Update: EdF prognostiziert nunmehr nur noch eine Erzeugung von 295 bis 315 TWh aus seinen französischen Kernkraftwerken für dieses Jahr.
Das sind Ausfälle, die so kein Planer auf dem Schirm hatte, nehme ich an.
Update: EdF prognostiziert nunmehr nur noch eine Erzeugung von 295 bis 315 TWh aus seinen französischen Kernkraftwerken für dieses Jahr.
Das sind Ausfälle, die so kein Planer auf dem Schirm hatte, nehme ich an.
Das sind die Folgen der Strompreisdeckelung in Frankreich.
Wenn der Erzeuger Marktpreise für Input (Löhne, Uran, Netzentgelte usw.) zahlen muss, aber nur etwa ein Drittel des Marktpreises für Output bekommt → dann wird natürlich der Umsatz reduziert.
Wenn die Planer bei einer Preisdeckelung nicht von einer Reduzierung des Angebots ausgehen, dann sind es wohl die selben Planer wie beim Berliner Mietendeckel.
Neuigkeiten aus Frankreich, wo sich vermutlich die Zukunft der europäischen Kernkraft entscheiden wird:
Macron kündigt bis 2035 den Bau von sechs neuen Reaktoren an sowie eine Laufzeitverlängerung der bestehenden Kraftwerksflotte auf 50 Jahre. Darüber hinaus sollen „Studien“ angestoßen werden für den Bau weiterer Reaktoren nach 2035. Abgesichert werden die Projekte durch den französischen Staat. Am Geld wird es also nicht scheitern.
Aber das mittlere Alter der gesamten französischen Kraftwerksflotte liegt jetzt schon bei 36 Jahren. Allein um die Kraftwerke, die bis 2035 ihre 50 Jahre Betriebszeit voll haben, zu ersetzen, bräuchte es nicht sechs Neubauten sondern eher ein Dutzend.
Und nun muss man noch in Rechnung stellen, dass Macron bei dieser Ankündigung sicher auch den anlaufenden Wahlkampf im Blick hat. Sprich: er wird eher zuviel als zuwenig versprechen. Wenn vor diesem Hintergrund die Fertigstellung von lediglich sechs Reaktoren bis 2035 wirklich das Höchste der Gefühle darstellt, dann sieht es ziemlich düster aus.
Ich lese in den Artikeln auch immer von bis zu 14 neuen Reaktoren und 6 zum direkten Bau- das klingt doch also genau nach deinem Plan durchdacht.
Nur für die Größenordnung:
6 neue Reaktoren bringen voraussichtlich 10GW- das ist die Menge die in Frankreich aktuell durch Erdgas, Kohle und Öl zusammen (!) erbracht wird.
Und es klingt so, als ob die neuen Reaktoren erstmal diese als die dann 60 Jahre alten AKWs ersetzen.
Vom Co2-Ausstoß her wäre das eine gute Idee- und Deutschland kann ja noch ein paar CO2–Zertifikate aus Frankreich kaufen. Strom ist ja noch nicht teuer genug in Deutschland. Frankreich kann- wenn sie es bis 2050 schaffen alle AKW s tatsächlich zu bauen- der erste während der Energieproduktion Emissionsfreie Industriestaat werden.
Am detailliertesten habe ich die Aussagen von Macron bisher in der NYT gefunden: France Announces a Big Buildup of Its Nuclear Power Program - The New York Times
With an estimated starting price of 50 billion euros ($57 billion), Mr. Macron’s blueprint consists of constructing six mammoth next-generation pressurized water reactors at existing nuclear sites around France starting in 2028, with an option to consider building up to eight more by 2050.
14 neue Reaktoren bis 2050 reicht nicht einmal, um den Status quo aufrechtzuerhalten.
Das kommt ja darauf an wielange die aktuellen Reaktoren laufen dürfen/können.
Heute wurde ja auch eine Laufzeitverlängerung auf 50 Jahre freigegeben.
Warum sollen die nicht auch genauso alt werden im durchschnitt wie die belgischen oder niederländischen?
Im Jahr 2050 läge das Durchschnittsalter der heute im Betrieb befindlichen französischen Kernkraftwerke bei 66 Jahren.
Es gibt ganze vier Reaktoren, die seit dem Jahr 2000 in Betrieb gingen (2 x 2000, 2 x 2002). Nehmen wir noch den EPR in Flamanville dazu, haben wir Stand heute im Jahr 2050 noch fünf Reaktoren mit einer Gesamtleistung von ca. 7,5 GW, die 50 Jahre und jünger sind.
Dagegen gibt es ~45 Reaktoren, die Ende der 70er bis Anfang der 90er in Berieb gingen und im Jahr 2050 vermutlich nicht mehr ganz taufrisch sind.
In einer von der EU finanzierten Studie über die Möglichkeit AKWs langfristig zu betreiben wurde der Experte zitiert mit
Es kommt also auf den Stahl an - und darüber hat man in Deutschland gute Daten und in Frankreich muss man halt alle paar Wochen mal klopfen
Aber ernsthaft: Die Franzosen haben hoffentlich ein ungefähr ebenso hohes Risikobedürfnis wie die Deutschen. Sprich wenn in Frankreich mehr Reaktoren gebaut werden gehe ich davon aus, dass auch genug Wissen und Kontrolle im Land zugegen ist Unregelmäßigkeiten zu finden. Diesen Status gab es nicht in der Ukraine der 1980er. Wobei wir auch dort nicht vergessen sollten: Der letzte Reaktor in Tschernobyl ist erst im Jahre 2000 vom Netz gegangen - sie haben also gelernt und verbessert.
Wenn deren Bau auch so gut läuft, wie der EPR-Block in Flamarville (Flamarville 3), an dem die Franzosen seit 2004 bauen, dann bin ich da ganz entspannt:
2019:
2020:
Und vor einem Monat:
Mal sehen, jetzt sagen sie Mitte 2023. Erinnert mich ein bisschen an den Autopilot bzw. das FSD von Tesla. Kommt immer später aber kostet dafür auch immer mehr.
edit: Die FAZ schreibt, Flamarville 3 wäre erst seit 2007 in Bau. Wikipedia meint 2004. Machts aber auch nicht besser.
edit 2:
Der finnische EPR läuft irgendwie auch nicht wirklich rund:
Mich auch. Was lange braucht wird endlich gut? Die aktuelle FSD Version ist jedenfalls super- und hätte niemals in Deutschland programmiert werden können. Kannst ja mal schauen in welchen Ländern Google streetview verfügbar ist - als Proxy für machbare Datenerhebung im Straßenverkehr.
Aber sag das mit der zukunftsfähigkeit mal den opelanern oder vw-Mitarbeitern denen tesla den Marktanteil sowie Arbeitsplätze abjagt. Die werden dir was husten.
Am Ende setzt sich das bessere Konzept eben durch-
seien es vollelektrische/ Selbstfahrende Teslas oder nichtvolatile nuklearenergien. Auf eine Dekade und ein paar hundert Milliarden kommt es da nicht an.
Deutschland hat auf Industrie aus der Kaiserzeit und Stromerzeugung aus der Nazizeit gesetzt- und wird jetzt überraschend überholt.
Tatsächlich ist der Kapazitätsfaktor der frz. AKW wohl auch deshalb so niedrig weil da bei der kleinsten Unregelmäßigkeit sofort das Kraftwerk runtergefahren wird (also sind sie möglicherweise noch risikoaverser als wir).
Du kannst nicht die erste Einheit als repräsentativ für einen Maschinentyp nehmen. Wenn wir das täten hätten wir niemals irgendwelche Solar oder Windanlagen gebaut und würden sämtliche Versuche für Elektrolyseanlagen sofort einstellen. Luftfahrt gäbe es auch nicht. Wright’s law gilt auch für Reaktoren, man muss nur mal 50 Stück vom gleichen Typ bauen. Guter Start von Macron also.
Sorry, aber ich muss sagen, dass ich in der französischen Presse das sehr anders lese. https://www.france24.com/fr/france/20220210-nucléaire-emmanuel-macron-à-belfort-pour-dévoiler-sa-stratégie-énergétique-pour-la-france .
Ja, die deutsche Presse fokusiert sich sehr auf die Atomkraft, aber ebenso relevant ist doch, dass Macron ziemlich ambitionierte Ausbauziele für Erneuerbare definiert.
Macron kündigt zwar an, EDF irgendwie wieder finanziell satisfaktionsfähig machen zu wollen und bis 2035 den Bau von sechs neuen Reaktoren anzustreben (mit „Option“ für acht weitere im Zeitraum ab 2035), aber sein Plan sieht bis 2050 auch vor:
Überschlagsmäßig bedeutet dies, dass in Frankreich im Jahr 2050 ca. 250TWh aus Erneuerbaren zusätzlich zu den bereits heute erzeugten 115TWh jährlich hinzukommen sollen. Die sechs neuen Atomreaktoren kämen auf ca. 80TWh; die optionalen acht, falls sie jemals gebaut werden, auf nochmal 115TWh. Und man darf nicht vergessen, dass zu erwarten ist, dass nicht all der in den 70ern und 80ern gebauten Reaktoren noch in Betrieb sein werden. Zudem wird es einfacher werden, Erneuerbare auszubauen, während bei der Atomkraft eigentlich eine neue Reaktortyp zu entwickeln wäre (den in den 90ern entwickelten EPR im Jahr 2040 in Betrieb zu nehmen wäre einfach nur peinlich).
Meine Vorhersage: Im Jahr 2050 wird Frankreich zwar noch eine Nuklearindustrie haben (werden sie nicht aufgeben, weil Atommacht und so), aber mit deutlich kleinerem Anteil an der Stromproduktion, als heutzutage. Und genau dafür stellt Macron heute die Weichen.
Das glaube ich auch - Frankreich wird dann einfach roten Wasserstoff herstellen und nach Deutschland exportieren, sobald es in Frankreich die Kapazitäten gibt. Das heute übliche tageszeitabhängige Herunterfahren der dann in Betrieb stehenden AKWs wird vermutlich abnehmen - weil selbst wenn tagsüber die Erneuerbaren liefern kann man den Atomstrom noch verwenden und schonmal „auf Halde“ H2 produzieren.
Danke für die Hinweis und die Infos.
Das passt eigentlich genau zu meiner Vermutung, dass die Franzosen eigentlich auch wissen, dass neue Atomkraftwerke nicht mehr gebaut werden sollten und sie lieber Erneuerbare Energien ausbauen wollen.
Ja halte ich auch für sehr realistisch.
Die Finnen haben mit ihrem neuen EPR-Block in Olkiluoto ähnliche Probleme und ebenfalls eine Bauverzögerung von 12 Jahren, auch wenn das Ding jetzt wohl fertig ist.
Die Chinesen haben so ein Ding ja in Taishan zu stehen, der dem französischem Reaktor sehr ähnlich ist und der läuft auch schon. Aber wie gut kann man bei den Chinesen ja nie genau wissen. Bei denen müssen solche Prestige-Projekte ja staatlich verordnet funktionieren.
Der ist ja von den selben Franzosen gebaut - also auch da keine Überraschung.
Die nächsten Reaktoren des selben Designs sollten deutlich schneller gehen als die 14/17 Jahre des Prototyps. Wenn die Franzosen jetzt anfangen könnte Deutschland aus deutscher Kohle auf französisches Uran umsteigen…
Ja klar das kann gut so kommen.
Allerdings gibt es auch das Szenario, dass wir in 5-10 Jahren merken, dass eine Energieversorgung nur mit fluktuierenden Energiequellen nicht funktioniert. Dann sind wir froh eine Alternative zu haben (Frankreich AKW und wir Frankreich). Selbst wenn man die Eintrittswahrscheinlichkeit hierfür nur auf 1-10% schätzt ist der erwartete Schaden (für Industrie und Umwelt) enorm und rechtfertigt die von Macron verfolgte Strategie in meinen Augen.
Hm. Was ist denn Macrons Strategie? Für mich klingt das, was ich bisher gehört habe, nach einem geordnetem Rückzug aus der Atomkraft. Macron hat nicht etwa ein ambitioniertes Ausbauprogramm vorgestellt, sondern ein Rettungspaket für die Betreiberfirma und Absichten für ein paar Neubauten (mit 90er-Technologie), die den Vergreisungsprozess der französischen Reaktorflotte etwas verlangsamen würde.
Auf andere Länder ist das gar nicht übertragbar, erst recht nicht im kritischen Zeitfenster bis 2035. Der EPR ist ein (hoffentlich nur finanzieller) Fehlschlag und andere moderne Reaktortypen müssten erst einmal entwickelt werden.
Der konservativere und technisch gangbare Weg zur Klimaneutralität ist Stand heute der Ausbau der Erneuerbaren. Die Tragik für Macron und den Staat Frankreich ist, dass er nun zwei bis dreistellige Milliardensummen in eine hochverschuldete Firma und problematische EPRs stecken muss, nur um den Status quo zu erhalten. Durch die Atompläne wird Frankreich bis 2050 kaum weniger CO2 ausstoßen. Die CO2-Einsparungen passieren woanders und diese Investitionen kommen dann noch hinzu. Das ist keine angenehme Ausgangssituation.
Das Problem ist doch nicht, für die Kernkraftwerke eine verlängerte Betriebsgenehmigung zu bekommen. Das wird schon zu machen sein, solange sich nicht ein bisher unerkannter, fataler Designfehler an den Reaktoren zeigt.
Aber wieviel Aufwand muss man dafür betreiben? Sprich: wieviele Stunden im Jahr wird eine Anlage, die mehr als ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel hat, im Schnitt stillstehen, weil wieder irgendwo Korrosion, Risse oder sonst eine Alterserscheinung aufgetreten ist?
Kannst ja hier mal reinhören: No plan B for France
Dass man jetzt in mehreren Kraftwerken an der Notkühlung Materialermüdung mit unbekannter Ursache festgestellt hat, ist nur ein Vorgeschmack auf all die Überraschungen, die kommen werden, wenn die Dinger noch ein paar Jahrzehnte älter sind.
Man kann ja zum Glück beides machen- weil AKWs keinen Platz für Windräder blockieren.
Also die AKWs so lang es irgend geht päppeln und am Leben erhalten- und gleichzeitig auch da wo es (wirklich!) niemanden stört erneuerbare aufbauen.
Mich stört eher das aussteigen bevor man irgendwo eingestiegen ist- wie es in Deutschland praktiziert wird.
Ich finde es legitim zu sagen man schaltet die reparaturbedürftigsten AKWs ab- sobald man eine grundlastfähige Alternative in selber Größenordnung geschaffen hat. Also je Reaktor ungefähr 1,5GW Windkraft/Solar UND eine Ausfallalternative (zB Gas/Wasserstoff).
Aber bestimmte AKW abzuschalten weil ein bestimmtes Datum erreicht ist aber an diesem Datum diese Alternative nicht steht halte ich für Unsinn- weil wir am 01.01.2023 aus der Atomkraft in mehr kohlekraft umsteigen werden. Und das ist die dümmste aller Welten.
Frankreich wird es klüger machen- und für die Bevölkerung war Energie schon seit einigen Jahren günstiger als in Deutschland und das Delta wird noch größer werden- was auch ein Problem für den Industriestandort Deutschland ist.
Das ist ja eines der großen Ärgernisse: Mit dem ersten Ausstieg wären die AKW im Schnitt noch etwas länger am Netz geblieben und es gab eine Strategie um die zu ersetzen (ob die am Ende technisch aufgegangen wäre, ist hypothetisch). Der zweite Ausstieg war - typisch Union - komplett strategiebefreit allein an kurzfristigen, politischem Opportunismus gebunden und wurde auch genauso durchgeführt: Ausstieg aus dem Ausstieg irgendwie zurück stolpern und danach aus ideologischen Gründen die EE kaputt gehen lassen, ohne sich um tragbare Alternativen zu kümmern. Und jetzt stehen wir da mit lauter schlechten Alternativen: Ein Weiterbetrieb wäre völlige Geldvernichtung, die Erneuerbaren brauchen noch Zeit und bessere Nukleare Technik so zu erforschen, dass sie in industriellem Maßstab einsetzbar wird und in Deutschland (!) innerhalb der laufenden Dekade ans Netz geht, scheint mir mindestens so ambitioniert und unsicher, wie der (nahezu) komplette Umstieg auf Erneuerbare. Wirklich eine eklatante Fehlleistung.