LDN 329 Lohn-Preis-Spirale und Inflation

Ihr habt in der Folge ausgeführt, dass gegen Lohnanpassungen in Höhe der Inflation vor allem die Theorie der Lohn-Preis-Spirale angeführt wird.

Dann habt ihr ausgeführt, dass die aktuellen Preissteigerungen nicht auf „bleibende“ Inflation im Sinne der normalen Teuerung zurückzuführen ist, sondern auf relativ konkrete Umstände (vor allem gestiegene Energiepreise durch den russischen Angriffskrieg), die ja auch wieder „rückbildungsfähig“ sind (bzw. sich aktuell sogar schon wieder zurückbilden; die Energiepreise haben teilweise wieder Vorkriegsniveau erreicht).

So weit gehe ich mit. Aber dann kommt ihr zu der Schlussfolgerung, dass deswegen ja Lohnerhöhungen sinnvoll bzw. im Hinblick auf die Lohn-Preis-Spirale weniger problematisch seien. Das kann ich nicht ganz nachvollziehen.

Gerade wenn es sich um Preiserhöhungen handelt, die sich möglicherweise zurückbilden, wäre doch ein Lohnanstieg in Höhe der (vorübergehenden) Inflation ein riesiges Problem. Die Lohn-Preis-Spirale ist ja letztlich ein gewollter Effekt, der sich langsam vollzieht. Die Preise steigen z.B. um 5% in drei Jahren und die Löhne werden dann in der nächsten Tarifrunde um 5% erhöht, damit die Kaufkraft ungefähr gleich bleibt - allerdings steigen dadurch die Preise wieder. So kommen wir auf die in der Volkswirtschaft normalen und auch gewollten Inflationsraten im Bereich von 1-2% pro Jahr. Wenn nun durch die vorübergehende Inflation von 10% aber die Löhne um 10% ansteigen, manifestieren wir doch gerade einen massiven Sprung in der „normalen“ Lohn-Preis-Spirale, der eigentlich nicht sein müsste. Denn wenn die inflationssteigernden Effekte vorübergehen und die Preise sich wieder erholen verbleibt ja dennoch die Lohnerhöhung von 10%, die dann wieder zur typischen Nachhol-Inflation führen würde - und das wollen wir doch eigentlich vermeiden?

In diesem Sinne kann ich der Argumentation nicht ganz folgen und plädiere in den aktuellen Tarifverhandlungen auch verstärkt für inflationsausgleichende (temporäre) Einmalzahlungen statt für (dauerhafte) Lohnerhöhungen. Die dauerhaften Lohnerhöhungen sollten in dem Rahmen stattfinden, von dem wir ausgehen, dass die Inflation dauerhaft bestehen bleibt. Wenn also von der 2022er-Inflation in Höhe von 10% nur 5% dauerhaft sind (und die anderen 5% sich zurückbilden), sollten auch die Löhne nur 5% steigen und für den Rest eine Einmalzahlung vorgenommen werden.

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Absolute statt prozentuale Lohnerhöhung, damit ärmere Bürger:innen entlastet werden. (Wie Post)

Außerdem könnte der Staat Druck nehmen, indem er die Mehrwertsteuer auf (gesunde) Grundnahrungsmittel senkt oder auf 0 setzt.

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Ist logisch. Hat aber mit der Realität nichts zu tun.

Im Allgemeinen gehen Preise für Güter und Dienstleistungen nämlich bei weitem nicht so leicht wieder runter, wie sie zuvor gestiegen sind. Das klappt in Märkten mit hoher Transparenz und hohem Wettbewerb, also z. B. den Rohstoffmärkten. Aber wenn ein Fuhrunternehmen seine Preise im Zuge der jüngsten Krise erhöht hat und nun wieder geringere Treibstoffkosten zu zahlen hat, dann werden die natürlich nicht umgehend ihre Preise vom bereits erreichten Niveau wieder runterschrauben. Es sei denn, der Wettbewerb um Kunden zwingt sie dazu. Und das ist in der Regel nicht der Fall, denn die meisten Unternehmen sind bestrebt, ihre Preise eher nicht zu senken - der Kunde könnte sich ja daran gewöhnen. Also werden sie eher mal einen Auftrag zu geringen Preisen ausschlagen, als ihn anzunehmen. Und damit sinkt das Angebot, was das Preisniveau stabilisiert.

Man sagt daher Preise sind „sticky“. Dies ist in unterschiedlichen Branchen verschieden stark ausgeprägt. Ein Paradebeispiel ist der Markt für Vermietung von Wohnimmobilien. Die meisten Anbieter würden eher einige Monate Leerstand akzeptieren, als sofort für eine etwas geringere Miete zu vermieten. Bei fallendem Mietniveau trocknet damit der Markt aus, so dass sich das Preisniveau wieder stabilisiert. Außerhalb von tiefen Wirtschaftskrisen kommt es daher kaum jemals dazu, dass Mieten spürbar sinken.

Man kann daher davon ausgehen, dass die grob +10%, die wir nun im letzten Jahr als Anstieg des Preisniveaus durchgemacht haben, für die Zukunft erhalten bleiben. Allenfalls besteht die Chance, dass durch die wieder niedrigeren Energie- und Rohstoffpreise nun die Teuerungsrate wieder Richtung 2% abfällt. Momentan sieht es aber eher nach einer vorläufigen Stabilisation auf einem Niveau von ungefähr 5% aus. Zumindest in Deutschland ist es ohnehin eine große Frage, wie wir wieder auf ein niedriges Inflationsniveau kommen sollen, wenn nun die Babyboomer in Rente gehen und es daher allerorten an Arbeitskräften mangelt. Wenn sich z. B. Handwerker ihre Aufträge aussuchen können, weil es grundsätzlich mehr Nachfrage als Angebot gibt, warum sollte der Preisanstieg sich da verlangsamen?

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Okay, vielleicht zuerst mal:
Wir reden ja letztlich über die Theorie und die Begründung einer Aussage mit einer Theorie. Die Praxis, also wie sich die Preise dann tatsächlich entwickeln, kann natürlich ganz anders aussehen.

Dann ist die Begründung für die höheren Lohnsteigerungen aber nicht, dass „temporäre Inflation“ weniger problematisch im Hinblick auf die Lohn-Preis-Spirale sei, sondern dass die „temporäre Inflation“ durch Marktmängel (z.B. die von dir angesprochene mangelnde Transparenz) quasi ohnehin zu „permanenter Inflation“ würde, sodass sich im Hinblick auf die Lohn-Preis-Spirale kein Unterschied ergibt.

Ich wollte lediglich darauf hinweisen, dass Lohnerhöhungen in Folge temporärer Inflation - wenn überhaupt - schlimmer sind als in Folge dauerhafter Inflation, wenn es um die Lohn-Preis-Spirale geht, weil Lohnerhöhungen bei dauerhafter Inflation die natürlich Konsequenz zum Erhalt des vorherigen Lebensstandards sind, während sie bei temporärer Inflation, zumindest in der Theorie, eher problematisch sind.

Naja, also Deutschland ist eigentlich weltweit bekannt dafür, dass es das Industrieland mit den niedrigsten Lebensmittelpreisen ist („Aldi-Effekt“), also gerade im Hinblick auf die Lebensmittelpreise ist der deutsche sehr Preissensibel und die Marktsituation sehr kompetitiv. Das sieht man ja auch daran, dass REWE, EDEKA, Kaufland und co. aktuell viele Produkte von MARS, NESTLE und co. nicht mehr im Angebot haben, weil man sich nicht auf die Konditionen einigen konnte.

Auch die Strompreise als direkte Inflationstreiber sind ja nachweislich wieder auf Vorkriegs-Niveau - klar, jetzt verbrauchen wir erst Mal eine Menge Strom/Gas, das wir zu extrem hohen Preisen gekauft haben, daher dauert es, bis der Effekt über die Unternehmen auf den Bürger durchschlägt. Aber die Preise sind ja auch nicht sofort bei der Steigerung der Energiepreise hoch gegangen - es ist halt immer eine Verzögerung im System.

Absolut, aber auf der anderen Seite wird es, wenn durch die Rohstoff- und Energiekosten die Herstellungskosten wieder sinken und dadurch die Gewinnmarge steigt, in der Regel eher nicht zu Preiserhöhungen kommen. Preiserhöhungen sind i.d.R. das Resultat einer vom Unternehmen als zu niedrig erachteten Gewinnmarge.

Wenn die Rohstoff- und Energiepreise wieder sinken, aber die Lohnkosten durch die Lohnerhöhung steigen, ist die Gewinnmarge trotz Preiserhöhung wieder auf Vorkriegsniveau, sodass die nächste Erhöhung der Preise absehbar ist.

Das ist natürlich ein ganz anderes Thema, da müssten wir über Einwanderung und Qualifizierung, vor allem aber das Thema „Chancengeben“ sprechen. Wir sind leider keine Gesellschaft von Chancengebern, sondern eine Gesellschaft von Aussiebern. Statt Menschen aufzubauen, damit sie über sich hinauswachsen können, stampfen wir sie ein und reden ihnen ein, nichts schaffen zu können. Jeder Mensch, der keine massiven körperlichen oder geistigen Einschränkungen hat, kann zu einem Handwerker oder Krankenpfleger ausgebildet werden - beim einen dauert es halt nur deutlich länger als beim anderen. Aber wie gesagt, ganz anderes Thema.

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Letztendlich ist es ja keine Lohn-Preis-Spirale, sondern eine Gewinn-Preis-Spirale. Wenn die Kosten steigen, wird der Preis erhöht, damit die Marge wieder stimmt.
So wird auch klar, dass die Löhne nur eines der Gründe sind, die für Preissteigerungen sorgen.
Der Verbraucherschutz hat ermittelt, dass viele (vor allem Lebensmittel) Güter im Preis gestiegen sind, die sich mit den aktuellen Kostensteigerungen nicht erklären lassen. Gerade diese Gewinnmitnahmen scheinen durchgedrückt werden zu können. Warum soll man die wieder rückgängig machen?
Und diese Kosten treffen natürlich Selbständige genauso wie Arbeitnehmer, was bei beiden den Druck erhöht, Gewinne wie Löhne erhöhen zu wollen.

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Und was passiert, wenn die Mehrwertsteuer gesenkt wird? Die Absenkung wird nicht weitergegeben - das war vor ein paar Jahren bei der Verringerung der Mehrwertsteuer auf Monatshygieneartikel genauso.

Mich wundert doch sehr, dass die Unmengen ( 20% allen Geldes wurde 2020 „gedruckt“) an Geld, die während COVID gedruckt wurden und UNMITTELBAR eine Inflation an der Wallstreet und sämtlichen Aktien und Crypto-Märkten ausgelöst haben und viele Leute damals gesagt haben, dass diese Inflation in 2-3 Jahren bei den Verbrauchern ankommen wird, GAR NICHT als Inflationsursache genannt wurde, obgleich es nach meinem Verständnis die absolute Hauptursache war (und voraussehbar).

Warum wird dieser Punkt überhaupt nicht genannt und warum ist dieser Punkt womöglich wider meinem Verständnis kein Grund für die Inflation?

Einer von tausenden Artikeln aus den Jahren 2020 & 2021 zu dem Thema fängt z.B. so an:
" Unglaubliche Zahl: 20% allen Geldes wurde 2020 „gedruckt“
von Clemens Schmale
09:54 Uhr, 02.12.2020
…und trotzdem gibt es noch keine Inflation, zumindest gemessen an den Verbraucherpreisen. Das muss aber nicht immer so bleiben."
[ Unglaubliche Zahl: 20% allen Geldes wurde 2020 "gedruckt" | stock3 ]

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Beziehst du dich jetzt auf „gedrucktes“ Bargeld, auf das Geld, das im Wirtschaftskreislauf als Buchgeld zirkuliert oder auf völlig anderes Geld?
Auch dem Artikel konnte ich nicht gesichert entnehmen, auf welches Geld er sich bezieht.

Kann sich jemand mit ökonomischen Kenntnissen dazu äußern?
Stimmt es dass die Geldmenge drastisch erhöht wurde und wenn ja, wieso wirkt sich das nicht deutlich spürbar auf die Inflation aus?

Weil es nur dann ein Problem gibt, wenn es keinen Gegenwert zur erhöhten Geldmenge gibt. Wenn dieses Geld dazu führt, dass Konsumgüter und Investitionen gleichermaßen steigen findet keine Entwertung statt. Wenn die Menge der Güter gleich bleibt würde eine Inflation ausgelöst.

Meine Fantasie reicht aus um mir digital in sekundenschnelle aus dem nichts geschaffene Eurogeldberge vorzustellen aber nicht wie man das adhoc in der Realwirtschaft abbildet. Die Geldmengen sind soweit ich verstehe auch nicht „generisch“ gewachsen sondern hergebeamt?

Man muss dazu sagen, dass Geld an sich keinen Wert hat. Es ist lediglich ein Mittel um den Wert von Produkten und Leistungen festzulegen. Wenn nun die Menge an Konsumgütern wächst macht es sogar Sinn die Geldmenge künstlich zu erhöhen, da sonst eine Deflation auftreten kann.

Wie gesagt, der TO müsste da mehr ins Detail gehen, sonst geht die Diskussion ins Blaue.

Hallo Daniel,

da bei uns demnächst wieder Tarifverhandlungen anstehen, habe ich mich mit unserer Tariflohnentwicklung auseinander gesetzt und dachte du findest die Zahlen vielleicht spannend.
Für uns wurde 2022 eine (steuerfreie) Einmalzahlung von 4500€ sowie eine Lohnerhöhung von 3.35% Mitte 2023 vereinbart, also ziemlich genau was du forderst.

Ergebnis: Im Vergleich zu 2020, also bevor die Inflation spürbar angezogen hat, verdienen wir in Relation zur allgemeinen Preissteigerung mittlerweile satte 11% weniger als noch vor 3 Jahren. Ein Blick auf die Lohnentwicklung der vergangenen Jahre zeigt, dass wir damit wieder auf dem Niveau von etwa 2012 angelangt sind. Mit dem Akzeptieren der Einmalzahlung sind damit die Erfolge der Tarifverhandlungen der vergangenen 12 Jahre vernichtet worden. Da (soweit ich weiß) von keinem relevantem Wirtschaftsinstitut eine Deflation vorhersagt wird, wird sich daran auch nur durch Tarifabschlüsse, die wieder deutlich oberhalb der Inflation liegen, etwas ändern. Das DIW sagt beispielsweise für das kommende Jahrzehnt eine jährliche Inflationsrate von 3-4% voraus (DIW Berlin: Wir stehen vor einem Jahrzehnt erhöhter Inflation – und das ist gar nicht so schlecht).

Um jetzt also wieder auf das Niveau von 2020 zurückzukommen wäre also 2024 eine Lohnsteigerung von etwa 11% + das Inflationsniveau von 2024 notwendig bei 12 Monaten Laufzeit. Die Wahrscheinlichkeiten dafür kannst du dir wahrscheinlich selbst ausrechnen. Da wir in einem Mangelberuf arbeiten und gewerkschaftlich organisiert sind, bin ich mir sicher dass es andere sogar noch deutlich härter trifft. In dem Kontext sind Einmalzahlungen die zu einem dauerhaften Einkommensverlust führen extrem gefährliche Nebelkerze.

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Naja, dann hat sich der Fall gezeigt, dass die Inflation sich eben nicht zurückgebildet hat. Leider bestätigen die Preise im Supermarkt das auch - bei einigen Produkten gab es eine leichte Entspannung der Preise, aber vieles ist weiterhin bis zu 50% teurer als vor dem Ukraine-Krieg.

Wenn es dabei bleibt, haben die Gewerkschaften natürlich die optimalen Voraussetzungen, jetzt große Lohnerhöhungen zu fordern, daher den Arbeitgebern klar zu sagen: „Wir haben die Einmalzahlung angenommen, weil wir alle von einer vorübergehenden Inflation ausgegangen sind. Das hat sich nicht eingestellt, also wollen wir nun eine dauerhafte Lohnerhöhung.“

Grundsätzlich ist es aber auch nicht verkehrt, wenn die Lohnentwicklung in einer akuten Krise mal eine Pause macht oder sogar zurückgeworfen wird - auch wenn das keiner hören will. Letztlich müssen alle sparen, sowohl die öffentlichen Haushalte, die von Transferleistungen abhängigen (denen geht es nun durch die Inflation schlechter denn je!, da gerade die Preise bei den Lebensmitteln weiterhin massiv erhöht sind) und dann eben auch die Arbeitnehmer.

Der Wegfall des günstigen russisches Gases und die Folgen der Corona-Krise haben eben schon einiges vernichtet, nicht nur in Deutschland, aber da wir besonders abhängig vom russischen Gas waren, trifft es uns eben auch besonders hart. Wir können nicht erwarten, dass die durchschnittlichen Löhne (gemessen an der Kaufkraft) nach diesen krisenerfüllten Jahren steigen.

Das kannst du aber nur verlangen, wenn alle zurückstecken. Das sehe ich bei den Führungsetagen eben nicht. Wieso sollte es also die akzeptieren, denen jeder Euro weniger wirklich weh tut?

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Da gebe ich dir natürlich Recht.

Problem ist wie immer die Durchsetzung. Dass ich für staatliche Beschränkungen für Manager-Gehälter bin habe ich ja schon öfters gesagt, denn ohne eine solche Begrenzung sehen wir tatsächlich gerade in Krisen wie Corona und Angriffskrieg, dass die einfachen Leute zurückstecken müssen, während die Management-Gehälter trotzdem ansteigen.

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Eine Beschraenkung von Management-Gehältern kann man imho nicht durchsetzen, aber man kann den Mindestlohn z.B. anheben.
„Einfach Leute“ - wer soll denn das bitte sein? Ist eigentlich ein schlechter Ausdruck.

Welche meinst Du? Oberstes Management / C-Level? Oder mittleres Management? Oder erste ggf. zweite Führungsebene? Gibt es dazu Statistiken? Bitte nicht vom Bahn-Vorstand direkt auf alle schließen. Dann belege die Behauptung.

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