Ihr habt in der Folge ausgeführt, dass gegen Lohnanpassungen in Höhe der Inflation vor allem die Theorie der Lohn-Preis-Spirale angeführt wird.
Dann habt ihr ausgeführt, dass die aktuellen Preissteigerungen nicht auf „bleibende“ Inflation im Sinne der normalen Teuerung zurückzuführen ist, sondern auf relativ konkrete Umstände (vor allem gestiegene Energiepreise durch den russischen Angriffskrieg), die ja auch wieder „rückbildungsfähig“ sind (bzw. sich aktuell sogar schon wieder zurückbilden; die Energiepreise haben teilweise wieder Vorkriegsniveau erreicht).
So weit gehe ich mit. Aber dann kommt ihr zu der Schlussfolgerung, dass deswegen ja Lohnerhöhungen sinnvoll bzw. im Hinblick auf die Lohn-Preis-Spirale weniger problematisch seien. Das kann ich nicht ganz nachvollziehen.
Gerade wenn es sich um Preiserhöhungen handelt, die sich möglicherweise zurückbilden, wäre doch ein Lohnanstieg in Höhe der (vorübergehenden) Inflation ein riesiges Problem. Die Lohn-Preis-Spirale ist ja letztlich ein gewollter Effekt, der sich langsam vollzieht. Die Preise steigen z.B. um 5% in drei Jahren und die Löhne werden dann in der nächsten Tarifrunde um 5% erhöht, damit die Kaufkraft ungefähr gleich bleibt - allerdings steigen dadurch die Preise wieder. So kommen wir auf die in der Volkswirtschaft normalen und auch gewollten Inflationsraten im Bereich von 1-2% pro Jahr. Wenn nun durch die vorübergehende Inflation von 10% aber die Löhne um 10% ansteigen, manifestieren wir doch gerade einen massiven Sprung in der „normalen“ Lohn-Preis-Spirale, der eigentlich nicht sein müsste. Denn wenn die inflationssteigernden Effekte vorübergehen und die Preise sich wieder erholen verbleibt ja dennoch die Lohnerhöhung von 10%, die dann wieder zur typischen Nachhol-Inflation führen würde - und das wollen wir doch eigentlich vermeiden?
In diesem Sinne kann ich der Argumentation nicht ganz folgen und plädiere in den aktuellen Tarifverhandlungen auch verstärkt für inflationsausgleichende (temporäre) Einmalzahlungen statt für (dauerhafte) Lohnerhöhungen. Die dauerhaften Lohnerhöhungen sollten in dem Rahmen stattfinden, von dem wir ausgehen, dass die Inflation dauerhaft bestehen bleibt. Wenn also von der 2022er-Inflation in Höhe von 10% nur 5% dauerhaft sind (und die anderen 5% sich zurückbilden), sollten auch die Löhne nur 5% steigen und für den Rest eine Einmalzahlung vorgenommen werden.