LdN 261/274 - Energiewende/ "Atomkraft ist kokolores"

Das sehe ich anders: die größte und schwierigste Frage ist aktuell, wie wir schnellstmöglich den CO2-Ausstoß reduzieren. Der Weiterbetrieb würde hier Einsparungen im Gigatonnenbereich erzielen und ist mehr oder weniger nur eine Frage des politischen Willen. Der EE-Verbund, wie er von Fraunhofer, Greenpeace und anderen Studien beschrieben wird, ist bis 2038 nicht wirklich umsetzbar (siehe mein Post LdN 261/274 - Energiewende/ "Atomkraft ist kokolores" - #184 von Velligis)

Davon ausgehend, dass moderne EPR ca. 1600 - 1700 GW Nennleistung haben, würde ich eher im Bereich von 25 - 30 Reaktoren ausgehen. Darüber wäre dann die Grundlast von ca. 45 GW abgedeckt - das ist auch der ideale Einsatzbereich von AKWs. Den Schwankungsbereich sollte man dann mMn tatsächlich über den EE-Verbund mit P2G abdecken.

Aber auch das ist leider - wie Sie korrekt beschreiben - in Deutschland aus idologischen Gründen Utopie. Lieber setzt man weiterhin auf Braunkohle (und mit viel Glück auf Gas), da die Umsetzung der EE-Szenarien extrem unrealistisch ist.

Hatte ich an anderer Stelle bereits mal geschrieben: Der primäre Energieträger hierbei ist Strom. Was setzt Du da an CO2-Kosten an? Dazu kommt, dass der Energiegehalt so enorm hoch ist, dass das schlicht und einfach kaum eine Rolle spielt. So ein Bergwerk verbraucht ein paar MW Leistung, bei einem GW Output ist das ungefähr so wie das Blinklicht auf einem Windrad.

Ist es wirklich wichtig, ob Wind, Solar oder Kernenergie am wenigsten CO2 erzeugt? Die Quellen selber habe ich nicht, aber auch wenn da ein Faktor 10 Fehler drin steckt, ist das immer noch kein Problem.

Ja das kann richtig sein, aber ändert das an der Gesamtlage etwas? Auch wenn Du 75% von dem Solarbalken wegnimmst, ist er immer noch wesentlich höher als der ganz rechts.

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Das finde ich ziemlich zynisch, ich glaube du unterschätzt was für Auswirkungen Stromausfälle in einer entwickelten Gesellschaft haben.

Also schau dir mal dein Foto an. Wieviel Zement und Beton wurde wohl für diese PV-Anlage verwendet? Das ist sogar so unrentabel, dass sogar die PV-Anlage noch als Wohnraum genutzt werden muss…

Ok, Spaß beiseite. Was ich nicht navollziehen kann an den Studien, ist, mit welchen Zeiträumen gerechnet wurde. Eine PV-Anlage hält z.B. aktuell sogar 30-40 Jahre, der verwendete Stahl in der Regel viel länger. Als ob, wenn eine PV-Anlage kaputt geht, die gesamte Konstruktion auf den Müll kommt und eine komplett neue Konstruktion gebaut wird. Auch bei Windkraftanlagen lässt sich der Abbau der alten Anlagen mit einem Aufbau der neuen Anlage koppeln.

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Was Du hier behauptest ist letztlich nichts anderes als, dass Atomenergie schlimmer ist als Kohleenergie. Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass man zu dieser Schlussfolgerung kommt. Radioaktives Material kann Menschen berührungslos Schaden zufügen, sogar durch Hindernisse hindurch. Das alleine ist bereits extrem spooky. Dann wurden die Menschen systematisch Falsch informiert, angelogen, Dinge wurden vertuscht oder einfach diktiert. Und dann gibt es auch noch die Sache mit den Atomwaffen.

Das insgesamt ergibt ein Gesamtbild, das bei sehr vielen Deutschen zur Folge hatte, dass das gefühlte Risiko bei Atomkraft höher ist, als das reale Risiko. Und das ist an einem gewissen Punkt ein Problem, denn es führt zu Fehlentscheidungen. Vergleich Kohle und Atom bitte einmal objektiv. Bei Atomkraft wird der Brennstoff alle paar Jahre getauscht. Der Müll befindet sich in Castorbehältern. Bei Kohle werden Landschaften abgebaggert und die Kohle pausenlos per Förderband in den Ofen eingebracht. Der Müll ist wesentlich mehr, ist auch radioaktiv und ein nicht unerheblicher Teil geht durch den Schornstein in die Atmosphäre. Das nennt sich Deponierung durch Verdünnung und das ist nicht nur Feinstaub, sondern auch Quecksilber und diverse andere Schadstoffe. Menschen werden Enteignet und umgesiedelt, ganze Ökosysteme einfach zerstört. Das ist kein Vergleich.

Und ein weiteres, wesentlich größeres Problem ist, dass durch diese Überschätzung des Risikos der Atomkraft die Kohlekraft nicht im Fokus stand. Um die hat sich niemand gekümmert. Und da stecken dieselben Konzerne dahinter, wie bei der Atomkraft. Denen war/ist egal, ob sie Geld mit Atom oder Kohle verdienen. Wäre die Kohle auch im Fokus der Öffentlichkeit gewesen, dann wären wir mit den Erneuerbaren jetzt vielleicht weiter.
Und kaum war der Atomausstieg beschlossen, da hat sich diese Bewegung nicht auf die Kohle gestürtzt, sondern auf die „Endlagerung“ von CO2. Damit mussten die Konzerne nicht einmal die Abgase abscheiden. Eine gesellschaftliche Debatte hat darüber nicht stattgefunden, es kam nicht einmal dazu, dass das ausreichend entwickelt wurde.

Und wie sieht es jetzt aus? Atomenergie ist keine Option mehr für uns für den Klimawandel. Es ist alles tot. Die Frage ist, ob wir mit neuen, sicheren Reaktorkonzepten uns die nochmal anschauen und dann in 20 Jahren bewerten wollen oder nicht. Aber diese Frage kommt gar nicht auf.

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Ich würde eher sagen, sie sind beide abzulehnen. Aber die Pobleme der beiden Technologien äußern sich unterschiedlich.

Die Probleme der Kohlekraft würde ich gar nicht mal als Risiken bezeichnen, denn Risiken sind ja etwas statistisches müssen nicht zwingend eintreten. Bis auf die wenige Frage z.B. wie schädlich wirkt Feinstaub genau auf den Menschen, sind meisten anderen negativen Folgen der Kohleverstromung ja völlig offensichtlich und unstrittig treten auch vorhersagbar ein.

Aber bei der Atomkraft ist das schon etwas anderes. Da geht es eben um das Vermeiden von Risiken. Und da braucht es noch nicht mal einen Super-GAU. Wenn wir bei der Endlagerung irgendwann mal etwas falsch machen, kann es z.B. passieren, das wir damit großflächig Grundwasser vergiften. Und das die Politik bei der Suche nach den besten Lagerstätten nicht immer auf die Wissenschaft hört, wissen wir ja alle, denke ich mal.

Zusammengefasst finde ich, wir sollten als Gesellschaft weder die konkreten Folgen der Kohle noch die Risiken der Kernenergie in Kauf nehmen.

edit:
Hier übrigens ein sehr empfehlenswerter Artikel aus der Zeit von 2010 darüber, wie es mit der Atomenergie in den 50er los ging. Zeigt auch sehr schön wie die Politik manchmal mit Technologien umgeht:
Aufbruch ins Wunderland - Deutschlands Stromkonzerne wollten ursprünglich gar keine Atomenergie. Doch die Politik drängte – und zahlte alles - Zeit.de

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Die 45 GW Grundlast beziehen sich aber auf die Situation heute, wo Strom nur ein nur marginal zum Wärmesektor und der Mobilität beiträgt.
Nehmen wir mal nur den Gasverbrauch hinzu (wovon der größte Anteil ja nicht verstromt wird, sondern direkt zur Wärmerzeugung genutzt), dann verdoppelt sich die Grundlast gleich mal: https://www.bdew.de/media/original_images/2021-01-28_10_32_21-Erdgasverbrauch_Vgl_VJ_monatlich_online_o_monatlich_Ki.png

Und wenn wir es tatsächlich schaffen würden, 50 neue Kernkraftwerke zu bauen, dann kann man auch gleich 100 Reaktoren hinstellen und nutzt PV und Windkraft dann nur noch als Beiwerk.

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Ja, auch ich erwarte das die Grundlast steigen wird. Ob sie sich verdoppeln wird, sollen Experten beurteilen. Gerade bei Gas gibt es ja auch andere Lösungen, moderne Gaskessel sind heute schon H2-Ready, von den Brennstoffzellen-Blockheizungen für Ein- & Mehrfamilienhäusern erst gar nicht zu sprechen. Gerade auf Grund der seitens der BuReg kommunizierten H2-Strategie sowie den Förderungen für entsprechenden Anlagen seitens der KfW würde ich hier davon ausgehen, dass ein relevanter Teil eben nicht durch Strom abgedeckt würde.

Aber das genaue kosten- und CO2-optimale Verhältnis zu bestimmen, ist mehr Aufwand als ich Lust habe, an einem Feierabend zu investieren. Deswegen ja auch meine Forderung in LdN 261/274 - Energiewende/ "Atomkraft ist kokolores" - #192 von Velligis, dass das Fraunhofer & Co doch auch AKWs in ihren Simulationen berücksichtigen sollen.

Aber wo kommt das Gas denn her? Das kann ja in der notwendigen Menge CO2-neutral nur über Elektrolyseute bereitgestellt werden. Und wenn deren Strombedarf zu einem Gutteil von durchlaufenden Kernkraftwerken abgedeckt würde, könnte man die P2G-Kapazität deutlich geringer dimensionieren, als wenn sie hauptsächlich Erzeugungsspitzen von PV und Wind nutzen müssen.

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Wie gesagt - das Kostenoptimum sollen da die Leute berechnen, die dafür bezahlt werden. Den Betrieb von P2G mit AKWs halte ich persönlich aber für nicht oder nur wenig sinnvoll, da sie dann in Konkurrenz zu den EE stehen, die in der reinen Stromgestehungskostenbetrachtung günstiger sind.

Aber es wäre auch eine Möglichkeit, die AKW-Kapazitäten zu einem gewissen Maße oberhalb der Grundlast anzusetzen und dann außerhalb der Spitzenzeiten P2G damit zu betreiben. Aber dann tritt wieder ein Verdrängungswettbewerb mit den EE auf.

Ich denke, wir liegen hier von der Meinung aber nur in unrelevanten Details auseinander - wenn überhaupt.

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Wieso lehnst Du es dann so vehement ab, AKWs länger laufen zu lassen, um Kohlekraftwerke früher abschalten zu können, wenn doch beide gleich schlimm? Vor allem ,wieso lehnst Du etwas ab, das gar nicht möglich ist?

Aus Interesse: Was muss man denn da Deiner Meinung nach falsch machen, damit das passiert?

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Die Asse ist das beste Beispiel!

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Ist euch nicht auch unwohl bei dem ganzen Hype um Wasserstoff? Kaum welcher davon kommt aus Elektrolyse, einfach weil der Wirkungsgrad so unfassbar schlecht ist. Nach Elektrolyse, Verdichung und Speicherung bleiben ca. 30% der Energie übrig.

Wir stellen ihn daher zu 95% aus fossilen Rohstoffen her. Und es ist nicht so, dass wir keinen Wasserstoff verwenden: Wir brauchen ihn z.B. in Massen für die Düngerproduktion. Also müssen wir erstmal die Produktion von grünem Wasserstoff verzwanzigfachen (bei derzeit schlechtem Wirkungsgrad) nur um die Emissionen aus der heutigen Wasserstoffproduktion auf 0 zu senken, danach kommt erstmal die Umrüstung von Industrien, für die Wasserstoff alternativlos ist wie die Stahlproduktion und können danach erst können wir anfangen das Zeug auch als Energiespeicher zu verwenden…

Strategiepapiere, die Speicher in den nächsten Jahren dammit bauen wollen halte ich für leicht unrealistisch… :wink:

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Eine bessere Idee für die Langzeitspeicherung von Energie hatte bisher keiner. Und man braucht halt ein, zwei Jahrzehnte, um eine Nischentechnologie hochzuskalieren. Das war bei der PV und Windkraft nicht anders. Also kann man ruhig ein paar Mrd jedes Jahr reinbuttern. Man muss sich halt klarmachen, dass das Speichern immer nur die allerletzte Option sein kann. Solange es in Porto noch Strombedarf gibt, der zeitgleich aus Überschüssen in Helsinki gedeckt werden könnte, ist es immer günstiger, eine Stromleitung zu bauen, als jeweils lokale Überschüsse und Unterdeckung mittels Speicherung in Form von Wasserstoff auszugleichen.

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Soweit mir bekannt ist war da ja mal die Idee, den Wasserstoff in Regionen, die mehr als genug Sonne und Platz haben mit Photovoltaik herzustellen um ihn dann irgendwie zu uns zu transportieren.

Daraus wurde aber bisher nichts, aus verschiedenste Gründen (geopolitisch schwierig, Transport völlig unklar ausser mit Schiffen, etc).

Es gibt bisher keinen Markt für Wasserstoff, der mittels EE gewonnen wird. Und das ist auch gut so. Wenn jemand in Marokko eine PV-Anlage errichtet, dann damit bitteschön erstmal das lokale Stromnetz dekarbonisieren, bevor man 2/3 der Energie dafür verbrät, etwas Wasserstoff für den Export nach Deutschland zu erzeugen.

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Muss ja gar nicht von so weit weg herkommen.
Sobald es Bedarf an Wasserstoff in Deutschland gibt, kann man doch die französischen Atomrkaftwerke anstatt tagsüber herunterzuregeln einfach weiter Strom für Elektrolyse produzieren lassen. Dann ist der Transportweg auch einfacher.

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Wasserstoff kann defakto in der bestehenden Erdgasinfrastruktur transportiert werden. Die Transportverluste sind dann ggfs. etwas höher, aber der Transport ist nicht das wesentliche Problem.

Das Problem besteht darin, überhaupt erstmal klimaneutral Wasserstoff in den benötigten Mengen herzustellen. Dafür gibt es weder die Kapazitäten bei EE noch existieren bisher P2G-Anlagen / Elektrolysateure, die in der benötigen Größenordnung (GW) operieren. Die größte P2G-Anlage (Newsroom, Beiträge, Interviews und Reden | Shell DE) liegt noch weit unterhalb von 100 MW und es werden alleine in Deutschland Kapazitäten von über 50 GW benötigt.

Wobei da noch wichtig ist dass AKWs das potentiell effizienter können weil Wasserstoffsynthese bei hohen Temperaturen (die AKWs bereitstellen können) besser funktioniert.

Wir müssen beides beenden, die Kohleverstromung UND die Kernkraft. Und zwar so schnell wir die Erneuerbaren Energien nur irgendwie ausbauen können. Während aber in Europa mEn weitestgehend Einigkeit über den Kohleausstieg besteht, sieht es bei der Atomkraft aktuell anders aus.

Aber nehmen wir mal für die Diskussion an, es ginge den Leuten, die sich aktuell für Atomkraft stark machen, wirklich nur um eine Brückentechnologie um den Kohleausstieg zu beschleunigen. Dann müsste man ja in, sagen wir mal spätestens 20 Jahren wirklich aus der Kernenergie aussteigen oder?
Aber:
Aktuell wird ja auf EU-Ebene die Anerkennung von Kernkraft als nachhaltiges Investment (Stichwort: Taxonomie) besprochen. Geht das durch, dann sind Investitionen in Betreiber von Atomanlagen auf einmal sehr interessant. Da Strom etwas ist, dass jeder braucht, kann man Investitionen in Energieversorger auch als einigermaßen sicher bezeichnen.
Und wir bekommen, so die FDP will, ja bald einen Aktienrentenfond der in Unternehmen investieren soll.

Wenn unsere kommenden Renten also in Atomkraftwerke angelegt würden, dann hätten wir beispielsweise ein großes Problem, wenn die Aktien der Energiebetreiber wegen eines tatsächlichen Ausstiegs in der Zukunft fallen würden.

Klar, dass ist ein großes „Wenn“, aber nicht auszuschließen. Und so etwas ähnliches gab es im Nachgang des letzten Atomausstieg auch schon, allerdings bei den NRW-Kommunen, die RWE-Anteile halten und deren Dividenden fest im Haushalt eingeplant hatten:

Also, bitte keine Investitionen mehr in Technologien, die keine Zukunft haben.