LdN 207 - Abtreibung

Hmmmm… nehme mir jetzt einfach mal als Mann raus, hier zu kommentieren. Ich habe mich in den letzten Jahren vom evangelikalen Christen zum linksgrün versifften freiheitliche denkenden Menschen entwickelt (okay immer noch Christ) - mitunter auch durch diverse Podcasts. Habe in vielen Punkten meine Meinung um 180 Grad geändert.

Was Abtreibung angeht, bin ich aber anscheinend noch konservativ und der Meinung, dass man hier besonderen Schutz bedarf.
Ja, Abtreibung sollte möglich sein - auch auf Wunsch
Ja, Abtreibung sollte keine Straftat sein
Ja, Ärzte müssen darüber informieren dürfen damit Schwangere die Möglichkeit haben, hier Informationen einzuholen.

Aber ich kann es beim besten Willen nicht verstehen, was so schlimm daran ist, wenn man den Schwangeren hier abverlangt, sich beraten zu lassen? Nein ich sage nicht, dass ein Embryo der ein paar Wochen alt ist, ein vollständiger Mensch mit allen Rechten ist. Und auch ich denke, dass die Rechte der/des Schwangeren vorgehen… Aber es geht hier immerhin im einen werdenden Menschen.

Was ist so schlimm an einer Beratung? Das kann ich kognitiv einfach nicht nachvollziehen. Es gibt tausend andere Themen wo es auch eine Beratungspflicht gibt (z.B. Anwaltspflicht bei bestimmten Gerichtsverfahren etc.), warum nicht auch hier, wo es um ein potenzielles, menschliches Leben geht?

Eine Beratung nimmt einem ja nicht die Freiheit, sondern zeigt nur Optionen auf. Gerade Adoption finde ich eine Sache die bei diesen Diskussionen viel zu wenig zum Tragen kommt. Mal abgesehen davon, dass das Adoptionsrecht in Deutschland ein einziger Clusterf*ck ist, kommen auf ein zur Adoption freigegebenes Kind zehn kinderlose Elternpaare.
Daher finde ich das Argument, dass schwangere Menschen sich durch ein Austragen des Kindes quasi ihr ganzes Leben versauen ziemlich an den Haaren herbei gezogen…

Allein diese Argumentation zeigt doch, dass wir in einer Gesellschaft mit familienfeindlichen Mindset leben.

Und wie Ulf schon sagte. Gerade hier gibt es noch sooooo viele Fronten - gerade was Frauenrechte angeht - für die es sich wirklich zu kämpfen lohnt.

Achja: Mal ein Kommentar von jemandem der Einblick in die evangelikale Szene hat:
Auch hier werden die meisten Christ VIEL entspannter und ein Großteil der Evangelikalen wird hier liberaler.
Es wird nur in den Medien anders wahrgenommen, weil die Leute die strickt gegen jegliche Form der Abtreibung sind einfach NOCH lauter schreien als vorher.

lg, Dave

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Naja, du bist ja auch nicht betroffen. Stelle es dir doch einmal vor:
Eine fremde Person, der du erzählst, dass dein One-Night-Stand zur Schwangerschaft geführt hat, du den Typen nicht kennst und falls dich auf keinen Fall ein gemeinsames Kind haben willst usw. Und von der du einen Schein brauchst.
Ich finde es bizarr.

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Ich finde so eine Beratung auch nicht schlimm, wichtig ist aber, dass es verfügbare Beratungsstellen kostenlos und mit kurzfristigen Terminen gibt und diese Beratungsgesprächen von kompetenten Menschen durchgeführt wird, die neutral sind und die Person weder zu einer Schwangerschaft noch zu einer Abtreibung drängt.

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Hallo Dave, ich finde es klasse, dass du dich immer weiter entwickelst und hier ganz offen deine Frage formulierst. Ich hoffe, ich kann sie ein bisschen beantworten.

Traust du Menschen die schwanger werden können die Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch zu?
Wenn ja: Die verpflichtende Beratung ist nicht nötig. Wenn man Betroffenen zutraut selbst die richtige Entscheidung zu treffen, gehört auch dazu, dass man ihnen die Freiheit lässt auf welchem Weg die Entscheidung getroffen wird. Wer sich freiwillig beraten lassen möchte, kann dies ja auch weiterhin tun.
Wenn nein: Aus welchen Gründen nicht?

Ich hab dir hier mal was von pro familia rausgesucht ab Seite 32 findest du einige Antworten auf deine Frage. Ich versuche mal das etwas zusammen zu fassen, für diejenigen die es nicht lesen wollen, empfehle es aber jedem.

  • Beratung kann im Allgemeinen nur erfolgreich sein, wenn Ratsuchende sich freiwillig beraten lassen
  • Die Beratung soll zwar „nicht belehren oder bevormunden“, aber hat auch das Ziel „Schutz des ungeborenen Lebens“, eigentlich sollte Auftrag und Ziel von der Ratsuchenden Person kommen
  • 69,1 Prozent der Befragten gaben an, dass die Beratung keinen Einfluss auf die Entscheidung hatte, die meisten treffen die Entscheidung schon davor und fürchten sich eher vor der Beratung
  • Wurde die Entscheidung bereits getroffen, stellt die Beratung eine weitere Hürde und Verzögerung dar
    -Es gibt keinen Nachweis, dass eine verpflichtende Beratung die Erfahrung des Schwangerschaftsabbruchs für Frauen verbessert, hingegen könnte eine Beratung entgegen dem Wunsch der Schwangeren den Stress in einer ohnehin schon belastenden Situation erhöhen
  • Insgesamt wird deutlich, dass Pflichtberatung die Aufgabe guter Beratung, auch wenn sie noch so professionell durchgeführt wird, nur partiell erfüllen kann, weil verpflichtende Beratung den Respekt vor der eigenständigen Entscheidungsfähigkeit einer Frau und damit ein demokratisches Grundrecht verletzt
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Wenn ich (manche) KfW-Fördermittel will, ist eine energetische Fachberatung pflicht. Auch wenn ich den meisten Menschen die ein Haus bauen oder kaufen können kognitiv zutraue, dass sie sich selber über energetische Sanierung informieren können.

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Danke Johanna für deine informellen und differenzierten Antworten! Ergänzend dazu möchte ich ermuntern einen Blick zu unseren europäischen Nachbarn zu werfen. In Holland zB ( die übrigens auch im Falle einer ausgetragenen Schwangerschaft eine viel bessere Versorgung gewährleisten als in Deutschland) gibt es eine Fristenlösung bis zur 20. Schwangerschaftswoche. Das heißt bis dahin ist ein gewünschter Abbruch ohne wenn und aber möglich und legal. Des Weiteren ist ein medikamentöser Abbruch bis zur 9. Schwangerschaftswoche möglich. Dies ist hier in Deutschland, aus welchen Gründen auch immer, ohnehin meist nur bis zur 5. /6. Woche gewährleistet und wird noch dazu durch die von Johanna mehrfach beschriebenen Verzögerungen durch Beratung, Schwangerschaftsbestätigungsschein durch Ultraschall etc. verschärft. Als Hebamme kann ich nur sagen, dass Ausschabungen, die nach einem operativen Abbruch mit Absaugmethode folgen, Risiken für eine ( dann ausgetragene/ gewünschte) Schwangerschaft in Zukunft darstellen können, da dies Narben im Uterus hinterlässt. Auch das Schwangerwerden an sich kann danach erschwert sein.
Nicht nur deshalb bin ich ebenfalls der Meinung, dass dieser Beratungsparagraph abgeschafft gehört. In keinem anderen europäischen Land ( außer vllt Polen und Malta, wo Abbruch eh generell verboten ist) ist ein Abbruch an solch Bedingungen geknüpft.
Mehr Infos zu Regelungen in anderen europäischen Ländern können Interessierte zb auch nochmal im Hebammenpod anhören.

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Hallo Johanna,

hat die Beratung nicht möglicherweise auch Vorteile?

Ich kann mir schon vorstellen, dass es für viele schwangere Personen in prekärer Lebenslage gut sein kann, wenn ihnen Mittel und Wege aufgezeigt werden, das eigene Lebensmodell trotz Schwangerschaft und Geburt des Kindes fortzuführen.

Und wenn 69 Prozent an einer Meinung festhielten, heißt das ja gleichsam, dass 31 Prozent einen Mehrwert bzw. neue Impulse aus dem Gespräch gezogen haben.

Müsste man das nicht auch in der Debatte abbilden?

Ich bin mir bei der Beratungspflicht unschlüssig. Schade finde ich, dass die lauten Kritiker der Beratungspflicht oft kaum mehr in der Lage scheinen, differenziert über die Beratungspflicht und dann konsequenterweise über die Ausgestaltung dieser zu diskutieren.

Die oft vorgebrachten Argumente

  • Beratungspflicht ist unmenschlich/ein Verstoß gegen die Menschenwürde
  • es geht einzig und allein um die schwangere Person

finde ich wenig überzeugend.

Dabei ist gleich, ob ich nun christliche Maßstäbe ansetze oder mit grundlegenden Werten von Verfassungsrang argumentiere.

Ich habe den Eindruck, die öffentliche Debatte führt aufgrund der Dominanz von Polmeinungen eher zur Verhärtung der Fronten.

Mir fällt es bspw. schwer, mich mit Menschen zu solidarisieren, die eine ersatzlose Streichung des 218 fordern. So geht es - und das zeigt ja auch die Debatte in um um die LdN - scheinbar nicht wenigen, die einen (auch grubdsätzlichen) Reformwillen haben.

So eine Debattenkultur und ihre Folgen mögen in Sozialen Medien zu Reichweite aufgrund von Polarisierung führen… Politisch ist das aber nicht förderlich.

Viele Grüße

D.

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Ich, als Frau, muss sagen, dass ich ganz klar für eine Beratungspflicht und vor allem eine Bedenkzeitpflicht bin. Die Beratung mag bei vielen keinen Unterschied machen, aber jede einzelne Frau, die sich nach so einer Beratung doch dafür entscheidet das Kind zu behalten, bedeutet ein Kinderleben mehr. Außerdem gibt es auch viele jüngere Frauen und Mädchen, die eine Abtreibung machen lassen wollen. Mädchen, die vielleicht von Eltern, der Familie oder dem Vater des Kindes stark beeinflusst werden und dazu gedrängt. Gerade für so Situationen sind solche Pflichten gut. Sie entschleunigen das Ganze, sorgen dafür, dass keine übereilten Entscheidungen getroffen werden, von jüngeren Frauen, die vorher vlt. nicht so reflektiert nachdenken und dem Druck von Außen einfach nachgeben.

Und ich finde es ein wenig übertrieben es als solche Qual darzustellen weitere drei Tage schwanger zu bleiben. Natürlich ist es eine sehr belastende Situation, aber immerhin geht es um das Leben eines Kindes. Und es mag zu dem Zeitpunkt noch nicht überlebensfähig sein, aber es ist trotzdem das Vorstadium eines Kindes, und damit sollte nicht leichtfertig umgegangen werden. Daher finde ich sind diese Pflichten zumutbar, auch wenn es bei einem selbst vielleicht keinen Unterschied macht, dafür aber bei anderen Frauen.

Und da geht es ja nicht nur um die dann überlebenden Kinder (auch wenn es nur wenige sind), man stelle sich bitte den Horror und die psychischen Probleme von Frauen, die später realisieren, dass sie übereilt gehandelt haben und sich zu sehr von außen haben drängen lassen…

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Das heißt, dass in über 30% der Fälle die Beratung einen Einfluss hatte. Ist die Frage welchen, aber wenn ich davon ausgehe, dass in den meisten dieser Fällen die Beratung dazu geführt hat, dass das die Schwangerschaft nicht abgebrochen wurde. Dann heißt das doch, dass das ein voller Erfolg ist.

Bei einem Schwangerschaftsabbruch gibt es die Rechte von Frau, Embryo und Mann. In der aktuellen Gesetzesfrom bestehen die Rechte von Embryo in einem Beratungsgespräch, dessen Inhalt von der Frau ignoriert werden kann. Der Mann darf gar nichts. Das finde ich eigentlich entgegenkommend für die Frau, lässt sich aber auch rechtfertigen, weil sie das Kind austragen muss.

Wie sieht die Situation bei der Frage nach Abtreibung aus? Ich wäre völlig überfordert, denn es müssen zumindest die folgenden Punkte überdacht werden:

  1. Wie sieht das Leben mit Kind aus? Das hat mein bzw. unser Leben ziemlich über den Haufen geworfen, trotz Planung während der Schwangerschaft. (Tut es immer noch, sonst würde nicht um die Uhrzeit hier schreiben :wink: )
  2. Der Abbruch: welche Methode, welcher Arzt, welche Risiken, usw…
  3. Rechtliche/regulative Aspekte. Welche Möglichkeiten gibt es - Adoption hatte ich z. B. bisher nicht auf dem Schirm, welche Unterstützungen gibt es?
  4. Die psychologische Belastung. Einmal die persönliche Belastung und dann noch die gesellschaftliche dazu.
  5. Zeitdruck
    Fazit für mich, als Mann ist bereits, dass ich mit der Situation einer Abtreibung völlig überfordert bin. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das bei den Frauen besser ist. Da sollte doch ein Ansprechpartner, der sich mit der Thematik auskennt und einem die Aspekte und Optionen darlegen kann, eigentlich super sein. Auch die 3 Tage Bedenkzeit sind extrem sinnvoll. Ich versuche bei wichtigen Entscheidungen immer zumindest nochmal darüber zu schlafen. Von daher finde ich das Konstrukt mit dem Pflichtgespräch eigentlich sehr geschickt für alle Beteiligten.

Leider entnehme ich den Kommentaren, das dem in der Praxis nicht so ist. Von daher sollten Art und die Inhalte angepasst werden, aber ganz abschaffen halte ich nicht für sinnvoll.

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Hello, ich wollte Euch ganz herzlich für Eure Nachbereitung des Beitrags zum Thema Schwangerschaftsabbruch danken! Ich finde, Ihr habt da alles wirklich richtig gemacht!!! Sprachsensible Selbstkritik <3 und vor allem fand ich Ulfs Nachtrag zur persönlichen Vision sehr, sehr gut und wichtig! Ein generelles Nachdenken darüber, wie es in Deutschland einfacher und inklusiver sein könnte, ein Kind in die Welt zu setzen und es da gut unterstützt und betreut zu halten, wäre so viel lebensfreundlicher, konstruktiver und vor allem respektvoller dem ungeborenen Leben und dem Leben der schwangeren Person gegenüber, als es die momentane implizite Unterstellung eines leichtfertigen Umgangs mit dem Thema Schwangerschaftsabbruch ist.
Auf die Aspekte Betreuung, Bildung, Pflege, mentale und physische Gesundheit, sozio-ökonomische Situation und Diskriminierung, Klassismus etc. gehen Lebensschützer*innen meistens wenig differenziert ein. Daher war es sehr befriedigend und erleichternd, das von Euch noch einmal erwähnt zu hören. Vielen Dank dafür <3

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Danke Dir! Wir machen natürlich nicht immer alles sofort richtig, aber wir sind ehrlich daran interessiert, immer besser zu werden :wink: Daher freuen wir uns auch so über das Feedback zB hier im Lage-Talk.

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Hallo zusammen,

ich kann verstehen, dass es unangenehm ist ein Beratungsgesrpäch durchzuführen. Dennoch denke ich, dass es falsch ist, es als diskriminierend zu betrachten. Meiner Ansicht nach ist die derzeitige Rechtslage mit verpflichtender Beratung und 3-Tage-Frist ein guter Kompromiss.

Natürlich gibt es viele Menschen, die schwanger werden können, die informiert, reflektiert, bewusst und selbstbestimmt eine Entscheidung treffen können. Für diese Menschen ist die Beratung unangenehm, erschwert den Prozess und belastet zusätzlich.
Allerdings trifft das nicht auf alle Menschen zu, nicht alle Menschen sind informiert, reflektiert und selbstbestimmt in diesem Moment. Für solche Menschen ist die Beratung - wenn sie gut ist - gerade richtig und kann ihnen helfen eine solche selbstbestimmte Entscheidung zu treffen .

Ich möchte hier meine Geschichte kurz erzählen, um meinen Standpunkt zu verdeutlichen.

Ich war 19 Jahre alt und in der 13. Klasse eines Gymnasiums in Bayern, ca. 6 Monate vor meinem Abschluss als ich schwanger wurde. Erzeuger war ein 20 Jahre älterer Diakon, zu dem ich in einem Abhängigkeitsverhältnis stand. Er war verheiratet, hatte Kinder und einen Beruf in dem ein uneheliches Kind Probleme bereitet. Er wollte, dass ich abtreibe und hat über 3 Monate massiven Druck ausgeübt, mir erklärt, dass ich mit meinem Kind unter der Brücke leben müsse und vieles mehr. In meinem Umfeld wusste niemand von dem langjährigen Verhältnis mit ihm. Aus meiner Sicht damals gab es niemandem, mit dem ich hätte reden können, dem ich mich hätte anvertrauen können, denn er hatte mir all die Jahre verboten mit jemandem darüber zu sprechen - und er hatte die Macht über mich. Ich war ihm nicht gewachsen.
Ich war damals eine gebildete Person, volljährig, wirkte durchaus erwachsen und reif, kam aus einer wohlhabenden Familie - war also trotz meiner Geschichte und dem Abhängigkeitsverhältnis immer noch priviligiert.

Für mich war Abtreibung damals Mord. Ich habe es respektiert, wenn andere Menschen, andere Entscheidungen getroffen haben. Aber meine Meinung damals war, dass das Leben, das in meinem Körper heranwächst, schützenswerter ist als meines.

Ich habe es damals ohne Beratung geschafft standhaft zu bleiben. Aber ich hatte auch Momente, in denen ich dem Druck des Erzeugers fast nachgegeben und abgetrieben hätte.

Was wären die psychichen Konsequenzen für mich gewesen, wenn ich abgetrieben hätte? Ich war damals streng gläubig, ich war hart zu mir selbst.

Ich bin froh, dass ich nicht einfach zu einer Abtreibung gebracht werden konnte. Ich bin dankbar für ein System, dass mich zu einer Beratung gezwungen hätte, mir Möglichkeiten und Lösungen aufgezeigt hätte.
Wäre das unangenehm gewesen? Mit Sicherheit.
Hätte es mir zu einer selbstbestimmten Entscheidung verholfen? Das steht in den Sternen.
Aber es wäre zumindest ein Versuch gewesen.

Meine Meinung zum Thema Abtreibung hat sich geändert. Heute wäre eine Abtreibung für mich eine Option. Ich bin nicht mehr der Meinung, dass das Leben des ungeborenen Kindes mehr Wert ist als meines. Aber ich bin auch nicht der Meinung, dass es wertlos ist. Meiner Ansicht nach, müssen die betroffenen Personen jeden Fall für sich betrachten, Interessen abwägen und eine schwierige Entscheidung treffen.

Heute bin ich der Meinung, dass ich bei einer erneuten Schwangerschaft eine bewusste, informierte, selbstbestimmt Entscheidung treffen könnte - auch ohne Beratung.
Damals wäre ich es nicht gewesen. Eine gute Beratung hätte mich möglicherweise vor einem großen Fehler bewahrt.

Daher würde ich mir wüschen, dass sich der Blick auf die Beratung und die Wartezeit ändern würde. Anstatt es als Gängelung oder Diskriminierung zu betrachten, könnte man es als Schutz und Orientierungshilfe für Menschen betrachten, die diesen Schutz benötigen.
So sehe ich es zumindest heute.

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Ich schliesse mich Tracy an: Vielen herzlichen Dank für Euren Nachtrag zu diesem Thema, das tat richtig gut! Bravo und weiter so!!!
Für mich ist das hier der Beweis dafür, dass eine konstruktive und rücksichtsvolle Debattenkultur auch online sehr wohl möglich ist.

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Mit der Entscheidung, ob man sich ein Haus bauen oder kaufen will oder doch nicht, kann man sich so viel Zeit lassen, wie man will. Eine Schwangerschaft wartet nicht, bis man bereit ist, sich damit zu beschäftigen. Sie ist im Bauch der betroffenen Person und wenn sie ungewollt ist, ist es unter Umständen echt gruselig, dass da von Tag zu Tag etwas voranschreitet, was die Person nicht will. Es bedroht vielleicht ihren Job, ihre Beziehung, ihre Karriere, ihre Zukunft. Selbst im Falle einer Adoption drohen auch Komplikationen vor und während der Geburt. Es ist nicht so, dass nach der Adoption wieder alles so ist, als wäre die Person nie schwanger gewesen. Die Schwangerschaft findet ja nicht in einer Schublade zuhause statt, wo man ab und zu mal gießen und Futter reinkippen muss, sondern im Körper der Person. Der Körper verändert sich dabei, manches sogar für immer.
In dieser Situation, die die Person vermutlich als Katastrophe empfindet, auch noch zu einer Beratung gehen zu müssen, womöglich in einer anderen Stadt mit längerer Anreise, kostet Zeit, Geld und Nerven. Allein den Zeitaufwand muss die Person vielleicht auch noch rechtfertigen, z.B. dem Arbeitgeber, den Eltern oder Partner gegenüber. Je nach Region und Konfession kann das heikel sein. Bei der Beratung muss die Person dann auch noch ihre Situation schildern: Wie es zu der Schwangerschaft überhaupt gekommen ist (aka Ist die Frau schuld?), warum sie das Kind nicht will (aka Warum sie so ein böser Mensch ist?) usw.

Wer sich nicht sicher ist, sollte unbedingt die Möglichkeit haben, mit jemandem darüber zu sprechen, egal ob als Beratung oder nur, um die eigenen Gedanken und Gefühle zu sortieren. Aber wer die Schwangerschaft definitiv abbrechen will, sollte das ohne Pflichtberatung tun dürfen. Wichtiger wäre, diese Frauen nicht allein zu lassen, sondern eine Betreuung anzubieten. Das kann eine Begleitung sein, die mit zum Abtreibungstermin kommt. Oder einfach jemand, mit dem die Person später telefonieren oder chatten kann, um sich nicht so allein zu fühlen. Ein Abbruch führt nämlich auch zu hormonellen Veränderungen, die neben den Schuldgefühlen und der eventuellen Trauer, auch noch zu Gefühlschaos führen können.

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Zum Thema Pflichtberatung hab ich eine Meinung (im Gegensatz zu Abtreibungen) aber auch nur, weil ich persönlich auch noch andere Notwendigkeiten zur Pflichtberatung sehe und mir das eigentlich auch völlig anders vorstelle.
Momentan scheint es ja so zu sein, dass die Schwangere Person im Einzelgespräch „beraten“ wird und dabei auch noch ziemlich offen über ihre Beweggründe zu sprechen hat.

Ich würde meinen ein guter Kompromiss wäre eine nicht-individuelle Beratung, also mehrere Schwangere Personen und auch deren Vertrauenspersonen (Mitentscheiden) gleichzeitig die über die unterschiedlichen Optionen, Risiken und Folgen aufgeklärt werden, danach noch einen Exkurs in die unterschiedlichen Abbruchmethoden und gut ist.
Nach so einem Gespräch eine „Wartezeit“ von ein oder zwei Tagen wäre auch gut kommuniziert, weil man ja erst dann alle Möglichkeiten auf dem Tisch hat und entscheiden kann.

Einen weiteren Pflichtkursbedarf sehe ich auch bei den Personen die das Kind behalten wollen.
Hier wäre nach meiner Ansicht eine fundierte Aufklärung über die unterschiedlichen Erziehungsmethoden angebracht. Also Montessori, antiautoritär U.s.w.

Aber auch hier wieder Vorstellung der Methodik, und der Vor- und Nachteile, also nicht vorschreiben „so hast du dein Kind zu erziehen“

Das würde den werdenden Eltern eine fundierte Grundlage geben, welches Modell sie für ihr Kind verfolgen wollen.

Kurz gesagt: mehr zwangsweise Aufklärung, statt irgendeiner individuellen Beratung die sich dem Vorwurf der Beeinflussung ausgesetzt sieht.
Individuelle Beratung nur auf Wunsch der betroffenen Person.

Hi,

mein erster Kommentar, aber ich höre die Lage schon seit Jahren gerne - vielen Dank euch dafür!

Ich fand euren Beitrag zu Abtreibungen wirklich gut gelungen. Ich möchte euch aber gerne auf ein Problem mit dem von euch verwendeten Begriff „Lebensschützer“ hinweisen (ihr spracht davon, dass manche Ärzte Probleme hätten, da sie von „Lebensschützern“ verfolgt und bedrängt werden). „Lebensschützer“ ist geschicktes Framing durch Anti-Abtreibungs-Aktivisten, da dieser Begriff impliziert, die Gegenseite hätte kein Interesse am Schutze des Lebens, was natürlich unwahr ist. Direkt bevor ihr diesen Begriff verwendet habt, hattet ihr ein Interview eingespielt, in dem explizit argumentiert worden war, dass das zuvorderst schützenswerte Leben das der Mutter sei.

Hier begrifflich klar zu bleiben, halte ich für essentiell, und würde euch also in Zukunft bitten, nicht die Selbstbezeichnungen der Aktivisten zu übernehmen, sondern sie klar und neutral als das zu bezeichnen, was sie sind: Anti-Abtreibungs-Aktivisten, und keine Lebensschützer.

Solche Fälle gibt es ja viele: radikale Anti-Tierversuchs-Aktivisten, die sich „Tierschützer“ nennen, „Freiheitskämpfer“ auf den Anti-Corona-Demos…

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Das Problem ist, dass die Beratung gar nicht neutral sein darf, ist gesetzlich so vorgeschrieben… sie muss das Ziel haben, dass die Schwangerschaft nicht abgebrochen wird bzw. soll dem Schutz des ungeborenen Lebens dienen…

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Eine Beratungspflicht schließt es imo nicht ein, dass Du irgendwem Deine Lebensgeschichte erzählen musst…

NIcht pauschal jedem… Aber das ist ein anderes Thema. Diese Leute sollte nauch nicht unbedingt Eltern werden.
Ich glaube aber, dass man einigen Leuten nochmal die Optionen vor Augen führen sollte - insbesondere Adoption.

Gegenfrage: Schadet sie denn?
Bei etwas „trivialem“ wie einer Scheidung sieht der Gesetzgeber ein Jahr Bedenkzeit vor.
Was schadet es bei einer Abtreibung, wenn Schwangere da einfach nochmal drüber nachdenken? Auch hier könnte man fragen, ob man den Trennungsswilligen die Entscheidung nicht zutraut?

Denn egal ob auf persönlicher, oder politischer Ebene: Das Thema ist EXTREM emotional aufgeladen.
Und bei so emotionalen Themen, schadet es nicht, eine Sache gut überdacht zu haben.

Es geht doch nur darum, dass man die Fakten auf dem Tisch hat… Möglichkeiten, Optionen, Risiken etc.
Wenn ich dann höre, dass Abtreibungsbefürworter durch eine Beratungspflicht ihre Freiheit beschnitten fühlen, finde ich das ehrlich gesagt etwas arg weit hergeholt…
Wir leben in einer Bürokratie (was auch eine Menge Vorteile hat) man muss hier wegen jedem Fur* irgendwelche Behördentermine wahrnehmen auf die man kein Bock hat.

[quote=„Dionysius, post:7, topic:2210“]
Mir fällt es bspw. schwer, mich mit Menschen zu solidarisieren, die eine ersatzlose Streichung des 218 fordern[/quote]

Das geht mir ähnlich Und das kann ich noch weit weniger nachvollziehen. Viele Gegner schreien, das Abtreibung Mord sei, und natürlich sit das Quatsch. Aber bei einer Abschaffung von §218 wäre das imo tatsächlich der Fall.

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Es gibt die Women on Web, die helfen, Abtreibungen in Deutschland ohne formale Beratung vorzunehmen. Dafür gibt es offensichtlich Bedarf.

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Das Trennungsjahr (genauso wie das Trauerjahr) hat seinen Ursprung vermutlich darin, dass sichergestellt sein soll, dass die Ehefrau nicht von diesem Mann schwanger ist, bevor sie einen anderen heiratet. Daher kommt auch der Unterschied zwischen Annulierung und Scheidung einer Ehe. Bei ersterem wurde die Ehe nicht „vollzogen“, also kann die Frau nicht von dem Mann schwanger sein, also kann man so tun, als hätte es nie eine Hochzeit gegeben. Außerdem gilt die Frau bzw. das Fräulein dann nicht als „beschädigte Ware“, weil sie ja noch Jungfrau ist. Daran sieht man, wie veraltet das alles ist, denn zum Einen geht kaum noch jemand „jungfräulich“ in die Ehe, zum Anderen gibt es Schwangerschaftstests in jeder Apotheke zu kaufen.

Kurz gesagt: Ich stimme Dir zu, der Kram gehört ersatzlos gestrichen!

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