LdN 206 - Abschaffung § 218

Entkriminalisierung von Abtreibung - Selbstermächtigung von Schwangeren

Eure Sendung begleitet mich seit Langem durch die Wochen und nun fühle ich mich das erste Mal bemüßigt der Aufforderung nach Meinungsspenden nachzukommen.
Insbesondere durch die Aussage Ulfs „Das ersatzlose Streichen von 218 kann ja keiner wollen.“ - doch! Genau darum geht es. Dadurch das Abtreibung grundsätzlich gesetzeswidrig sind, aber streiffrei wenn Schwangere und Ärzt:innen bestimmte Voraussetzungen erfüllen, wird die Handlung als solche meiner Meinung nach stigmatisiert.
Die Einführung einer Beratungspflicht spricht den Betroffenen die Fähigkeit ab, eigenverantwortlich und rational zu Entscheiden. Viel mehr wäre ein Angebot von psychologischer Betreuung während und nach der Abbruchprozedur wünschenswert.
Auch die Aussage Abtreibung ohne zeitliche Grenze zu erlauben, sei nicht möglich oder gewollt, finde ich äußerst problematisch. Die Vorstellung Menschen würden bei solch einer Rechtslage regelmäßig Abtreibungen kurz vor Entbindungstermin durchführen lassen, schwingt mit. Das Gegenteil scheint durch Statistiken aus Ländern ohne jegliche Einschränkungen nahe zu liegen (zB Kanada lesenswerter Artikel dazu:
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Für mich persönlich bemessen sich an solchen Rechtslagen die Antworten auf Fragen wie: „Werde ich in meiner Gesellschaft als denkender und handelnde Mensch anerkennt und ermächtigt?“, „Kann ich mein Leben frei gestalten und bestimmen?“, „Leben Menschen gleichberechtigt zusammen?“ Solange schon per Gesetz Abtreibungen stigmatisiert werden und als Konsequenz daraus häufig schon nur noch mit enormen Anstrengungen, Zeitaufwand, Recherche und Wegstrecken realisierbar sind, kann die Antwort für mich nur nein heißen.
Die medizinische Versorgung von biologisch weiblichen Menschen ist schon immer schlechter gewesen und gerade im Bereich Abtreibung wird sie immer dramatischer. Techniken werden im Medizinstudium nicht erlernt, Lernplan bedingt.
„Lebensschützer“ sorgen vermehrt dafür, dass die wenigen Ärzt:innen, die fachlich überhaupt noch dazu in der Lage sind, hadern ob es für sie nervlich möglich ist, diese Behandlung anzubieten.
Die grundsätzliche Kriminalisierung durch Paragraf 218 StGB gehört abgeschafft. Als Zeichen unserer Gesellschaft, dass auch Gebärfähige denkende und fühlende Menschen sind, die sich nicht leichtfertig und unreflektiert zu Abtreibungparties treffen werden oder Schwangerschaften im siebten Monat beenden, weil der Babybauch im neuen Sommerkleid ja doch nicht so süß aussieht wie gedacht.

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Danke für den Kommentar.

Ich hätte eine Nachfrage: Welche Form der Regulierung von Abtreibungen wäre aus deiner Sicht denn mit der Anerkennung von biologisch weiblichen Menschen als denkende, selbstbestimmte und gleichberechtigte Menschen vereinbar?

3Dabei muß der Frau bewußt sein, daß das Ungeborene in jedem Stadium der Schwangerschaft auch ihr gegenüber ein eigenes Recht auf Leben hat und daß deshalb nach der Rechtsordnung ein Schwangerschaftsabbruch nur in Ausnahmesituationen in Betracht kommen kann, wenn der Frau durch das Austragen des Kindes eine Belastung erwächst, die so schwer und außergewöhnlich ist, daß sie die zumutbare Opfergrenze übersteigt. 4Die Beratung soll durch Rat und Hilfe dazu beitragen, die in Zusammenhang mit der Schwangerschaft bestehende Konfliktlage zu bewältigen und einer Notlage abzuhelfen. 5Das Nähere regelt das Schwangerschaftskonfliktgesetz.

Laut diesem Auszug ist dies was im kommentar gefordert wird gesetzlich verankert. Beratung und psychologische Hilfe.
Nach mein Wissensstand wird Menschen mit der Erwartung ein Kind mit Einschränkung bis zu Lebensunfähigkeit das Recht gegeben bis kurz vor der Geburt anzutreiben oder die Geburt einzuleiten wie immer man es auch nennen kann.
Ich lese aus dem Gesetz so wie dem Kommentar die Schwierigkeit heraus. Kinderrechte, Recht des ungeboren und das Recht auf selbst Bestimmung der Frau auf einen gemeinsamen gültigen Zeitpunkt zu bringen. Ich glaube die Schwierigkeit ergibt sich aus der Biologie. Deswegen konnte ich mich auch nie für einen Seite entscheiden obwohl ich schon a. schwanger war und b. Über Abtreibung mich beraten lassen habe. Ich empfand es auch nicht als Stigma. Wer abtreiben will bekommt den Zettel selbst vom katholischen Beratungsdienst in dem Frauen sitzen. Nach gutem Recht. Trotzdem sehr auch zbsp in anderen Ländern große Problem für Menschen die ein Kind empfangen müssen ohne Beachtung ihres Opfers und der daraus resultierenden möglichen Kinds wohl gefährdung.
Hier in Deutschland wird eine Anonyme Geburt plus sofortige Adoption angeboten.
Meine Meinung ist bis jetzt das der Paragraph verbessert werden kann in dem er zbsp die Beratung von Menschen die ein Kind erwarten das zbsp Down-Syndrom, also generell lebensfähig sind, mit lebensunfähigen Kindern. Diese werden beiden der Abbruch bis kurz vor der Geburt ermöglicht. Und leider läuft diese Beratung nicht Diskriminierung frei für das Kind. Oder das der Staat es als Aufgabe hat konsequent unkonventionelle beratungs.angebote zu Finanzieren. Den was die Kirche da in diesem Bereich noch macht ist mit ihrer Biblischen Haltung und Geschichte ( Bezug auf Frauen) nicht zurechtfertigen. Verbesserung sehr ich aber die Abschaffung des Paragraphen wäre auch die Abschaffung von Schutz und der Möglichkeit finanziell unabhängig Beratung zu erhalten.
Nicol

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Wir hatten in Deutschland schon mal eine gute Regelung zum 218: In der DDR seit 1972.Also Fristregelung ohne Beratung - in den ersten zwölf Wochen ist eine Abtreibung erlaubt. Man lese die Prääambel zum Gesetz.

Das mit Artikel 1.1 des Grundgesetzes zu vereinbaren, wird vermutlich schwierig.

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Mord und Totschlag sind auch Straftaten. Die Menschen bringen sich nicht regelmäßig um und würden damit auch nicht plötzlich anfangen, wenn Mord und Totschlag nicht mehr unter Strafe stünden.

Meiner Ansicht nach wäre es absurd eine Abtreibung (ohne gesundheitliche Veranlassung), die kurz vor dem Geburtstermin stattfindet, nicht zu bestrafen. Denn was für einen Unterschied macht es ob ich ein selbständig lebensfähiges Kind im Bauch abtöte (bei ersatzloser Streichung des 218 straffrei) oder ob ich die Geburt zwei Tage später abwarte und es dann töte (Freiheitsstrafe mindestens 5 Jahre, bei minder schwerem Fall mindestens ein Jahr)? Klar ist das ein extrem konstruierter Fall, der so hoffentlich nur sehr selten bis gar nicht vorkommt. Allerdings kann nur bestraft werden, wenn die Tat vor Begehung der Tat im Gesetz mit Strafe bedroht ist. Deshalb muss das Strefrecht auch für seltene Fälle Vorsorge schaffen, damit keine Gerechtigkeitslücken entstehen.

Der 218 stellt auch solche Fälle unter Strafe, in denen der Partner eine hochschwangere Frau von der Treppe stürzt um das Kind zu töten. Gäbe es den Paragraphen nicht, wäre nur die Körperverbindung an der Frau strafbar.

Vielen Dank für den Beitrag!

Ich würde Loona dahingehend zustimmen, dass die derzeitige Rechtssituation Abtreibungen stigmatisiert und die Implikation „Schwangere würden bis einen Tag vor der Geburt abtreiben“ schwingt in Aussagen über zeitliche Grenzen mit. Auch wenn ich der Meinung bin, dass eine zeitliche Grenze sinnvoll ist, sollte m. E. dieser Umstand beachtet werden.
Vor allem, weil - und an dieser Stelle würde ich euch arg widersprechen, dass Abtreibung als Thema vor allem andere wichtige Themen verdrängt - die rechtliche Lage bei Abtreibungen auch immer als Indikator für Gleichberechtigung und die Stellung von Frauen in der Gesellschaft gesehen werden muss. Die Diskussion über Abtreibung fällt damit in den Themenkreis eines antifeministischen Backclash, Frauenfeindlichkeit in rechten Gruppierungen und scheint mir damit ein Thema zu sein, das gerade eben nicht unter den Tisch fallen sollte.

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Hey zusammen. Mir ging es tatsächlich ähnlich: Ich liebe den Podcast heiß und innig aber bei diesem Thema hatte ich auch ein Problem.

Zur Abschaffung von 218: Ich finde ebenfalls, dass es stigmatisierend ist, wenn eine Handlung grundsätzlich illegal ist auch wenn sie straffrei bleibt. Allerdings ist mein Eindruck, dass die Probleme, auf die man in Deutschland trifft, nur bedingt mit der tatsächlichen Rechtslage zu tun haben.

Zur Beratung: Die Idee psychologischer Betreuung finde ich super - insbesondere wegen potentiell ablehnender Reaktionen des sozialen Umfelds. Die vorherige Beratung sollte optional sein. Es gibt eine Menge Frauen, denen in diesem Gesprächen die Schönheiten der Mutterschaft etc nahegelegt werden. Zwar sollte das nicht Ziel dieser Gespräche sein und offiziell auch nicht so angedacht, es passiert aber trotzdem häufig. Die Beschreibung von Kinderlachen ist für ungewollt Schwangere näher an einem Horrorfilm und ziemliches Guilt-Tripping. Trotzdem sollte es die Mögllichkeit zur Beratung geben, da es nach wie vor eine Menge Frauen und Mädchen gibt, die zu solchen Entscheidungen gedrängt werden und denen mit einem Perspektivwechsel und einer Familienberatung geholfen werden kann. Mein Eindruck ist aber, dass die zugrundeliegende Idee der Beratungspflicht von einem traditionellen Rollenbild herrührt, in dem einer bewusst kinderlosen Frau eine gewisse fehlerhaftigkeit unterstellt wird, von der man sie nur noch überzeugen muss. Wenn ich kein Kind will, weiß ich das. Wenn ich es möchte und es mir nicht leisten kann (sei es zeitlich oder finanziell), kann ich mich beraten lassen.

Mein größtes Problem liegt jedoch bei der etwas willkürlichen Festlegung der Abläufe. Zur Erklärung: Um eine Bescheinigung des Frauenarztes zu bekommen, mit der man sich für eine Beratung „qualifiziert“, muss der Fötus auf dem Utraschall sichtbar sein. Dies ist frühestens in der 6sten Woche der Fall. Je nach Terminplan der Beratungsstelle kann sich das Gespräch schon einmal um ein bis zwei Wochen verschieben. Bis man dann noch einen Arzt mit freiem Termin gefunden hat, der sowas überhaupt durchführt, kommt man schnell an die Deadline für die medikamentöse Abtreibung. Erkennt man die Schwangerschaft später wird es zeitlich noch enger und es muss operiert werden.

Das Beibehalten der Frist (wenn man auch über eine Verschiebung diskutieren kann) ist natürlich einerseits im Interesse des heranwachsenden Lebens aber auch im Interesse der Mutter, da die körperliche Belastung mit fortschreitender Schwangerschaft und der später erfolgende Abbruch erhöhte medizinische Risiken birgt. Allerdings gibt es einige Mediziner die sich für eine Verlängerung bis zum 5. Monat aussprechen.

Mögliche Lösungen: !Disclaimer! Ich bin weder Juristin noch Ärztin, habe aber dazu einige derselben dazu befragt.
→ Medikamentöse Abtreibung auch nach der Feststellung der Schwangerschaft via Bluttest
→ weitere Lockerung der Informationsmöglichkeiten für Ärzte
→ Legalisierung von Abtreibungen bis zum Ablauf der Frist. Also de facto und de jure legal, nicht nur straffrei. Es geht um das label „strafbar“.
→ Rückstufung der Beratungspflicht auf eine optionale Beratung
→ eventuelle Verlängerung der Frist
(–> Aufnahme in die medizinische Ausbildung, aber das sprengt hier den logistischen Rahmen)

==> Es gilt die Hürden im Ablauf zu verringern. Der rechliche Rahmen hat in meinen Augen eher Schönheitsfehler als signifikante Mängel.

Strömungen in der Gesellschaft lassen sich so nicht bekämpfen, aber der Rückbau von Hindernissen innerhalb der Frist kann schon helfen, die traumatische Erfahrung einer ungewollten Schwangerschaft anzuerkennen. Das Thema ist extrem komplex und ich stimme total damit überein, dass man es nicht zu einem „hill to die on“ in der politischen Debatte machen sollte. Mich ärgert nur, dass die extreme emotionale, physische und soziale Belastung von ungewollt Schwangeren in ihrem Stellenwert mit den religösen/moralischen Vorstellungen anderer gleichgesetzt wird. Mutterschaft wird als der „natürliche“ Weg dargestellt. Wenn aber man diesen Prozess durchlaufen muss, bekommt man schnell den Eindruck, als Frau ohne Kinderwunsch nicht ernstgenommen zu werden und sich immer wieder verteidigen und rechtfertigen zu müssen.

Macht weiter mir der guten Arbeit. Und btw, man merkt euch an, dass ihr es gut meint und euch wirklich Mühe gebt, andere Positionen zu verstehen und zu beleuchten. In diesem Fall hat vielleicht doch das ein oder andere zusätzliche X-Chromosom gefehlt, das macht euch aber nicht weniger zu Allies :v:

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Ich würd hier gern noch eine andere Perspektive reinbringen. Die Abtreibungsdiksussion ist so furchtbar aufgeladen - in anderen Bereichen passiert ähnliches und es gibt quasi keine Diskussion. Warum ist das so:

Solange „Abtreibung“ unter „Male-Guidance“ und innerhalb traditioneller Geschlechtermodelle durchgeführt ist, wird das Thema nämlich quasi nicht diskutiert. Googlet mal, wie künstliche Befruchtungen funktionieren bzw. bis vor wenigen Jahren noch funktionierten. Hier wurden der Frau bis zu drei Embryonen eingesetzt und dann, wenn wirklich alle 3 sich eingenistet hatten, 1-2 dieser drei Embryonen „vereinzelt“ (Reduktion im Fachjargon). Darüber gibt es ÜBERHAUPT keine Diskussion. Meiner Meinung - und auch nach Meinung einiger Historikerinnen - hat dies damit zu tun, dass die Reduktion innerhalb der Ehe stattfindet und damit unter Male-Guidance (bis vor kurzem wurde künstliche Befruchtungen nur bei verheirateten Paaren von der Kasse gezahlt, bis heute machen viele Ärzte dies nur bei heterosexuellen, verheirateten Paaren). Bei Abtreibung geht es aber um die sexuelle Selbstbestimmung der Frau. Daher: Wenn Reduktion straffrei ist, muss Abtreibung es auch sein.

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Ich finde die aktuelle Regelung okay-ish…

  1. Wenn sie gut ist(!) kann die nach den Bedürfnissen der schwangeren Person abgestimmte Beratung dabei helfen, abzuklopfen, ob es doch zu stemmen wäre, das Kind zu kriegen, Ängste zu klären oder über die Reaktion des Umfelds zu sprechen. Ich höre immer wieder von Menschen, die im sozialen Bereich arbeiten, dass es schwer ist, diejenigen zu erreichen, die ein Angebot am dringendsten bräuchten. Die Pflichtberatung macht, dass es erst mal bei allen ankommt. Leider ist die Beratung nicht immer gut und schon gar nicht immer unbefangen, aber das hat ja erst mal nichts mit dem Gesetz zu tun.
  2. Die drei Tage Wartezeit empfinde ich als bevormundend, aber tolerierbar.
  3. Bei sehr späten Abtreibungen habe ich selber irgendwie moralisches Bauchweh. Aber da ich eine junge Frau bin, die entschieden pro-choice ist – also quasi die Zielgruppe – ist das vielleicht auch ein Indiz dafür, dass die meisten von uns auch ohne „Deadline“ nicht einfach losziehen und aus einer Laune heraus die Schwangerschaft im 7. Monat beenden würden?

Ich hab eher ein Meta-Problem mit der ganze Sache… Stellen wir uns mal kurz vor, in welcher Situation eine ungewollt schwangere Person ist. Sie steht enorm unter Druck und muss irgendwie ihre Werte und die der Gesellschaft und ihres sozialen Umfelds navigieren und eine Entscheidung für ihr eigenes und ein potenzielles weiteres Leben treffen. Und dann sagt ihr das Gesetz „Du tust hier übrigens etwas Böses, weil wir mal beschlossen haben, dass das böse ist (‚wir‘ in dem Fall wohl vorwiegend Männer) und in unserer großen Gnade bestrafen wir dich nicht, aber eigentlich bist du damit irgendwie auch böse.“ Das macht den Druck bestimmt nicht kleiner, abgesehen davon, dass es Frauen als unmündig und nicht fähig, eigenständig moralische Entscheidungen zu treffen darstellt, was ich sehr vorgestrig finde.
Sorry, ein bisschen wiederholt Teil zwei das, was Loona gesagt hat, aber ich hatte es schon vor dem Lesen so sorgfältig formuliert, also wollte ich es jetzt auch loswerden :wink:

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Meiner Meinung nach ist die momentane Kompromisslösung, keine, mit der ich als Frau gut leben kann.
Das Problem ist für mich, dass der Staat sich mit der prinzipiellen Kriminalisierung von Abtreibungen anmaßt, in das persönliche Leben und die persönliche Entscheidung der Frauen einzumischen und moralische Maßstäbe in einem Feld zu setzen, in der der Staat meiner Meinung nach nichts zu suchen hat. Ob eine einzelne Frau sich entscheidet eine Schwangerschaft auszutragen oder nicht, ist kein Thema nationaler, staatlicher oder gesellschaftlicher Bedeutung. Betroffen davon sind die Frau und im Höchstfall ihre Familie/Partner. Niemand anderes sollte da ein Mitspracherecht haben oder versuchen, Maßstäbe zu setzen. Das geht Staat und Allgemeinheit einfach nichts an.
Frauen sind mündige Bürger, die ihre Entscheidungen durchaus frei von staatlicher/gesellschaftlicher Moralvorstellung treffen können.
Für mich steht das Selbstbestimmungsrecht der Frau über ihren Körper und ihr Leben höher als der absolute Schutz des ungeborenen Lebens ab der Befruchtung der Eizelle.
Da Frauen mündige Wesen sind, ist ihnen allerdings auch zuzutrauen, sich nach einer ausreichenden, medizinischen, wertfreien und verfügbaren Information innerhalb einer bestimmten Frist (ich persönlich bin einverstanden mit der 12 Wochen Regelung) darüber klar zu werden, was sie möchten. Ihnen die Pflicht aufzuerlegen, sich vor Abbruch beraten zu lassen (unter den oben genannten Bedingungen) unterstütze ich. Es handelt sich um einen schwerwiegenden medizinischen Eingriff und vor anderen solchen medizinischen Eingriffen erfolgt auch eine Beratung, damit der Patient weiß, was genau vorgeht und mit welchen Konsequenzen. Ist diese Frist verstrichen und die Frau hat sich nicht für einen Abbruch entschieden, der ihr in meiner Vorstellung frei stehen würde ohne als kriminell oder verwerflich zu gelten, kann davon ausgegangen werden, dass von diesem Zeitpunkt an die Schwangere ihre Chance hatte und ab da das Kind geschützt werden sollte, auch vor der Mutter. Ich finde, wenn die Frauen sich dazu entscheiden können, frei und ohne Druck, und es dennoch nicht in einer bestimmten, wochenlangen Frist tun, dann kann nicht unendlich das Leben des Kindes in Frage stehen. Nach dem Prinzip: wer sich frei entscheiden konnte und sich nicht dagegen entschieden hat, hat sich dafür entschieden. Aber dafür müssten Frauen ja erstmal frei entscheiden können und das geht meiner Meinung nicht, wenn der Staat durch eine prinzipielle Kriminalisierung und tatsächlich mangelhafter Versorgung Druck ausübt.
Ich bin auch dafür, das Krankenkassen die Kosten übernehmen sollten. Natürlich kenne ich das Argument, dass wer kein Kind will, verhüten soll und die Allgemeinheit nicht die Kosten für persönliche Unachtsamkeit oder Risikobereitschaft tragen sollte. Nach diesem Argument sollte dann aber auch kein kettenrauchender Lungenkrebspatient mehr finanziert werden, oder, um ein weniger provokatives Beispiel zu nehmen, keine Verletzungen, die durch Risikosportarten verursacht werden.

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Ich finde es merkwürdig, eine Debatte wegen möglicher Diskussionen, die sie auslöst nicht anzustrengen. Hab ihr bereits kein Vertrauen mehr in unsere Gesellschaft?

Grundsätzlich ist es doch mehr als normal mit maximalen Forderungen eine Debatte zu starten und im guten demokratischen Diskurs, Stichwort: Kompromiss, kommt man dann zu einem weit tragfähigem Ergebnis.

Auf den Fall: Man startet mit der Forderung, einer Abschaffung von 218 StGB und landet bei einer verbesserten Finanzierung, Informationen und Beratung. Wenn man gleich nur mit der Forderung nach besserer Beratung startet, bekommt man vielleicht nicht mal Aufmerksamkeit…

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Wie ich erst jetzt sehe schätzt beispielsweise Katrin Göring-Eckardt das taktisch ebenso ein:

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Um noch ein Beispiel zu bringen. Paare, die sich für künstliche Befruchtung entscheiden, habe auch keine Beratungspflicht, obwohl bei dem Prozess auch Embryonen getötet werden. (siehe mein Kommentar unten). Ich bin da, was die Beratungspflicht angeht, daher sehr bei Dir.

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Liebe Menschen, die jeden Freitag in meinem Ohr sitzen. Ich höre euch gern zu, beim beurteilen, räuspern und was ihr sonst so treibt. Zum Thema Abtreibung habe ich jedoch eine andere Meinung. Zunächst mal alles, was schief läuft:

(i) Im Medizinstudium kommt der Schwangerschaftsabbruch so gut wie nicht vor. Die Gruppe Medical Students for Choice bietet „Papaya-Workshops" an. Dieses selbstorganisierte Fortbildungsangebot sollte es gar nicht erst brauchen. (ii) Das Gesundheitswesen ist in diesem Fall katastrophal! Die Verfügbarkeit nimmt immer mehr ab. Der Druck auf Ärzt*innen steigt zudem, wenn sie plötzlich als einzige in ihrer Region Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Es fehlt schlicht der politische Wille, Frauen, die ungewollt schwanger sind reibungslos ihre Entscheidung zu ermöglichen.(iii) Dass die Krankenkasse Abbrüche nicht übernimmt ist ein Problem. Ich als Studentin könnte es mir ad hoc nicht leisten. (iv) Die Gesetzeslage ist derart paternalistisch, dass Abtreibungen immer noch nicht als selbstverständlich gelten können. Dazu zählt das Informationsverbot und die Beratungsvorschrift. Eine Fristenlösung empfinde ich auch als die beste Option. (v) Ihr sagt, ihr wollt das Thema nicht „emotionalisieren“, guess what! Es ist gerade für Menschen mit Uterus sehr intim und gleichzeitig Ausdruck einer langen Historie der Unterdrückung. 2019 schreib Mithu Sanyal darüber, dass Jens Spahn fünf Millionen Euro in eine Studie zum „Post-Abortion-Syndrom" gesteckt hat - mehr als in jeden anderen Forschungsauftrag seines Ministerium verglichen mit den zehn Jahren zuvor. Es handelt sich dabei um ein Krankheitsbild, das es laut WHO nicht gibt. Zudem gibt es bereits eine Langzeitstudie (M. Antonia Biggs, Ushma D. Updhyay, Charles E. McCulloch), die belegt dass im Gegenteil die Verweigerung von Abtreibung negative psychische Folgen hat. Aber - laut Mithu Saynal - geht es gar nicht um die Studie selbst, sondern um Politik - So lange man Abtreibung und Trauma oft genug im gleichen Satz sagt, ist bereits Politik gemacht. Es ist eine ähnlich Rhetorik, wenn Jens Spahn mahnt, die Pille danach sei kein Smartie. Danke, Papa! Würden Männer schwanger werden, hätten wir ganz andere Narrative und Gesetzeslagen im Umlauf. Ich möchte auch nicht aus taktischen Gründen eine deart basic-gesundheitliche Lage ruhen lassen - sondern selbstbestimmt entscheiden, wann ich für ein Kind bereit bin, das ist für mich kein nice-to-have, oder irgendeine feministisches Schrulle. Natürlich ist Aufkärung, Verhütung usw. wichtig und sollte flächendeckend kommuniziert werden, aber das versteht sich hoffentlich von selbst. Ein einfacher Paragraph, dass Abtreibungen nach einem bestimmten Monat nicht mehr legal sind, reicht aus.

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P.S. Natürlich gibt es eine Abwägung zwischen den Rechtsgütern, aber dies scheint mir ein vorgeschobener patriarchaler Grund zu sein. Hier ein berühmtes Gedankenspiel aus der Philosophie: Das Argument des bewußtlosen Geigers (Judith Jarvis Thomson) - WissensWert

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Schwangerschaft ist ja nur die Spitze des Eisberges

Für Menschen mit Gebärmutter ist das Thema „Schwangerschaft: ja oder nein?“ mit der Geburt ja nicht erledigt und wer den Menschen mit Gebärmutter da reingrätscht muss das ganze Bild betrachten: knappe Krippenplätze und Kitaplätze, Gender-Pay-Gap (20% und mehr, je nach Branche, wie lange müssen wir alle uns das eigentlich noch bieten lassen?), fehlendes bzw. disfunktionales Gesetz zur Gehaltstransparenz, fehlende Reform des Steuerrechts (nämlich Einzelveranlagung statt Herdprämie in Form von Ehegattensplitting), und und und…

Menschen mit Gebärmutter sehen sich auch ohne Kinder ab dem Eintritt in das Berufsleben mit massiven Benachteiligungen konfrontiert. Ein Kind kommt dann on top hinzu und wer da mitreden will, sollte mE das ganze Bild betrachten, das ist sehr sehr !!! stark eine Frage des Respektes den Menschen mit Gebärmutter gegenüber. Sich auf den Part Schwangerschaft zu beschränken hat zwar leider Tradition ABER diese Tradition gilt es neu zu rahmen und dazu kann und sollte die Lage beitragen:

Das ihr euch als zwei Menschen ohne Gebärmutter dieses Themas annehmt ist an sich ok aber doch nicht alleine! Es wäre wünschenswert, diesen Themenkomplex mit Menschen mit Gebärmutter und seiner Tragweite angemessen anzupacken. Der Ansatz, „ich bin zwar nicht betroffen, kenne aber eine die eine kennt, die …“ und dann vom Micro aufs Macro zu folgern, das könnt ihr besser!

Zahlenmaterial und Infos gibts z. B. bei: UNWomen (Instagram), TTT-Sendungen, z. B. 13.09. zu Frauenhass im Netz, 20.20. zum Gender Pay Gap in der Kunst, Side by Side-Studie von MartinaLackner.com und und und….

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Ich finde es merkwürdig, eine Debatte wegen möglicher Diskussionen, die sie auslöst nicht anzustrengen. Hab ihr bereits kein Vertrauen mehr in unsere Gesellschaft?

Wir haben ja genau begründet, warum wir diese Debatte so sehr fürchten … die politische Landschaft in der USA ist zum Gruseln, und ein Grund dafür ist die von en Republikanern Anfang der 80er losgetretene Abtreibungsdebatte.

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Hey Biggi,

Für Menschen mit Gebärmutter ist das Thema „Schwangerschaft: ja oder nein?“ mit der Geburt ja nicht erledigt und wer den Menschen mit Gebärmutter da reingrätscht muss das ganze Bild betrachten

du wirfst eine Vielzahl spannender Fragen auf, und mit vielen davon beschäftige ich mich bei der GFF ja quasi jeden Tag. Für mich persönlich kann ich sagen, dass eines meiner Motive bei der Gründung der GFF war, der feministischen Bewegung in D mehr „Biss“ zu geben, indem wir feministische Kämpfe vor Gericht bringen, und zwar so professionell wie möglich. Das klappt ja bisher auch ziemlich gut, siehe unsere beiden Siege in den Fällen „Ausfischen“ (Diskriminierung durch private Vereine) und „Gender Pay Gap beim ZDF“. Konkret zum Thema Abtreibungen haben wir Kristina Hähnel in ihrem Strafverfahren unterstützt und eine Anlaufstelle für Ärzt*innen ins Leben gerufen, die von „Lebensschützern“ mit Strafanzeigen überzogen werden.

That said: Was hat das mit der Diskussion hier zu tun? Es geht ja hier nicht darum, ob Abtreibungen zulässig sind oder nicht. Jede Frau, die in D abtreiben will, kann das mindestens bis zur 12. Woche tun, ohne dass sie dafür sanktioniert wird.

Es geht darum, ob man allein wegen der weitgehend symbolischen Abschaffung des § 218 StGB nochmals einen gesellschaftlichen Großkonflikt vom Zaun brechen oder lieber konkret die Situation schwangerer Menschen verbessern sollte.

Meine persönliche Position habe ich ja deutlich gemacht: Ich teile die Ansicht von Anke Domscheid-Berg - Fristenlösung ohne Fußangeln. Ich grusele mich nur vor einer neuen Debatte um diese Frage.

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Ich - glühender Fan und Promoterin der LDN - war beim Hören etwas enttäuscht, dass ihr ein solch vielschichtiges, kontroverses Thema wie 218a/219 so oberflächlich behandelt habt, es euch aber nicht davon abgehalten hat konkrete Lösungsansätze zu nennen (à la die Lösung kann nicht die Löschung von 218a sein, bzw. die Lösung sind mehr Angebote). Ihr seid so grandios darin Sachen in ihrer Komplexität die eine Zwiebel Schicht für Schicht aufzubrechen - warum nicht hier so?

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Auch meinerseits herzlichen Dank für diesen Kommentar - Loona und einige der darunter Kommentierenden sprechen mir aus dem Herzen. Auch mein Gefühl wurde immer mulmiger, als ich dem Beitrag zur Abtreibungsdebatte zuhörte.

Das Wichtigste wurde in dieser Kommentarspalte bereits gesagt (Stigmatisierung durch Gesetzeswidrigkeit, Verunsicherung von Ärzt/innen, Entmündigung der betroffenen Frauen, Nichtbehandlung des Themas im Medizinstudium…) Ich möchte noch hinzufügen, dass sich ein Blick über die DE Grenzen ins benachbarte Europa durchaus lohnt bei diesem Thema. Mehrere europäische Länder praktizieren seit langem eine Fristenregelung und dies nicht nur im bei frauenrechtlichen Themen allgemein eher fortschrittlichen Skandinavien. Insbesondere ein Blick in die Niederlande lohnt sich. Aber auch bspw in Frankreich oder der Schweiz (unter anderen) gilt eine Fristenregelung. Die Progressivität gerade in Skanidnavien oder den Niederlanden hat aber nicht etwa zu einer grösseren Stigmatisierung der Betroffenen oder zu noch gehässigeren Diskussionen geführt - im Gegenteil.

Und zum Schluss: Gerade weil die Debatte heiss geführt wird und die Abtreibungsgegner/innen immer lautstarker auftreten, ist es extrem wichtig, dass sich Vertreter/innen des Grundrechts deutlich und klar für den Respekt und die Förderung der Frauenrechte in allen Bereichen aussprechen. Die Forderungen für die Einhaltung von Rechten zu verwässern, aus Angst vor der potenziellen Reaktion der Gegenseite, spielt letzteren genau in die Hände.

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