LdN 261/274 - Energiewende/ "Atomkraft ist kokolores"

Ehrlich gesagt finde ich in deinem Beitrag keine konkrete Aussage zum Zusammenspiel zwischen Erneuerbaren und Kernkraft. Also nochmal die Frage, wie lassen sich AKWs und Wind/Solarstrom kombinieren? Was wären die Vorteile x Prozent Atomstrom dazu zunehmen, und wie würde die Regelung der KKW dann im Tages- und Jahresverlauf aussehen? Steigen die Kosten des Atomstroms nicht weiter, wenn die KKW auf 50% heruntergeregelt werden? Wie sollte der Strommix dann in etwa aussehen, damit das funktioniert, oder plädierst du für 100% Atomkraft?

Atomkraftwerke können laut TAB Hintergrundpapier mit bis zu 10%/Minute Nennleistungsänderung geregelt werden können.

In besagtem Papier steht außerdem:

Sicherheitstechnisch relevant ist die einem Kraftwerk abverlangte Flexibilität, da jeder Lastzyklus das Material belastet (u. a. durch Temperatur- und Druckwechsel in Kühlkreisläufen oder häufige Betätigung von Steuereinrichtungen) und dies bei häufiger Wiederholung zu Ermüdungserscheinungen führt. […] Für den Zyklus Nennlast-Nulllast(heiß)-Nenn last (100-0-100) wird 400-mal als zulässig angegeben.[…] Geht man im Modell so weit, kurzzeitige Auszeiten zuzulassen, wäre der Betrieb der
KKW sogar flexibler als der des verbleibenden konventionellen Kraftwerksparks. Allerdings würde dies eine Betriebsweise bedeuten, bei der jedes KKW im Durchschnitt etwa 100-mal pro Jahr von 100 %
Nennlast auf null und anschließend wieder hoch gefahren werden müsste.

Sprich, bei den KKW wären im Zusammenspiel mit Erneuerbaren schon nach vier Jahren die maximalen 400 Zyklen erreicht.

Auch zum Herunterregeln auf 50% äußert sich das Papier

Ein flexibler Kraftwerksbetrieb hat neben technischen auch erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen. KKW sind im Vergleich zu fossil befeuerten Kraftwerken sehr kapitalintensive Anlagen. Ihre
Investitionskosten machen einen Anteil von etwa 60 % an den Erzeugungskosten
aus, Brennstoffkosten dagegen weniger als 20 %. Daraus folgt ein starkes ökonomisches Motiv, die Produktion von KKW in so vielen Stunden im Jahr wie möglich aufrecht zu halten, da die Kapitalkosten
auch dann bedient werden müssen, wenn die Anlage nicht produziert. Das bedeutet
im Umkehrschluss auch, dass der KKW Betrieb unrentabel wird, wenn die jährliche Auslastung nicht genügend hoch ist.

Jetzt kann das Unternehmen natürlich nicht Rücksicht auf die Windgeschwindigkeit bzw. Sonnenstunden nehmen - also müsste entweder die Leistung von bis zu 36.000KW pro Tag zwischengespeichert werden (bis wieder Sonne/Wind vorhanden)

Warum sollte ein kompletter Tagesbedarf zwischengespeichert werden? Es reicht doch völlig aus, wenn die im Worst Case fehlende Energie „gespeichert“ bzw. als Regelleistung verfügbar wäre.

Leider finde ich die Quelle nicht wieder, aber ich meine mich zu erinnern, dass man bei einem deutschlandweiten Verbund ungefähr 20% Regelleistung bräuchte (kommt mir wenig vor), bei einem Europäischen Verbund sogar nur 4%.

Hinzu kommt natürlich, dass man die Erneuerbaren dann auf mehr 100% + x ausbauen könnte. Wenn Atomkraft >2x so viel kostet, wäre das immer noch billiger. Mit den zusätzlichen Kapazitäten ließe sich dann Elektrolyse/Methanisierung betreiben und so Wasserstoff oder Methan gewinnen, der wiederum in einem Gaskraftwerk Regelleistung bereitstellen würde, falls die Energieerzeugung dann doch mal unter 100% fallen würde (x ist ja schon mal als Reserve da).

Hinzu kommen Pumpspeicherkraftwerke, wo z.B. in AT noch größere Kapazitäten sind, Wasserkraft aus Norwegen (hier können die Laufwasserkraftwerke gedrosselt werden) und ganz allgemein ein Verbund mit anderen Ländern, die nicht auf AKWs setzen.

Hallo @JanLukas

vielen Dank für Antworten. Ein paar Punkte verstehe ich daran nicht.

Stromgestehungskosten ignorieren Speicher- und Netzkosten

Von welchen Kosten für welche Speicher und Netze sprechen wir hier?

Wir haben mehr als eine halbe Billion Euro für die Energiewende ausgegeben. Das ist mit der Grund warum die Preise so stark gesunken sind, und das ist auch super so. Ich würde mal behaupten, dass gleiche würde für Kernenergie passieren wenn wir für eine halbe Billion Euro Kernreaktoren bauen würden.

Wenn wir wollten könnten wir 30x das gleiche Design bauen und Kosten und Bauzeit stark reduzieren.

Selbst wenn es theoretisch möglich wäre, das über Skaleneffekte zu lösen (tatsächlich haben wir wohl inflationsbereinigt zwischen 1950 und heute deutlich mehr als eine halbe Billion Euro für KKW-Subventionen ausgegeben), wir haben wie gesagt nicht die Zeit dazu, 10-15 Jahre zu experimentieren.

Und ich habe nicht den Eindruck, dass ein Konzern wie EdF, die noch mehr Erfahrung mit KKW haben, Hinkley Point mal eben aus dem Ärmel schüttelt.

Das stimmt nicht in China, in Südkorea, in Russland, in Frankreich in den 60ern etc.

Ich würde mich aber nicht mit dem Sicherheitsstandard von Russland oder von Frankreich in den 1960ern begnügen wollen.

Das Argument von Kernkraft Befürworten ist meistens weniger, dass Kernenergie zwingend günstiger wäre als Erneuerbare, das Argument ist eher dass eine Versorgung mit Kernenergie funktioniert während das für erneuerbare unklar ist.

Inwiefern ist das einige unklar, und das andere klar? Studien zur Machbarkeit einer Versorgung mit Erneuerbaren gibt es, ebenso wie reichlich Praxiserfahrungen.

Auch eine Versorgung mit 100% KKW hat seine Tücken. Teilweise importiert Frankreich deutschen Kohlestrom (oder Windstrom).

Ich meine mich auch zu erinnern, dass KKW bei Niedrigwasser im Rhein abgeschaltet werden müssen, weil nicht genug Kühlwasser da ist. „Dank“ des Klimawandels wird so etwas wohl zukünftig deutlich häufiger vorkommen.

Außerdem ist absehbar, dass Endlagerung mittelfristig nur noch für einen Bruchteil des Materials nötig sein wird.

Wo sind die Reaktoren, das auf großen Skalen machen und was kostet das bzw. ist das wirtschaftlich machbar? Gibt es dafür schon einen Proof of Concept unter Realbedingungen?

Wenn man die einfach stehen lässt, ggf. renoviert und weiterbetreibt kann man das Problem stark reduzieren.

Durch den Wechsel zwischen Hitze und Kälte, Drücke, Verwitterung usw. wird doch irgendwann die Bausubstanz spröde und es hilft nur noch Abreißen.

Ich meine, ich würde zustimmen, dass man ein KKW recht sicher bauen kann, aber neben einem Fessenheim oder Tihange würde ich ungern wohnen wollen.

Load following kann auch mit Kernkraftwerken durchaus gemacht werden.

Ein KKW längere Zeit unter 100% Last zu betreiben würde die Stromkosten noch weiter erhöhen, weil die Kapitalkosten sich dann auf weniger Strom verteilen. Ein Herunterfahren unter 50% kann wohl auch nur maximal 10x im Jahr geschehen, ohne die Lebensdauer zu beeinträchtigen. Zudem braucht man 2 Tage für das Wiederanfahren.

Ja, sehe ich auch so. Die Frage ist ob du, wenn du Terrorist bist und eine schmutzige Bombe bauen möchtest, wirklich versuchst an strahlende Brennelemente zu kommen. Die sind entweder in einem Castor behälter, in einem Reaktor oder in einem Abklingbecken. Die zu klauen ist nicht super einfach ohne Schwerlasttransporter. Und selbst wenn, warum etwas nutzen was so leicht detektierbar ist? Besser könntest du irgendwelche toxischen Chemikalien benutzen die deutlich leichter zu beschaffen sind und nicht sofort jeden Geigerzähler in der Umgebung auslösen.

Das ist ein guter Punkt. Mal eben reingehen und bisschen Uran mitnehmen ist nicht, da bräuchte man schon über viele Stunden Zugriff. Als fiktiver Terrorist würde ich mir ein Koffer voll Uran in Zweifel reichen um an geeigneter Stelle substantiell Schaden anzurichten.

Nur heißt das dann, man lässt die Kleinkraftwerke unbewacht?

Wie schon häufig in diesem Thread geschrieben, Atomkraft ist NICHT günstig.
Frankreich hat den Vorteil, dass die Stromproduktion zum großen Teil in staatlicher Hand liegt und daher von Steuergeldern finanziert wird. Der Strom wird unter Gestehungspreis in Frankreich verkauft. Die Unternehmen machen dann zwar Verlust, aber das zahlt ja der Steuerzahler. Zudem deutlich weniger zusätzliche Abgaben. (Steuer, EEG-Umlage)
Zudem hat Frankreich ein weiteren Vorteil: In der Nacht (der Strom ist teuer auf dem Energiemarkt) exportieren sie z.B. nach Deutschland. Warum ist das gut? Zum einem weil der Preis dann sehr hoch ist, zum anderen, weil die Kraftwerke dann nicht runterregeln müssen. Regeln verändert den Druck und die Temperatur und verursacht dadurch starke Materialermüdung. Bei AKWs ist vor allem der Bau, aber auch der Abbau sehr Kostspielig. Jedes runterregeln macht sich da deutlich bemerkbar.

zum Thema Speicher: Nach Laden ist der Akku nicht kapput, sondern kann wieder geladen werden :wink: .
Dadurch verändert sich natürlich auch der Preis /kWh. Schon bei aktuellen Li-Ionen Akkus reden wir aktuell von 15ct/kWh und dass sind bei weitem NICHT die billigsten Akkus. Für die Energiespeicherung ist eine hohe Energiedichte ja nicht von nöten. Aber Ladeeffizienz, Lebensdauer, Ladegeschwindigkeit und Speicherdauer. (Je nachdem ob, Tag-Nach-Ausgleich, Last-Ausgleich, Saison-Ausgleich)

Schon wieder dieses Scheinargument. Möchtest Du ein Windrad in Deinem Garten haben?
Das will niemand. Dann könnten wir als Gesellschaft keine Autobahnen, Kompositeranlagen, Industrieanlagen, usw. bauen. Aber unsere Energieversorgung ist uns auch so wichtig, dass es für uns OK war/ist dafür andere zu enteignen/umzusiedeln. Was jemand möchte, ist also hier nicht wirklich von Relevanz.

Diese Aussage ist so nicht fair. Es wurde Geld für die Entsorgung zurückgelegt und es ist ja auch Geld da. Wieso reicht es nicht? Und dabei muss man bedenken, dass die Planung halt je nach Kernkraftwerk mindestens aus den 80er Jahren stammt. Also 40 Jahre alt ist, bei den ersten Kraftwerken aus den 60er sind es sogar 60 Jahre. Während dieser Zeit hat sich zum einen der Stand von Wissenschaft und Technik grundlegend geändert. So wie Altöl nicht mehr im Garten verbuddelt wird, werden die gelben Fässer auch nicht mehr ins Meer gekippt. Dadurch wurde die Entsorgung teurer. Dann gibt es auch das politische hin und her. Endlager da, nein dort, nein jetzt alles wieder raus. Für diese politischen Entscheidungen möchte ich als Kraftwerksbetreiber auch nicht bezahlen müssen.
Das ist übrigens auch ein völlig normaler Prozess. Bei den Windrädern wird die Entsorgung auch teuerer werden, denn da fängt man jetzt ja erst mit dem Recycling an. Dennoch sollten wir das natülich machen.

Diese Aussage ist nicht richtig. Atomstrom ist hier in Deutschland kein Thema mehr (die kommenden paar Monate mal ausgenommen).

Es gibt noch einen größeren Moss Landing Energy Storage Facility in Monterey County, USA mit 1.200 MWh.
Wenn man aber bedenkt, dass wir 40 Mrd. m³ Erdgasspeicherkapazität haben Erdgas: Reserven nach Bundesländern 2021 | Statista, sind das mal 10 (https://www.gasag.de/magazin/zuhause/m3-kubikmeter-gas-in-kwh-umrechnen) 400 Mrd kWh, also 400 Millionen MWh. Das entspricht nicht ganz einer Million von den Speichern auf den Philipinen. Von daher kann ich mir nicht vorstellen, dass wir mit Batteriespeichern das ersetzen können. Wir werden weiterhin auf chemische Speicher, z. B. Wasserstoff setzten müssen.

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Den Unterschied zwischen eigenem Garten und dem Ort in dem man lebt sollte eigentlich klar sein. Dann passt der Vergleich auch wieder.

Die Frage muss, wenn schon, lauten: Was wollen sie lieber vor ihrem Haus, ein AKW oder einen Windpark? Aber die Wahl hat man bei Atomkraftwerken sowieso nicht, wie @FlorianR richtig schreibt. In unserem Atomgesetz ist die Enteignung vorgesehen (Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz) § 9d Enteignung):

Für Zwecke der Errichtung und des Betriebs von Anlagen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle sowie für Zwecke der Vornahme wesentlicher Veränderungen solcher Anlagen oder ihres Betriebs ist die Enteignung zulässig,…

Und als Vergleich dazu, kann man Windrad-Betreiber, zumindest in Frankreich, verklagen, wenn man die Windräder auch nur von seinem Haus aus sieht:
https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/klima-nachhaltigkeit/windparkbetreiber-in-frankreich-muessen-schadenersatz-zahlen-17626344.html

So wichtig wie die Atomenergie scheint uns die Windenergie also noch nicht zu sein.

Achja? Meinst du damit die 38 Milliarden, die die Atomkonzerne zurücklegen sollten:

RWE hat damals als Gegenargument gegen eine CO2-Bepreisung bei Braunkohle ernsthaft gesagt, dass sie die Braunkohlegewinne brauchen um den Rückbau ihrer Atomkraftwerke zu finanzieren. Die ganzen Rücklagen haben immer nur auf dem Papier existiert.

Solche Rücklagen gehören auf separate, Konkurs-sichere Konten.
Hier wird das ganze, damalige Problem dargestellt:

Die Bundesregierung hat dann eine Vereinbarung mit den Atomkonzernen getroffen, die die Stromkonzerne für nur noch 24 Milliarden Euro aus der quasi ewigen Verantwortung für den Atommüll entlässt (ausführliche Quelle):

Und diese 24 Milliarden sind ja nicht das Geld, das für die kompletten Kosten der radioaktiven Abfälle
veranschlagt ist. Denn diese 24 Milliarden sollen nur den Kapital-Grundstock bildet für eine dauerhafte Finanzierung der weiteren Lagerung der atomaren Abfälle (Quelle):

169 Milliarden Euro – so viel, rechnet das Wirtschaftsministerium, soll die Zwischen- und Endlagerung am Ende kosten.

Bis 2100 sollte sich das Vermögen des Fonds versiebenfachen. Die Realität sieht aber so aus:

Unterm Strich haben sich die Konzerne, die nie ernsthaft Rücklagen gebildet haben, am Ende für 24 Milliarden anstatt 169 Milliarden aus der Verantwortung für den Atommüll gezogen. Und mussten dafür nicht mal die Klagen gegen den Bund wegen des Ausstiegs 2011 zurückziehen. Und durch diese Klagen haben sie am Ende nochmal 2,4 Milliarden bekommen:

Und dann kommt noch das ganze Dilemma mit dem Rückbau der Kernkraftwerke:

Naja, wenn ich so zu unseren Nachbarn schaue, bin ich da nicht so überzeugt:

Alles in allem ist „kokolores“ noch mild formuliert. :slight_smile:

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Aus meiner Sicht ist die persönliche Frage an einen einzelnen bei gesamtgesellschaftlichen Fragestellungen nicht zielführend. Einziges Ziel solcher Aussagen ist eine Beeinflussung auf emotionaler Ebene.

Die Windenergie ist uns wichtiger, denn aus der Atomenergie sind wir ausgestiegen. Das heißt jedoch nicht, dass die Priorität hoch genug ist.

Das kann ich verstehen, dass Du das so siehst. Aber Du vergiss dabei einen ganz wesentlichen Punkt: Die Zeit. Das zeigt sich deutlich in diesem Post:

Die Frage stellt sich nicht. Aus der Kernenergie sind wir ausgestiegen. Es gibt als nur die Frage Kohle, Wind oder Solar vor der Haustür. Und das ist auch das entscheidende. Die AKWs hier in Deutschland wurden in den 60er bis 80er gebaut. Damals gab es kein Wind und Solar als Alternative, sondern nur Kohle. Und wenn Du Kohle und Atom vergleichst, dann war das bei weitem die bessere Entscheidung! Kein CO2-Ausstoß, keine Luftverschmutzung, um den 2-3 Größenordnungen weniger Todesfälle,…

Gucken wir noch kurz auf das Geld. Wir sind uns einig, dass es Rücklagen gibt. Ob diese reichen, wissen wir nicht. Das wissen wir erst, wenn wir mit der Endlagerung fertig sind. Ja, die AKW Betreiber haben mit den Dingern Geld verdient. Bis zu einem bestimmten Punkt ist das auch ihr gutes Recht. Wir haben damals den Deal mit den AKW Betreibern gemacht, ihr baut das AKW unter diesen und jenen Konditionen.
Konkret hieß das in den 60er kalkuliert Geld dafür ein, um den Kram im Meer zu verklappen (damals Stand von Wissenschaft und Technik, aus heutiger Sicht nicht so toll). Jetzt müssen die Gelder dafür reichen, dass Müll in alten Bergwerken endgelagert wird, zurückgeholt wird und eine aufwändige Standortsuche durchgeführt wird. Damit haben wir als Gesellschat auch die Kosten nach oben getrieben und zwar ganz enorm. Das heißt, dass wir auch eine Teilschuld an den höheren Kosten haben und diese auch tragen müssen. Diesen Aspekt wollte ich hier nur einmal einbringen, da er in Deiner Diskussion keinen Raum einnimmt. Es kann immer noch sein, dass uns die AKW Konzerne über den Tisch gezogen haben, aber so einfach ist es nicht. Und ich würde auch sagen, dass wir den AKW Konzernen zumindest deutlich höhere Kosten aufgebürdet haben, als sie veranschlagt hatten.

Als gute Nachricht noch eine kurze Rechnung: 2018 und 2019 haben wir 75 Mrd kWh Strom aus Atomkraft produziert. Bruttostromerzeugung in Deutschland - Statistisches Bundesamt
1 kWh erzeugt grob 1 kg CO2, sind also 75 Millionen Tonnen CO2. Wenn Du jetzt die 3.000 €/t CO2 ansetzt, sind das für 2019 225 Mrd €, die uns die Kernkraftwerke gespart haben, dadurch, dass sie Kohlekraftwerke verhindert haben. Und wir haben seit den 60ern AKWs.
Ist also ein Schnäppchen die Endlagerung :wink:.

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Nur weil mir gerade etwas der Mund offen steht: Sie sagen ersthaft weiter oben, dass man doch das damalige Wissen zu den Kosten der Entsorgung nicht den Betreiberinnen anhaften kann. Deshalb sollten diese nicht die Mehrkosten tragen und nehmen danach einen Phantasiepreis für CO2, den es so nie gab?

Und nehmen dann noch das Argument, dass man das ja für den gesamten Atomstrom so rechnen soll, der jemals erzeugt wurde? Die Logik kann ich irgendwie nicht nachvollziehen.

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Richtig, so wie 2002, als unter Schröder durch den Atomkonsens der Ausstieg erstmals verbindlich beschlossen wurde (Quelle). Und kaum 10 Jahre später, kommt die CDU 2010 und beschließt den Ausstieg aus dem Ausstieg. Das wir dann, zumindest bis heute, aus der Atomenergie ausgestiegen sind, liegt an 2 Gründen:

  1. Atomkatastrophe in Fukushima
  2. Wahlniederlage der CDU 2011 in Baden-Württemberg gegen die Grünen kurz nach Fukushima

Das Atomenergie ist also eine Frage der Politik und die kann sich ganz schnell ändern. Sicher ist der Ausstieg also niemals. Um so wichtiger ist es sich immer vor Augen zu führen, wie viel da eigentlich schief gegangen ist.

Die Kohle-Frage ist jawohl hoffentlich auch vom Tisch.

Die Rücklagen sind nur ein finanzielles Konstrukt, mit dem die Atomkonzerne Verantwortungsbewusstsein simulieren können. Und leider lässt die Politik das zu. Wenn z.B. morgen die Atomkonzerne (Vattenfall, RWE, EnBW E.ON) pleite gehen, bleibt der deutsche Staat auf den Kosten des Rückbaus der alten Kernkraftwerke sitzen. Lediglich für den Atommüll gibt es ein staatliches Fond-Vermögen, und dazu passt auch diese Aussage:

Richtig, die wahren Kosten der Atomenergie sind unkalkulierbar. Deswegen versuchen und versuchten die Atomkonzerne auch schon immer die Risiken los zu werden. Wären die Konzerne bzw. ihre Geldgeber und Investoren gezwungen, diese Ewigkeitskosten tatsächlich persönlich dauerhaft zu tragen, was in unserem Wirtschaftssystem leider auch nicht wirklich funktioniert, dann wäre die Atomenergie kein Thema.

Das ist ja schon keine Nebelkerze mehr, sondern eher eine Nebelfackel. Die Atomkonzerne haben von den 60ern an fortwährend Milliarden-Gewinne mit ihren Kernkraftwerken gemacht. Von diesen Gewinnen hätten sie also auch fortwährend einen halbwegs realistischen Anteil zurücklegen können.

Wo kommen diese Zahlen her?

Natürlich haben wir über die Jahrzehnte CO2 gespart, weil wir Strom nicht aus Kohle usw. statt aus Kernkraftwerken bezogen haben. Jetzt haben wir aber die erneuerbaren Energien um das zu erreichen. Daher darf und braucht die Atomkraft nie wieder hochgefahren werden.

Und für die damaligen CO2-Einsparungen haben die Atomkonzerne enorme Gewinne eingefahren und davon hätten sie auch problemlos die kompletten heute geschätzten 169 Milliarden bezahlen können. Wollten sie aber nicht und die Politik hat sie damit durchkommen lassen. Das ist die Sauerei.

Und nur um das klarzustellen: Dass die Politik bei der Kontrolle der Atomenergiekonzerne so massiv versagt hat, liegt, Überraschung, auch an den Atomkonzernen. Hier mal eine kleine Auswahl, mehr gibt es bei LobbyControl und Wuffplag:

  1. Nebeneinkünfte: RWE sponsert über hundert Kommunalpolitiker - DER SPIEGEL
  2. Probleme mit verdeckten Lobbyisten | Telepolis
  3. Gregor Golland bekommt bis zu 120.000 Euro für Halbtagsjob bei RWE | Kölner Stadt-Anzeiger
  4. Ulrich Freese ist seit 2013 Mitglied des Bundestags für die SPD und sitzt gleichzeitig in drei Aufsichtsräten von Vattenfall. (Quelle)
  5. „So zahlt beispielsweise Vattenfall auf Parteitagen zwischen 10.000 und 15.000 Euro für einen Stand in der Größe von 40 Quadratmeter“ (Parteispenden: Der Trick mit der Transparenz - taz.de)
  6. „Die Rede ist von Finanzierungstrick Nummer zwei: Anzeigen in Parteizeitungen.“ „Dabei engagieren sich auch Unternehmen wie der Energieriese Vattenfall, der prinzipiell keine Parteispenden leistet und daher in den offiziellen Rechenschaftsberichten der Parteien nie als Förderer auftaucht.“ (Quelle: Stern)
  7. Thomas Kufen (CDU) sitzt im RWE Aufsichtsrat. (Quelle: RWE)
  8. BlackRock hält 7,15 % an RWE (Quelle: Wikipedia) und ist langjähriger Arbeitgeber von Friedrich Merz. Ein Schelm wer böses dabei denkt.
  9. https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.energieversorger-enbw-cdu-will-staechele-in-aufsichtsrat-entsenden.ab0301fb-20da-4f0f-be0d-ba37590ab3a6.html
  10. SPD-Politiker müssen Braunkohle-Aufsichtsratsposten niederlegen - Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Brandenburger Landtag

Fazit: Die Atomkonzerne „ölen“ das politische Getriebe an allen Ecken und Enden. Klar, damit sind sie nicht die Einzigen. Aber Sie sind auch nicht die verantwortungsvollen Leute, denen ich die Bewirtschaftung von etwas so gefährlichem wie der Atomenergie überlassen möchte.

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TL;DR, also sry falls das schon jemand erklärt hat,

Gibt es nen Vergleich zu Risiken für Menschen und Umwelt über die Zeit zwischen Chemie Industrie und Atomstromindustrie ?
Leverkusen hat im diesen Jahr einmal mehr die verlässliche Hochsicherheit der deutschen Chemieindustrie gezeigt oder auch der schönste Badesee in Deutschland der Bitterfelder Silbersee ^^

Und gibts es Vergleiche zwischen der Belastung durch Tschernobyl und natürlichen Strahlungsquellen durch Gesteinsschichten bzw. Radonvorkommen ?

Geht mir nur um explizite Vergleiche zur relationalen Betrachtung, also bitte kein whataboutism oder ewig lange Variabelketten, die mir erklären warum die Frage für die eigene Positionierung egal ist.
Danke im Voraus :slight_smile:

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Habe ich leider nicht. Aber ich finde es generell gut, dass du hier darauf hinweist, das die Chemieindustrie, wie die Atomenergie, sehr umweltschädlich ist. Aber für Alternativen zur momentanen Chemieindustrie wäre vielleicht ein eigener Thread besser. Soll aber nicht heißen, dass ich das Thema hier abwürgen will.

Es spricht aber nichts dafuer, dass die Risiken in diesen Faellen auch in Deutschland gegeben waeren. Japan steht ausserdem noch. Ohne Risiken kann man ausserdem nicht leben. Es spricht nichts dafuer, dass es um Risiken geht, die der Mensch, der auch die Zentrifuge erfunden hat, nicht beherrschen koennte. Und dass der 31.12.2022 dafuer einen Unterschied macht. Wir sind damit bisher gut klargekommen. Die Kernkraft ist genauso ein Geschenk der Natur wie die Kraft des Windes und der Sonne. Sie belastet die Landschaft auch weniger. Ueberall Windmuehlen ist naemlich nicht schoener. Lasst wenigstens 100 Blumen bluehen.

Darf ich noch fragen, was im Marketing so energieintensiv ist? Geht es um den Digitaldruck?

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die verstärkte Materialermüdung unter Strahlung

Dazu gibt es ja wissenschaftliche Untersuchungen, die von Laufzeiten von 80 - 100 Jahren ausgehen: Laufzeit 80 Jahre? | heise online

Aber wie realistisch ist eine zeitnahe Umsetzung dieser These?
Nicht so weit weg:

  1. Die Theorie ist erforscht und gesichert
  2. Die Theorie ist prototypisch bewiesen
  3. Die Forschungen zur Skalierung haben in den letzten Jahren große Durchbrüche erreicht: Forschung in Belgien: Löst Transmutation das Atommüll-Problem? | tagesschau.de

Betrachtet man die Zeiträume für die Alternative - nämlich die Lagerung über grob 1 Mio Jahre, ist es völlig irrelevant, ob der Durchbruch in 5, 10 oder 30 Jahren erreicht wird.

Was keinen Sinn ergibt, ist es, diese Forschung zu ignorieren.

Hat die Tagesschau doch sogar: Forschung in Belgien: Löst Transmutation das Atommüll-Problem? | tagesschau.de

Sie vergessen aber, dass eine WKA kein AKW ersetzt. Wenn man die Relationen aus der Greenpeace-Dunkelflaute Studie (https://green-planet-energy.de/blog/wp-content/uploads/2017/06/170629_GPE_Studie_Kalte-Dunkelflaute_Energy-Brainpool.pdf) nimmt, muss ein AKW mit 4 Reaktoren & 6 GW-Nennleistung ungefähr durch den folgenden EE-Systemverbund ersetzt werden:

5 GW GuD-Gaskraftwerke ~ mind. 4 Großkraftwerke
3 GW P2G-Elektrolysateure (Unbekannt, in dieser Größenordnung noch nicht entwickelt)
15 GW WKA ~ 4300 Anlagen
15 GW PV ~ 120 km² (16800 Fußballfelder)

Jetzt ist die Frage: welchen Systemverbund bekommt man schneller gebaut.

(Tatsächlich müssen die WKA und PV-Anlagen während der Lebenszeit des AKW von ca. 60-80 Jahren ca 1-2x getauscht werden und damit noch häufiger gebaut werden, was die CO2-Ausstoß zusätzlich massiv erhöht).

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Erstmal vorweg, vom Beitrag in der Lage hatte ich mit mehr erwartet.
Von der Diskussion eigentlich auch, es war aber auch viel wissenswertes dabei.

Ich würde mich freuen, wenn das Thema weiter in der Lage dargestellt werden würde. Etwas genauer und konkreter.

Weltweit werden ca. 80% des Primärenergiebedarfs derzeit noch mit fossilen Stoffen erzeugt, 5% mit Kernenergie.
Diese 5% werden mit derzeit ca. 445 Kraftwerken erzeugt. Ersetzen wir nun weitere 45% des Primärenergiebedarfs durch Kernkraft, bedeutet dies den Bau von ca. 4000 Kraftwerken weltweit.
Das wird wohl nur aber zu realisieren sein. Welche Firma oder welcher Staat wäre dazu in der Lage? Welche Materialbedarfe habe ich für den Bau (auch für Windkraftanlagen braucht man ordentlich Beton)?

Weiterhin gibt es ihm Forum keine Aussage zur Reichweite des Brennstoffes auf Basis der jetzigen und/oder des zukünftigen Verbrauchs. Ca. 60000 Tonnen Uran als Ausgangsstoff wurden in Jahr 2017 benötigt.

Ich bitte die Lage darum, sich weniger auf Ziele zu konzentrieren, sondern mehr auf die tatsächlichen Auswirkungen einer Umsetzung der Energiewende einzugehen.

Völlig fehlt in der Betrachtung die sicherheitspolitische Bewertung. Proliferation, spaltbares und zum Teil atomwaffenfähiges Material weltweit verfügbar. Keine schöne Vorstellung.

Nein tut es nicht, es verringert das Problem nur etwas (Quelle):

Auch nach der Transmutation strahlt der radioaktive Atommüll noch, aber deutlich weniger: Denn die Halbwertszeit des nuklearen Abfalls lässt sich durch das Verfahren auf 500 bis 1000 Jahre reduzieren

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Natürlich spielen Risiken eine Rolle. Aus dem gleichen Grund haben wir Corona-Maßnahmen, Anschnallpflicht, LKW-Standzeiten, Verbrauchszeiten etc. Wenn wir so Tsunami-Erdbeben-Stark-regen sichere AKWs wie Japan bauen, dann können wir darüber reden, dass wir in Deutschland keine Tsunami-Gefahr haben.
Japan hatte großes Glück. Zum einem kam es nicht zum GAU und zum anderen ist der radioaktive Fallout aufs mehr hinaus getrieben. Das wird in Deutschland schwierig. Wenn in Bayern ein AKW „hochgeht“, dann wird der Fallout weite Teile des umliegenden Gebietes unbewohnbar machen. Ein vergleichbares Unglück würde so mind. 500 Mrd. Euro an Schaden hervorrufen. Auch so etwas muss man einkalkulieren. Der Betreiber wird dafür sicherlich nicht haften (können).
Trotzdem: Japan gefriert den Boden um Fukoshima, um eine Barriere gegen das Grundwasser zu erzeugen. Das schwierigste - der Rückbau - steht noch aus. Selbst das Unglück in Fukoshima wird wohl insgesamt mehrere 100 Mrd. kosten.
Abgesehen davon: Wenn wir unsere AKWs so bauen, wie wir unsere Flughäfen…

Daher stellt sich die Frage: Warum eine so problematische Technologie, wenns auch billiger und risikoärmer geht.
… Die Antwort: Weils einfach ist. Es ändert sich nichts: Zentrale Stromversorgung, nur halt anstatt mit Kohlekraftwerken halt mit AKWs. Kosten trägt sowieso der Steuerzahler, wieviel ist letztendlich egal.

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Nein tut es nicht, es verringert das Problem nur etwas (Quelle):

Richtig, es reduziert die Menge um ca. 80 - 90 % und verringert die Lagerzeit um ca. Faktor 1000. Hört sich für mich absolut sinnlos an. Insbesondere, wenn das im Rahmen des Verfahren zusätzlich Strom erzeugt wird. Ist wirklich nur ein etwas.