Hallo zusammen,
ich habe einige Anmerkungen bzgl. des aktuellen Themas (Wahlrechtsreform) im Podcast bzw. einen Vorschlag zum Wahlrecht anhand folgender Überlegung.
Ich habe dies einmal anhand des Wahlergebnis von 2021 durchgesponnen mit eigens definierten Parametern.
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Normgröße des Bundestages auf 600
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5%-Hürde bleibt bestehen; ggf. auf 3% senken (analog zur Europawahl)
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Direktwahlkreise auf 290 reduzieren (ggf. auf 285, um 30 Listenmandate mehr als Direktmandate zu haben; analog zum beschlossenen Wahlrecht)
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320 bzw. 330 garantierte Listenmandate, damit dem, im vergangenen Podcast angesprochenen Problemen für jüngere bzw. weibliche Abgeordnete, zu begegnen
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Sitze werden zuerst mit den Direktmandaten aufgefüllt; die übrigen Sitze mit Listenmandaten
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Überhangmandate können durch Verrechnung von Direkt - und Listenmandaten zwischen den einzelnen Landeslisten ausgeglichen werden (Vorschlag der GRÜNEN aus dem Jahr 1996)
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Grundmandatsklausel fällt weg, jedoch ziehen die Direktkandidaten in jedem Fall in den Bundestag ein; Sitzanzahl wird entsprechend erhöht
Daraus ergibt sich folgendes Ergebnis (Direktmandate sind auf die Wahl 2021 bezogen; sprich 299 Direktmandate):
603 Sitze
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SPD: 178 Mandate (57 Listenmandate)
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UNION: 167 Mandate (24 Listenmandate)
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GRÜNE: 103 Mandate (87 Listenmandate)
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FDP: 80 Mandate (80 Listenmandate)
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AfD: 72 Mandate (56 Listenmandate)
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LINKE: 3 Mandate (0 Listenmandate)
Eine schöne Spielerei, welche allerdings einige praktische und rechtliche Probleme in sich birgt.
pro:
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man hat eine Normgröße mit einem beherrschbaren Vergrößerungspotential
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alle Direktkandidaten ziehen ein, wodurch das Risiko (angemerkt: von den Gegnern des Gesetzes) einer Unterrepräsentation von Regionen bzw. verwaisten Wahlkreisen abgewandt wird
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die Diskussion um die Grundmandatsklauel würde umgangen werden
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durch hinreichende Listenmandate kann einer Geschlechterungerechtigkeit bzw. weniger junge Abgeordnete abgeholfen werden
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klar erkennbare Abbildung des Wählerwillens (Sitzverhältnis zu Stimmenverhältnis)
contra
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Umsetzbarkeit der Verrechnung von Direkt- und Listenmandaten generell (wie und auf welcher Grundlage soll verrechnet werden) und gerade im Hinblick auf die CDU CSU als zwei getrennte Parteien bei der Wahl
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Unterrepräsentation von Regionen aufgrund der Verrechnung mit Direktkandidaten bzw. Überrepräsentation von anderen Regionen
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zu hohe Wertigkeit von Direktmandaten bzw. Verhältnismäßigkeit bei Direktmandaten, deren Partei die 5%-Hürde nicht erreicht und trotzdem einziehen; wobei doch Wahlkreisgewinnern keine höhere demokratische Legitimation zugestanden werden soll
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hat den leichten Charakter eines Grabenwahlsystems
Dadurch, das direkt gewählte Kandidaten definitiv in den Bundestag einziehen würde, wird der Personalwahl eine höhere Wertigkeit eingeräumt, als der Proporzwahl. Sicherlich gibt es kein Axiom, dass das Verhältniswahlsystem, dem Mehrheitswahlsystem vorrangig ist, jedoch zeigt das BVerfG in ständiger Rechtssprechung, dass es das Verhältniswahlsystem präferiert und den Wählerwillen am ehesten im Proporzsystem repräsentiert sieht.
Zusätzlich ergeben sich einige andere rechtliche und praktische Probleme bei der Umsetzung. Denn das Unions-Paradoxon lässt sich schwer auflösen, zumal die CDU nicht glücklich wäre, dass sie Mandate an die CSU abgeben müsste.