nutzen. Dazu kommt, dass es Aufwand bedeutet, sich mit dem Nahverkehr auseinander zu setzen, vor allem, wenn das Thema neu ist.
Erst nach einem Jahr Deutschlandticket lässt sich sagen, wie stark der zusätzliche Verkehr durchschlägt und welcher Pendler sich vorstellen konnte, langfristig vom Auto umzusteigen.
Was auf jeden Fall ein Thema ist, ich kenne von Großstädten mir Tagestickets für Touristen: wenn das Wetter schlechter wird, wollen plötzlich alle Fußgänger in den Bus, ein Ereignis, das ein ÖPNV-Anbieter nicht planen kann.

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Volle Zustimmung.

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[quote="MarkusS, post:6, topic:20066"] Was hier grob berücksichtigt ist, sind auch Herstellungskosten etc. [/quote]

Da sagt deine verlinkte Quelle aber etwas anderes:

Zudem werde der Energieverbrauch während des gesamten Lebenszyklus nicht berücksichtigt. Der Lebenszyklus-Energieverbrauch von E-Autos liege bei etwa 80 Prozent in der Nutzungsphase und 20 Prozent in der Herstellungsphase

Außerdem würde für die Studie das Corona-Jahr 2021 gewählt, das mit seinen geringen Passagierzahlen nicht wirklich repräsentativ sein dürfte.

edit
Habe die Herleitung von @MarkusS falsch verstanden und ziehe daher das erste Arguement zurück.

Aus der Quelle:

„Demnach betrug der Energieverbrauch bei den SBB pro 100 Personenkilometer zwischen 9,8 kWh und 11,86 kWh, je nachdem, welche Berechnungsart zugrunde liegt. Für ein mittelgrosses Elektroauto liege der Energieverbrauch bei etwa 16 kWh, so Patt gegenüber energate“

„Der Lebenszyklus-Energieverbrauch von E-Autos liege bei etwa 80 Prozent in der Nutzungsphase und 20 Prozent in der Herstellungsphase, so Patt gegenüber energate. Vermutlich falle die Nutzungsphase bei Zügen stärker ins Gewicht. „Letzten Endes ist ein E-Auto mit zwei Personen ungefähr gleich gut, möglicherweise besser, wahrscheinlich nicht viel schlechter, als wenn beide mit dem Zug fahren“, so Patt gegenüber energate.“

Daher die Abschätzung mit 2:1. Wenn ich den niedrigeren Verbrauch der Bahn mit 9,8 kWh nehme (also konservativ rechne) und die 16kWh noch durch 0,8 teile (also nochmal konservativ rechne und die Herstellungsphase bei der Bahn mit 0 berücksichtige) komme ich auf Faktor 2 (20kWh vs. 9,8 kWh). Ansonsten wäre es sogar noch weniger.

Diesen Faktor zwei findest du in recht vielen Quellen – auch solchen, die tendenziell pro Bahn sind. Gerne kannst da aber andere Erkenntnisse hier ergänzen.

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Ich gebe dir insofern Recht, als dass die Zahlen zum Umstieg von PKW auf Bahn aus den von dir genannten Gründen nicht wirklich auf einen längeren Zeitraum übertragbar sind. Vermutlich würde da aber nicht mal ein Jahr ausreichen – eine Tendenz könnte man aber vielleicht sehen.

Ich denke allerdings schon, dass man an diesem Beispiel gut sehen kann, wie durch eine Mobilitäts-Flatrate zusätzliche Mobilität entsteht, die nicht auf eine Optimierung der Energieeffizienz hinwirkt.

Und genau hier verstehe ich nach wie vor den Ansatz nicht. Die Idee, Menschen vom PKW auf den ÖPNV umsteigen zu lassen, sofern das energieeffizienter ist, finde ich ja gut. Aber warum die Flatrate? Auf Basis welcher Theorie oder welcher Daten denken wir, dass das hinsichtlich Klimaschutz die beste Option ist? Bitte hier nicht falsch verstehen: es ist ja möglich, dass ich mich irre. Aber ich habe auf Basis dessen was hier bisher geschrieben wurde noch nichts gesehen, was das erklären würde.

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Fair enough, dass kann man auf Grundlage der Zahlen, die in dem Artikel verwendet wurden, so rechnen. Habe den Beitrag oben korrigiert.

Von welchem Faktor sprichst du hier genau?

Aber zu den Passagierzahlen der SBB (Quelle):

Folgen der Covid-19-Pandemie weiterhin erheblich. Im ersten Halbjahr 2021 täglich 763 000 Passagiere unterwegs, 41 Prozent weniger als 2019.

Jetzt kann man zwar argumentieren, dass die Schweizer Bahn zwar vermutlich auch weniger Wagons transportiert haben wird, aber das sind schon wieder unnötige Vermutungen.
Für solch einen Vergleich daher wären Zahlen z.B. von 2019 viel sinnvoller gewesen und zumindest bei mir bleibt bei so einer ungeschickten Wahl der Datengrundlage immer die Vermutung zurück, dass dort jemand dem Ergebnis eine gewisse Tendenz geben wollte.

Hinzu kommt, laut Bundesumweltamt (Quelle, leider mit Zahlen von 2008):

(durchschnittlich fahren 1,42 Personen je Pkw)

Der Pendlerverkehr ist mit 1,2 Personen pro PKW sogar noch schlechter. Die 2 Personen pro Fahrzeug werden also lange nicht erreicht. Damit bleibt ein Verschieben der Mobilität von PKW auf ÖPNV durch Flatrate-Angebote, wie in der Lage vorgeschlagen, auf jeden Fall ein absolut sinnvoller Ansatz.

Und ob eine Mobilitätssteigerung im ÖPNV tatsächlich eine Mobilitätsverringerung im PKW-Bereich „auffrisst“, dass können wir, wie @der_Matti schon erklärt hat, erst in 1-2 Jahren zuverlässig abschätzen.

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Genau - im Schnitt hat der PKW wegen seiner schlechten Auslastung auch den höheren Energieverbrauch als der ÖPNV. Und du hast Recht - die Datenbasis 2019 wäre sinnvoller gewesen. Gab es halt nicht. Daher habe ich unterschiedliche Quellen verglichen. Mit Faktor zwei meine ich, dass ein E-Auto mit 2 Personen besetzt etwa so viel Strom verbraucht, als würden diese zwei Personen mit dem ÖPNV fahren. Diese Zahlen von 2009 [1] zeigen einen Stromverbrauch des ÖPNV von ca. 12 kWh/100Pkm, was am oberen Rand der anderen Quelle liegt. 2009 ist aber halt auch wieder >10 Jahre her. Wie gesagt - wenn du aussagekräftigere Verbrauchszahlen hast - immer her damit.

Und genau das verstehe ich nicht. Umstieg von PKW auf Schiene - ja gerne. Im Schnitt macht es in jedem Fall Sinn, auch wenn wir uns vielleicht über bestimmte Szenarien (z.B. Familie im PKW) nicht ganz einig sind. Aber warum als Flatrate?
[1]
https://www.forschungsinformationssystem.de/servlet/is/342234/

Ehrlich gesagt verstehe ich nicht warum nicht als Flatrate.
Du kannst den ÖPNV sowieso nicht kostendeckend betreiben. Zum anderen fallen die meisten Kosten sowieso an, egal, ob er genutzt wird oder nicht, da ja die Kosten durch das betreiben des Angebots entstehen. So musst zum Beispiel einen Nachtbus anbieten, nur, weil er genutzt werden könnte.
Es ist auch zu beachten, dass die Flatrate nicht umfassend gilt: IC und ICE sind ausgenommen. Es wird in der Beförderung eine Zweiklassengesellschaft etabliert. Der Fernverkehr wird vom Nahverkehr entlastet. Wenn sich dort die Menschen stapeln, deren Problem, ist ja eine Flatrate. Für die Bahn ist das perfekt.
Sinnvoll wäre ja, die App zu erweitern, dass man sich einbuchen muss und einen Platz reservieren, wenn man Bahn fahren möchte und wenn der Zug ausgebucht ist, ist er ausgebucht.
Stattdessen schiebt die Bahn alle Verantwortung von sich und wenn der Zug voll ist, muss der Fahrgast sehen, wie er das handlet.

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Es ist schon richtig, dass ich das Angebot und damit auch den maximalen Energieverbrauch des ÖPNV deckeln kann, indem ich nur eine bestimmte Anzahl Züge fahren lasse (mit dem Ausbau kommt man ja eh nicht hinterher, selbst wenn man wollte). Die maximale Nutzung wird dann dadurch begrenzt, dass es irgendwann zu voll oder für bestimmte Leute zu unattraktiv ist. Hier ist die Flatrate insofern gut, als dass sie für gute Auslastung sorgt.

Das ändert m.E. aber nichts am Grundproblem der durch Flatrates verursachten unnötigen Mobilität. Der ÖPNV wird jetzt halt so viel genutzt bis er voll ist (entweder physisch voll oder durch Überfüllung unattraktiv) und die restliche Mobilität findet weiter auf der Straße statt. Sprich: durch mehr unnötige Mobilität im ÖPNV gibt es auch mehr Mobilität auf der Straße. Was wir im Sinne der Nachhaltigkeit daher erreichen müssen ist doch, dass innerhalb der begrenzten ÖPNV Beförderungskapazität sinnvolle Mobilität stattfindet.

Und das kann ich schaffen, indem ich niedrige, streckenabhängige Preise anbiete ggf. subventioniert für Geringverdiener. Wenn ich wenig fahre, kann ich also auch weniger als 49€ im Monat zahlen. Dadurch, dass weniger Leute fahren, ist der Zug weniger voll und ist wieder attraktiver oder hat Platz für andere Fahrgäste, die vielleicht sonst das Auto genommen hätten.

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Du kannst aber beim Pendeln in Großstädten zur Rushhour nicht die idealen Verbrauchswerte der Autos nehmen und sie dem ÖPNV gegenüberstellen, wie deine Quelle das offenbar getan hat.
Zu den Stoßzeiten kommen nämlich Staus, Stop-and-Go und vor allem Parkplatz-Suche dazu.

Niemand hat etwas dagegen, wenn Familie sich für ihren Urlaub zu viert in einen Kombi setzen. Das Problem liegt nur darin, das Papa sich für die zwei Wochen im Jahr eine grosse E-Klasse kauft und die restlichen 50 Wochen im Jahr allein damit zur Arbeit fährt.

Um das gleiche unkomplizierte Nutzungsverhalten wie beim PKW zu erreichen. Wurde im Podcast doch erklärt.

Erkläre doch Mal bitte, wo diese zusätzlichen Fahrgäste herkommen sollen.

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ÖPNV ersetzt ja auch nicht nur Rushhour und Pendeln. Aber eben auch. Hier einen Durchschnittsverbrauch (nicht den idealen) gegenüber zu stellen finde ich schon fair.

Ja, deswegen habe ich doch genau diese Unterscheidung oben gemacht.

Habe ich mitbekommen und ja im Eingangsbeitrag auch benannt. Nur genau dieses Nutzungsverhalten ist ja das schädliche: Ich habe den PKW / das Ticket, dann kann ich es auch nutzen. Der Unterschied ist nur: beim PKW zahle ich immerhin noch für den Sprit / den Strom und habe damit zumindest einen kleinen Anreiz, keine unnötigen Fahrten zu machen. Beim Flatrate-Ticket entfällt dieser Anreiz komplett.

Ich weiß nicht, ob ich wirklich verstanden habe, was du damit meinst. Aber woher zusätzliche Fahrgäste im ÖPNV kommen können, haben wir doch beim 9-Euro Ticket gesehen. Das waren vor allem diejenigen, die sonst zu diesem Zeitpunkt gar keine Mobilität gehabt hätten. Sei es, weil sie mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs gewesen oder sonst was gemacht hätten.

Die von @MarkusS angesprochene Problematik sehe ich auch. Viele Leute neigen dazu, das Gekaufte möglichst auszukosten, selbst wenn das keinen echten Nutzen mehr hat oder sogar ins Gegenteil umschlägt (Beispiel Buffet - man isst mehr, wenn es doch schon bezahlt ist, auch wenn danach Übelkeit kommt).

Könnte es nicht sein, dass kostenloser ÖPNV diesen Überkonsum bremst? Ich habe nichts bezahlt, also muss ich auch nicht jede Möglichkeit nutzen, das Bezahlte mit einem möglichst hohen „Gegenwert“ hereinzuholen. Was nichts kostet, hat auch keinen Wert als solches, man nimmt es wenn man es braucht, aber nicht zum Sammeln oder um es anderen wegzuschnappen (gefühlt gibt es keine Knappheit).

Wir haben im Tennisverein einmal kostenlose Kinderkurse angeboten. Die Teilnahme schwand recht schnell. Die bezahlten Kinderkurse blieben stabil. Da waren die Eltern schon dahinter, obwohl sie das noch mehr hätten sein sollen bei Gratiskursen - wenn es ihnen in erster Linie um das Gute an sich gegangen wäre. Irrationalität ist eine menschliche Konstante.

ÖPNV ist gut, aber nicht zum Zeitvertreib. Im Überigen sehe ich auch Hochgeschwindigkeitszüge kritisch. Der Mehrverbrauch an Energie ist ein schlechter Handel gegenüber der Zeitersparnis für die Reisenden. Dass der Zug mit Flugzeiten konkurrieren müsste, ist ein Denkfehler, denn das Reisen mit dem Flugzeug (vor allem Kurzstrecke) sollte ja gar nicht mehr sein.

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ÖPNV-Ticket und gekauftes möglichst ausnutzen, auch wenn es keinen echten Nutzen mehr stiftet… Seid ihr ÖPNV-Nutzer und seht dieses Problem bei euch selbst?

Um mal anekdotische Evidenz einzustreuen: ich war über fast 25 Jahre von der Grundschule bis zur Promotion vor wenigen Jahren durchgängig mit ÖPNV-Flatrates (inkl. NRW-Ticket) mobil und bin es auch heute noch (Monatsticket war nichts anderes). Vielleicht bin ich ja ein ganz besonderer Einzelfall, aber ich kann für mich den Drang ausschließen, jemals die ÖPNV-Nutzung möglichst auszunutzen. Die Vorstellung von ÖPNV als eine Art gezielten Zeitvertreib klingt für mich völlig absurd. Auch in meiner Zeit als Student mit viel Zeit, habe ich nie Fahrten ohne konkretes Ziel gemacht. Mobilität war lediglich kein absolutes Hindernis für andere Aktivitäten, wenn auch weiterhin zeitaufwändig.

Dass Menschen ohne Mobilitätsalternativen mit dem 9-Euro-Ticket endlich mobil sein konnten und das nutzten, kann man kaum kritisieren. Ich sehe auf meinen täglichen Strecken keine Tendenz zur Überfüllung des ÖPNV. Mal abgesehen davon, dass eine Ausweitung des ÖPNV-Angebots auch vor der Einführung des 49€-Tickets schon bitter nötig gewesen wäre.

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Ich kann mir den Effekt auch beim besten Willen nicht vorstellen. Dass Menschen, die es sich sonst nicht leisten konnten, auch endlich einen Ausflug machen konnten, ist sogar wünschenswert.
Dass die Züge beim 9 Euro Ticket so voll waren, lag an der Befristung. Jetzt oder nie sozusagen.
So einen Ansturm wird eine dauerhafte „Flatrate“ nie verursachen. (Und wie wäre es mit mehr Bussen/Bahnen?)
Ich bin - ganz im Gegenteil- froh, wenn die Nutzer:innen der öffentlichen Verkehrsmittel belohnt werden und Bus und Bahn wieder mehr in den Alltag der Menschen vorrücken. Wie selbstverständlich. Das ist doch das Ziel.
Nur müsste es für arme Menschen billiger sein. Sie werden wieder ausgeschlossen.

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