LdN 327 Grundmandatsklausel abgeschafft - warum nicht?

Wenn sie es täte (was befürchtet wird). Aber es geht ums Prinzip und nicht um konkrete Wahlausgänge.

Wenn das so bleibt, haben wir ja kein Problem. Die ganze Diskussion hängt aber an dem potentiellen Szenario, dass sie die 5% Hürde das nächste mal verpasst.

So, jetzt mache ich meine ersten Kommentar im Lage Talk, auch wenn ich schon seit Jahren Hörer bin.

Ich kann der Kritik der Lage an der Wahlrechtsreform nicht folgen, bzw. ich verstehe die Argumente, allerdings halte ich die Beschwerden aus Linke und CSU für eine unnötige Zuspitzung.

Beide Parteien könnten das Problem selbst lösen.

Ich würde mal mit der Linken beginnen: Sören Pellmann hat in Leipzig ein Direktmandat gewonnen. Das ist eines der drei Mandate, die die Linke brauchte, um in den Bundestag einzuziehen. Pellmann hat unfassbare 22,8% der Erststimmen geholt! Ich habe jetzt nicht alle Wahlkreise nachgeschaut, aber mit so wenig Erstimmenanteil sollte wohl kaum ein anderer Dirketkandidat gewonnen haben.
An sich bin ich dafür, dass die Linke im Bundestag vertreten ist. Evtl. wäre ich sogar für die Absenkung auf eine 4%-Hürde. Man kann aber nicht argumentieren, dass die Linke wegen dem Entfall der Grundmandatsklausel aus dem Bundestag fliegen wird. Das Problem der Linken liegt in ihnen selbst. Das ist aber ein anderes Thema.

Bei der CSU sieht mir die Sache noch eindeutiger aus: Teilweise hatte die GroKo deutlich breitere Mehrheiten im Parlament. Selbst ohne die Abgeordneten der CSU hätten SPD und CDU eine Wahlrechtsreform in der Periode von 2013 bis 2017 umsetzen können. Die CSU wollte, dass die Reform scheitert. Sie haben ausschließlich Vorschläge gemacht und zugelassen, die die CSU enorm bis verfassungswidrig bevorzugen würde (z.B. Überhangmandate, die nicht aisgeglichen werden müssen). Es war also völlige klar, dass mit der CSU keine Einigung zu erzielen ist. Warum sollten sie jetzt aus der Opposition heraus zustimmen?
Die CSU könnte auch problemlos selbst etwas dafür tun, dass sie die Grundmandatsklausel nicht brauchen: Sie müssten in mindestens einem weiteren Bundesland antreten. Das könnten sie entweder einfach tun oder es nit ihrer Schwesterpartei besprechen. Mein ehrlicher Vorshlag wäre, Thüringen und Sachsen in Betracht zu ziehen, weil die CDU dort ohnehin der CSU näher ist als z.B. der Berliner CDU. Genau wie die Linke muss die CSU sich einfach mal selbst um sich kümmern!

Jetzt könnte man fragen, warum die Ampel die Grundmandatsklausel überhaupt angefasst hat. Betrachtet man den bundespolitischen Einfluss der CSU in den 16 Jahren der von der Union geführten Regierungen, stellt sich mir die Frage, ob die CSU, die nur eines der Bundesländer im Blick hat und vertritt, nicht deutlichst zu viel Einfluss hatte. Ich halte das für die Demokratie für sehr sehr grenzwertig. Das mit den regionalen Parteien mag in der Opposition noch ganz nett sein, aber in einer Regierung können sie permanent drohen, wie jetzt indirekt die FDP, weil die Partner auf die Stimmen angewiesen sind.
Insofern finde ich die Entscheidung gut, zumindest die Garantie zu schaffen, dass diese Partei zumindest 5% der WählerInnen vertreten muss. Es wäre was anderes, wenn eine Koalition sich mit der CDU nicht zwangsweise auch die CSU einkaufen würde, aber mit einer Stimme für die CDU wählt man automatisch auch einen Vorteil für Bayern.

Diesen regionalen Fokus müsste die CSU aufgeben, um ihren Einzug ins Parlament zu sichern. Lieber klagt sie aber gegen ein sinnvolles und gerechtes Wahlsystem.

Ich wäre dafür, dieses Wahlrecht mal zwei oder drei Wahlperioden laufen zu lassen.

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Du hattest das im Präsens formuliert („Dass sie aufgrund … in den Bundestag kommt … ist bedenklich“), also als bestehende Tatsache.

Hallo Zusammen,

ich möchte ein paar Punkte zur Diskussion des Themas im Podcast sowie meine Einschätzung zum weiteren Verlauf des Ganzen anbringen. In der Sache gehe ich bei vielen Punkten von @rlinner mit:

Auch wäre die GMK bei Beibehaltung sehr wohl ein Systembruch gewesen. Die von euch mit Audioschnippsel zitierte Expertin Prof. Schmal hat Recht und ihr Punkt ist kein Scheinargument. Eure Entgegnung, zur Deckung von 3 Direktmandaten bräuchte man nur 0,5% der Zweitstimmen bundesweit, trifft nicht zu. Der Gesetzgeber hat sich im Rahmen der Neugestaltung des Gesamtsystems entschieden, an der Einschränkung durch die 5%-Sperrklausel festzuhalten. Dieses Mindesterfordernis ist zulässig und auch kein Systembruch.

Kombinationen von Sperrklausel-%-Zahlen und GMK-Direktmandatszahlen als Lösung führen auch nicht weiter: Es bleibt so, dass die GMK im neuen System einen Bruch dargestellt hätte, und eine Unwägbarkeit mit Blick auf die von der Union zu erwartende Verfassungsbeschwerde darstellt hätte. Diese Reform soll(te) und darf nicht scheitern, das war und ist das politische Ziel der Ampel.

Denkbar wäre lediglich theoretisch, eine GMK in Höhe von 5 % der Direktmandate (also 30) einzuführen, was die CSU (noch) schaffen dürfte. Wenn man möchte, könnte man sicher mit „Heilung“ des Mangels an 5% der Zweitstimmen durch entsprechenden Anteil an Direktmandaten argumentieren.Damit würde aber

  1. die Linke als gefährdet verbleiben (die FDP sowieso) und
  2. der Systembruch sogar noch verschärft.

Ich gehe davon aus, dass die Zügigkeit des Verfahrens 2 Gründe hatte:

  • m.M. nach der Hauptgrund: es ging es um das Schaffen vollendeter Tatsachen. Mit diesem neuen status quo kann man jetzt mit einer starken Verhandlungsposition in Gespräche gehen, ohne sich einer fortgesetzten politischen Knebelhaft der CSU auszusetzen.
  • man wollte vermeiden, dass die parlamentarischen Mehrheit durch eine langgezogene Debatte bröckelt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass der aktuelle politische Backlash von Anfang an eingepreist war. Suboptimale Kommunikation hin oder her.

Ich gehe davon aus, dass im Laufe der kommenden Wochen/Monate eine weitere Reform kommen wird, die die Sperrklausel ändert, nicht zuletzt, da auch die FDP potenziell betroffen ist und ein Interesse daran hat. Optionen siehe (Die Linke: Gregor Gysi fordert Absenkung der Fünfprozenthürde - DER SPIEGEL)

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Ich habe beim vorstehenden Beitrag von @politischFrank Falschzitate aus dem Podcast gelöscht. Nochmals der schon x-fach geschriebene Hinweis, dass wir keine Strohmann-Debatten dulden! Wir haben - wie bei vertraulichen Gesprächen üblich - unsere Quellen im Podcast selbstverständlich verschleiert. Daraufhin zu schlaubergern, wir hätten mit den falschen Leuten gesprochen, geht einfach gar nicht, weil wir das eben nicht gesagt haben.

Auch sonst bewegt sich der Kommentar an der Grenze des Vertretbaren, weil er weit überwiegend einfach Behauptungen aufstellt („Prof. Schmal hat Recht“). Wir suchen hier aber nach begründeten Positionen.

Und was sollen solche Falschbehauptungen wie „Eure Entgegnung, zur Deckung von 3 Direktmandaten bräuchte man nur 0,5% der Zweitstimmen bundesweit, trifft nicht zu.“? Das kann sich jede(r) selbst ausrechnen: 0,5% * 630 Mandate = rund 3.

Hallo zusammen,

auch wenn ich kein Staatsrechtler bin (wohl aber Jurist) ist mir der Beitrag zur Wahlrechtsreform in Bezug auf den Wegfall der Grundmandatsklausel zu einseitig und ich halte die - im Podcast und in vielen Medien - geäußerte Kritik am Wegfall der Grundmandatsklausel für deutlich überzogen und politisiert.

Seit Gründung der Bundesrepublik 1949 gibt es in Deutschland eine personalisierte Verhältniswahl. Nach meinem Verständnis wird bei der bisher praktizierten Form der personalisierten Verhältniswahl durch die Duldung von Überhangmandaten das Mehrheitswahlprinzip stärker in den Vordergrund gerügt, als bei einer reinen Verhältniswahl. In einem solchen Wahlrechtssystem ist die Grundmandatsklausel nachvollziehbar. Die Relevanz / Wichtigkeit des Direktmandats wird besonders betont. Gleichwohl bleibt auch in dem bisherigen Wahlrechtssystem die Grundmandatsklausel eine Ausnahme von der Regel. Das BVerfG hat die Grundmandatsklausel - als Ausnahme - gebilligt. Verfassungsrechtlich erforderlich war sie meines Erachtens nie.

Durch die inzwischen vom BT beschlossene Änderung des Wahrrechtssystems wird die personalisierte Verhältniswahl mehr auf das Verhältniswahlprinzip ausgerichtet. Die Elemente / das Gewicht des Mehrheitswahlprinzips (Erststimme / Direktmandat) wird abgeschwächt. Nur so kann das angestrebte Ziel, nämlich die Begrenzung der Größe des Bundestags durch Wegfall der Überhangmandate erreicht werden.

In einem mehr auf das Verhältniswahlprinzip ausgerichteten Wahlrechtssystem ist aber die Grundmandatsklausel (noch mehr) fehl am Platz. Mit der Wahlrechtsreform wird die Relevanz der Erststimme zugunsten der Zweitstimme verschoben. In einem reinen Verhältniswahlprinzip ist eine Grundmandatsklausel nicht denkbar. Wenn es also eine Verschiebung weg vom Mehrheitswahlprinzip hin zum Verhältniswahlprinzip gibt, ist es nur konsequent - und ich würde auch behaupten: verfassungsrechtlich geboten! - die Grundmandatsklausel abzuschaffen. Wenn es mehr auf die Mehrheiten der Listen (Parteien) und weniger auf die einzelnen Personen (Direktmandat) ankommt, braucht es schlicht keine Grundmandatsklausel.

Vor diesem Hintergrund scheint mir die massive Kritik, der sich bedauerlicherweise auch unsere beiden Protagonisten angeschlossen haben, deutlich überzogen. Schon bisher war die durch die Grundmandatsklausel verursachte Ungerechtigkeit im Hinblick auf das Stimmgewicht verfassungsrechtlich „on the edge“. Warum soll die Wählerstimme, die einer Partei - nennen wir sie FDP - zu 4,9 Prozent Zweistimmenergebnis verholfen hat, unter den Tisch fallen, die Wählerstimme, die einer anderen Partei - nennen wir sie die Linke - zu 3,5 % der Zweistimmen und drei Direktmandaten verholfen hat, aber nicht?

Was die möglichen Konsequenzen für die CSU angeht habe ich kein Mitleid. Sie müssen sich ja nur mit der CDU zu einer gemeinsamen Liste zusammenschließen. „Bündnis90 / die Grünen“ oder „WASG / PDS“ können davon ein Lied singen. Hat auch funktioniert.

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Aus der SPD in Person von Axel Schäfer kam nun genau dieser Vorschlag.

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So macht man keine Politik! Das ist eine absolute Katastrophe. Als ich das gehört habe, hat mich das echt ziemlich tief getroffen und beunruhigt mich gerade sehr. Wir sind damit auf dem Weg in amerikanische Verhältnisse (Gerrymandering & dergleichen)…
Wahlrechtsreform macht man um das WAHLRECHT zu verbessern. Man nutzt es nicht, um politische Gegener auszuschalten. Und genau DAS wurde hier gemacht.

So wenig ich von der CSU halte: DAS DARF NICHT PASSIEREN!
DAS ist keine Demokratie!

Und das hätte ich gesagt, selbst wenn es die AfD getroffen hätte.

Finde ich echt schlimm!

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Ich habe indirekt zitiert bzw. paraphrasiert, was zu Missverständnissen führen kann. Insofern kann ich die Löschung gut nachvollziehen. Ob das Falschzitate waren, ich schlage vor, das Fass machen wir nicht auf. Euren Quellenschutz stelle ich nicht infrage, der ist ohne wenn und aber richtig. Zu dem gelöschten Absatz nun also direkt zitiert aus dem Podcast: „Warum musste die Grundmandatsklausel fallen? […] Die Grünen sagen uns im Hintergrund, …“ Schlüssig. „Fragt man mal bei der SPD-Spitze nach, offiziell sagt die SPD, […]“ Das habe ich so verstanden, dass ihr bei Leuten in Partei- oder Fraktionsführung nachgehorcht habt. Das ist auch nicht per se falsch, das habe ich auch weder geschrieben noch implizit unterstellt. Zu diesem technischen Nerd-Thema wird man dazu aber eben nur Textbausteine bekommen. Bei den Obleuten letztlich womöglich auch (die werden diese Bausteine produziert haben), aber die sind eben näher dran und damit vertraut und m.M. nach folglich die Chancen auf ehrliche Antworten besser.

Des weiteren möchte ich höflich widersprechen, ich hätte im Weiteren grenzwertig kommentiert. Meine nicht direkt kritisierten Punkte (höhere GMK, Vermutung bzgl. Verfahrensgeschwindigkeit, Prognose) halte ich für erwähnenswert und konstruktiv für diese Debatte. Zum konkret kritisieren Punkt:

Die Begründung folgt im selben Absatz:

Darauf bezieht sich dies:

Ich habe das im darauf folgenden Satz erklärt. Der Punkt ist nicht die Mathematik:

(1/2)

(2/2)

Der Gesetzgeber hat sich dazu entschieden, beizubehalten, dass die Deckung durch Zweitstimmen überhaupt erst „aktiviert“ wird, wenn die Sperrklausel überschritten wird. Das war mein Punkt.

Das die 3 Direktmandate der alten GMK etwa 0,5% der Sollsitze entspricht, ist richtig, das habe ich nicht angezweifelt. Im Gegenteil halte ich den Prozentwert für einen Ansatzpunkt zur simplen Senkung der Sperrklausel auf (5 - 0,5 =) 4,5 %.

Es ist vom Gesetzgeber nunmehr ausdrücklich gewollt, dass ausschließlich die Zweitstimme (vorbehaltlich Sperrklausel) für die Zusammensetzung des BT Relevanz hat. Die GMK war an die Erststimme geknüpft, das wäre der Systembruch gewesen. Ein kleiner Systembruch ist tatsächlich verblieben, nämlich die Ausnahmen für Einzelbewerber. Die sind aber ohne Zweifel zwingend geboten, da (ich habe die Rechtsprechung nicht parat, aber) es kein Monopol der Parteien geben soll.

Die Deutlichkeit mancher meiner formulierten Positionen in meinem Kommentar, abgesehen davon, dass ich in der Sache hinter ihnen stehe, waren teils eigenen Kürzungen durch die (grundsätzlich sinnvolle) Zeichenbegrenzung von Kommentaren geschuldet. Dem zum Opfer gefallen ist auch, dass ich den Vorwurf an die SPD, man wolle mit der GMK-Abschaffung auf diesem Wege die „ungeliebten Konkurrenz auf der Linkspartei“ Linke[fraktion] auf Bundesebene „abschießen“ / „eliminieren“ (Zitathäppchen aus mehreren Sätzen zusammengetragen), gewagt und ohne konkrete Anhaltspunkte überzogen finde (disclaimer: ich bin selbst Parteimitglied). An dieser Stelle sei das dann hiermit nachgeholt.

Ihr gehört zu den oder seid sogar der reichweitenstärksten Polit-Podcast im deutschsprachigen Raum, weshalb ich mir die Zeit genommen habe, (und mich bemüht habe, faire) Detailkritik zu üben. Im Großen und Ganzen ist eure Berichterstattung allgemein, aber auch zum Thema Wahlrecht gelungen und für Laien sehr informativ und verständlich gestaltet. Dennoch, Details, wie etwa klar zwischen Parteien und Fraktionen zu differenzieren, sind dann umso wichtiger. Auch was eineindeutige Behauptungen angeht, dürfen wir als Hörer*innen, finde ich, an euch auch noch höhere Standards anlegen als an uns selbst.

Als Kandidat:in auf dem Wahlzettel als parteilos zu stehen, aber (evtl. jahrelang) vor der Wahl klar zur CSU zu gehören sowie am Tag nach der erfolgreichen Wahl zu erklären, man werde sich in einer CSU-Fraktion zusammenfinden, ist ziemliche Wähler:innenverwirrung (um es freundlich auszudrücken). Die nächste BT-Wahl muss so organisiert sein, dass gerade keine Anreize bestehen als Kandidat:in so zu verfahren. Dem Vertrauen in die Demokratie und dem Ansehen der Wahl täte das nicht gut.