LdN279-281 Russlands Krieg gegen die Ukraine

Streubomben, die in Kindergärten, Krankenhäusern und Schulen einschlagen und eine bisher mindestens dreistellige Zahl an civilian casualties sind keine wahllosen Morde?

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Deine Antwort ist also, dass die Ukraine sich nicht militärisch wehren, sondern die Selbstbestimmung durch Verweigerung der Kooperation verteidigen soll?

Also soll Russland die Ukraine erstmal erobern und dann soll die Gesellschaft einfach sagen, sie finden die Russen doof und arbeiten nicht mit denen zusammen (Verweigerung der Kooperation)? Was ist das denn für eine Strategie?

Wie soll die Ukraine denn ihre „Werte und der Selbstbestimmung als Gesellschaft“ bewahren, wenn sie von Russland eingenommen sind?

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Als sich Finnland im Winterkrieg 1939/40 dem Überfall der Sowjetunion entgegen gestellt hat, hatte sie keine Chance auf einen militärischen Sieg. Dennoch haben ihr Widerstand und die hohen Verluste der Roten Armee dazu geführt, dass Stalin im Verhandlungen eingewilligt hat und Finnland so letztlich seine Eigenstaatlichkeit wahren konnte. Ansonsten hätte das Land wohl 50 Jahre Kommunismus erlebt.

Aus meiner Sicht ist diese Einstellung, in der die Bereitschaft zu militärischer Gegenwehr unter Einsatz von Menschenleben gering geschätzt wird, gegenüber einem Staat wie Russland fatal.

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Mir scheint, das lässt sich mit Molotowcocktails mindestens ebenso nachhaltig erreichen wie mit einem Bummelstreik.

Deine Beiträge rühren mich. Natürlich ist Pazifismus die weitaus schönere, humanistischere Haltung. Ich habe dafür große Sympathie, beispielsweise war ich ja Zivi und nicht beim Bund. Das Problem ist nur, dass Pazifismus nicht als Einbahnstraße funktioniert.

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Ich glaube, dass diese Methode durchaus funktionieren kann. Allerdings muss man sich bewusst sein, dass es nicht unbedingt die angenehmere Verteidigungsstrategie ist im Vergleich zu Waffengewalt.
Denn diese Strategie kann Jahrzehnte dauern und auch trotzdem nicht aufgehen. Während all dieser Zeit leiden die Menschen. Sicher leiden sie pro Zeit weniger als wenn sie sich mit Gewalt verteidigen, aber dafür insgesamt viel länger.
Der Aggressor wird sicher auch gegen eine solche soziale Verteidigung vorgehen. Damit sie gut funktioniert, muss man sich also der andauernden Loyalität der weit überwiegenden Mehrheit der Menschen sicher sein. Und wie sicher kann man sich dessen sein, wenn der Aggressor einer Minderheit verspricht, Macht und Luxus zu erhalten, statt weiterzuleiden, wenn die Minderheit ihm Loyalität entgegenbringt?

Oder ganz konkret: Wie viel zivilen Ungehorsam möchte man ausführen, wenn man dabei die ganze Zeit Todesangst davor hat, erwischt zu werden?

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Die boesen Rechten erleben gerade ein Revival. Wir koennen in den sozialen Mediuen gerade lernen, wie die „netten“ Leute, die es gar nicht gibt, die aber auch den Majdan entschieden haben („Ich habe ihn im Nacken getroffen“), Hausfrauen in der Herstellung von Molotow Cocktails mit dem in der „netten“ Szene sogenannten „Babynapalm“ unterrichten. Styropor macht den Unterschied. Es geht sozusagen um Industrie gegen Handarbeit und die wichtigsten Schlachten werden nicht mit Hyperglidern gewonnen.

Ich kann den Wunsch bzw. das Bedürfnis nach gewaltloser Konfliktlösung absolut nachvollziehen. Ich bin zeitlebens überzeugter Pazifist, ich hatte noch nie eine Waffe in der Hand.
Ich hab ebenso wie Ulf den Kriegsdienst aus Überzeugung verweigert, auch weil ich noch in den Endphase des kalten Kriegs aufgewachsen bin.
Die damalige Zeitenwende ab den 90ern mit Abrüstung und globaler Annährung, war ein Segen, auch wenn natürlich nicht als rosarot war.

Man sollte aber unsere recht behütete Sicht auf die Welt, aus den letzten Jahrzehnten echten Frieden in Deutschland, nicht für selbstverständlich annehmen.
Angenommen, die Ukraine würde sich dem Angriff Russland ergeben, um weiteres Blutvergießen unter der Zivilbevölkerung zu verhindern. Das würde für den überwiegenden Teil der Ukrainer bedeuten, sie würden mittels Gewalt in eine Gesellschaftsform (sehr wahrscheinlich eine Diktatur)gezwungen, die sie ablehnen und die für sie massive Unterdrückung bedeuten würde.
Ich halte es, für den Fall der Selbstverteidigung und Selbstbestimmung für legitim, sich mit Gewalt gegen diese Angreifer zur Wehr zu setzten.
Ein „halte die andere Wange hin“ wird Putin höchstens dazu verleiten, weitere Länder zu bedrohen und anzugreifen.
Ich sehe zum jetzigen Zeitpunkt keine Alternative zum Verteidigungskampf der Ukrainer, die auch dem ukrainischen Volk gerecht wird.

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Sehr interessantes Konzept, kannte ich bisher nicht, danke dafür :slight_smile:

Ich habe allerdings auch meine Zweifel, ob dieses Konzet als Mittel zur Lösung von Konflikten zwischen Staaten geeignet ist.

In dem Link von dir, wird der soziale Widerstand als ein dritter Weg zwischen „Hinnehmen von Gewalt“ und „Bekämpfen von Gewalt“ genannt. Das stimmt zwar auf dem ersten Blick.

Jedoch sehe ich nicht wie eine geeignete „Weigerung“ mit einem Besatzer zusammenzuarbeiten aussehen soll, ohne dass man

  1. am Ende stirbt, weil die Besatzer einen mit tödlicher Gewaltandrohung zwingen z.B. die Felder des eigenen Landes zu besetzen oder
  2. sich tödlicher Gewaltandrohungen beugt, sein Leben lebt, Steuern zahlt und der Agreifer am Ende „gewinnt“.
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Auch darüber muss nachgedacht werden. Aber Putin als Kriegsverbrecher vor einem Tribunal in Den Haag erscheint mir momentan wünschenswerter: die Verurteilung mit den Mitteln des Rechts.

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Definitiv! Allerdings wäre mir lieber, er wird in Russland selbst verurteilt, obwohl das natürlich auch gerade nicht sehr wahrscheinlich aussieht.
Ich finde, der internationale Gerichtshof macht eine sehr schlechte Figur, vor allem, weil die USA sich ihm nicht unterwerfen. Und dann einen russichen Präsidenten davor zu verurteilen, mag mancher, ob zu Recht oder nicht, als Siegerjustiz der Nato ansehen.

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Sehr gute Frage. Ich könnte mir vorstellen, das man Russland die Krim lässt, allerdings mit speziellen Vorkehrungen aller: Keine Stationierung schwerer Bodenwaffen, maximale Truppenstärke. Gleichzeitig einen besonderen Autonomie-Status der Ostukraine bei gleichzeitigem Verbleib in der Ukraine.

Aber ich fürchte bereits jetzt, dass selbst wenn die Ukraine sich erfolgreich verteidigen kann, dass speziell der Konflikt in der Ostukraine noch sehr lange weitergehen wird.
Möglicherweise wird er über Generationen erst langsam einschlafen, so wie z.B. der Nordirland-Konflikt.

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Lieber Ulf,
das mag aktuell so aussehen, aber die Situation kann sich leider sehr schnell wieder verändern. Putin ist offenbar davon ausgegangen, dass die Ukrainer schnell ihre Regierung absetzen werden und man mit einer schnellen Operation ein fait accompli schaffen kann.

Wenn du vor der nächsten Lage-Folge 25 Minuten über hast, kann ich dir dringend diesen Podcast mit Michael Kofman empfehlen. Er ist Chef des Programms für russische Militärstudien am Center for Naval Analysis (CNA) und hat bereits im November eine Invasion für wahrscheinlich erachtet. Er erklärt hier, dass die russischen Streitkräfte aktuell nicht nach ihrer Doktrin operieren und nur ein Teil der russischen Einheiten bisher eingesetzt worden sind. Der Plan war offenbar, zunächst nur mit begrenzten Kräften Richtung Kiew vorzudringen und mit wenig Gewalt die politischen Ziele zu erreichen. Weil das nicht klappt, wird Russland wohl demnächst an der Eskalationsschraube drehen. Es wird deutlich mehr Gewalt, Zerstörung und Zermürbung geben. Die Ukraine hat sicherlich den Informationskrieg gewonnen, aber auf dem Schlachtfeld wird sich die Situation aber vermutlich bald drehen – leider.

Edit: Gibt’s jetzt auch als Thread auf Twitter:

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Liebes Lage Team!

Mich würde interessieren, wie ihr die Situation in Donezk beurteilt. Ich habe ein Video bei YouTube gesehen, in dem eine junge Frau berichtet, die Bevölkerung vor Ort würde die „Befreiung der Russen feiern“. Sie sagt, dieser Teil der Ukraine wird seit vielen Jahren von der Zentralregierung terrorisiert, es wird auf Zivilisten geschossen usw. Der Einmarsch der russischen Armee würde dort begrüßt werden. Sie behauptet, der Westen würde darüber gezielt nicht berichten. Die Frau spricht sehr gutes Deutsch, meiner Meinung nach ist sie Muttersprachlerin.
Wie sind solche Meinungen einzuschätzen? Gelungene russische Propaganda? Fake News? Eine andere Sicht der Dinge? Liegt die Wahrheit in der Mitte? Wer hat daran Interesse, solche Dinge zu verbreiten, wenn sie nicht der Wahrheit entsprechen?

Das stimmt sicher, aber das scheint halt auf den internationalen Gerichtshof durch, solange die anderen Staaten nicht ernsthaft versuchen, die USA hier auf Linie zu bringen. Solange die Geschehnisse etwa aus den collateral-murder-Videos nicht von dem Gericht untersucht werden, oder zumindest die Staatengemeinschaft, inklusive Westeuropa, die USA mit mehr als heißer Luft sanktionieren dafür, dass das nicht geschieht, würde ich selbst auch sagen, dass der Gerichtshof das Recht des Stärkeren unterstützt und die Verurteilung Putins vor diesem Gericht auch eine Demütigung Russlands darstellen könnte.

Versteh mich nicht falsch, ich wüsste kein Urteil des Gerichtshofs, das ich rundheraus falsch finde (habe mich nicht näher damit befasst, weiß da also wirklich nichts). Allerdings sind die Angeklagten, soweit ich weiß, immer nur aus Ländern, die keine Macht haben.

Ich finde, es beschreibt genau das, was ich meine. Da man Staaten zu nichts zwingen kann (außer mit Waffengewalt, aber das wäre ja viel schlimmer), müssen sie sich einem solchen Gesetz und auch dem Gerichtshof (freiwillig) unterwerfen, indem sie Verträge abschließen, die das kodifizieren.
Und es ist ja eine Unterwerfung, in dem Sinne, dass man dieser Institution Macht abgibt, über die eigenen Bürger zu richten.
Die Wikipedia benutzt das Wort in sehr ähnlicher Weise (das soll nicht heißen, dass die Formulierung damit bewiesenermaßen korrekt ist):

Die Parteien eines Rechtsstreits können, soweit sie über den Streitgegenstand verfügen dürfen (also beispielsweise nicht im Strafrecht), ein Schiedsgericht anrufen. Wenn beide Parteien sich diesem Schiedsgericht unterwerfen, kann das Schiedsgericht eine für sie verbindliche Entscheidung treffen.

von Gerichtsbarkeit – Wikipedia

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Solange man nicht mehr weiß: Unmöglich zu beurteilen

Na der russische Staat natürlich.

Es ist einfach gerade unmöglich aus dem Wohnzimmer in Deutschland zu beurteilen, welche Videoschnipsel oder sonstige Kurzmeldungen im Internet wie viel Wahrheitsgehalt enthalten.

Beide Kriegsparteien spielen das ganze Arsenal des Informationskriegs. Ich habe das Gefühl, dass in den sozialen Medien die Ukraine da deutlich erfolgreicher ist, wahrscheinlich, weil sie viel mehr Unterstützung erhalten (in Form von likes und retweets, nicht unbedingt von Staaten). Aber ich schätze Russland macht das gleiche, die Posts werden nur „downvoted“.

Ich traue mir zum Beispiel auch überhaupt nicht zu, den Kriegsverlauf zu beurteilen. Das Netz ist voll von Meldungen, was die Ukraine alles an russischer Ausrüstung zerstört habe. Aber ob das stimmt? Kann sein, kann auch nicht sein. Man wird es wohl erst später erfahren.

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Das kann ich sehr gut verstehen. Ich muss ganz offen zugeben, dass ich mir sehr schwer damit tue, der Eskalation gedanklich ausreichend schnell zu folgen.

Ich finde es sehr vorschnell davon zu sprechen, dass Putin hier sein Stalingrad erlebt. Ich denke das einzige, was man mit Sicherheit sagen kann ist, dass die russische Offensive zäher verläuft als erwartet. Mir graut vor der Vorstellung, was russische Soldaten einer sich wehrenden Zivilbevölkerung antun könnten – schon allein, weil sie nicht mehr zwischen Zivilisten und Soldaten unterscheiden können.

Auf der anderen Seite sehe ich sehr klar die Notwendigkeit, dass die Ukraine sich heftig zur Wehr setzt und dass eine Bevölkerung, die das tut, den russischen Einmarsch entscheidend erschweren könnte. Das Dilemma liegt darin, dass mit jeder Eskalationsstufe die Fallhöhe größer wird. Im besten Fall kann das dazu führen, dass der Kreml den Angriff irgendwann nicht mehr vor der eigenen Bevölkerung rechtfertigen kann. Im schlimmsten Fall bedeutet es ein Massaker und die völlige Zerstörung der Stadt.

Meine Schlussfolgerung wäre, dass es ein sehr begrenztes Zeitfenster gibt, in dem die Mobilisierung von Zivilisten ohne Kampferfahrung Sinn macht. Vor dem Hintergrund finde ich es enorm wichtig, dass man sich nach einem Nachrichtentag voller hochemotionaler Bilder immer wieder hinsetzt und versucht die Eindrücke rational zu ordnen. Und da fände ich es in der Tat unheimlich hilfreich, wenn es mehr Experteninterviews gäbe, die diese Handlungsoptionen inhaltlich du moralisch stärker besprechen würden. Vor allem, weil diese Denk-Kategorien für jemanden, der nicht selbst Krieg und Elend erlebt hat, oft schwierig sind.

Es ist sicher so, dass es in der Ostukraine Menschen gibt, die sich im erster Linie als Russen fühlen, mit der aktuellen Staats- und Gesellschaftsordnung in Putins Russland kein (größeres) Problem haben und daher den russischen Einmarsch begrüßen. Diese Frau ist, so sie denn tatsächlich von dort stammt, ähnlich den bewaffneten Separatisten, die gerade an Russlands Seite kämpfen.
Ich bezweifle allerdings stark, dass ihre Meinung im Rest der Ukraine auch nur ansatzweise von vielen Menschen geteilt wird. Ganz zu schweigen, dass sie natürlich keine Invasion des Landes rechtfertigt.

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Das gleiche gilt natürlich für Russland.
Insofern, nein, vor den internationalen Strafgerichtshof wird er nicht gestellt.

Es gibt sicher beide Seiten. In der Tagesschau waren Menschen zu sehen, die auf englisch gesagt haben, dass sie russisch nicht mehr sprechen aus Protest an Putins Gewalt.
Es gibt wohl die, die als russische Minderheit die Befreiung begrüßen, die, die sich gern Russland angeschlossen hätten, aber nicht so und die, die sich in der Ukraine eigentlich recht wohl gefühlt haben.
Die ukrainisch-orthodoxe Kirche russischer Prägung hat seit Jahren für den Anschluss an Russland geworben. Die Invasion hat sie aber scharf zurückgewiesen, und das nicht auf russisch, sondern auf ukrainisch. Das war für viele dort schon ein deutliches Symbol.

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Hallo Clara, ich möchte Dich ermutigen, Deine pazifistische Haltung und Deine Sicht auf die aktuellen Ereignisse hier im Forum weiterhin einzubringen und zur Diskussion zu stellen. Denn es war und ist und wird immer so sein, dass PazifistInnen lächerlich gemacht, in die Resignation getrieben oder wie jetzt in Russland wieder mit Gewalt zum Schweigen gebracht werden sollen, wenn die Waffen sprechen. Dass Du @vieuxrenard nicht eben mal weiterhelfen konntest, was die Menschen in der Ukraine denn jetzt gegen den Aggressionskrieg tun sollen, dass Molotowcoctails Angreifer schneller erledigen als ein Bummelstreik, dass den guten @vieuxrenard andererseits deine Haltung rührt (als wärest Du eine nette alte Oma, die halt die Welt nicht mehr versteht)- sicher kennst Du all diese banalen rethorischen Figuren zur Genüge. Bleib hier - okay? @moderat

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Vielleicht kann ich ein Kleinwenig beitragen. Wir hatten nun drei Jahre eine Russin in der Einliegerwohnung, die selbst zwar in St. Petersburg aufgewachsen ist, deren Mutter jedoch eine sich als Russin begreifende Ukrainierin ist, die aus dem Donbas stammt. Folgendes habe ich aus den Gesprächen mit ihr mitgenommen:

  • Animositäten bis hin zum offenen Hass zwischen nationalistisch gesinnten Ukrainern und allen als „Russen“ auftretenden Menschen gab es schon zu Zeiten der UDSSR. Das wurde jedoch von offizieller Seite nicht anerkannt, sondern totgeschwiegen. (Ukrainischer) Nationalismus war auch ein Ventil/Betätigungsfeld für alle, die mit dem System unzufrieden waren.

  • Als die UDSSR zerfiel, waren Russland (korrekter die RUF) und die Ukraine plötzlich nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Realität unterschiedliche Staaten. Die kulturell und politisch vorher dominanten „Russen“ sahen ihren Status bedroht. Außerdem war seit 1990 die wirtschaftliche und demographische Entwicklung in der Ukraine derart katastrophal, dass viele Menschen im Osten der Ukraine eine enge Anbindung an Russland als letzten Strohhalm sahen. (Eine sicherlich etwas schräge Analogie: man stelle sich vor, während einer Schwächephase von UK wäre Irland zunächst zusammen mit dem nördlichen, hauptsächlich von Unionisten besiedelten, Teil unabhängig geworden. Und UK will später einen möglichst großen Teil Irlands sich wieder einverleiben.)

  • Im Zuge der Revolution 2014, die im Osten der Ukraine auch, wenn nicht hauptsächlich, als eine Machtübernahme der Nationalisten begriffen wurde, half Russland nach Kräften bei dem Unabhängigkeitskrieg der „Russen“ im Donbas. Nach dem Waffenstillstand sahen aber die Menschen in den nun von Separatisten kontrollierten Gebieten ihre Hoffnungen enttäuscht. Statt des Anschlusses an Russland bekamen sie nun einer Herrscherclique aus Mafiosis und an der „Kontaktlinie“ einen beständig schwelenden militärischen Konflikt. Während die von einem russischen Großreich träumenden Kräfte weitere Teil der Ukraine erobern wollten, setzten sich radikale urkrainische Nationalisten erbittert zur Wehr. Beide Seiten gingen ohne große Rücksicht auf die Zivilbevölkerung vor.

  • In den russischen Medien und den Verlautbarungen der Regierung wird dieser Konflikt als „Genozid“ an der russischen Bevölkerung der Ukraine dargestellt - seit 2014 ununterbrochen. Selbst wenn diese Gefechte verglichen mit dem, was jetzt gerade passiert, einen minimalen Umfang hatten, gab es in all den Jahren mehr als genug Bilder von im Separatistengebiet durch Beschuss aus dem Westen getötete Zivilisten. Das ist die Legitimationsbasis, auf deren Grundlage die russische Regierung ihre „spezielle Militäraktion“ im eigenen Land verkauft. Welchen Umfang dieser Krieg hat und welche Folgen er jetzt bereits zeitigt, das wird der russischen Öffentlichkeit verheimlicht (soweit das heute noch möglich ist).

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