Eingangs mein großes Kompliment für die Sonderfolge. Ähnlich wie bei den Windkraft-Folgen habe ich wieder viel dazu gelernt. Ein Thema mit dem sexy Namen „Digitalisierung der Verwaltung“ so interessant, unterhaltsam und trotzdem auf hohem Niveau behandeln zu können, ist schon beeindruckend. Ich würde mich freuen, wenn es mehr solche Sonderfolgen gäbe.
Was mir etwas geholfen hätte, die Thematik in ihrer Bedeutung besser einzuordnen, wäre eine Beschreibung der Dimension des Problems gewesen, die ich grundsätzlich am Anfang des Beitrags erwartet hätte. Ich habe ja schon früher an der einen oder andere Stelle angemerkt, dass zumindest der Versuch einer Quantifizierung (insbesondere bei euren Energiewende-Themen) helfen könnte ein Problem besser zu verstehen. Dass liegt nicht nur daran, dass ich selbst möglicherweise eher ein Zahlenfreak bin, sondern auch daran, dass die Aussagekraft einer rein qualitativen Analyse schon sehr beschränkt ist.
Um zu verdeutlichen, was ich meine, mal drei Zahlen aus einer 2018er Veröffentlichung von McKinsey zum Thema [1]:
- Die Schätzung, dass die Ämter 59% ihrer Arbeitszeit einsparen könnten, wenn sie ihre wichtigsten Dienstleitungen digitalisieren würden
- Die Schätzung, dass die Deutschen dadurch 84 Mio Stunden Lebenszeit im Jahr gewinnen könnten.
- Die Schätzung, dass das europaweite Eisparpotential bei Nutzung von KI und Big Data in der Verwaltung* bei ca. 150 – 300 Mrd Euro jährlich liegt.
Vorweg: Uns ist allen klar, dass die Aussagekraft solcher Schätzungen grundsätzlich begrenzt ist, selbst wenn sie nachweislich seriös durchgeführt wurden. Trotzdem ist allein der Versuch wichtig, diese Größenordnungen zu ermitteln, um ein Problem einzuordnen. Es geht also nicht darum ein Problem auf eine Zahl zu reduzieren, sondern – im Gegenteil – bei einem Problem die Zahlen nicht zu ignorieren. Denn es könnte ja sein, dass ein Problem qualitativ wichtig erscheint, quantitativ aber völlig irrelevant ist (oder anders herum).
Im vorliegenden Fall hört sich z.B. Punkt 1 nach einem ziemlich signifikanten Potential an, das vor allem realistisch zu heben scheint. Das würde z.B. bedeuten, dass jeder zweite Verwaltungsbeamte seine Zeit in bessere Beratung statt sinnfreies PDF abtippen stecken könnte. Außerdem könnte man die Personalnot in vielen Bereichen wirksam in den Griff bekommen.
Dagegen hört sich Punkt zwei eher ernüchternd an. Eine Stunde pro Person pro Jahr ist zwar nicht vernachlässigbar, aber auch kein Gamechanger. Wenn das stimmt, dann würde eine digitalere Verwaltung zwar – wenn man sie gerade braucht – viel Frust sparen, für den Normalbürger aber integral kaum einen Impact haben. Das mag falsch gedacht sein, aber genau diese Überlegungen wären m.E. super relevant für das Thema.
Punkt drei hört sich wiederum nach einem erheblichen Potential an, das aber kurzfristig nur begrenzt zu heben sein wird.
Die Relevanz und die Lösungsansätze der McKinsey Veröffentlichung will ich mal nicht weiter diskutieren. Vielleicht wird das ja auch noch Thema eurer zweiten Folge.
*ich interpretiere das aus dieser sehr kompakten Zusammenfassung – möglicherweise falsch – so, dass dieses Potential dann gehoben wird, wenn die Verwaltung europaweit perfekt vernetzt auf dem digitalen Niveau von google ihre Arbeit verrichtet.