LdN 327 - 1 bis 2 Jahre für Doktorarbeit?

Ich denke, dass es sich bei eurem Statement bei 1h 0min und 55s, nach dem es nur 1-2 Jahre Dauert eine Doktorarbeit zu schreiben, um einen Versprecher handelt. Ein Zeitrahmen von 1-2 Jahren für eine Doktorarbeit ist vollkommen unrealistisch. Es ist eher schwierig, die Arbeit in weniger als 3 Jahren abzuschließen, und viele brauchen sogar länger. Ich persönlich habe bissher 5 Jahre für meine Doktorarbeit in Ingenieurswesen am Fraunhofer ISE in Freiburg gebraucht.

Des Weiteren hatte ich in meiner ganzen wissenschaftlichen Karriere nur einmal einen Vertrag bekommen, der länger als ein Jahr war, wie in eurem Beispiel genannt. Ansonsten erhielt ich nur Verträge mit einer Laufzeit von 6 Monaten. Wenn man bedenkt, dass man sich drei Monate vor Vertragsende als arbeitslos melden muss, um Sanktionen zu vermeiden, bedeutet das, dass man gefühlt kurz nach Vertragsbeginn bei der Agentur für Arbeit vorsprechen muss. Oft habe ich meinen neuen Vertrag auch nur kurz vor knapp erhalten.

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Danke für deinen Beitrag!

Ich denke wie lange die Promotion dauert hängt sehr vom Fach ab. In der Medizin beispielsweise ist es bis heute durchaus üblich, in ein, zwei Jahren zu promovieren, auch in Jura ist das möglich, wenn man hart arbeitet und das Thema nicht zu komplex ist. In geisteswissenschaftlichen Fächern dauert es typischerweise viel länger.

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Ich würde zustimmen, dass das für die allermeisten Fachgebiete viel zu wenig ist. Medizin scheint mir da eher eine krasse Ausnahme. Selbst wenn die Solldauer bei 3 Jahren liegt, brauchen die meisten eher 4-5 Jahre [1], was sich voll mit meiner Erfahrung deckt und was über die Fachbereiche mit ca. 1Jahr Variation auch gar nicht so stark voneinander abweicht. Ich kenne mich im Bereich Jura nicht aus, aber gemäß der Quelle [1] scheinen mir hier 1-2 Jahre auch eher untypisch.

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Weil die meisten Medizin-Promotionen nichts mit Wissenschaft oder Lehre zu tun haben. Da geht es nur darum, dass die Mediziner:innen später ein „Dr.“ an ihr Praxisschild schreiben können.

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Mir scheint, das würde die Dissertationen noch stärker zum reinen Titeln verkommen lassen. Zum einen weil man Feldforschung ( bzw generell Datenerhebung) dann erst recht knicken kann. Zum anderen weil weniger Zeit bleibt aus der Dis Publikationen insbesondere Monografien zu machen. Wodurch diese forschungstechnisch völlig irrelevant werden (stärker als diese ohnehin schon sind). Noch mehr graue Literatur für die leere des Internets. Auch die von Ulf angesprochene dann notwendige Komplexitätsredukation scheint die Relevanz nicht gerade zu fördern. Auch für den Forschungsprozess erscheint es mir eher als würde dass zurückführen zu jenen Strategien die man eigentlich gerade versucht loszuwerden (wie statistische spielereien) nur damit man in diesem Zeitraum etwas vorweisen kann. Was sich genau bei den Medizinern großer beliebtheit erfreut. Auch die von Ulf angesprochene dann notwendige Komplexitätsredukation scheint die relevanz nicht gerade zu fördern.

Hinzu kommt dass gerade in den sozialwisseschaften Leute neben bei in anderen berufen arbeiten, weil sie nicht mal mehr eine mit der Dis verbundene Anstellung bekommen.

Bei einem Jahr wäre die Doktorarbeit wirklich nur noch eine doppelte Masterarbeit.

Mir scheint hier wird die Dissertation nur noch mehr zu einem weiteren Teil der Ochsentour die man machen muss um in die Forschung zu kommen. Noch mehr arbeitsintensive aber irrelavante Titel an deren Ende man mit leerem Blick bei der Verleihungszeremonie steht und sich nur noch darüber freut dass man es hinter sich hat, um endlich „wirklich“ Forschung betreiben zu können.

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Tatsächlich dürfen Mediziner das so nicht. Ein medizinischer Doktorgrad muss immer mit dem kürzel „med.“ von anderen Doktorgraden unterschieden werden. Insofern dürfen die Mediziner hinterher „Dr. med.“ an ihr Praxisschild schreiben. Es gibt auch den Dr. rer. med… Der ist mit den Doktorgraden anderer Fachbereiche vergleichbar aber auch nicht in unter drei Jahren erlangbar.

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Die Promotionsdauer hängt sicherlich vom Fach ab.
Regeldauer in vielen Fächern ist aber 3+ Jahre.

Da es hier um das Thema „Wissenschaft als Beruf“ geht, sollte man den (deutschen) Doktor der Medizin direkt außen vor lassen.

Der ist in vieler Hinsicht ein Sonderfall: Er wird im Regelfall bereits studienbegleitend erarbeitet (statt nach dem Studium) und der zeitliche Aufwand liegt oft deutlich unter einem Jahr. Der wissenschaftliche Output ist entsprechend gering. Daher wird er international auch nicht als „phd equivalent“ anerkannt.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Doktor_der_Medizin und Quellen darin

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Hallo zusammen,

ich bin auch sehr aufgeschreckt als ich das gehört habe. In meinem Feld (Ökologie) kenne ich niemanden der weniger als 3 Jahre für seine/ihre Promotion gebraucht hat, aber auch das ist eine absolute Ausnahme, normal sind 4-5 Jahre und länger. Es gibt Unmengen von externen Faktoren die bei experimentellen Arbeiten zu Verzögerungen oder Änderungen im Ablauf führen können, die man oft (z. T auch bewusst) nicht einkalkuliert.

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Für WiWi ist das jetzt auch nicht komplett unüblich.

Ich stimme @meinanolis zu. Ich habe für meine Promotion in der Ingenieurwissenschaft auch knapp über 5 Jahre gebraucht. In dieser Zeit hatte ich 3 befristete Arbeitsverträge und damit sogar noch Glück. Ich kenne Kolleg:innen, die hatten in der gleichen Zeit bis zu 9 Arbeitsverträge. Eine Befristung in der Promotion ist völlig ok, aber wenn die durchschnittliche Promotionsdauer > 5 Jahre beträgt, warum gibt es dann nur Verträge für max. 2 Jahre?

Ich empfehle den sehr guten Bericht (PDF) der DFG zum Thema Promotionsdauer:

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Bei uns am Institut (Physik) liegt der Mittelwert bei 58 Monaten. Wobei dieser Durchschnitt etwas verzerrt ist durch ein paar Doktoranden, die aus individuellen Gründen sehr, sehr lange gebraucht haben.

Aber von ~4 Jahren würde ich in den naturwissenschaftlichen Fächern, zumindest wenn experimentelle Arbeit notwendig ist, schon ausgehen.

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Mehr als 4 Jahre für eine Doktorarbeit ist im internationalen Vergleich eine Absurdität und ich rate jeder Person davon ab in Deutschland zu promovieren (wegen der Dauer und auch wegen der Verträge).

Hallo ihr Lieben,

ich wollte mich als Biologin dazu auch zu Wort melden, weil 1 bis 2 Jahre für „uns“ auch absolut unrealistisch sind. Ich kann natürlich nichts zu Geistes- oder Rechtswissenschaften sagen, daher ist die Information, dass eine Jura-Promotion in 2 Jahren gut (?) machbar ist schon gut, um das einzuordnen.

In der Biologie - und soweit ich das bei Freunden und Bekannten mitbekommen habe auch in vielen anderen Naturwissenschaften, Molekularbiologie, Biochemie, Physik, etc. - beträgt die „Regelpromotionszeit“ normalerweise 3 Jahre, das heißt, die Projekte sollen so geplant werden, dass man sie in 3 Jahren abschließen kann. Je nach Promotionsordnung und Studiengang und natürlich auch Projekt ist es aber durchaus üblich, dass die Promotion eher 3.5 bis 4 oder 4.5 Jahre dauert. Labormethoden wollen etabliert oder angepasst werden, bei Feldversuchen müssen Daten und Proben gesammelt und später am Rechner oder im Labor analysiert werden, Auswertungen, Statistik, Ergebnisse auf Konferenzen präsentieren, Paper schreiben, Lehre, Soft-Skill Kurse, das muss alles in der Zeit erledigt werden. Und oft läuft natürlich nicht alles nach Plan und man muss das Projekt anpassen, oder ein anderes Experiment starten, etc., so dass die 3 Jahre oft einfach nicht ausreichen.

Witzig finde ich auch als Ergänzung, dass die 3 Jahre bis zur Habilitation reichen sollen. Ich bin gerade als PostDoc an der Uni Ulm tätig, bei den Biologen werden 4 (!!!) Jahre für die Habilitation veranschlagt, in der Habilitationsordnung. Und - bitte mit sarkastischem Ton lesen, ist aber nicht böse gemeint, da das mit Sicherheit auch fach- oder habilitationsordnungs-spezifisch ist, und das ganze Segment war ja eher locker und flapsig vorgetragen, was total in Ordnung ist und beim Hören sehr geholfen hat :slight_smile: - 3 bis 4 Paper für die Habil ist auch süß: In unserer Ordnung stehen 10 Paper, die man braucht, um seine Habil einreichen zu dürfen…
Und wie man in den ersten drei Jahren 10 Paper zusammenkriegen soll, wenn man den Anspruch hat, dass die wissenschaftlich auch was taugen, bzw. wie das Ministerium sich vorstellt das das gehen soll, ist mir auch ein Rätsel - (vor allem, wenn man (wie ich zum Beispiel) nebenbei noch Mama und daher zwecks Kinderbetreuung in Teilzeit arbeitet, das hilft total beim Paper schreiben (nicht ;-))… vielleicht schafft man das, wenn man nicht mehr schläft oder isst, und keine Podcasts mehr hört, dann könnte das gehen… und Freunde treffen geht natürlich auch gar nicht, die Zeit kann man viel besser in Arbeit stecken (Sarkasmus aus).

PostDoc heißt oft eben nicht nur, dass man in seinem Forschungsfeld weiterarbeitet, sondern auch, dass man (wie in euren Wortbeiträgen auch sehr gut rauskam) nebenbei eine ganze Menge zu tun hat, was die persönliche Entwicklung angeht. Sich in ein neues Team einfinden, neue Methoden lernen, eigenes Geld für Prokjekte eintreiben, ein eigenes Forschungsprofil entwickeln, Paper, die aus der Diss liegen geblieben sind, fertig machen, Netzwerken, Lehrveranstaltungen planen, organisieren, durchführen, Konferenzen…
Mit Corona und der Mehrbelastung an Organisation in der Lehre und einem kompletten Lockdown der Uni für ein paar Monate, so dass die Laborarbeiten erst liegengeblieben sind (und sich dann eben gestaut haben und man dadurch nochmal mehr Zeit verloren hat) wäre das absolut unmöglich gewesen, eine Habil in 3 Jahren zu machen, zumindest, wenn man alles andere (Lehre, Kollegen unterstützen, Konferenzen etc. ) noch halbwegs gut machen möchte… Und es sollte ja nicht drum gehen, auf Biegen und Brechen X Paper rauszuhauen, die sollen ja auch anständig sein und Hand und Fuß haben und das Feld voranbringen.

Phu, die geplanten Änderungen machen mich echt wütend, und ich schweife ab. Abschließend bleibt aber zu sagen: Ich liebe meinen Job in der Wissenschaft, ich würde nichts anderes machen wollen, das Projekt ist großartig, die Arbeit ist spannend und abwechslungsreich und das Team in unserem Institut fantastisch, aber die Rahmenbedingungen, gerade mit einer jungen Familie, sind - nett ausgedrückt - wirklich schwierig. Man macht weiter, weil das Herz dran hängt und man einfach auf Grund der Hoffnung, dass sich schon was ergeben wird, weitermacht, so lange es geht, aber Planbarkeit und Sicherheit sehen anders aus… und man arbeitet nicht effizienter, wenn man nebenbei immer die Augen offenhalten muss, wie es am Ende seines zwei Jahresvertrages weitergehen soll, besonders weil die Bewilligung von Anträgen auch gerne mal ein paar Monate bis 1 Jahr oder länger dauern kann und Projektanträge zu schreiben je nach Projekt auch ein Vollzeitjob ist…

Danke auf jeden Fall für das Segment und die Information, und die nette Art, das zu präsentieren, das hat über die emotionale Reaktion auf die Inhalte der geplanten Reform zumindest ein bisschen hinweggeholfen.
Liebes Lage-Team, ihr macht einen großartigen Job, weiter so!

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Ich glaube das hängt sehr spezifisch von den jeweiligen Fächern ab (wie hier schon mehrfach beschrieben).

Bei uns in der (angewandten) Mathematik hat in meiner Promotions- und Post-Doc-Zeit niemand eine Monographie verfasst, alle Dissertationen waren kumulativ und bestanden aus Papern, die über die Jahre (3 jahre ist schon sehr schnell) in peer-review Zeitschriften veröffentlicht wurden.

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Klar, sind auch nicht nur Veröffentlichungen die extrem unterschiedlich sind, methodik, empirisch/theoretisch, dass kann man ewig ausdifferenzieren. Deswegen stört auch bei der Vergleich mit Jura und Medizin. Gerade empirische Forschung ist extrem fach- und methodenabhängig in seinem aufwand, gerade auch wenn man sich methoden erst noch aneignen muss nach dem Studium. Das heißt man erzeugt hier einen sehr schmalen Korridor dafür welche Forschung eigentlich noch praktikabel ist was desaströs für einen pulralistischen Wissenschaftsanspruch ist.

Aber paper publicationen sind jetzt auch nicht gerade unaufwendig, gerade wenn man darauf achten will wo man publiziert ^^

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Ja aber eine wirkliche auswahl zu haben ist Luxus… Leuten die diesen Luxus haben, haben häufig viele der angesprochenen Problem nicht. Insbesondere die finanzielle Frage stellt sich da weniger.

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Absolut richtig, die durchschnittliche Dauer einer Promotion beträgt 4.5 Jahre in Deutschland.
Es gibt krasse Ausreißer nach unten, insbesondere die medizinische Promotion (dr.med.) die aber im Kontext „wie funktioniert der Weg in die Wissenschaft“ mMn nicht betrachtet werden sollte, weil sie den normalen Studienabschluss darstellt, im Regelstudienplan mit einem bis zwei Semestern Dauer angesetzt ist und Mediziner, die forschen wollen, meist eine andere Art Promotion machen (sc.hum., rer.nat.) oder eben viel länger brauchen. Förderwerke haben das schon eingesehen, eine Promotionsförderung wird zB nicht für Dr. med. vergeben.
Da die Promovierenden in der Medizin die zahlenmäßig stärkste Gruppe ist, kann man sich jetzt denken, wie das den Durchschnittswert von 4.5 Jahren beeinflusst…
Zudem: meist vergeht noch ein halbes Jahr an Arbeit an der Promotion bis diese überhaupt erst offiziell angemeldet wird - in meinem eigenen Institut auch gerne mal zwei bis drei (damit man sich die Semestergebühren spart). Zusätzliche Unschärfe kommt durch das nicht genua definierte Ende der Promotion: mit Einreichen der Promotionsschrift (=Dissertation, das war bei Minute 1:02 glaube ich flasch herum gesagt) oder mit Abschluss des Verfahrens das die Uni dann anstößt? Bis man den Titel führen darf vergehen typischerweise auch noch mal 4-6 Monate.

Bitte entschuldigt die Korinthenkackerei, aber als eine von denen die noch schnell unterwegs ist (5 Jahre trotz Elternzeit) und tatsächlich zum Teil für ihre Arbeit bezahlt wird (typisch sind 65% Stellen für >100% Arbeitszeit) aber genug andere Fälle aus der Promovierendenvertretung kennt, nervt mich diese Darstellung etwas. Hart arbeiten tun wir hier alle, aber in 1 bis 2 Jahren dürfen wir nach Promotionsordnung noch nicht mal promovieren.

LG
Malika

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Und wenn man seine Paper nicht sofort losbringt, sondern erstmal hoch pokert und dann mehrfach einreichen muss (3, 4 5 mal oder öfter), weil die Journale das Thema für nicht relevant genug halten, obwohl die Forschung inhaltlich und statistisch sauber ist… und pro Einreichen dauert es gerne mal 4 Wochen bis 3 Monate… so kriegt man die 4/ 5 Jahre auch voll, wenn man kumulativ promoviert und eine bestimmte Anzahl Paper für den Titel braucht…

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Als Historikerin, die gerade ihre Doktorarbeit begonnen hat, kann ich auch ganz klar sagen, dass 1 bis 2 Jahre für die Geschichtswissenschaft auch vollkommen unrealistisch ist!
Alleine das Einarbeiten in die Literatur plus (weiter entfernte) Archivreisen frisst unglaublich viel Zeit.
Auch für andere Geisteswissenschaften ist diese Angabe nicht zielführend, auch da dauert es eher 4-5 Jahre.

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Habe in Informatik promoviert. Bei uns sind auch 5 Jahre die Regel (Mindestvoraussetzung an Top Publikationen mit ca 30% acceptance rate und ca 2 Chancen dafür im Jahr führt dazu dass es schneller fast nicht geht). Leider auch alles mit Verträgen die immer nach einem Jahr auslaufen.

Bei diesen Fächern kommt noch dazu, dass es sich finanziell überhaupt nicht lohnt zu promovieren. Schon gar nicht, zu habilitieren. In dem Bereich kann man in der Wirtschaft deutlich mehr Geld verdienen. Außerdem ist es gewünscht/von Vorteil den post doc nicht an der eigenen Uni, besser noch im Ausland zu machen.

Zu der unsicheren Joblage und bei akademischer Laufbahn auch Zukunft kommt also auch noch ein finanzieller Nachteil und der Zwang umzuziehen. Man braucht also schon viel Überzeugung um trotzdem eine Universitätslaufbahn zu verfolgen.

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