Hast du den Bericht denn gelesen oder nur deinen NationalGeographic-Artikel? Ich hab den langen Bericht auch nicht gelesen. Allerdings verfolge ich den Podcast „Das Klima“, der exakt diesen IPCC-Bericht wöchentlich, Kapitel für Kapitel bespricht. Nach Angaben meiner Podcatcher-App habe ich auf diesem Weg bereits über 100 Stunden Material über den IPCC-Bericht gehört. Die erwähnten 5 Szenarien sind mir daher nicht unbekannt.
Dazu ist zu sagen, dass das erste, „optimale“ Szenario mit maximal 1,5°C Erwärmung mittlerweile wohl mindestens so unrealistisch ist, wie das fünfte, in deinem verlinkten Artikel als „seltsames, absurdes Gedankenexperiment“ bezeichnete. Auch Szenario 2 verlangt laut NG-Artikel, dass „die Regierungen sofort handeln und den Einsatz fossiler Brennstoffe radikal reduzieren“. Wo siehst du das passieren? Derzeit steigen die Emissionen immer noch an, statt zu sinken, und so etwas wie ein Ukrainekrieg, der bei Verfassung des IPCC-Berichts noch nicht absehbar war, trägt sicherlich auch nicht zu einer Trendwende bei.
Kommen wir also zu dem laut Artikel „moderaten Szenario“, dass „am ehesten die Zukunft abbildet, auf die wir zusteuern“. Dieses „entspricht grob dem Zeitplan, den sich die Länder gesetzt haben, die sich dem Pariser Klimaschutzabkommen angeschlossen haben“ (!) – also vorausgesetzt wird nur, dass die Länder ihre bisherigen Zusagen zumindest einhalten – und landet am Ende dieses Jahrhunderts bei 2,7°C Erwärmung! Weit mehr also, als bei Abschluss des Pariser Abkommens als absolutes Maximum betrachtet wurde um nicht irgendwelche verheerenden Kipppunkte zu triggern. Das Fazit lautet dementsprechend, „gegen Ende des Jahrhunderts […] ist die Welt kaum gegenüber den schlimmen Folgen des Klimawandels geschützt.“ (!)
Na, vielen Dank auch. Abgesehen davon, dass die „düstere“, vierte Variante mit Nationalismus und weiter steigenden Emissionen meiner Ansicht nach auch keineswegs unrealistisch ist.
Schlussendlich sollte man nicht übersehen, dass es sich überwiegend um einen Bericht von Klimawissenschaftlern handelt, also Naturwissenschaftlern, der nur bis zu einem gewissen Grad die Folgen für unsere Gesellschaften behandelt, insofern diese von den direkten Auswirkungen wie Extremwetterereignissen, unbewohnbaren Landstrichen usw. direkt betroffen sind. Was das mit den Gesellschaften macht, wenn globale Lieferketten für absolut essenzielle Bausteine unserer Zivilisation zusammenbrechen und/oder vielleicht hunderte Millionen Menschen zu Migration gezwungen sein werden, und man diese entweder mit Gewalt daran hindern oder andernorts integrieren muss, liegt wohl verständlicherweise deutlich außerhalb des Fokus des Berichts.
Also, was hältst du jetzt von der „systems collapse“ Theorie?