Quantifizierung der Ambitions- und Umsetzungslücke in den Klima-Zielen

Liebes Lage Team, liebe Mit-Hörer,
ich habe sehr interessiert den Beitrag über die Bewertung der Klimaschutzziele der Bundesregierung anhand der Studie vom DIW [1] verfolgt. Ich fand auch eure Zusammenfassung @vieuxrenard und @philipbanse sehr hilfreich. Sie hat gut gezeigt, an welchen Stellen die aktuelle Strategie noch Defizite hat. Auch die Erklärung der Begrifflichkeiten Ambitions- und Umsetzungslücke fand ich gut.
Was mir bei euren Analysen oft etwas fehlt – und das wird bei diesem Thema besonders deutlich – sind quantitative Angaben. Es braucht nicht viele davon aber aus meiner Sicht ist eine rein qualitative Analyse immer nur begrenzt aussagekräftig. Oft vermittelt ein genauer Blick auf die Zahlen ja auch ein ganz anderes Bild – siehe z.B. das Thema Beton für Atomkraftwerke.
Zu den Klimazielen: die Tatsache, dass die Klimaziele der Bundesregierung nicht 1,5° Konform sind dürfte niemanden überraschen. Keine Partei – inklusive der Grünen – hatte ein Wahlprogramm vorgelegt, das für diese Ziele ausgereicht hätte. Warum sollte das im Ampel-Koalitionsvertrag anders sein? Die entscheidende Frage wäre meiner Ansicht nach also nicht ob, sondern um wieviel die Ziele verfehlt werden. Wenn wir 90% der Ziele erreichen könnten, würde ich wahrscheinlich Luftsprünge machen. Wenn es nur 30% sind eher nicht.
Jetzt muss man natürlich sofort dazu sagen: 1. Sind solche Angaben immer schwierig, unsicherheitsbehaftet und zum Teil gar nicht zu ermitteln. 2. Geht ja sogar die DIW Studie eher einen Weg, bei dem am Ende qualitative Ergebnisse präsentiert werden. Das ist insofern nachvollziehbar als dass man ja z.B. die Ambitions- und Umsetzungslücke aus dem Koalitionsvertrag nicht „berechnen“ kann. Dazu ist vieles zu schwammig formuliert. Trotzdem kann man Größenordnungen abschätzen. Und das wird auch durchaus getan:
z.B. auf wird S. 15/16 für den Energiesektor angegeben, dass die Ausbauziele für erneuerbare Energien etwa um Faktor zwei zu gering für eine Einhaltung des 1,5° Zieles sind. Das finde ich als Größenordnung schon mal hilfreich. Im Podcast wird ja z.B. auch erwähnt, dass der Windkraft-Ausbau im Vergleich zum aktuellen Jahr um Faktor fünf gesteigert werden müsste. Aber ohne den Anteil der Windkraft am Energiemix und dem Ausblick für die nächsten Jahre hilft mir diese Zahl ehrlich gesagt wenig – wie man spätestens sieht, wenn man auf die genannten Zahlen für die gesamten erneuerbaren Energien schaut.
Auf S. 33 wird für den Verkehrssektor ein Einsparungsziel der Regierung von 65 Mio t CO2 angegeben. Paris kompatibel wären ca. 115 Mio t. Da wären wir auch wieder bei knapp Faktor zwei. Die Umsetzungslücke ist etwas komplizierter, aber allein die Ambitionslücke vermittelt doch hier schon ein einschätzbares Bild.
Wenn man anfängt wie wild mit Zahlen um sich zu werfen, wird so ein Beitrag natürlich speziell. Das würde ich aber gar nicht erwarten. Nehmen wir mal an, dass was ich mir da aus der Studie raus gezogen habe stimmt so :slightly_smiling_face: . Wenn man dann z.B. sagt, die Ambitionen der Bundesregierung für erneuerbare Energien und den Verkehrssektor sind nur etwa halb so groß wie für Paris nötig wäre, vermittelt das für mich ein viel anschaulicheres Bild, als wenn man nur sagt: sie reichen nicht aus.
Das ist meine persönliche Ansicht - da gibt es aber sicher andere Einschätzungen, oder Hörer, die auf solche Zahlen wenig geben. Insofern freue ich mich ggf. auf Feedback. Würde mich interessieren, wie das die Community sieht …
[1] https://diw-econ.de/wp-content/uploads/Studie_DIW-Econ_KoaV_Plausibilitaetsanalyse_v1.2.pdf

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