Ich habe noch eine andere Frage zu Folge 330 (Sorry, falls das schon thematisiert wurde, dann habe ich es nicht gesehen): In der Folge wird mehrfach genannt, dass Geldstrafen steuerlich als Betriebsausgaben abziehbar sind. Es ist aber in §12 Nr. 4 EStG und §10 Nr. 3 KStG geregelt, dass Geldstrafen explizit nicht abziehbar sind. Woher habt ihr diese gegenteiligen Informationen? Auf welches BFH-Urteil habt ihr euch in der Folge bezogen? Diese Aussagen haben mich etwas verwundert beim Hören. Freue mich auf eure Antwort!
Wer es nachhören will: Es geht konkret um den Zeitabschnitt 1:05:30ff.
Guter Einwand, das entspricht auch meinem Kenntnisstand als Bilanzbuchhalter. Auch aus den Einkommensteuerrichtlinien geht auch nichts hervor, was dem entgegen steht. Grundsätzlich gilt, dass Geldbußen und Geldstrafen nur in sehr begrenzten Fällen als Betriebsausgabe angesetzt werden können. Haufe hat da einen ganz guten Überblick. Das sind meist Fälle, in denen im Ausland Geldstrafen für Dinge verhängt werden, die in unserer Rechtsordnung nicht strafbar wären (z.B. wenn in Saudi-Arabien ein deutscher Monteur wegen Homosexualität zu einer Geldstrafe verurteilt würde und das Unternehmen diese Geldstrafe übernimmt)
Ich wüsste daher auch gerne, auf welches Urteil des BFH sich Ronen Steinke konkret beruft. Bis zum 18.12.2019 galt übrigens noch eine leicht modifizierte Version des § 12 Nr. 4 EStG., der Einfluss dieser Änderung ist auch interessant.
Ich wollte dem Ganzen noch eine kleine persönliche Erfahrung hinzufügen. NB: ich bin totaler Justizlaie.
Ich wohne mittlerweile in Frankreich, habe eine längere akademische Laufbahn (mit Doktorarbeit in Naturwissenschaften) und habe vor nicht allzu langer Zeit ein Haus gekauft. Das schreibe ich nicht um anzugeben, sondern um zu zeigen dass auch diplomierte und nicht unbedingt bettelarme Leute ein Problem haben. NB: hier geht es nicht ums Strafrecht
Kurz nachdem wir unser Haus gekauft haben wurde ein Teil des Geländes enteignet. Das wussten wir bereits beim Kauf.
Wir haben einen Brief von einem Gerichtsvollzieher bekommen. Den schon erst einmal zu verstehen war kompliziert. Wir hatten 1 Monat Zeit um ein Angebot für einen Verkaufspreis von dem Gelände zu machen , oder sollten den sehr niedrigen Verkaufspreis der angesetzt wurde akzeptieren. Wir haben also versucht Informationen zu finden wie man so etwas schreibt, welche vergleichbaren Grundstücke man heranziehen kann, welche Infos man woher bekommt (Verkaufspreise) usw. Das Grundstück war sicher nicht so viel wert um noch zusätzlich Geld für einen Anwalt auszugeben.
Wir haben unseren Brief abgeschickt & konnten uns dann währen einer Anhörung „verteidigen“
Am Tag der Anhörung war ich zum ersten Mal in einem Gerichtssaal und hatte keinerlei Ahnung wie das funktioniert. Wir wurden angehört - und 2 Monate später kam Post mit dem Urteil das keinerlei unserer Punkte berücksichtigt wurde. Wir wurden also zu einem Minimalpreis zwangsenteignet. Das Urteil, der Gedankengang und die Begründung waren für eine normale Person nicht zu verstehen. Es gab auch keine Möglichkeit ein aufklärendes Gespräch zu führen.
Ohne Wissen und Begleitung da rein zu gehen ist also selbst für psychisch nicht kranke und nicht arme aber auch nicht reiche Leute fast unmöglich … und hier ging es um eine relativ belanglose Sache im Vergleich zu einer Strafanzeige.
Ich würde also sogar noch weiter gehen, das es sehr wohl die soziale Ungleichheit gibt, aber es gibt eben auch eine sehr gro(sz)e Informationshürde die nicht überwunden werden kann, au(sz)er man kann mal flink ein paar € vorstrecken.
Wie das Justizsystem moment funktioniert ist per Analogie in der Medizin ungefähr so (wie ich das so verstehe als Justizlaie):
1: ich bin ein Patient und man hat mir eine schwere Krankheit diagnostiziert
2: der eine Arzt den ich aufgesucht habe sagt dass es nur eine Behandlungsmöglichkeit gibt, und das mit schlechten Aussichten. Er kann’s mir auch nicht erklären
3: um eine andere Meinung einzuholen müsste ich jetzt sehr viel Geld vorstrecken, damit sich das ein zweiter Arzt anschaut, was ich mit gro(sz)er Wahrscheinlichkeit nicht wiedersehe
→ entweder belasse ich es dabei
→ oder ich strecke vor und wei(sz) auch blos nicht was passiert
Glücklicherweise funktioniert das Gesundheitswesen nicht ganz so. Bräuchte es also eine „Krankenkasse“ für die Justiz, Pflichtversicherungen?
Nun soll Unfallflucht ohne Personenschaden entkriminalisiert werden.
[Unfallflucht ohne Verletzte keine Straftat? Bericht: Unfallflucht ohne Verletzte als Ordnungswidrigkeit? - ZDFheute]
Ich kann mir nicht vorstellen, dass das eine gute Idee ist…
Wäre es nicht wichtiger, Schwarzfahren zu entkriminalisieren?
Tja, aber Unfallflucht betrifft halt Autofahrer, Schwarzfahren nicht. Ist doch klar, was die FDP hier zuerst entkriminalisiert
Aber Unfallflucht zu entkriminalisieren ist jetzt auch nicht verkehrt - es geht letztlich nur um den anachronistischen Teil des § 142 StGB, der ein Verbleiben am Ort festschreibt.
Statt dessen wird erwogen, die Meldung über z.B. ein Online-Portal zu ermöglichen. Daher: Statt den Unfallverursacher zu verpflichten, bei kleineren Sachschäden ewig vor Ort zu verharren, bis der Unfallgegner auftaucht (die Polizei will man ja i.d.R. nicht informieren, weil man hofft, sich mit dem Unfallgegner einigen zu können), soll eine Online-Meldung möglich sein, um sich straffrei vom Ort entfernen zu dürfen. Möglicherweise wird auch die seit langer Zeit bereits praktizierte Zettel-Lösung (dh. hinterlassen der Kontaktdaten) schlicht offiziell „erlaubt“, was gegenwärtig nicht der Fall ist (und tatsächlich dazu führt, dass pro forma viele Leute eine Straftat begehen, weil sie davon ausgehen, dass das Hinterlassen eines Zettels ausreichend wäre - was es tatsächlich nicht ist…)
Steinke schreibt in seinem Buch dazu:
Und nicht zuletzt: VW kann diese Kosten auch von der Steuer absetzen. Als »Betriebsausgaben« kann der Konzern Geldauflagen und Geldstrafen seiner Manager nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs absetzen, sofern der strafrechtliche Vorwurf, der sich gegen den Manager richtete, »betrieblich bzw. durch sein berufliches Verhalten veranlasst« war. [187]
Fußnote 187 beinhaltet:
[187] »In der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist anerkannt, dass Strafverteidigungskosten nur dann als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzugsfähig sind, wenn der strafrechtliche Vorwurf, gegen den sich der Steuerpflichtige zur Wehr setzt, durch sein berufliches Verhalten veranlasst gewesen ist (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 19. Februar 1982 VI R 31/78, BFHE 135, 449, BStBl II 1982, 467; BFH-Beschluss vom 30. Juni 2004 VIII B 265/03, BFH/NV 2004, 1639). Dies ist der Fall, wenn die dem Steuerpflichtigen zur Last gelegte Tat in Ausübung der beruflichen Tätigkeit begangen worden ist (BFH-Urteil vom 20. Dezember 1994 VIII R 34/93, BFHE 176, 564, BStBl II 1995, 457, m. w. N.). Die dem Steuerpflichtigen vorgeworfene Tat muss ausschließlich und unmittelbar aus seiner betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit heraus erklärbar sein (BFH-Urteil vom 12. Juni 2002 XI R 35/01, BFH/NV 2002, 1441, m. w. N.).« Bundesfinanzhof, Urteil vom 18. Oktober 2007, Aktenzeichen VI R 42/04, Randnummer 5.
Nun stellt sich aber die Frage, ob eine Geldauflage als Strafverteidigungskosten gilt. Dazu schreibt John Paul Fürus:
Grundsätzlich wird die Geldauflage dem Beschuldigten selbst auferlegt; sie ist eng an dessen Person und an dessen Tat geknüpft. Damit betrifft sie also den privaten Bereich des Arbeitnehmers, nicht den unternehmerischen Bereich des Arbeitgebers. Übernimmt dennoch der Arbeitgeber die Geldauflage für den beschuldigten Arbeitnehmer, so ist die Summe grundsätzlich als Arbeitslohn zu werten.
Okay, hier müssen wir differenzieren zwischen
a) Strafen
b) Anwalts- und Gerichtskosten
Strafen sind grundsätzlich keine Betriebsausgaben, Anwalts- und Gerichtskosten sind hingegen relativ häufig, geradezu im Normalfall, Betriebsausgaben. Dass auch Anwalts- und Gerichtskosten für Strafprozesse von Mitarbeitern abziehbar sind, wenn ein betrieblicher Hintergrund vorliegt, ist daher durchaus nachvollziehbar (wenngleich man es ebenso gut kritisieren kann). Aber wie gesagt, es geht nur um die Antwalts- und Gerichtskosten, nicht um die Strafen selbst.
So wäre auch meine Meinung. Ein Vergleich ist aber kein Schuldeingeständnis, sondern ein Weg, die Strafe abzuwenden. Insofern lässt sich ein betriebliches Interesse konstruieren.
Ich möchte noch ergänzen, dass der Grund dafür, dass Menschen nicht auf einen Strafbefehl reagieren nicht nur die einschüchternde Sprache des Gerichts ist. Auch (psychische) Krankheiten können hier eine Rolle spielen. Ich kann aus eigene Erfahrung berichten, dass die Auswirkung einer Depression (z. B. Antriebslosigkeit) bei manchen Menschen dazu führen kann, dass sie z.B. ihre Post nicht öffnen oder mit Zahlungen in Verzug geraten. Wenn diese Menschen nicht angehört werden, wird man ihnen nicht helfen können.