LdN 270: Grüne, Verkehr und Klimaziele

Ich bin ganz eurer Meinung, die Grünen haben mit „Klima“ geworben, aber nun sieht es nicht wirklich danach aus.
Das wichtige Verkehrsministerium haben sie nicht genommen - dafür das ach so tolle Außenministerium. Da frage ich mich - als Grüner, der mit viel „Augen zudrücken“ dem KoaVertrag zugestimmt hat - wirklich, ob es wichtiger wäre, als die Verkehrswende auf die Reihe zu bekommen. Oder wollte da jemand den Prestigejob? Es ist tatsächlich etwas zum Haare raufen…

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Könnte das vielleicht gar eine Frau gewesen sein, der kein männlicher Pundit gesagt hat, dass es sich bei dem Außenministerium um eine wirkungslose Prestigeveranstaltung ohne jeglichen Impact auf Klima- oder sonstige Politik handelt. Das wäre ja in der Tat zum Haareraufen!

Du kannst Dir sicher sein, dass es ohne Beachtung irgendwelcher Quoten schon keine einfache Diskussion war, ob das AA nun den Zielen der Grünern mehr bringt oder das Verkehrsministerium.
Ich vermute es ist bekannt, dass zumindest ein Großteil der Europapolitik ins BK gewandert ist vor etlichen Jahren.

Als Kontext dazu:

Ich kann mir diesen Schachzug vorstellen: Die FDP soll das Verkehrsministerium haben und dann die Urteile der kommenden Klagen z.B. der DUH dann ausbaden müssen. Die FDP könnte dann gegenüber ihren Wählern halt noch halbwegs gesichtswahrend aus der Blamage kommen; und um weitere Demütigungen zu vermeiden, würde sie halt dann doch in Richtung Verkehrswende abbiegen (Tempolimit, Schienenverkehr, Fahrradwege usw). Aus der Sicht der Grünen hätte man das Reizthema zunächst vermieden und könnten dann ganz kollegial den FDPlern „helfen“ beim Umsetzen.

Ich bin sehr zuversichtlich, dass in der Linie der Urteile des VG zum Klima und zu den Coronamassnahmen dem Verkehrsminister ziemlich heimgeleuchtet wird, insofern, als z.B. es ja überhaupt nicht haltbar sein kann, dass ein eingebildetes Freiheitsgefühl (Schnellfahren) so viele Tote, Schwerverletzte, lebenslange Invalide, zerstörte Familien, und eben den spielend leicht vermeidbaren Umweltschaden aufwiegen soll.

Sollte es so kommen, wäre das doch sehr clever gewesen von den grünen Verhandlern.

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Das ist auch mein Argument. Ich denke außerdem dass die FDP ein sehr Klima relevantes Ministerium wollte als Gegengewicht zu Umwelt und Landwirtschaft. Mit dem erweiterten Wirtschaftsministerium haben die Grünen auch ein Gegengewicht zu Finanzen.

Und Verkehr ist wohl in Sachen Klima das schlimmste Ministerium, weil leider viele Deutsche das Auto Heiliger sprechen als den Papst. Es ist schon gut dass den notwendigen Wandel die FDP ausbaden muss. Ich denke nämlich dass es auf EU Ebene von Baerbock angeschoben härtere Richtlinien für Verbrenner geben wird, jetzt wo Merkel weg ist.

Ausserdem wurde dem Verkehrsministerium noch das Thema digitale Infrastruktiur zugeschlagen, welches der FDP auch am Herzen lag.

In dem lohnenswerten, ausführlicheren Markus Feldenkirchen Portrait von Robert Habeck sagt der, dass ihr Plan war, zu schauen, im welchen Resorts der meiste Fortschritt möglich sei und da Ansprüche anzumelden. Wenn ich das richtig verstanden habe, war im Verkehrssektor wenig bis gar nichts möglich. Deshalb da kein:e grüne:r Minister:in.

Welchen Fortschritt sie im Wirtschaftsbereich sehen, ist mir nicht ganz klar. Dass mit FDP und der Niedersachsen SPD kein Priorität Bus/Bahn/Rad möglich ist, liegt auf der Hand.

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Wir werden es abwarten müssen.

Ich sehe es auch eher so, dass die Grünen froh sein sollten nicht das Verkehrsministerium zu haben. Es scheint mir ein sehr undankbares Ministerium, besonders wenn man gegen die Auto-Lobby arbeitet, wobei ich selbst diese als weiter sehe als am Verbrenner festzuhalten. Soll die FDP sehen was sie damit anfangen kann.
Außenpolitik ist wesentlich wichtiger, da es auch darum geht wie man an grünen Wasserstoff kommt (Stichwort Marokko) und weil es ggf wichtiger ist die Klimapolitik der anderen Staaten zu beeinflussen und in die richtige Richtung zu bestärken. Deutschland ist mit ca 1% Anteil am Klimaga zwar überrepräsentiert aber de facto nicht entscheidend.

Es gibt international viel zu erreichen und vielleicht schafft Baerbock etwas zu bewegen.

Besser als sich dauerhaft mit Auto-Lobby und FDP über die Zukunft des Autos Streiten, wenn doch alleine der Marktdruck in Richtung E-Auto schon viel bewegen wird.

Naja, den massiven Ausbau der erneuerbaren Energie und die Transformation der Wirtschaft gen klimaneutralität.
Das ist m.e. (Ulf und phillip haben das ähnlich eingeschätzt) das Gebiet wo sich die Koalition einig ist und wo in den nächsten 4 Jahren am meisten Änderung zu erwarten ist.

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Ich persönlich denke nicht, dass die Grünen mit dem Verkehrsministerium etwas verloren haben. Laut Koalitionsvertrag werden ab 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zugelassen. Ja, das klingt nach einem Hintertürchen für Verbrenner mit „SunFuels“, aber Power2Gas lohnt sich nicht für Privat-PKW. Höchstens für Ferraris oder Oldtimer, welche zwei Wochenenden im Jahr bewegt werden.

De facto bedeutet es meiner Ansicht nach einen Umstieg auf die E-Mobilität und das ist meiner persönlichen Ansicht nach der beste Weg.

Ich persönlich glaube nicht an die Konkurrenzfähigkeit der Bahn auf der Mittleren Streckenlänge.

  • Als Konkurrenz zum Flugzeug zwischen Europäischen Großstädten auf jeden Fall. Ich beneide Frankreich um den TGV, ein so gute Netz brauchen wir in ganz Europa.
  • Für den innerstädtischen Verkehr ist es auch ein super Verkehrsmittel
  • Aber in allen Städten mit weniger als 100.000 Einwohnern und auf dem Land ist das Auto konkurrenzlos.

Oder wie seht Ihr das? Soll man zusätzlich zum Straßennetz noch ein zweites Schienennetz verlegen?

E-Mobilität wird nicht der Weg der Verkehrswende sein. Es darf nicht darum gehen jeden Verbrenner durch ein eAuto zu ersetzen. Preist man da nämlich den CO2-Abdruck des Bergbaus für das Lithium der Akkus ein, ist ein Tesla nämlich erst nach 10 Jahren CO2-günstiger als ein Diesel.

Es muss bei der Verkehrswende darum gehen die öffentliche Infrastruktur neu zu konzipieren. Der ÖPNV muss ausgebaut werden, was nicht einfach mehr Busse oder Bahnen heißt, sondern auch mehr Platz, Spuren und Vorfahrt für eben diese.

Die Verkehrswende muss die Frage beantworten, wie unsere Städte in 10Jahren aussehen. Wie viele Autos produziert werden. Und was mit den Arbeitsplätzen geschieht, die dadurch wegfallen.
Wir müssen da demokratische und solidarische Antworten für finden, und leider sehen ich bei den Grünen nicht einmal diese Fragen diskutiert.

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Wenn kein Asteroid einschlägt oder der Dritte Weltkrieg ausbricht: ungefähr so wie heute auch. Ganz egal, wer regiert. Für massive Änderungen gibt es schlicht keine politische Mehrheit. Und wenn in kleinen Schritten vorgegangen wird, um den Autoverkehr zurückzudrängen, dann dauert das eben ein, zwei Generationen.

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In Städten ja, aber es übersteigt meine Vorstellungskraft, dass ein ÖPNV in dünn besiedelten Gebieten gegenüber Automobilen wirtschaftlicher oder ökologischer sein kann. Schienenverkehr macht ja dort gar keinen Sinn und damit Elektrobusse fahren können braucht es halt doch Straßen. Wer kann darf dann hoffentlich die Straßen mit seinem E-Auto mitbenutzen.

Was den CO2-Abruck des Lithiums angeht ist das ein rein politisches Problem. In Gruben entsteht bereits eine Lithium Raffinerie [1], die bis 2030 CO2 Neutral laufen soll [2]. Und was die Förderung angeht, so ist Lithium kein seltenes Element. Auf der Erde gibt es mehr Lithium als Blei [3] und das größte Lithiumvorkommen Europas liegt pikanterweise in der Oberrheinischen Tiefebene [4].

Wir könnten also in Deutschland nachhaltig Elektroautos bauen, wenn wir nur wollten…

[1] Projekt in Brandenburg: Größte Lithium-Raffinerie Europas geplant | tagesschau.de
[2] Rock Tech Lithium
[3] Lithium – Wikipedia
[4] Großes Vorkommen im Rhein: Der deutsche Lithium-Schatz | tagesschau.de

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Auf Deutschlandfunk gibt es eine gute Zusammenfassung zur Wahl der Ministerien durch die Grünen. So gesehen, keine schlechte Zusammenstellung.

Doch. E-Mobilität ist nicht gleichzusetzen mit Individualverkehr und mit E-Auto.
Elektrischer ÖPNV, Züge, E-Autos, … all das gehört zur E-Mobilität und zur Verkehrswende

Bei einer durschnittlichen Lebensdauer von 18 Jahren ist es durchaus relevant, wenn das Auto ab etwas mehr als der Hälfte besser ist als ein Verbrenner und dann ja auch immer besser wird.

Abgesehen davon wird ja außerdem momentan maximal viel in diese Technologien investiert. Man kann also davon ausgehen, dass insbesondere Akkus mittelfristig noch ressourceneffizienter werden, genauso wie ja auch aktiv daran gearbeitet wird, den Kobaltbedarf zu minimieren.

Stimmt alles, steht aber nicht im Widerspruch zum Begriff E-Mobilität.
Diese Fragen müssen beantwortet werden und die Gesellschaft wird dann ihre Prioritäten kommunizieren. Da Deutschland ein Autoland ist und den Individualverkehr schätzt, wird eine wirkliche Verkehrswende entsprechend viel Überzeugungsarbeit benötigen.

Nur weil es deine Vorstellungskraft übersteigt heißt es nicht dass es nicht möglich ist. Außerdem finde ich es absurd beim Thema Verkehrswende immer den ländlichen Raum als Gegenargument heranzuziehen. Wenn es in Städten möglich ist den Individualverkehr zu reduzieren oder ganz aus der Stadt zu drängen sollte das getan werden.

Natürlich ist die Infrastruktur auf dem Land nicht so dicht wie in einer Stadt. Viele Regionen lassen sich nur schwer mit ÖPNV erreichen, aber gerade hier ist doch der Schienenausbau elementar. Gerade mit der Schiene gelange ich gut in Ballungszentrum und Städte, wo die meisten Menschen arbeiten. Es braucht eine Verbindung in die Peripherie der Städte. Dass dort Auto gefahren wird ist auf absehbare Zeit nicht eine Notwendigkeit.

Was das Thema Bergbau angeht, bin ich sehr irritiert wie man Bergbau als nachhaltig oder umweltfreundlich bezeichnen kann. Akkus bestehen nicht nur aus Lithium sondern auch aus seltenen Erden, da habe ich beim ersten Kommentar vielleicht schlecht skizziert, was ich meinte. Aber im Globalen Norden produzierte eAutos als nachhaltig zu bezeichnen ist schwierig.

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Stimmt, ich habe nur noch nie in meinem Leben guten „Mittelverkehr“ erlebt. Gibt es das Wort? Ich will sagen, mit der Straßenbahn irgendwo hintingeln ist ok, mit dem ICE zwischen zwei Städten auch. Aber 50 km in eine Stadt einpendeln, oder jemanden im Nachbarort besuchen geht nur mit dem eigenen Auto. Ich steige gerne um, wenn es eine bessere (!) Alternative gibt, aber wenn man mir das Autofahren einfach verbietet oder durch Steuern madig macht dann werde ich beschissene Öffis trotzdem nicht toll finden.

Ja, das habe ich schlecht formuliert. Bergbau ist per Definition nicht nachhaltig, die Rohstoffe sind danach ja weg. Aber ich bin mir sicher, dass man an das Lithium in Deutschland rankommen kann, ohne den Oberrhein mit einem Braunkohlebagger abzugraben. Ich habe aber von Bergbau auch keine Ahnung, daher würde es mich echt interessieren wie das speziell in dem genannten „Deutschen Lithiumschatz“ aussehen könnte. NIMBYs included.

Die seltenen Erden sind ein gelöstes Problem. Gibt schon Akkus und Motoren die ohne auskommen.

Ich persönlich halte Autos für wesentlich flexibler als die Bahn. Gute Verkehrspolitik sollte meiner Ansicht nach daher auf die Straße setzen, flankiert mit Verbrennerausstieg.

Ich glaube, dass es sehr viel schneller geht. Die Dynamik ist erst ganz am Anfang. Die deutschen Städte werden nicht mehr so lange hinter Paris, Barcelona, Kopenhagen, Wien usw. zurückbleiben wollen. Die Stadtbewohner werden es verlangen, sobald sie den Zugewinn an Lebensqualität wittern. Dafür geben sie den ja nur scheinbaren Vorteil eines eigenen Autos auch auf. Ich sehe es als eine Änderung von unten, an die sich Politiker nur noch dranhängen brauchen oder einfach mitgeschleift werden, wenn sie noch im Geschäft bleiben wollen.